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BAG, Urteil vom 11.07.2012, 2 AZR 42/11
Schlagworte: | Aufhebungsvertrag, Abfindung, Abfindungsvergleich, Insolvenz des Arbeitgebers | |
Gericht: | Bundesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 2 AZR 42/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 11.07.2012 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Braunschweig, Urteil vom 25.3.2010 - 6 Ca 654/09 Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 15.12.2010 - 2 Sa 742/10 |
|
BUNDESARBEITSGERICHT
2 AZR 42/11
2 Sa 742/10
Landesarbeitsgericht
Niedersachsen
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
11. Juli 2012
URTEIL
Schmidt, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,
pp.
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Eylert, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Rachor sowie die ehrenamtlichen Richter Söller und Eulen für Recht erkannt:
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. Dezember 2010 - 2 Sa 742/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.
Die Klägerin war seit dem 1. September 1981 in einem Warenhaus der Beklagten beschäftigt. Zuletzt hatte sie die Stellung einer Abteilungsleiterin inne.
Im Herbst des Jahres 2008 deutete die Klägerin dem Geschäftsführer ihrer Filiale an, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu wollen, um ihren Mann bei dessen beabsichtigter Selbständigkeit zu unterstützen. Im Januar 2009 erkrankte die Klägerin. Ab Februar 2009 führte sie mit dem Personalleiter der Beklagten Gespräche über ihr Ausscheiden. Sie signalisierte bereit zu sein, ihr Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung von 55.000,00 Euro zu beenden. Man kam überein, dass die Beklagte kündigen und man sodann einen gerichtlichen Vergleich protokollieren lassen würde.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 20. Mai 2009 zum 31. Dezember 2009. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht schlossen die Parteien am 8. Juni 2009 folgenden Vergleich:
„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung vom 20. Mai 2009 fristgerecht mit dem 31. Dezember 2009 endet.
2. Als Abfindung nur für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an die Klägerin entsprechend den
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§§ 9, 10 KSchG einen Betrag iHv. 55.000,00 Euro brutto.
3. Damit ist der Rechtsstreit beendet.“
Am 9. Juni 2009 stellte die Beklagte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Verfahren wurde am 1. September 2009 eröffnet. Nachdem ein Insolvenzplan erstellt worden war, wurde es zum 30. September 2010 aufgehoben.
Mit Anwaltsschreiben vom 23. Oktober 2009 focht die Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter den gerichtlichen Vergleich vom 8. Juni 2009 wegen arglistiger Täuschung an. Auf der Grundlage des Insolvenzplans hätte sie mit einer Quote von 3 vH der Vergleichsforderung zu rechnen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit des Vergleichs und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Sie hat behauptet, sie habe den Vergleich im Vertrauen darauf geschlossen, der vorgesehene Abfindungsbetrag werde tatsächlich gezahlt. Die rechtlichen Folgen einer Insolvenz seien ihr nicht geläufig gewesen. Es sei offensichtlich, dass die Beklagte bei Abschluss des Vergleichs gewusst habe, dass sie entgegen ihrer Zusicherung die Abfindungssumme nicht würde zahlen können. Die Beklagte habe den Insolvenzantrag am 8. Juni 2009 bereits konkret vorbereitet. Ihr selbst seien nur die allgemeinen finanziellen Schwierigkeiten der Beklagten bekannt gewesen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Schreiben vom 23. Oktober 2009 sei zugleich als Rücktritt vom Vergleich zu verstehen.
Die Klägerin hat beantragt
1. festzustellen, dass der gerichtliche Vergleich vom 8. Juni 2009 den Rechtsstreit nicht beendet hat;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20. Mai 2009 nicht aufgelöst worden ist;
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund des gerichtlichen Vergleichs mit Ablauf des 31. Dezember 2009 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht;
4. die Beklagte zu verurteilen, sie zu den bisherigen
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Bedingungen als Abteilungsleiterin weiterzubeschäftigen;
hilfsweise zu 2. und 3.,
die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot, sie mit Wirkung vom 1. Januar 2010 unter Anerkennung der bisherigen Betriebszugehörigkeit wieder einzustellen, anzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 8. Juni 2009 beendet ist. Sie hat vorgetragen, sie habe am 8. Juni 2009 keine Kenntnis davon gehabt, dass sie am Folgetag Insolvenzantrag würde stellen müssen. Noch am 8. und sogar am 9. Juni 2009 selbst sei über die Gewährung von Staatshilfen verhandelt worden. Erst nachdem die Gespräche negativ verlaufen seien, sei der Antrag gestellt worden. Ein Rücktrittsrecht stehe der Klägerin nicht zu, es habe sich lediglich das Insolvenzrisiko realisiert.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Antrag der Beklagten erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Rechtsstreit ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 8. Juni 2009 beendet.
I. Die Anträge der Klägerin sind zulässig.
1. Zwar bestünden daran mit Blick auf den Antrag zu 1), wäre dieser als echter Sachantrag zu verstehen, Bedenken. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden Zwischenfeststellung gem. § 256 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt. Die Auslegung ergibt jedoch, dass die Klägerin mit dem Antrag zu 1) keine eigenständige Feststellung begehrt. Ihr Ziel ist die sachliche Bescheidung ihrer Anträge zu 2) bis 4). Dafür ist als Vorfrage zu klären, ob der
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Rechtsstreit durch den Vergleich vom 8. Juni 2009 beendet ist. Einer gesonderten Feststellung bedarf es nicht.
2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 16, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9; 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251). Ob der alte Prozess auch dann fortzusetzen ist, wenn der Prozessvergleich materiellrechtlich aus Gründen unwirksam wird, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind - wenn etwa ausschließlich ein gesetzliches Rücktrittsrecht geltend gemacht wird -, kann dahinstehen (str.; vgl. bejahend BAG 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 40, 17; verneinend BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 16, 388). Jedenfalls dann, wenn neben einem Rücktritt auch die Anfechtung erklärt wurde, ist der bisherige Prozess fortzusetzen (Hanseatisches OLG Hamburg 30. November 1994 - 4 U 167/94 - ZMR 1996, 266; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 36). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ist auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - aaO; 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - aaO; BGH 10. März 1995 - II ZR 201/53 - aaO).
II. Die auf die Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits und eine Sachentscheidung gerichtete Klage ist unbegründet. Der Prozessvergleich vom 8. Juni 2009 hat den Rechtsstreit wirksam beendet. Über die Sachanträge, einschließlich des Hilfsantrags, ist nicht mehr zu entscheiden.
1. Ein Prozessvergleich hat neben seinen materiellrechtlichen Folgen iSv. § 779 BGB unmittelbar prozessbeendende Wirkung (vgl. BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 15, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 3, 26). Er wird zur Beilegung und damit Erledigung des Rechtsstreits geschlossen (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Erledigung tritt grundsätzlich mit dem Abschluss des Vergleichs ein. Auch im Streitfall haben die Parteien in Ziff. 3) des Vergleichs vereinbart, dass der Rechtsstreit damit beendet sei.
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Auch soweit die Klägerin geltend macht, der Vergleich vom 8. Juni 2009 sei dahin auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne die Abfindungszahlung habe eintreten sollen, ändert dies nichts an seiner unmittelbar prozessbeendenden Wirkung. Die von ihr begehrte Fortsetzung des Rechtsstreits ist deshalb nur bei Unwirksamkeit des Vergleichs möglich.
2. Der Prozessvergleich vom 8. Juni 2009 ist wirksam.
a) Er ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Die Klägerin macht solche Mängel weder geltend, noch sind sie sonst ersichtlich. Der Vergleich ist ausweislich der Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 8. Juni 2009 ordnungsgemäß protokolliert worden.
b) Der Prozessvergleich ist nicht gem. § 138 Abs. 1 BGB oder § 134 BGB von Anfang an nichtig. Versteht man seinen Inhalt mit dem Landesarbeitsgericht dahin, die Klägerin habe bereits mit seinem Abschluss der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zugestimmt, die Abfindung habe jedoch erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 2009 fällig werden sollen, hätte die Klägerin ihre Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar als Vorleistung erbracht. Das verstieße aber weder gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB noch gegen die guten Sitten iSv. § 138 Abs. 1 BGB (vgl. für einen außergerichtlichen Aufhebungsvertrag BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 21). Auch eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt nicht vor. Die Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers entspricht bei der Vereinbarung eines Beendigungsvergleichs regelmäßig den zugrunde liegenden Interessen. Einerseits wird der Arbeitnehmer dadurch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirtschaftlich so gestellt, wie er ohne die Aufhebungsvereinbarung gestanden hätte. Andererseits kann, da ein Aufhebungsvertrag in der Regel unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird (BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - aaO; 5. April 2001 - 2 AZR 217/00 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), die vereinbarte Abfindungszahlung dann gegen-
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standslos werden, wenn später zB eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis noch vor dem im Vertrag vorgesehenen Zeitpunkt auflöst (vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - aaO; DFL/Fischermeier 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 32).
c) Der Vergleich ist nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig. Die Klägerin hat ihn zwar frist- und formgerecht gem. § 124 Abs. 1 und Abs. 2, § 143 Abs. 1 und Abs. 2 BGB angefochten. Ein Anfechtungsgrund liegt aber nicht vor. Die Klägerin ist nicht durch arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden.
aa) Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 41, EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5). Eine Täuschung kann auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zu deren Offenbarung verpflichtet war. Das subjektive Merkmal „Arglist“ iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden; Fahrlässigkeit - auch grobe Fahrlässigkeit - genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende; dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 43; 20. Mai 1999 - 2 AZR 320/98 - zu B I 4 der Gründe, BAGE 91, 349).
bb) Danach war die Anfechtung im Streitfall nicht berechtigt.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe von der finanziell bedrängten Lage der Beklagten bei Abschluss des Vergleichs ge-
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wusst. Aus den Medien sei bekannt gewesen, eine Insolvenz der Beklagten sei möglich und würde nur durch staatliche Finanzhilfen abgewendet werden können. In dieser Lage habe die Klägerin nicht davon ausgehen können, die Zahlungsfähigkeit der Beklagten werde in der Folgezeit, jedenfalls für den Zeitraum bis zur Fälligkeit der Abfindung, gesichert sein.
(2) Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Beklagte bei Abschluss des Vergleichs arglistig falsche Tatsachen behauptet oder die Offenbarung bestimmter Tatsachen pflicht-widrig und arglistig unterlassen hätte, so dass bei ihr - der Klägerin - für den Abschluss des Vergleichs ursächliche Fehlvorstellungen hervorgerufen worden wären.
(a) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, ihr sei unbekannt gewesen, dass die Beklagte den Insolvenzantrag am 8. Juni 2009 bereits konkret vorbereitet habe. Das Landesarbeitsgericht hat eine arglistige Täuschung auch angesichts dieses Vorbringens ohne Rechtsfehler verneint.
(aa) Die Klägerin hat nicht behauptet, der Personalleiter der Beklagten, welcher für diese den Vergleich schloss, habe bereits am 8. Juni 2009 Kenntnis von der Vorbereitung des Insolvenzantrags gehabt. Gem. § 166 Abs. 1 BGB ist im Falle der Vertretung jedoch auf die Kenntnis des Vertreters abzustellen. Ebenso wenig hat die Klägerin mit Blick auf § 166 Abs. 2 BGB behauptet, der Personalleiter habe den Vergleich auf Weisung anderer Vertreter der Beklagten geschlossen, welche ihrerseits Kenntnis von der Vorbereitung des Insolvenzantrags gehabt hätten.
(bb) Selbst bei entsprechender Kenntnis auf Seiten des Personalleiters läge kein arglistiges Verschweigen iSv. § 123 Abs. 1 BGB vor. Der Klägerin war bekannt, dass der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit drohte. Unter diesen Umständen musste die Beklagte nicht annehmen, es sei für die Entscheidung der Klägerin, den Prozessvergleich abzuschließen, von Bedeutung, ob für den
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Fall des tatsächlichen Eintritts der Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzantrag bereits vorbereitet wäre.
(b) Die Klägerin hat - anders als ihr Vorbringen in der Revision nahelegt - in den Vorinstanzen nicht behauptet, der Beklagten oder dem Personalleiter sei bei Abschluss des Vergleichs bekannt gewesen, dass der Insolvenzantrag in jedem Fall schon am nächsten Tag eingereicht würde. Ebenso wenig hat sie behauptet, sie würde den Vergleich jedenfalls nicht am 8. Juni 2009 geschlossen haben, hätte sie gewusst, dass am Folgetag möglicherweise die für eine Insolvenz entscheidenden Verhandlungen über mögliche Staatshilfen für die Beklagte geführt würden.
d) Die Klägerin ist nicht wirksam von dem Prozessvergleich vom 8. Juni 2009 zurückgetreten. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Schreiben vom 23. Oktober 2009, mit welchem sie den Vergleich anfocht, zugleich eine Rücktrittserklärung entnommen werden kann oder ob zumindest eine entsprechende Umdeutung der Anfechtungserklärung möglich ist. Ein Rücktrittsrecht folgt, wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, weder aus § 313 Abs. 1, Abs. 3 BGB noch aus § 323 Abs. 1 BGB. Es ergibt sich auch nicht aus § 326 Abs. 5 BGB.
aa) Die Klägerin konnte nicht wirksam wegen einer wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB von dem Prozessvergleich zurücktreten.
(1) Gem. § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB kann die benachteiligte Partei von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann und eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder ihrerseits einem Teil nicht zumutbar ist. Geschäftsgrundlage in diesem Sinne sind zum einen die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragspartner, die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt
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geworden, beim Abschluss aber zutage getreten sind, zum anderen die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut (st. Rspr., etwa BGH 28. April 2005 - III ZR 351/04 - zu II 1 c der Gründe, BGHZ 163, 42).
(2) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein solches Rücktrittsrecht habe nicht bestanden. Die Zahlungsfähigkeit der Beklagten - und damit die Möglichkeit, den Vergleich vollständig zu erfüllen - sei objektiv bereits bei Abschluss des Vergleichs gefährdet gewesen. Den Parteien sei durch die umfangreiche Berichterstattung in den Medien bekannt gewesen, dass der A, zu der die Beklagte gehört habe, die Insolvenz gedroht habe. Die Zahlungsfähigkeit der Beklagten zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfindung am 31. Dezember 2009 sei damit von Beginn an nicht gesichert gewesen. Nach dem Scheitern der Sanierungsbemühungen habe sich dieses Insolvenzrisiko realisiert. Das berechtige die Klägerin nicht zum Rücktritt.
(3) Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Beklagten haben sich die Umstände, unter denen der Vergleich von beiden Parteien geschlossen worden war, nicht unvorhergesehen verändert. Soweit die Klägerin behauptet hat, beide Parteien seien vor und bei Abschluss des Vergleichs von der Erfüllbarkeit der Abfindungszahlung ausgegangen, hat sich, eine solche gemeinsame Erwartung unterstellt, durch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Beklagten gleichwohl nur ein beiden Parteien bereits bei Vergleichsabschluss bekanntes Risiko verwirklicht. Es fehlt damit an einer schwerwiegenden nachträglichen Veränderung der Umstände iSv. § 313 Abs. 1 BGB.
bb) Die Klägerin konnte von dem Vergleich nicht gem. § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichterbringung der Leistung zurücktreten. Der Umstand, dass ihr Abfindungsanspruch durch die Insolvenzeröffnung zu einer Insolvenzforderung geworden ist, begründete kein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB.
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Nach Eröffnung der Insolvenz ist die Abfindungsforderung nicht mehr durchsetzbar. Damit ist für die Anwendung des § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB kein Raum.
(1) Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist Voraussetzung für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 BGB die Durchsetzbarkeit der ursprünglichen Forderung (BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 31; Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. B 28; Soergel/Gsell 13. Aufl. § 323 Rn. 50; Bamberger/Roth/Grothe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 5; Münch-KommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 47). § 323 Abs. 1 BGB ermöglicht dem Gläubiger die Wahl, von der Durchsetzung der Forderung durch Leistungsklage abzusehen und sich stattdessen für eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Das gesetzliche Rücktrittsrecht setzt damit voraus, dass der Schuldner die geschuldete Leistung ordnungsgemäß erbringen kann und muss, dies aber - warum auch immer - nicht tut (vgl. Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. A 8). Eine das Rücktrittsrecht begründende Verletzung der Leistungspflicht iSv. § 323 Abs. 1 BGB ist dagegen ausgeschlossen, wenn der Schuldner gar nicht leisten muss oder gar nicht leisten darf, die Forderung also nicht durchsetzbar ist (BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - aaO).
(2) Ein Abfindungsanspruch aus einem mit dem Schuldner geschlossenen Vergleich, der bei Ausübung des Rücktrittsrechts wegen zwischenzeitlich erfolgter Insolvenzeröffnung nur noch eine Insolvenzforderung darstellt, ist nicht durchsetzbar (vgl. für den Abfindungsanspruch aus einem außergerichtlichen Aufhebungsvertrag BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 32). Der Arbeitnehmer kann in einem solchen Fall nicht mehr auf Leistung der Abfindung klagen, sondern nur noch gem. §§ 174 ff. InsO die Feststellung seiner Forderung zur Insolvenztabelle verlangen. Die ursprüngliche Abfindungsforderung ist - auch nach Eintritt ihrer Fälligkeit - nicht mehr durchsetzbar (vgl. im Einzelnen BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 32 ff.). Dabei bleibt es auch dann, wenn das Insolvenzverfahren nach Aufstellung eines Insolvenzplans gem. § 258 InsO aufgehoben wird. Nach § 254 Abs. 1 InsO gilt in diesem Fall der gestaltende Teil des bestätigten Insolvenzplans. Der Schuldner wird mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von
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seinen restlichen Verbindlichkeiten gem. § 227 Abs. 1 InsO befreit, soweit im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist.
(3) Ein Rücktrittsrecht der Klägerin gem. § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist danach nicht gegeben. Die Abfindungsforderung war nach der Insolvenzeröffnung am 1. September 2009 nicht mehr durchsetzbar. Die Klägerin hat den Rücktritt vom Vergleich frühestens mit Schreiben vom 23. Oktober 2009 erklärt.
cc) Ein Rücktritt vom Vergleich war auch nicht gem. § 326 Abs. 5 BGB möglich. Nach dieser Bestimmung kann der Gläubiger von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB nicht zu leisten braucht. Ein Fall des Ausschlusses der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit lag hier nicht vor. Der Abfindungsanspruch der Klägerin war wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zwar nicht durchsetzbar. Die Leistung wurde der Beklagten dadurch aber nicht im Sinne von § 275 BGB unmöglich (vgl. MünchKommBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 13; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 275 Rn. 3, § 276 Rn. 28).
III. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Kreft
Eylert
Rachor
Söller
Jan Eulen
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