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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.11.2012, 6 Sa 1754/12
Schlagworte: | Kündigungsschutzklage, Kündigung: Klagefrist | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 6 Sa 1754/12 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 02.11.2012 | |
Leitsätze: | 1. Solange der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber im Anschluss an eine schriftliche Kündigung keine Abrede über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses getroffen oder von diesem zumindest eine dahingehende Zusage erhalten hat, handelt er auf eigenes Risiko, wenn er davon absieht, vorsorglich Kündigungsschutzklage zu erheben. 2. Durch eine Äußerung des Arbeitgebers am letzten Tag der Klagefrist, man werde am nächsten Tag reden, wird der Arbeitnehmer nicht arglistig von einer vorsorglichen Klagerhebung abgehalten. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 12.10.2011, 56 Ca 10080/11 Nachgehend: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.10.2013, 9 AZR 572/12 |
|
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
6 Sa 1754/12
18 Ca 915/12
Arbeitsgericht Berlin
Geschäftszeichen
(bitte immer angeben)
Verkündet
am 02.11.2012
S., RHS
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 6,
auf die mündliche Verhandlung vom 02.11.2012
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht C. als Vorsitzenden
sowie die ehrenamtlichen Richter J. und W.
für Recht erkannt:
1. Die als Berufung zu behandelnde Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 23.04.2012 – 18 Ca 915/12 – wird auf Ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am ….1976 geborene Klägerin stand seit dem 01.04.2010 als Digital-Marketing-Managerin in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund einer entsprechenden Absprache mit einem am selben Tag überreichten Schreiben vom 07.11.2011 fristgemäß zum 29.02.2012 (Abl. Bl. 12 GA). Verbunden damit war das Angebot der Zahlung einer Abfindung von einem Monatseinkommen für den Fall, dass die Klägerin gegen die Kündigung bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Klage erheben würde.
Am 25.11.2011 unterrichtete die Klägerin den zu dieser Zeit urlaubsabwesenden Geschäftsführer der Beklagten telefonisch von einer am Vortag bei ihr festgestellten Schwangerschaft. Dessen genaue Antwort ist ebenso wie der Inhalt eines Gesprächs zwischen ihm und der Klägerin am 29.11.2011 streitig. Jedenfalls teilte der Geschäftsführer der Klägerin nach Eingang ihrer Schwangerschaftsbescheinigung mit E-Mail vom 05.01.2012 mit, zum Ergebnis gekommen zu sein, dass die Kündigung nach wie vor wirksam sei.
Mit ihrer am 16.01.2012 eingereichten Klage und einem damit verbundenen Antrag auf deren nachträgliche Zulassung wendet sich die Klägerin unter Bezugnahme auf die beigefügte Ablichtung einer eidesstattlichen Versicherung vom 15.01.2012 (Bl. 28-29 GA) gegen eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Danach habe der Geschäftsführer der Beklagten im Telefonat vom 25.11.2011 zugestimmt, dass die Situation nun eine andere sei, und versprochen, sich mit dem Firmenanwalt zu besprechen und sich Anfang der kommenden Woche bei ihr zu melden. Am Montag, dem 28.11.2011, habe ein Kollege ihr gegenüber erwähnt, dass der Geschäftsführer die veränderte Situation bzgl. der Kündigung und ihres Verbleibs in der Firma mit ihm diskutiert habe. Am 29.11.2011 habe ihr der Geschäftsführer eine Weiterbeschäftigung angeboten, allerdings in einem anderen Bereich. Dieses Angebot habe sie angenommen. Deshalb habe sie keine Notwendigkeit zu einem formellen Widerspruch gegen die Kündigung gesehen.
Das Arbeitsgericht Berlin hat den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung durch Beschluss vom 23.04.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe daraus, dass der Geschäftsführer der Beklagten im Telefonat vom 25.11.2011 nach ihrer Darstellung geäußert habe, die Kündigung sei „wohl unwirksam“, nicht den Schluss ziehen dürfen, der Geschäftsführer halte die Kündigung jetzt für definitiv unwirksam und werde daraus auf keinen Fall mehr Rechte herleiten. Dass er sich über die genaue Rechtslage nicht im Klaren gewesen sei, habe er damit zum Ausdruck gebracht, dass er sich juristisch habe beraten lassen wollen.
Gegen diesen ihr am 13.07.2012 zugestellten Beschluss hat die Klägerin bereits am 10.05.2012 sofortige Beschwerde eingelegt und diese nach entsprechendem Hinweis des Gerichts am 12.09.2012 als Berufung begründet. Sie meint, das Gericht habe überzogene Anforderungen an ihre Sorgfaltspflicht gestellt. Mit Rücksicht auf die Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten, zu dem sie ein gutes Verhältnis gehabt habe, habe sie keinen Anlass gesehen, anwaltlichen Rat einzuholen und Kündigungsschutzklage zu erheben. Noch am 28.11.2011 habe der Geschäftsführer ihr im Aufzug erklärt, dass man am nächsten Tag reden werde.
Die Klägerin beantragt,
ihre Klage unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nachträglich zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, dass die eidesstattliche Versicherung der Klägerin hinter ihrem schriftlichen Vortrag in verschiedenen Punkten zurückbleibe. Es sei allerdings gut möglich, dass sich ihr Geschäftsführer am 28.11.2011 entsprechend der Darstellung der Klägerin geäußert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die tatbestandliche Darstellung im angefochtenen Beschluss und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Klägerin hat die Richtigkeit des Inhalts ihrer nicht im Original zur Akte gelangten eidesstattlichen Versicherung vom 15.01.2012 im Verhandlungstermin eidesstattliche versichert.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung ist zulässig.
1.1 Zwar hat die Klägerin gegen die Beschwerde des Arbeitsgerichts Berlin entsprechend dessen Rechtsmittelbelehrung sofortige Beschwerde eingelegt. Diese war jedoch nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung als Berufung gegen ein Zwischenurteil zu behandeln, das gem. § 5 Abs. 3 KSchG im Fall einer auf den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung beschränkten Verhandlung und Entscheidung hätte ergehen müssen. Das Rechtsmittel richtet sich in einem solchen Fall inhaltlich nach dem materiellen Gehalt der angefochtenen Entscheidung (vgl. BAG, Urteil vom 14.10.1982 – 2 AZR 570/80 – BAGE 41, 67 = AP ArbGG 1979 § 72 Nr. 2 zu II 1 d. Gr.).
1.2 Während das Rechtsmittel bereits vor Zustellung der in vollständiger Form abgesetzten Entscheidung hat eingelegt werden können, ist die zweimonatige Begründungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG erst mit Zustellung in Lauf gesetzt und sonach mit der am 12.09.2012 eingegangenen Berufungsbegründung auch gewahrt worden.
2. Die Berufung ist unbegründet.
Dem Antrag der Klägerin auf nachträgliche Zulassung ihrer nicht innerhalb der dreiwöchigen Frist des § 4 Satz 1 KSchG eingereichten Klage konnte nicht entsprochen werden.
2.1 Mit ihrem am 16.01.2012 eingegangenen Antrag hat die Klägerin die zweiwöchige Antragsfrist gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gewahrt. Durch ihre eidesstattliche Versicherung hat sie glaubhaft gemacht, bis zur E-Mail des Geschäftsführers der Beklagten vom 05.01.2012 davon ausgegangen zu sein, mit Rücksicht auf dessen Äußerungen von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage absehen zu können. Dass diese eidesstattliche Versicherung erst im Verhandlungstermin in der Berufungsinstanz zu Protokoll erklärt worden ist, während die nicht beglaubigte Abschrift der zur Akte gereichten Kopie zur Glaubhaftmachung nicht genügte (dazu BAG, Beschluss vom 28.08.1991 – 7 ABR 72/90 – BAGE 68, 232 = AP ArbGG 1979 § 85 Nr. 2 zu B II 2 a aa d. Gr.), war unschädlich. § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG schreibt lediglich die Angabe der Mittel zur Glaubhaftmachung inner-halb der Antragsfrist vor, nicht dagegen auch deren Beibringung.
2.2 Die Klägerin war nicht gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, ihre Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung vom 07.11.2011 zu erheben, wie das Arbeitsgericht zutreffend dargelegt hat (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
2.2.1 Für die rechtliche Beurteilung war vom Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Klägerin auszugehen. Ihre in Details darüber hinausgehende schriftsätzliche Darstellung konnte lediglich insoweit Berücksichtigung finden, wie die Beklagte diese hinsichtlich der Äußerung ihres Geschäftsführers am 28.11.2011 unstreitig gestellt hat.
2.2.2 Danach verhielt es sich so, dass der Geschäftsführer der Beklagte mit seinen Erklärungen im Telefonat vom 25.11.2011 und gegenüber einem Kollegen der Klägerin in dieser die Erwartung geweckt hatte, ihr Arbeitsverhältnis als ungekündigt fortzusetzen. Dies genügte indessen nicht, um von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage abzusehen. Solange keine Vereinbarung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses getroffen oder zumindest eine feste Zusage erteilt worden ist, darf der Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, dass es dazu kommen werde, sondern handelt er auf eigenes Risiko, wenn er dies gleichwohl tut (vgl. BAG, Urteil vom 19.02.2009 – 2 AZR 286/07 – AP MuSchG 1968 § 9 Nr. 38 R 48). Zu einer vertraglichen Regelung soll es aber nach eigener Darstellung der Klägerin erst am Tag nach Ablauf der Klagefrist gekommen sein.
2.2.3 Es konnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin von einer rechtzeitigen Klageerhebung arglistig abgehalten hat. Allein sein Angebot im Telefonat vom 25.11.2011, sich nach Besprechung mit dem Firmenanwalt Anfang nächster Woche bei der Klägerin zu melden, genügte dafür nicht. Daran änderte es nichts, dass er dies am Montag, dem letzten Tag der Klagefrist nicht tat, sondern der auf ein Gespräch wartenden Klägerin lediglich en passant erklärte, dass man am nächsten Tag reden werde. Damit wusste die Klägerin, dass noch keine Entscheidung zu ihren Gunsten gefallen war, und hatte sie Anlass, entweder vorsorglich Klage einzureichen oder auf eine definitive Erklärung des Geschäftsführers zu dringen, im Falle eines negativen Ausgangs des Gesprächs aus der Versäumung der Klagefrist keine Rechte herzuleiten.
2.2.4 Soweit die Klägerin schließlich eine Überlegungsfrist von drei Werktagen für sich reklamiert hat (dazu LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13.05.2008 – 3 Ta 56/08 – NZA-RR 2009, 132 zu II 2 c d. Gr.), hatte ihr diese in der Zeit vom 25. bis 28.11.2011 gerade zur Verfügung gestanden. In dieser Zeit hätte sie sich auch vorsorglich über ihr Vorgehen klar werden müssen, wenn es wider Erwarten am letzten Tag der ihr bekannten Klagefrist zu keiner Abrede oder Zusage kommen sollte.
3. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer Berufung zu tragen.
Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.
C.
J.
W.
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