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ArbG München, Urteil vom 04.06.2012, 3 Ca 9945/11
Schlagworte: | Spätehenklausel, Gleichbehandlung | |
Gericht: | Arbeitsgericht München | |
Aktenzeichen: | 3 Ca 9945/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 04.06.2012 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
3 Ca 9945/11
Verkündet am: 04.06.2012
Ihle
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Arbeitsgericht München
Im Namen des Volkes
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
A.
A-Straße, A-Stadt
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte H., K-Straße, E-Stadt
gegen
Firma D.
D-Straße, D-Stadt
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte
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hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2012 durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. Schmiedl sowie die ehrenamtlichen Richter Buxeder und Schalk
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 26.045,64 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung um die Wirksamkeit einer sog. Späteheklausel.
Der Ehemann der Witwenpension begehrenden Klägerin war ab 01.12.1989 aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 22.08.1989 als Hauptabteilungsleiter bei der damals unter S. GmbH firmierenden Beklagten beschäftigt.
§ 4 des Arbeitsvertrags enthält unter der Überschrift „Nebenleistungen“ folgende Vereinbarung:
„Bei der S. GmbH existiert ein Pensionsplan, der zurzeit überarbeitet wird. Wir sichern Ihnen zu, dass Sie durch den neuen Plan nicht schlechter gestellt werden, als die Mitarbeiter unserer Muttergesellschaft, der L. AG.“
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Der Kläger hat die Versorgungsordnung der Beklagten vom 01.07.1982 (Bl. 30 ff. d.A.) zur Vorlage gebracht. Nach Ziffer VIII. 1. ist Voraussetzung für den Bezug von Witwenrente u.a., dass der Mitarbeiter die Ehe vor Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat und dass bereits am 1. Mai vor seinem Tode die Ehe mindestens ein Jahr bestanden hat.
Die Klägerin hat weiterhin eine Pensionsordnung der L. AG vom 01.10.1989 (Bl. 55 ff. d.A.) zur Vorlage gebracht. Nach deren § 4 Ziff. 2. ist Voraussetzung für die Witwenpension u.a., dass die Ehe vor Beginn der Alterspension des Mitarbeiters geschlossen wurde. Ist der Ehepartner mehr als 15 Jahre jünger als der Mitarbeiter, so wird die Witwenpension gekürzt.
Die Beklagte und der Ehemann der Klägerin haben unter dem Datum 14.08.2008 einen Vertrag über Altersteilzeit, beginnend ab 01.07.2008 geschlossen. Dieser Altersteilzeitvertrag enthält in § 14 Abs. 2 die Regelung, dass die übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages Bestand haben, soweit der Altersteilzeitvertrag keine abweichenden Regelungen vorsieht.
Der Ehemann der Klägerin und die Klägerin heirateten am 08.08.2008 – unstreitig nach dem 60. Lebensjahr des Klägers.
Der Ehemann der Klägerin verstarb am 14.12.2010 in der Freistellungsphase seiner Altersteilzeit.
Mit Schreiben vom 04.01.2011 (Bl. 26 d.A.) wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sie „bis zum Beginn der Firmen-Witwenrente ab 01.03.2011“ eine Hinterbliebenenzahlung bekomme und sie zur Abrechnung bestimmte Unterlagen vorlegen müsse. Mit Schreiben vom 06.05.2011 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für eine Firmen-Witwenpension nicht erfüllt sind.
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Nach einer Berechnung der Beklagten würde die Witwenrente der Klägerin – sofern ein Rechtsanspruch bestünde – monatlich € 723,49 betragen (s. zur Berechnung Bl. 106 d.A.).
Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie habe Anspruch auf eine monatliche Witwenpension in Höhe der von der Beklagten mitgeteilten € 723,49 monatlich. Dieser Anspruch ergebe sich bereits aus § 4 des Arbeitsvertrags des Ehemanns der Klägerin. Diese Klausel beinhalte die Zusicherung, dass Mitarbeiter der Beklagten nicht schlechter gestellt würden als durch die Versorgungsordnung der Muttergesellschaft. Dieses Verbot der Schlechterstellung sei auch unabhängig von einer Veränderung der einschlägigen Pensionsordnung (s. dazu im Einzelnen Bl. 101 d.A.). Zu Beginn des Arbeitsvertrags hätte die Versorgungsordnung im L.-Konzern auf die Pensionsordnung der L. AG als Mindeststandard angepasst werden sollen. Diesbezüglich habe auch eine Regelungsabrede mit den Betriebsräten bestanden (s. dazu Bl. 102 d.A.). Weiterhin sei auch im Schreiben seitens des Konzerns der Beklagten vom 04.01.2011 eine verbindliche Zusage zu sehen. Weiterhin ergebe sich der Anspruch der Klägerin aus einer Gleichstellung mit Mitarbeitern der L. AG. Ferner liege ein Verstoß gegen die Art. 3 und 6 GG sowie gegen das AGG vor.
Die Klägerin beantragt daher zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Monate März 2011 bis April 2012 eine Witwenrente (Witwenpension) von monatlich € 723,49 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 723,49 seit dem jeweiligen 1. des Folgemonats zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 01.05.2012 lebenslang zum Ende jeden Monats eine monatliche Witwenrente (Witwenpension) in Höhe von monatlich € 723,49 zu bezahlen.
3. Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung (betriebliche Witwenrente) nach der Versorgungsordnung der S. GmbH vom November 1982 (unter Berücksichtigung des Nachtrags vom
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15.09.1986 und unter Nichtberücksichtigung des Anspruchsausschlusses gemäß Ziffer VII, 1) kalendermonatlich derzeit in Höhe von € 723,49 – beginnend mit dem 01.03.2011 – zu zahlen hat.
4. Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass der Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung (betriebliche Witwenrente) nach der Linde-Pensionsordnung vom 1. Oktober 1989 ab 21.März 2011 ein Leben lang zusteht.
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
Nach Auffassung der Beklagten hat die Klägerin keinen Anspruch auf Witwenpension. Nicht zutreffend sei, dass der Arbeitsvertrag die Zusicherung enthalte, dass der Ehemann der Klägerin nicht schlechter behandelt werden dürfe, als die Versorgungsordnung der Muttergesellschaft dies vorsehe. Der Versorgungsplan der Beklagten sei niemals überarbeitet worden und habe noch in seiner alten Fassung Geltung. Es habe im Arbeitsvertrag nur sichergestellt werden sollen, dass durch die Überarbeitung des Plans die Mitarbeiter nicht schlechter gestellt würden als bei Anwendung des Plans der Muttergesellschaft. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da es sich bei der Beklagten und der L. AG um zwei Rechtspersönlichkeiten handeln würde. Außerdem würde die Versorgungsordnung der Beklagten weder gegen das Grundgesetz noch gegen das AGG verstoßen.
Zum Vorbringen der Parteien wird im Übrigen auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a i.V.m. § 3 ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht München ist zur Entscheidung des Rechtsstreits nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 ZPO örtlich zuständig.
II.
Die Klage erwies sich als unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenpension, da die Eheschließung mit ihrem Ehemann nach dem 60. Lebensjahr des Ehemanns erfolgte und diese sog. Späteheklausel weder gegen höherrangiges Recht verstößt noch diese vertraglich abbedungen war.
1. Die Notwendigkeit der Einhaltung der sog. Späteheklausel nach Ziffer VII. 1. der
Versorgungsordnung der Beklagten aus dem Jahr 1982 ist nicht vertraglich abbedungen.a) Die Späteheklausel – die unstreitig im Hinblick auf die Eheschließung der Klägerin mit ihrem Ehemann nach dessen 60. Lebensjahr nicht eingehalten wurde – war nicht im Hinblick auf Ziffer 4 a des Arbeitsvertrags des Ehemanns der Klägerin vom 22.08.1989 unbeachtlich.
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Nach dieser Regelung wurde dem Ehemann der Klägerin zugesichert, im Rahmen der Überarbeitung des Pensionsplans nicht schlechter gestellt zu werden als die Mitarbeiter der Muttergesellschaft der Beklagten, der L. AG.
Diese Klausel führt aber nach Auffassung der Kammer nicht dazu, dass die Späteheklausel aus dem Versorgungswerk der Beklagten nicht und an dessen Stelle die Späteheklausel aus der Pensionsordnung der L. AG von 1989 Anwendung finden würde.
Es ist unstreitig geblieben, dass die Versorgungsordnung der Beklagten vom 1982 nicht überarbeitet wurde. Dabei ist nach Auffassung der Kammer schon der Regelungsgegenstand der Ziffer 4 a des Arbeitsvertrags des Ehemanns der Klägerin nicht eingetreten, da dieser dem Wortlaut nach nur eine Regelung für den Fall der Überarbeitung des Pensionsplans der Beklagten vorsieht.
Die Kammer ist nicht der Auffassung der Klägerin, dass Ziffer 4 a des Arbeitsvertrags vom vertragsschließenden Ehemann der Klägerin nur so verstanden werden konnte, dass der Ehemann der Klägerin hinsichtlich Versorgungsansprüchen so gestellt wurde, als wenn er direkt bei der Konzernmutter der L. AG angestellt worden sei. Eine derartige Regelung – unmittelbare Anwendung von Versorgungswerken der L. AG – enthält Ziffer 4 a des Arbeitsvertrags des Ehemanns der Klägerin gerade nicht.
Soweit die Klägerin darauf hinweist (Bl. 102 d.A.), dass die konzernweite, einheitliche Regelung der Pensionsordnungen mit Mindeststandard der Bedingungen der L. AG als Regelungsabrede mit den einzelnen Betriebsräten vereinbart worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass Regelungsabreden im Gegensatz zur Betriebsvereinbarung gerade keine unmittelbare und zwingende Wirkung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern haben.b) Über die eben beschriebene vertragliche Situation hinaus erhielt die Klägerin auch mit dem Schreiben aus der L.-Unternehmensgruppe vom 04.01.2011
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keine verbindliche Zusage einer Firmen-Witwenrente. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei dem Schreiben vom 04.01.2011 um ein Standardschreiben, mit welchem insbesondere weitere Unterlagen angefordert wurden. Nach Auffassung der Kammer kann diesem Schreiben kein Rechtsbindungswille der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente entnommen werden.
2. Die Klägerin hat auch unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keinen Anspruch auf eine Unbeachtlichkeit der Früheheklausel aus Ziffer VII. 1. der Versorgungsordnung der Beklagten von 1982. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann sich nur auf Mitarbeiter desselben Arbeitgebers beziehen. Bei der L. AG handelt es sich um eine andere Rechtspersönlichkeit, die ihre Arbeitnehmer ohne weiteres abweichend von den Arbeitnehmern der Beklagten behandeln darf, ohne damit in einen Konflikt mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu kommen.
3. Die maßgebliche und vorliegend nicht eingehaltene Späteheklausel der Ziffer VII. 1. der Versorgungsordnung der Beklagten von 1982 verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht.
a) Diese Späteheklausel verstößt nicht gegen Grundrechte.
Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 28.07.2005 (Az.: 3 AZR 457/04) bereits hinsichtlich einer Späteheklausel, die eine Verheiratung vor dem 50. Lebensjahr des Arbeitnehmers vorsah, zutreffend entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 GG nicht verletzt ist, da den Ehepartnern durch eine solche Versorgungsregelung kein Nachteil entsteht, den sie ohne Heirat nicht gehabt hätten. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Eheschließung durch Einräumung von Ansprüchen zu fördern.
Artikel 3 GG ist nicht verletzt. Ohne diese verfassungsrechtliche Rechtsgrundlage zu nennen, hat das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung vom 28.07.2005 überzeugend ausgeführt, dass der Gleichbehandlungsgrund-
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satz nicht verletzt ist, weil für die unterschiedliche Behandlung von jüngeren und älteren Arbeitnehmern sachliche Gründe vorliegen würden (s. dazu Rn. 35 ff. d. Entscheidung).
Hinsichtlich Art. 14 GG folgt die Kammer der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom 01.02.2011, 6 Sa 1078/10. Das Landesarbeitsgericht München hat in dieser Entscheidung überzeugend dargelegt, dass die Eigentumsgarantie nicht verletzt ist, da die Ausgestaltung der Betriebsrente wie auch der Hinterbliebenenversorgung durch die Versorgungszusage erfolge; die Anwartschaft könne daher allein in dem Umfang und der Ausgestaltung zur Entstehung gelangen, wie die Zusage erfolgt gewesen sei.
b) Die im vorliegenden Verfahren streitige Späteheklausel verstößt auch nicht gegen das AGG.
aa) Auch im Hinblick auf die hier streitige Versorgungsordnung aus dem Jahr 1982 findet das AGG Anwendung. Da nach Inkrafttreten des AGG noch ein Arbeitsverhältnis mit dem insoweit versorgungsberechtigten Ehemann der Klägerin bestand (s. dazu im Einzelnen BAG v. 20.04.2010, 3 AZR 509/08, Rn. 63).
bb) § VII. 1. der Versorgungsordnung der Beklagten aus dem Jahr 1982 enthält im Hinblick auf die Späteheklausel – Notwendigkeit der Verheiratung vor dem 60. Lebensjahr – eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters. Im Gegensatz zu neutralen Bestimmungen (etwa Verheiratung vor Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis) knüpft die hier streitige Späteheklausel in der Versorgungsordnung der Beklagten unmittelbar an das Lebensalter an. Benachteiligt werden Mitarbeiter, die eine Ehe erst nach ihrem 60. Lebensjahr geschlossen haben, da deren Ehefrauen von der Witwenversorgung generell ausgeschlossen werden.
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Unmittelbar Benachteiligter war zwar der Ehemann der Klägerin, da es gerade auf sein Lebensalter hinsichtlich einer Wiederverheiratung ankam. Die klagende Ehefrau kann sich jedoch auf eine solche Ungleichbehandlung berufen, die im Falle einer nicht vorliegenden Rechtfertigung als solche nach § 7 Abs. 2 AGG zur Unwirksamkeit der Klausel in der Versorgungsordnung führen würde.
cc) Die Ungleichbehandlung ist jedoch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AGG sachlich gerechtfertigt.
Nach dieser Vorschrift ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Eine derartige unterschiedliche Behandlung kann nach dem Regelbeispiel des § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AGG einschließen die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherung als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug für Altersrente.
Die im vorliegenden Rechtsstreit bestehende Ungleichbehandlung ist noch nicht alleine durch das Regelbeispiel des § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt. Es handelt sich hier nach allgemeiner Meinung nicht um einen Tatbestand, der die Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 überflüssig machen würde. Dennoch kommt diesem Regelbeispiel eine Indizwirkung zu; eine Rechtfertigung scheidet nach dem Willen des Gesetzgebers nicht von vornherein aus.
Die Begrenzung des Zugangs zu einem System der betrieblichen Altersversorgung ist ein legitimes Ziel.
Die Ungleichbehandlung ist auch im Rechtssinne erforderlich und angemessen.
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Der Arbeitgeber entscheidet bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich dazu, so ist er auch frei in der Entscheidung, für welche Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen, eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn nicht. Aus diesem Grunde ist er grundsätzlich auch befugt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Gruppen von Arbeitnehmern, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen. Eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließenden Merkmale liegt gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung. Vor diesem Hintergrund hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um sie besser kalkulierbar zu halten (s. dazu im Einzelnen m.w.N. BAG v. 20.04.2010, 3 AZR 509/98).
Unter Anwendung dieser zutreffenden höchstrichterlichen Rechtsgrundsätze ist nach Auffassung der Kammer die streitgegenständliche Späteheklausel objektiv und angemessen gerechtfertigt. Die Beklagte wollte die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen Leistungsrisiken dadurch einschränken, dass eine Witwenversorgung ausgeschlossen wurde, die im Zusammenhang mit einer Heirat von versorgungsberechtigten Arbeitnehmern nach deren 60. Lebensjahr stehen.
In diesem Zusammenhang hat die Kammer auch den weiten Gestaltungsspielraum berücksichtigt, die sowohl der nationale Gesetzgeber wie auch der Europäische Richtliniengeber in Fällen von betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit den Arbeitgebern eingeräumt haben. Auf die entsprechende Bestimmung in § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AGG wurde bereits hinge-
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wiesen. Diese entspricht weitestgehend dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Auch dort heißt es, dass die Mitgliedstaaten – solange keine Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegt – vorsehen können, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente keine Diskriminierung wegen Alters darstellen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Streitwerts findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 2 GKG.
V.
Nach ihrem Verständnis der Norm hatte die Kammer nach § 64 Abs. 3 a ArbGG unabhängig vom Streitwert über die Zulassung der Berufung zu entscheiden. Die Kammer hat die Berufung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
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Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann die Klägerin Berufung einlegen.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat ab Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
Landesarbeitsgericht München
Winzererstraße 104
80797 München
eingelegt werden.
Die Berufung muss innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich begründet werden.
Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift müssen jeweils von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können auch von dem Bevollmächtigten einer Gewerkschaft, eines Arbeitgeberverbandes oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet werden, wenn sie für ein Mitglied eines solchen Verbandes oder Zusammenschlusses oder für den Verband oder den Zusammenschluss selbst eingelegt wird.
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Mitglieder der genannten Verbände können sich auch durch den Bevollmächtigten eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen.
Dr. Schmiedl
Richter am Arbeitsgericht
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