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Hessisches LAG, Urteil vom 08.07.2015, 6 Sa 257/14
Schlagworte: | Betriebsrente: Vorzeitige Inanspruchnahme, Rente: Schwerbehinderung | |
Gericht: | Hessisches Landesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 6 Sa 257/14 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 08.07.2015 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Wiesbaden, Urteil vom 22.01.2014, 11 Ca 1524/13 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2016, 3 AZR 439/15 |
|
Aktenzeichen:
6 Sa 257/14
11 Ca 1524/13
Arbeitsgericht Wiesbaden
Entscheidung vom 08.07.2015
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 22. Januar 2014 - 11 Ca 1524/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte den seit 01. Januar 1996 erworbenen Teil der Betriebsrente des Klägers kürzen darf um 0,4 % für jeden Monat, den die Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen wird.
Der am 12. April 1953 geborene Kläger trat am 01. April 1980 in die Dienste der Beklagten. Die Beklagte gewährt ihren Arbeitnehmern betriebliche Altersversorgung gemäß den darüber geschlossenen Betriebsvereinbarungen. Die Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung vom 21. April 1972 wurde zuletzt abgelöst durch die Betriebsvereinbarung vom 23. Dezember 1992 (Anlage BB 1 zur Berufungserwiderungsschrift, Bl. 160 ff. d. A.), durch die Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 (vgl. Anlage 2 zur Klageerwiderung Bl. 57 ff. d. A.) und durch die Betriebsvereinbarung vom 07. Dezember 2001 (vgl. Anlage 3 zur Klageerwiderung Bl. 70 ff. d. A.).
In der Betriebsvereinbarung vom 23. Dezember 1992 heißt es u. a.:
"§ 1 Altersversorgung
...
(2) Ein Anspruch auf Leistungen entsteht, wenn der Arbeitnehmer spätestens am letzten Tag des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet ist, ununterbrochen 10 Jahre in einem Arbeitsverhältnis zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft gestanden hat und aus dem Dienst zur Kasse wegen Alters-, Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ausgeschieden ist.
...
§ 2 Leistungsarten
Die Kasse erbringt ihren Arbeitnehmern und deren Hinterbliebenen im Versorgungsfall wiederkehrende Leistungen als
a) Altersrente
b) Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente
c) Witwenrente / Witwerrente
d) Waisenrente.
Zu a) Altersrente:
Eine Betriebsrente wird gewährt, wenn der Arbeitnehmer aus der Kasse ausscheidet und zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf eine Altersrente in voller Höhe (Vollrente) aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat oder haben würde, wenn er nicht von der Beitragspflicht befreit wäre. ... Macht der Arbeitnehmer von der gesetzlichen Teilrente Gebrauch, besteht kein Anspruch auf Betriebsrente. ...
§ 3 Leistungshöhe
(1) Die Betriebsrente beträgt nach 10-jähriger Anwartschaftszeit monatlich 8 von 100 der letzten Gehalts- bzw. Lohnzusage des Arbeitnehmers (Sockelbetrag).
Die Betriebsrente steigert sich für jedes nach der 10-jährigen Anwartschaftszeit vollendete Dienstjahr um 0,8 von hundert der Bemessungsgrundlage nach Abs. 1."
In der ablösenden Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 heißt es auszugsweise wie folgt:
"§ 1 Anspruchsvoraussetzung
(1) Die Sozialkassen der Bauwirtschaft gewähren ihren Arbeitnehmer, mit denen bis einschließlich 31. Dezember 1995 ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde und die spätestens am 31. Dezember 1995 ihren Dienst angetreten haben, nach Maßgabe dieser Betriebsvereinbarung eine betriebliche Versorgung als wiederkehrende Leistung (Betriebsrente).
(2) Ein Anspruch auf Betriebsrente entsteht, wenn der Arbeitnehmer spätestens am letzten Tag des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet ist, ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft gestanden hat (Wartezeit) und aus dem Dienst wegen Alters, Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ausgeschieden ist. ...
§ 2 Leistungsarten
Die Sozialkassen der Bauwirtschaft erbringen ihren ausgeschiedenen Arbeitnehmern im Versorgungsfall wiederkehrende Leistungen (Betriebsrenten) im Sinne des § 1 Ziff. 1) bei Bezug
a) gesetzlicher Altersrente
b) gesetzlicher Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente den Hinterbliebenen der ausgeschiedenen Arbeitnehmer
c) Witwenrente / Witwerrente.
d) Waisenrente.
Zu a) Betriebsrente bei Bezug gesetzlicher Rente:
Das Beginnalter für diese Betriebsrente ist grundsätzlich die Vollendung des 65. Lebensjahrs.
Diese Betriebsrente wird gewährt, wenn der Arbeitnehmer bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung gemäß § 1 das 65. Lebensjahr vollendet hat.
Nimmt der Arbeitnehmer bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung gemäß § 1 vor Vollendung des 65. Lebensjahr Altersrente in voller Höhe (Vollrente) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch oder könnte er diese in Anspruch nehmen, wenn er nicht von der Beitragspflicht befreit wäre, wird die gemäß § 4 ermittelte Betriebsrente entsprechend § 3 Ziff. 2 gekürzt.
...
§ 3 Leistungshöhe
(1) Der Arbeitnehmer erwirbt für jedes vollendende Jahr tatsächlicher Dienstzeit zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft eine Anwartschaft in Höhe von 0,8 von hundert, bezogen auf die vor Eintritt des Versorgungsfalls letzte Bruttogehalts-/Lohnzusage (Sockelbetrag).
Zu berücksichtigen sind sämtliche wiederkehrend gezahlten Bezüge ...
(2) Nimmt ein Arbeitnehmer die Betriebsrente gemäß § 2 a) vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch, werden die ab 01. Januar 1996 erworbenen Anwartschaften während der gesamten Laufzeit für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens um 0,4 von hundert gekürzt (Stand der Rechtsprechung und Literatur 01. Januar 1995). Die bis zum 31. Dezember 1995 erworbenen Anwartschaften bleiben ungekürzt. Ändert sich die Kürzungsgröße, hat im Einvernehmen mit dem Betriebsrat eine Anpassung zu erfolgen, ohne dass es einer Kündigung dieser Betriebsvereinbarung bedarf. ..."
Mit der ablösenden Betriebsvereinbarung vom 07. Dezember 2001 wurde § 3 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung wie folgt neu gefasst:
"(2) Nimmt ein Arbeitnehmer die Betriebsrente vor Vollendung des 65. Lebensjahrs in Anspruch, werden die ab dem 01. Januar 1996 erworbenen Anwartschaften während der gesamten Laufzeit für jeden Vorgriffsmonat des vorzeitigen Ausscheidens vor der Vollendung des 65. Lebensjahres um 0,4 von hundert pro Monat gekürzt."
Der Kläger bezieht seit dem 01. Mai 2013 eine gesetzliche Altersrente für Schwerbehinderte. Die Beklagte hat für den anteilig erworbenen Betriebsrentenanspruch ab dem 01. Januar 1996 in Höhe von € 794,58 einen Kürzungsbetrag von € 190,69 errechnet und diesen von der auf € 1.515,10 berechneten Betriebsrente abgezogen. Wegen der Berechnung der Betriebsrente im Einzelnen wird auf die Anlage 1 zur Klageerwiderung (Bl. 54 - 56 d. A.) verwiesen. Der Kläger hält die erstmalige Einführung eines versicherungsmathematischen Abschlags für die Einführung der Betriebsrente vor der Altersgrenze 65 nicht für rechtmäßig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 953,45 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04. Oktober 2014 zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Regelung in § 3 Satz 2 der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 verstoße nicht gegen das Benachteiligungsverbot des AGG, denn auch dem Kläger als schwerbehinderten Menschen sei es möglich gewesen, bis zur Altersgrenze von 65 Jahren weiter zu arbeiten. Es hat weiter angenommen, die Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 wie auch die Betriebsvereinbarung vom 07. Dezember 2001 würden nicht rückwirkend in bereits erworbene Anwartschaften eingreifen, da ausdrücklich nur die Kürzung der ab 01. Januar 1996 erworbenen Anwartschaften im Wege einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Renten vorgesehen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes hat der Kläger innerhalb der zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 08. Juli 2015 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt. Mit der Berufungsbegründungsschrift legt der Kläger eine Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 12. Januar 2000 zum Aktenzeichen 8 Sa 2086/98 (Bl. 102 - 106 d. A.) vor. Darin hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Regelung in § 3 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995, mit der in künftige Zuwächse der Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung eingegriffen werde, entbehre eines sachlichen Grundes. In dieser Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass insbesondere der sachliche Grund entsprechend der Rechtsprechung des EuGH zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Altersversorgung (Baber-Urteil) nicht bestehe, da die erstmalige Einführung einer versicherungsmathematischen Kürzung bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente die Ungleichbehandlung zu Gunsten der Männer nicht beseitige. Diese Ausführungen des Urteils des Hessischen Landesarbeitsgerichtes vom 12. Januar 2000 macht sich der Kläger zu Eigen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 22. Januar 2014 - 11 Ca 1524/13 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 953,45 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04. Oktober 2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. Die Beklagte verweist darauf, dass erstmals mit der Betriebsvereinbarung vom 23. Dezember 1995 nicht nur ein versicherungsmathematischer Abschlag eingeführt wurde, sondern ebenfalls der Anspruch auf betriebliche Altersrente auf die Regelaltersgrenze auf die Vollendung des 65. Lebensjahres heraufgesetzt wurde. Nach der Regelung der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1992 haben Frauen, die unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen die gesetzliche Altersrente ab dem 60. Lebensjahr beanspruchen konnten, ebenfalls ab Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf die betriebliche Altersrente, während bei Männern dies frühestens ab dem 63. Lebensjahr der Fall war. Diese Ungleichbehandlung sei mit der Einführung einer einheitlichen Altersgrenze ab Vollendung des 65. Lebensjahres europarechtskonform durch die Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 abgeschafft worden. Die Beklagte meint weiter, dass auch der versicherungsmathematische Abschlag von 0,4 % bei vorzeitiger Inanspruchnahme wirksam sei. Dies nähme die Rechtsprechung unter zwei Gesichtspunkten an. Einmal wird in das Gegenseitigkeitsverhältnis, das der Berechnung der Vollrente zugrunde liegt, dadurch eingegriffen, dass der Arbeitnehmer die Betriebstreue bis zum Zeitpunkt der festen Altersgrenze nicht erbracht habe. Zum anderen ergebe sich eine Verschiebung des in der Versorgungsordnung festgelegten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung daraus, dass die erdiente Betriebsrente mit höherer Wahrscheinlichkeit früher und länger als mit der Versorgungszusage versprochen in Anspruch genommen werde. Das Bundesarbeitsgericht habe inzwischen sogar einen Reduktionssatz von 0,6% pro Monat für zulässig erachtet. Die Beklagte meint weiter, es liege auch keine Ungleichbehandlung von Frauen und Schwerbehinderten vor. Auch Männer, die Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahrs in Anspruch nehmen, müssten nach der Regelung der Betriebsvereinbarung den versicherungsmathematischen Abschlag hinnehmen. Das Risiko der Schwerbehinderung müsse zudem nicht abgedeckt werden, da es nicht zu den Risiken im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrAVG gehöre.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 22. Januar 2014 - 11 Ca 1524/13 - ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit b ArbGG), außerdem form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519, 520 ZPO und damit insgesamt zulässig.
In der Sache ist die Berufung des Klägers jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine ungekürzte Betriebsrente.
Die Versorgungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestimmen sich nach der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 bzw. nach der Betriebsvereinbarung vom 07. Dezember 2001. Die für den Anspruch des Klägers auf Leistung der betrieblichen Altersversorgung zuvor maßgebliche Betriebsvereinbarung vom 23. Dezember 1992 wurde wirksam zum 01. Januar 1996 abgelöst. Der Kläger hat Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe der jeweils gültigen Betriebsvereinbarung. Wird eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die eine ältere Betriebsvereinbarung ablösen soll, so gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die sog. Zeitkollisionsregel (Ablöseprinzip). Die jüngere Norm ersetzt die ältere mit Wirkung für die Zukunft (vgl. BAG, U. v. 10.02.2009 - 3 AZR 653/07; U. v. 15.04.2008 - 9 AZR 26/07; U. v. 05.10.2000 - 1 AZR 48/00). Die Ablösung von Betriebsvereinbarungen, die Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung zum Gegenstand haben, ist jedoch nur unter Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zulässig. Der Arbeitnehmer kann grundsätzlich erwarten, dass er für die von ihm erbrachten Vorleistungen durch Betriebstreue, die er nur einmal erbringen kann, auch die ihm in Aussicht gestellte Gegenleistung erhält, soweit dem nicht Gründe auf Seiten des Arbeitgebers entgegenstehen, die seine schützenswerten Interessen überwiegen. Die Einschnitte in Versorgungsrechte müssen den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprechen, welche nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert wurden (vgl. ständige Rechtsprechung BAG, U. v. 17.04.1985 - 3 AZR 72/83 - zu B II 3 c d. Gr.). Den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer sind entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüber zu stellen. Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen -dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe (vgl. etwa BAG, U. v. 15.01.2013 - 3 AZR 169/10). Das die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit konkretisierende dreistufige Prüfungsschema gilt allerdings nur für Eingriffe in die Höhe der Versorgungsanwartschaften. Auf andere Eingriffe in Versorgungsrechte oder sonstige Änderungen von zugesagten Versorgungsleistungen lässt es sich nicht ohne Weiteres übertragen. Derartige Verschlechterungen von Versorgungsrechten sind deshalb an den dem Drei-Stufen-Modell zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu messen (vgl. BAG, U. v. 30.09.2014 - 3 AZR 998/12).
Durch die Anhebung der Altersgrenze einheitlich für Frauen und Männer auf das 65. Lebensjahr gemäß § 2 der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 wurde in die Höhe der Versorgungsanwartschaften des Klägers nach der Betriebsvereinbarung vom 23. Dezember 1992 eingegriffen. Es liegt ein Eingriff in künftige und damit noch nicht erdiente, dienstzeitabhängige Zuwächse vor. Dieser Eingriff ist durch sachlich-proportionale Gründe gerechtfertigt. Die bis zum Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 erdiente Anwartschaft auf Betriebsrente beträgt, nach den insoweit nicht beanstandeten Berechnungen der Beklagten € 794,56. In diesen Teil der Betriebsrente wird durch die Heraufsetzung der Altersgrenze und die Einführung eines versicherungsmathematischen Abschlags bei Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres nach den Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 nicht eingegriffen. Die Anhebung der Altersgrenze greift allerdings in künftige, dienstzeitabhängige Zuwächse der Betriebsrente ein. Dieser Eingriff ist jedoch durch sachlich-proportionale Gründe gerechtfertigt, da damit die bislang zuletzt gemäß der Betriebsvereinbarung vom 23. Dezember 1992 vorgesehenen unterschiedlichen Altersgrenzen für Frauen und Männer vereinheitlicht werden. Durch die Vereinheitlichung wird die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern nach Art. 119 EWG-Vertrag verwirklicht. Auch die Regelungen über den versicherungsmathematischen Abschlag in § 3 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 und der nachfolgenden Betriebsvereinbarung vom 07. Dezember 2001 verstoßen nicht gegen die allgemeinen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Die Anhebung der Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr führt dazu, dass sich eine Inanspruchnahme der Betriebsrente nach § 6 BetrAVG als vorgezogene Betriebsrente ergeben kann. Die vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente führt allerdings zu einer Verschiebung des in der Versorgungszusage festgelegten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Die Betriebsrente wird mit höherer Wahrscheinlichkeit früher und länger als mit der Versorgungszusage versprochen in Anspruch genommen (vgl. BAG, U. v. 19.06.2012 -3 AZR 289/10). Auf diese Störung im Äquivalenzverhältnis durften die Betriebsparteien mit der Einführung eines versicherungsmathematischen Abschlags reagieren. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass mit der Vereinheitlichung der Altersgrenze für Frauen und Männer nunmehr auch die Altersgrenze für schwerbehinderte Menschen angehoben wurde. Das Risiko der Schwerbehinderung zählt nicht zu den Risiken im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrAVG.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Die Zulassung der Revision erfolgte wegen grundsätzlicher Bedeutung des Streitfalls.
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