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Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 18.03.2013, 7 Sa 1257/12

   
Schlagworte: Diskriminierung: Bewerbung, AGG-Hopping
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 Sa 1257/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.03.2013
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Wiesbaden, Urteil vom 20.01.2011, 5 Ca 2491/09
   

Te­nor:

Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Wies­ba­den vom 20. Ja­nu­ar 2011 – 5 Ca 2491/09 – wird zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten der Be­ru­fung und die Kos­ten der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de 8 AZN 711/12 hat der Kläger zu tra­gen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten um ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch des Klägers, der bei der Be­set­zung aus­ge­schrie­be­ner Stel­len nicht berück­sich­tigt wur­de.

Die Be­klag­te ist ein Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men, das im Mai 2009 meh­re­re Stel­len für ein auf ein Jahr be­fris­te­tes Trainee-Pro­gramm in den Fach­rich­tun­gen Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten, Wirt­schafts­ma­the­ma­tik, Wirt­schafts­in­for­ma­tik und Ju­ra aus­schrieb. We­gen des Tex­tes der im In­ter­net veröffent­lich­ten Aus­schrei­bung wird auf Bl. 11 - 13 d.A. ver­wie­sen. Un­ter den An­for­de­rungs­kri­te­ri­en be­nennt die Aus­schrei­bung u.a.:

- „ei­nen sehr gu­ten Hoch­schul­ab­schluss in ei­ner der oben ge­nann­ten Fach­rich­tun­gen, der nicht länger als 1 Jahr zurück liegt oder in­ner­halb der nächs­ten Mo­na­te er­folgt
- qua­li­fi­zier­te, be­rufs­ori­en­tier­te Pra­xis­er­fah­rung, z.B. durch Aus­bil­dung, Prak­ti­ka oder Werk­stu­den­tentätig­keit“

Der am xx xxx xxxx ge­bo­re­ne Kläger ab­sol­vier­te 1999 die ers­te, 2001 die zwei­te ju­ris­ti­sche Staats­prüfung und ist seit Au­gust 2002 über­wie­gend als selbstständi­ger Rechts­an­walt tätig. Sei­ne Er­werbstätig­keit un­ter­brach er im Jah­re 2008, um in A er­folg­reich ei­nen Stu­di­en­gang mit dem Ziel ei­nes Mas­ter of Laws zu ab­sol­vie­ren.

Der Kläger be­warb sich mit Schrei­ben vom 25. März 2009 (Bl. 55f d.A.) und er­hielt am 19. April 2009 ei­ne Ab­sa­ge, we­gen de­ren Wort­laut auf Bl. 14 d.A. ver­wie­sen wird. Dar­auf­hin mach­te der Kläger mit Schrei­ben vom 11. Ju­ni 2009 (Bl. 58f d.A.) Ansprüche we­gen Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung, u.a. in Form ei­ner Entschädi­gung in Höhe von 14.000,00 € gel­tend. Mit Schrei­ben vom 29. Ju­ni 2009 (Bl. 61 d.A.) lud die Be­klag­te den Kläger zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch am 07. Ju­li 2009 ein, weil ihm „be­dau­er­li­cher­wei­se mit Da­tum vom 10.04.2009 aus Ver­se­hen ei­ne au­to­ma­tisch ge­ne­rier­te Ab­sa­ge er­teilt wur­de, die so nicht un­se­ren In­ten­tio­nen ent­sprach“. Der Kläger lehn­te die Ein­la­dung mit Schrei­ben vom 30. Ju­ni 2009 (Bl. 62 d.A.) ab und schlug statt­des­sen der Be­klag­ten vor, die gel­tend ge­mach­ten Ansprüche zu erfüllen und dann „sehr rasch über mei­ne Zu­kunft bei der R+V Ver­si­che­rung“ zu spre­chen.

Die Be­klag­te be­setz­te die Trainee-Stel­len im Fach Rechts­wis­sen­schaf­ten mit vier weib­li­chen Be­wer­be­rin­nen.

Mit sei­ner Kla­ge vom 08. Sep­tem­ber 2009 ver­folgt der Kläger sei­ne Ansprüche ge­richt­lich wei­ter, mit Schrei­ben vom 14. Ok­to­ber 2010 (Bl. 322f d.A.) und der Kla­ge­er­wei­te­rung vom 17. No­vem­ber 2010 (Bl. 334 - 336 d.A.) hat er darüber hin­aus auch Ge­schlech­ter­dis­kri­mi­nie­rung gel­tend ge­macht.

We­gen des zu Grun­de lie­gen­den Sach­ver­halts im Übri­gen, des Vor­brin­gens der Par­tei­en und ih­rer Anträge ers­ter In­stanz wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils (Bl 349 - 352 d.A.) ver­wie­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen und dies da­mit be­gründet, dass we­der ein An­spruch auf Ab­ga­be ei­ner Un­ter­las­sungs­erklärung noch ein Zah­lungs­an­spruch bestünde. Des­halb könne die Fra­ge, ob die Be­wer­bung des Klägers über­haupt ernst­haft er­folgt sei, da­hin­ge­stellt blei­ben.

Zwar sei die Stel­len­aus­schrei­bung mit­tel­bar dis­kri­mi­nie­rend, da die Al­ters­grup­pe de­rer, de­ren Hoch­schul­aus­bil­dung schon länger zurück­liegt und die re­gelmäßig über 30 Jah­re alt sind, be­nach­tei­ligt wird. Die­se Dis­kri­mi­nie­rung sei je­doch durch ein rechtmäßiges Ziel ge­recht­fer­tigt. Die Su­che nach ei­nem Be­rufs­anfänger oder ei­nem ab­schluss­na­hen Be­rufs­ein­stei­ger sei im vor­lie­gen­den Fall zulässig, da die Be­klag­te ein le­gi­ti­mes In­ter­es­se dar­an ha­be, Men­schen ein­zu­stel­len, die be­rufs­prak­tisch un­er­fah­ren sind, um ih­nen die auf die Ar­beit bei der Be­klag­ten zu­ge­schnit­te­nen prak­ti­schen Fähig­kei­ten zu ver­mit­teln. Die­ses Ziel sei auch be­reits in der Stel­len­aus­schrei­bung an­ge­legt, ei­ne wei­te­re Dar­le­gung des An­for­de­rungs­pro­fils sei nicht er­for­der­lich ge­we­sen.

Auch von ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts könne nicht aus­ge­gan­gen wer­den, da dem Kläger der Nach­weis nicht ge­lun­gen sei, dass ihm ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung we­gen des Ge­schlechts wi­der­fah­ren ist. Al­lein aus der Tat­sa­che, dass die Be­klag­te für die aus­ge­schrie­be­nen Trainee-Stel­len vier Frau­en ein­ge­stellt hat, könne kei­ne sol­che Schluss­fol­ge­rung ge­zo­gen wer­den.

Ge­gen die­ses Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2011, auf des­sen In­halt zur wei­te­ren Sach­dar­stel­lung Be­zug ge­nom­men wird, rich­tet sich die Be­ru­fung des Klägers.

Der Kläger äußert die An­sicht, die vom Ar­beits­ge­richt zu Recht an­ge­nom­me­ne mit­tel­ba­re Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung sei nicht ge­recht­fer­tigt. Dies fol­ge schon dar­aus, dass es der Be­klag­ten ver­bo­ten sei, Recht­fer­ti­gungs­gründe, die nicht aus der Aus­schrei­bung selbst folg­ten, nach­zu­schie­ben. Hier ha­be die Be­klag­te we­der in der Aus­schrei­bung selbst noch in den vor­pro­zes­sua­len Stel­lung­nah­men sol­che Gründe ge­nannt. Dies sei erst ge­sche­hen, nach­dem der Vor­sit­zen­de der Kam­mer des Ar­beits­ge­richts sie dar­auf hin­ge­wie­sen und da­durch das Ge­bot des „fair tri­al“ ver­letzt ha­be. Hin­zu kom­me, dass die Be­klag­te bei der Fra­ge der ob­jek­ti­ven Eig­nung des Klägers nach­weis­bar die Un­wahr­heit vor­ge­tra­gen ha­be.

Auch nach dem nach­ge­scho­be­nen Vor­trag der Be­klag­ten lie­ge kein le­gi­ti­mes Ziel i.S.v. § 3 Abs. 2 AGG vor, denn das Be­stre­ben der Be­klag­ten, ei­nen Be­rufs­ein­stei­ger zu su­chen, der noch „lernfähig“ und „form­bar“ ist, dürfe nicht als le­gi­tim an­er­kannt wer­den, da da­mit al­len älte­ren Be­wer­bern un­ter­stellt wer­de, sie sei­en nicht mehr lernfähig bzw. form­bar.

Das Ar­beits­ge­richt ha­be sich auch we­der mit der Er­for­der­lich­keit noch mit der An­ge­mes­sen­heit des an­ge­wand­ten Mit­tels aus­ein­an­der­ge­setzt. Bei­des sei hier nicht ge­ge­ben, denn die Be­klag­te ha­be we­der das mil­des­te Mit­tel zur Ver­wirk­li­chung ih­res Zie­les ein­ge­setzt, noch sei die pau­scha­le Gleich­set­zung älte­rer mit we­ni­ger lernfähi­gen Men­schen an­ge­mes­sen.

Für das Vor­lie­gen ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts ha­be der Kläger aus­rei­chend Ver­mu­tungs­tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, denn es kom­me al­lein auf die Sta­tis­tik die­ses kon­kre­ten Be­wer­bungs­ver­fah­rens an, die die Be­klag­te selbst in das Ver­fah­ren ein­geführt ha­be und die un­strei­tig be­sagt, dass bei 29 männ­li­chen und 34 weib­li­chen Be­wer­bern vier Frau­en, aber kein ein­zi­ger Mann ein­ge­stellt wur­de. Die­se aus der Sta­tis­tik ab­ge­lei­te­te Ver­mu­tung ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts wer­de noch da­durch verstärkt, dass min­des­tens zwei der ein­ge­stell­ten Frau­en we­ni­ger qua­li­fi­ziert als er sei­en.

Sein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se be­schränke sich auch nicht nur auf ein Jahr. Viel­mehr sei da­von aus­zu­ge­hen, dass sein Ar­beits­verhält­nis in­zwi­schen un­be­fris­tet fort­bestünde.

Sch­ließlich ha­be er auch ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch, weil ei­ne Wie­der­ho­lungs­ge­fahr durch die ein­ma­li­ge Be­ge­hung der Dis­kri­mi­nie­rungs­hand­lung in­di­ziert sei.

Mit Ur­teil vom 16. Ja­nu­ar 2012 hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt un­ter dem Ak­ten­zei­chen 7 Sa 615/11 die Be­ru­fung des Klägers auf des­sen Kos­ten zurück­ge­wie­sen. We­gen der Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe die­ses Ur­teils (Bl. 467R - 469R d.A.) ver­wie­sen.

Die­ses Ur­teil hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt durch Be­schluss vom 23. Au­gust 2012 - Az. 8 AZN 711/12 - auf­ge­ho­ben und den Rechts­streit zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen. Es hat dies da­mit be­gründet, dass das Lan­des­ar­beits­ge­richt das Vor­brin­gen des Klägers hin­sicht­lich der Ver­mu­tungs­tat­sa­chen für ei­ne ge­schlech­ter­be­ding­te Be­nach­tei­li­gung in sei­ner Ent­schei­dung nicht berück­sich­tigt und da­durch sei­nen An­spruch auf recht­li­ches Gehör ver­letzt hat. We­gen der Be­gründung im Ein­zel­nen wird auf Bl. 478R - 479R d.A. Be­zug ge­nom­men.

Der Kläger be­an­tragt nun­mehr,

1. abändernd die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, es bei Mei­dung ei­nes für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung fälli­gen Ord­nungs­gel­des bis zu 250.000,00 €, er­satz­wei­se Ord­nungs­haft von bis zu sechs Mo­na­ten, oder ei­ner Ord­nungs­haft von bis zu sechs Mo­na­ten, zu un­ter­las­sen, Stel­len­be­wer­ber im all­ge­mei­nen und ins­be­son­de­re ihn im Aus­wahl­ver­fah­ren für ei­ne Stel­le als Trainee/Ju­rist we­gen ih­res/sei­nes Al­ters zu be­nach­tei­li­gen,
2. abändernd die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, min­des­tens je­doch 14.000,00 € nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz hier­aus seit 27. Ju­ni 2009 zu zah­len,
3. abändernd fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, sämt­li­che künf­ti­ge ma­te­ri­el­le Schäden, die ihm auf Grund der un­ter­las­se­nen Ein­stel­lung bei der Be­klag­ten vom 19. April 2009 ent­stan­den sind, zu er­set­zen,
4. abändernd die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­ne wei­te­re an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, min­des­tens je­doch 3.500,00 € nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz hier­aus seit dem 23. No­vem­ber 2010 zu zah­len,
5. der Be­klag­ten die Kos­ten des vor dem BAG un­ter dem Ak­ten­zei­chen 8 AZN 711/12 geführ­ten Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de­ver­fah­rens auf­zu­er­le­gen.

Die Be­klag­te bit­tet er­neut um Zurück­wei­sung der Be­ru­fung und ver­tei­digt das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­trags. We­gen des wei­te­ren Vor­trags der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf die Be­ru­fungs­be­gründung vom 24. Ju­ni 2011 (Bl. 416 - 439 d.A.) und den wei­te­ren Schrift­satz des Klägers vom 29. De­zem­ber 2011 (Bl. 453 - 459 d.A.) so­wie die Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung vom 10. Au­gust 2011 (Bl. 448 - 452 d.A.) ver­wie­sen.

We­gen des zusätz­li­chen Vor­trags nach Zurück­ver­wei­sung des Rechts­streits durch das Bun­des­ar­beits­ge­richt wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 11. März 2013 (Bl. 489 - 492 d.A.) und vom 15. März 2013 (Bl. 547 - 554 d.A.) so­wie auf den Schrift­satz der Be­klag­ten vom 12. März 2013 (Bl. 500 - 511) d.A. ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die nach dem Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des statt­haf­te, form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te und be­gründe­te Be­ru­fung des Klägers ist zulässig.

II.

Die Be­ru­fung ist je­doch in der Sa­che un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt sieht auch nach der Auf­he­bung des Ur­teils vom 16. Ja­nu­ar 2012 und der Zurück­ver­wei­sung des Rechts­streits kei­nen hin­rei­chen­den Grund, von sei­ner da­ma­li­gen Ent­schei­dung ab­zu­wei­chen.

1. Dies gilt al­ler­dings auch für den er­wei­ter­ten Vor­trag der Be­klag­ten im Schrift­satz vom 12. März 2013 zu den zahl­rei­chen Be­wer­bun­gen des Klägers bei ver­schie­de­nen Ar­beit­ge­bern im ge­sam­ten Bun­des­ge­biet. In­so­fern ver­bleibt es da­bei, dass es dar­auf zur Ent­schei­dung des vor­lie­gen­den Rechts­streits nicht an­kommt.

2. Im Übri­gen wird zur Be­gründung der neu­er­li­chen Zurück­wei­sung der Be­ru­fung auf II 1 - 3 der Ent­schei­dungs­gründe des Ur­teils vom 16. Ja­nu­ar 2012 Be­zug ge­nom­men. Dar­in wur­de im Ein­zel­nen fest­ge­stellt, dass der Kläger we­der mit dem pro­zes­sua­len Ar­gu­ment der Ver­spätung des Be­klag­ten-Vor­trags noch mit dem Vor­wurf der mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters durch­drin­gen kann, weil die fak­ti­sche Un­gleich­be­hand­lung von Be­wer­bern, de­ren Stu­di­en­ab­schluss schon länger als ein Jahr zurück­liegt und die nach der sta­tis­ti­schen Wahr­schein­lich­keit älter als sol­che mit na­hem Ex­amen sind, durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist. Hin­sicht­lich die­ses Teils der Ent­schei­dungs­gründe enthält der Be­schluss des Bun­des­ar­beits­ge­richts kei­ner­lei Rügen, so­dass ei­ne wei­ter­ge­hen­de Be­gründung nicht er­for­der­lich ist.

3. Auch un­ter Berück­sich­ti­gung des Vor­brin­gens des Klägers zu ei­ner durch Tat­sa­chen in­di­zier­ten Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts ist die Be­ru­fung des Klägers un­be­gründet.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat dem Lan­des­ar­beits­ge­richt auf­ge­ge­ben, zu prüfen, ob die vom Kläger vor­ge­tra­ge­nen und mögli­cher­wei­se ent­schei­dungs­er­heb­li­chen In­di­ztat­sa­chen, nämlich dass die Be­klag­te bei der Da­ten­er­he­bung ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung nach Ge­schlecht vor­ge­nom­men ha­be und dass die Be­klag­te zwei Frau­en min­des­tens ei­nem Mann vor­ge­zo­gen ha­be, der nach­weis­bar bes­ser qua­li­fi­ziert als die ein­ge­stell­ten Frau­en ge­we­sen sei, die Ver­mu­tung be­gründen, der Kläger sei we­gen sei­nes Ge­schlechts in un­zulässi­ger Wei­se be­nach­tei­ligt wur­de.

Dies ist im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren nicht der Fall. Die an­ge­spro­che­nen Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen des Klägers sind aus an­de­ren Gründen nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich, denn die Be­klag­te hat je­den­falls im Hin­blick auf die Be­wer­bung des Klägers nicht ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot we­gen des Ge­schlechts ver­s­toßen.

Wie sich aus den Fest­stel­lun­gen zur vom Kläger re­kla­mier­ten Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters er­gibt, durf­te die Be­klag­te den Kläger in zulässi­ger Wei­se be­reits des­halb aus dem Kreis der aus­sichts­rei­chen Be­wer­ber aus­neh­men, weil er ei­ne Grund­vor­aus­set­zung - den zeit­lich na­hen Stu­di­en­ab­schluss - nicht erfüll­te. Da­mit schied beim Kläger ei­ne (wei­te­re) Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts lo­gi­scher­wei­se aus, denn er be­fand sich nicht mehr im Kreis der für ei­ne wei­te­re Aus­wahl in Fra­ge kom­men­den Be­wer­ber, bei de­nen al­lein ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Ge­schlechts über­haupt in Fra­ge kom­men konn­te. Für de­ren Gel­tend­ma­chung ist der Kläger man­gels Vor­lie­gens der o.a. Grund­vor­aus­set­zun­gen nicht ak­tiv le­gi­ti­miert.

Aus die­sem Grund können den bei­den vom Bun­des­ar­beits­ge­richt als po­ten­zi­ell ent­schei­dungs­er­heb­lich an­geführ­ten Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen - die Dif­fe­ren­zie­rung nach dem Ge­schlecht bei der Da­ten­er­he­bung und die Be­vor­zu­gung we­ni­ger qua­li­fi­zier­ter weib­li­cher Be­wer­ber - im vor­lie­gen­den Fall ge­ra­de kei­ne in­di­zi­el­le Wir­kung auf ei­ne tatsächli­che Dis­kri­mi­nie­rung nach dem Ge­schlecht bei der Ein­stel­lung zu­kom­men.

Auf den ergänzen­den Vor­trag der Be­klag­ten im Schrift­satz vom 13. März 2013, mit dem die­se die Aus­wahl der schließlich ein­ge­stell­ten Be­wer­be­rin­nen wei­ter be­gründe­te, kommt es des­halb nicht an.

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 ZPO . Da­nach hat der Kläger die Kos­ten der er­folg­lo­sen Be­ru­fung zu tra­gen.

Dies gilt ent­ge­gen der An­nah­me des Klägers auch für die Kos­ten der er­folg­rei­chen Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt. Denn die­ser tem­poräre Er­folg ändert nichts dar­an, dass das Rechts­mit­tel des Klägers ins­ge­samt nicht zum be­gehr­ten Er­folg führ­te. Es be­steht kei­ne Ver­an­las­sung, der Be­klag­ten die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens auf­zu­er­le­gen, denn die­se hat we­der das Ver­fah­ren noch die da­durch ent­stan­de­nen Kos­ten ver­an­lasst. Viel­mehr um­fasst das Kos­ten­ri­si­ko ei­nes Be­ru­fungsklägers auch die Kos­ten für ei­ne Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de, die zwar zu ei­ner Auf­he­bung und Zurück­ver­wei­sung, aber nicht zu ei­ner abändern­den Ent­schei­dung hin­sicht­lich des die Kla­ge erst­in­stanz­li­chen Ur­teils führt.

Für die Zu­las­sung des Rechts­mit­tels der Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG be­stand kei­ne ge­setz­lich be­gründ­ba­re Ver­an­las­sung.

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