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Hessisches LAG, Beschluss vom 13.06.2006, 4 TaBV 9/06
Schlagworte: | Betriebsrat: Mitbestimmungsrecht | |
Gericht: | Hessisches Landesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 4 TaBV 9/06 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 13.06.2006 | |
Leitsätze: |
|
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Frankfurt | |
Hessisches
Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen:
4 TaBV 9/06
BV 568/05 Arbeitsgericht Frankfurt am Main
Verkündet laut Protokoll am 13. Juni 2006
gez.
Angestellte
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes !
Beschluss
Beschlussverfahren
betreffend den Betrieb
mit den Beteiligten ..........
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 4, in Frankfurt am Main
auf die mündliche Anhörung vom 13. Juni 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht als Vorsitzenden
und die ehrenamtliche Richterin
und den ehrenamtlichen Richter
als Beisitzer
beschlossen:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02. November 2005 - 7 BV 568/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zur Klarstellung folgenden Wortlaut erhält:
Es wird festgestellt, dass die Beschäftigung erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger auf einer Arbeitsgelegenheit gemäß § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II als Einstellung gemäß § 99 BetrVG mit-bestimmungspflichtig ist.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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Gründe:
I.
Die Parteien streiten über die Mitbestimmungspflichtigkeit der Beschäftigung erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger im Sinne von § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II (sog. „Ein-Euro-Jobber").
Der zu 2) beteiligte Arbeitgeber ist ein kommunal getragener Verein, der Alten-und Behindertenhilfe leistet. Die etwa tausend Arbeitnehmer des Arbeitgebers werden von dem antragstellenden Betriebsrat repräsentiert. Mit Bescheid vom 21. Februar 2005 bewilligte die Agentur für Arbeit Frankfurt am Main, handelnd durch die von der Arbeitsagentur mit der Stadt Frankfurt am Main gegründete „Rhein-Main-Jobcenter GmbH Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44 b SGB 11", dem Arbeitgeber 35 Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II mit einer Förderungsdauer für jeden einzelnen Hilfs¬bedürftigen von bis zu neun Monaten. In dem Bescheid heißt es u.a.:
„Die ARGE / AA stellt eine rechtzeitige Teilnehmerauswahl sicher und organisiert in Absprache mit dem Träger eine termingerechte Zuweisung / Ersatzzuweisung einer entsprechenden Anzahl erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger.
Die Auszahlung der gesamten Förderung erfolgt monatlich nachträglich auf der Basis eines von Ihnen jeweils zu erstellenden und spätestens bis zum 10. des Folgemonats an mich zu übersendenden Monatsberichts. Hierfür ist der beigefügte Vordruck „Monatsbericht Zusatzjobs SGB II" zu verwenden.
Die Förderung wird mit der Maßgabe gewährt, dass
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- Sie als Maßnahmeträger von Zusatzjobs geeignet sind, d.h. insbesondere die Gewähr für eine gesetzeskonforme und ordnungsgemäße Maßnahmedurchführung bieten.
- Sie während der gesamten Maßnahmedauer die Erfüllung der Fördervoraussetzungen (Erläuterungen siehe Förderantrag) sicherstellen.
- Sie die Maßnahme selbst durchführen oder verantwortlich durchführen lassen, d.h. ausschließlich von der ARGE / AA zugewiesene erwerbsfähige Hilfsbedürftige nur im Rahmen der oben bezeichneten und im Förderantrag näher beschriebenen Zusatzjobs bei sich oder bei einem von Ihnen beauftragten Dritten beschäftigen.
- Sie die gewährten Förderleistungen zweckentsprechend verwenden.
- Ihre Aufwendungen im Zusammenhang mit der Maßnahmedurchführung mindestens den bewilligten Förderleistungen entsprechen. Leistungen Dritter sind dabei zu berücksichtigen.
- Sie die Mehraufwandsentschädigungen ohne Abzug unverzüglich an die Teilnehmer weitergeben.
- Sie die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz entsprechend anwenden.
- Sie die Unfallversicherung sowie die Haftpflichtversicherung der in den bewilligten Zusatzjobs beschäftigten Personen sicherstellen und nachweisen.
- Sie oder der von Ihnen beauftragte Dritte keine Arbeitnehmerüberlassung von Teilnehmern an Zusatzjobs betreiben.
- Sie alle förderungsrelevanten Änderungen unverzüglich mitteilen."
Wegen des vollständigen Inhalts des Bescheides wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 19. Juli 2005 (BI. 25 - 27 d.A.) Bezug genommen. Über den
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Ablauf der Beschäftigung der Hilfsbedürftigen stellte die Arbeitsagentur dem Arbeitgeber die in der Anlage zum Schriftsatz vom 19. Mai 2006 (Bf. 129 - 137 d.A.) ersichtliche Richtlinie zur Verfügung. Die Arbeitsgelegenheiten werden in der Weise besetzt, dass die Agentur für Arbeit dem Arbeitgeber hilfsbedürftige Personen schriftlich vorschlägt. Beispielsweise wurde die Beschäftigung von Herrn die einen der Anlässe für die Einleitung des vorliegenden 'Verfahrens bildete, mit einem Schreiben vom 15. März 2005 initiiert, das folgenden Wortlaut hatte:
„Ihr Stellenangebot
Tätigkeit: Pförtner/in
Lohn/Gehalt: BAT/HLT
Anforderungen: 35 x Fahrdienste, Pfortendienste, mob. Bibliotheken, Cafeteria, Zusatzbetreuung, Haustechnik sowie offene Seniorendienste
habe ich Herrn
vorgeschlagen und ihn gebeten, sich bei ihnen umgehend vorzustellen.
Teilen Sie mir bitte Ihre Entscheidung möglichst umgehend schriftlich oder telefonisch mit. Für die schriftliche Mitteilung können Sie diesen Vordruck verwenden (siehe Blatt 2).
Sofern der vorgeschlagene Bewerber nicht Ihren Vorstellungen entspricht, würden mir erläuternde Hinweise helfen, die für Sie wesentlichen Gesichtspunkte künftig noch besser berücksichtigen zu können."
Der in dem Schreiben angesprochene Vordruck hatte folgenden Inhalt:
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Bewerber/in wird zum .......... eingestellt | Bewerber/in kann unter folgenden Voraussetzungen eingestellt werden |
Bewerber/in hat sich am .......... gemeldet bzw. beworben.
Bewerber/in hat sich am .......... vorgestellt |
Bewerber/in hat sich nicht gemeldet bzw. nicht beworben. Bewerber/in ist zum vereinbarten Vorstellungstermin nicht erschienen. Vorstellungstermin: |
Bewerber/in wird nicht eingestellt, weil
|
|
er/sie aus folgenden Gründen für nicht geeignet gehalten wird: | .......... |
er/sie folgende gesundheitliche Einschränkungen geltend gemacht hat: |
.......... |
ihm/ihr der Arbeitsweg zu weit ist bzw. die Pendelzeiten zu lang sind | .......... |
keine Übereinstimmung erzielt wurde beim Lohn/Gehalt |
Mein Angebot: .......... EUR Seine/Ihre Forderung: .......... EUR |
keine Übereinstimmung erzielt wurde hinsichtlich der Arbeitszeit |
Mein Angebot: .......... Seine/Ihre Forderung: .......... |
er/sie mit folgender sonstiger Begründung abgelehnt/abgesagt hat: | .......... |
folgende sonstige Gründe gegen eine Einstellung sprechen: | .......... |
Weitere Vorschläge sind | |
erwünscht Anzahl: .......... |
Stellenangebot unverändert Stellenangebot mit folgenden Änderungen: |
nicht erwünscht, weil |
ein/e andere/r Bewerber/in berücksichtigt wurde Name .......... Einstellungsdatum: .......... |
Der Arbeitgeber entwickelte eine Verfahrensanweisung für die Einstellung erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger, wegen deren vollständigen Inhalts auf die Anlage zum Schriftsatz vom 19. Juli 2005 (BI. 34, 35 d.A.) Bezug genommen wird. Danach wird der Betriebsrat über die Beschäftigung erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger informiert, nicht aber nach § 99 BetrVG beteiligt. Der Betriebsrat machte erstinstanzlich die Aufhebung der Einstellung von Herrn geltend und beantragte die Feststellung, dass die Beschäftigung von „Ein-Euro-Jobbern" gemäß § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Nach Einleitung des Verfahrens gab die Rhein-Main-Jobcenter GmbH auf Anfrage des Arbeitgebers mit Schrei¬ben vom 24. August 2005 folgende Erklärung ab:
„Ich bestätige Ihnen, dass Sie als Träger und Bescheidempfänger von rein platzbezogenen Bewilligungen grundsätzlich die von den Persönlichen Ansprechpartnern (RAF') der Jobcenter der ARGE ausgewählten, z u g e w i e s e n e n Alg II-Empfängerlinnen grundsätzlich nicht abweisen können.
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Sie erhalten (quasi zum „Nulltarif') für allein gemeinnützige, zusätzliche Tätigkeiten im allgemeinen öffentlichen Interesse von uns - ähnlich wie bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - Personen, die in keinem normalen sv.-pflichtigen Arbeitsverhältnis zu Ihnen stehen, sondern weiterhin ihr Alg II beziehen. Ihre üblichen „Arbeitgeberrechte" aber auch Arbeitgeberpflichten - müssen hier als weitestgehend eingeschränkt angesehen werden."
Der Betriebsrat hat behauptet, der Arbeitgeber wirke entgegen dieser Erklärung bei der Auswahl der Hilfsbedürftigen mit, so dass deren Eingliederung in den Betrieb als Einstellung mitbestimmungspflichtig sei, und beantragt,
dem Arbeitgeber aufzugeben, die Einstellung von Herrn aufzuheben,
festzustellen, dass die Beschäftigung von sog. Ein-Euro-Jobbern nach den Regelungen des SGB 11 eine mitbestimmungspflichtige Einstellung gemäß § 99 BetrVG ist.
Der Arbeitgeber hat zur Begründung seines Zurückweisungsantrags behauptet, die Rhein-Main-Jobcenter GmbH weise die Hilfsbedürftigen einseitig zu. Er verfüge dabei über kein Auswahlrecht, so dass auch der Betriebsrat nicht beteiligt werden könne.
Wegen des weiteren erstinstanzliehen Sach- und Streitstands wird auf den tat-bestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses (BI. 87 - 89 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat nach den Anträgen des Betriebsrats erkannt und dies im Wesentlichen mit der Erwägung begründet, die Beschäftigung erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger sei eine mitbestimmungspflichtige Einstellung. Diese seien hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit
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weisungsgebunden und damit in die betriebliche Arbeitsorganisation eingegliedert. Dass es sich nicht um Arbeitsverhältnisse handele, stehe der Mitbestimmungspflichtigkeit ebensowenig entgegen wie der Umstand, dass die Zuweisung auf der Grundlage eines Verwaltungsakts geschehe und gesetzlich ein Auswahlrecht des Arbeitgebers nicht vorgesehen sei. Der Arbeitgeber verfüge gleichwohl faktisch über ein Auswahlrecht, wie das Schreiben vom 15. März 2005 belege. Unabhängig davon bestehe auch ohne Auswahlentscheidung des Arbeitgebers ein Bedürfnis an der Mitbestimmung des Betriebsrats. Wegen der vollständigen Begründung wird auf die Ausführungen unter II. des angefochtenen Beschlusses (BI. 89 - 92 d.A.) Bezug genommen.
Der Arbeitgeber hat gegen den am 06. Januar 2006 zugestellten Beschluss am 19. Januar 2006 Beschwerde eingelegt und diese am 03. März 2006 begründet. Er hält an seiner Ansicht fest, dass die erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen nicht im Sinne von § 99 BetrVG eingestellt würden. Zwar könne deren Eingliederung in den Betrieb unterstellt werden. Es fehle aber wegen deren Zuweisung auch faktisch eine Auswahlentscheidung und ein Einstellungsakt des Arbeitgebers. Dementsprechend sei es praktisch nicht vorgekommen, dass der Arbeitgeber versucht habe, einen zugewiesenen Hilfsbedürftigen zurückzuweisen. Auch das im Bewilligungsbescheid vorgesehene Zuweisungsrecht stehe einer Auswahlentscheidung des Arbeitgebers entgegen.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Arbeitgebers wird auf die Schriftsätze vom 02. März und 19. Mai 2006 Bezug genommen.
Der Arbeitgeber beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02. No-vember 2005 - 7 BV 568/05 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
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Der Betriebsrat hält zur Begründung seines Zurückweisungsantrags an der Ansicht fest, dem Arbeitgeber stehe trotz der formalen Eingliederung der Hilfsbedürftigen aufgrund eines Verwaltungsakts tatsächlich ein Auswahlrecht zu, das die Mitbestimmung des Betriebsrats auslöse. Der Betriebsrat behauptet, der Arbeitgeber habe bereits in mindestens einem Fall die Beschäftigung eines zugewiesenen Hilfsbedürftigen abgelehnt.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf den Schriftsatz vom 06. April 2006 Bezug genommen.
Nachdem Herr I im Januar 2006 aus dem Betrieb ausgeschieden ist und die Beteiligten dementsprechend den erstinstanzlichen Antrag gemäß § 101 BetrVG für erledigt erklärt haben, hat die erkennende Kammer das Verfahren insoweit mit Beschluss vom 07. April 2006 eingestellt.
II.
Die Beschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag des Betriebsrats im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Betriebsrat hat insbesondere das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung des verfahrensgegenständlichen Rechtsverhältnisses. Ein Betriebsrat kann einen allgemeinän Antrag auf Feststellung eines Mitbestimmungsrechts stellen, wenn die Entscheidung über diesen Antrag eine Klärung für künftig zu erwartende vergleichbare Fälle, ermöglicht. Voraussetzung ist, dass für eine Wiederholung des. Vorgangs in Zukunft zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht und es sich nicht allein um
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einen vergangenheitsbezogenen abgeschlossenen Vorgang handelt (ständige Rechtsprechung, etwa BAG 31. Januar 1995 - 1 ABR 35/94 - AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 56, zu B II 1; 09. Mai 1995 - 1 ABR 61/94 - AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 12, zu B 13). Dies gilt auch für die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten (BAG 29. Februar 2000 - 1 ABR 5/99 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 36, zu B Il 1).
Mit dem Antrag des Betriebsrats soll geklärt werden, ob die regelmäßig spätestens nach neun Monaten erforderliche erneute Besetzung der 35 Teilnahmeplätze des Arbeitgebers der Mitbestimmung gemäß § 99 BetrVG unterliegt. Es handelt sich damit um eine auch in Zukunft häufig auftretende grundsätzliche Frage. Auch der Arbeitgeber geht davon aus, dass diese klärungsbedürftig ist.
2. Der Antrag ist auch begründet. Die Beschäftigung erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger im Sinne von § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II ist eine mitbestimmungspflichtige Einstellung gemäß § 99 BetrVG.
Eine Einstellung liegt vor, wenn Personen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis so in die betriebliche Arbeitsorganisation eingegliedert werden, dass der Arbeitgeber ein für Arbeitsverhältnisse typisches Weisungsrecht inne hat und die Entscheidung über den Arbeitseinsatz und dessen Zeit und Ort trifft (vgl. nur BAG 13. März 2001 - 1 ABR 34/00 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 34, zu B II 2 a, m.w.N.). Die Rechtsnatur des dem Einsatz zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses ist nicht entscheidend. Es kann sich insbesondere auch um ein öffentlichrechtlich geprägtes Rechtsverhältnis handeln, etwa ein Beamten- oder ein Zivildienstleistendenverhältnis (BAG 25. Februar 1998 - 7 ABR 11/97 - AP BetrVG 1972 § 8 Nr. 8, zu II 1; 19. Juni 2001 - 1 ABR 25/00 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 35, zu B II 2). Eine Mitbestimmung gemäß § 99 BetrVG kommt entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts dagegen nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber etwa aufgrund eines Verwaltungsaktes zur Einstellung verpflichtet ist und keinen Entscheidungsspielraum
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etwa hinsichtlich der Auswahl des Beschäftigten hat. Mitbestimmung setzt bereits begrifflich ein Bestimmungsrecht des Arbeitgebers voraus. Nur wenn ein solches besteht, kann der Betriebsrat an der Entscheidung des Arbeitgebers mitwirken. Ein die Beteiligung des Betriebsrats zulassender Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers verbleibt allerdings, wenn der Arbeitgeber eine Entscheidung der öffentlichen Verwaltung durch Vorschläge, denen die Behörde Rechnung trägt, steuern kann (BAG 19. Juni 2001 a.a.O., zu B 11 2).
Die vom Arbeitgeber als Dritter gemäß § 17 Abs. 2 SGB II nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II beschäftigten erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen werden im Sinne von § 99 BetrVG eingestellt. Sie sind in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert. Diese Feststellung des Arbeitsgerichts wird vom Arbeitgeber nicht in Frage gestellt. Die Wiedereingliederung auf der Grundlage einer Eingliederungsvereinbarung zwischen der Agentur für Arbeit und dem erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen (§ 15 SGB II) auf Arbeitsgelegenheiten gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II setzt im Übrigen eine Eingliederung des Hilfsbedürftigen in den betrieblichen Arbeitsablauf gerade voraus. Nur so ist eine Heranführung des Hilfsbedürftigen an den Arbeitsmarkt möglich. Die Beschäftigung erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger wird daher trotz des gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 Teilsatz 2 SGB II nicht bestehenden Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitnehmerartige Eingliederung in den Betrieb gekennzeichnet (vgl. ArbG Berlin 25. August 2005 - 75 Ca 10146/05 - LAGE ArbGG 1979 § 2 Nr. 47 a, zu 112).
Da eine Eingliederung auch möglich ist, wenn der Beschäftigung ein öffentlich-rechtlich geprägtes Rechtsverhältnis zugrunde liegt, kommt es nicht auf die umstrittene Frage an, ob die Tätigkeit erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger bei Dritten im Sinne von § 17 Abs. 2 SGB II auf der Grundlage eines öffentlichrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses (so etwa LSG Rheinland-Pfalz 12. September 2005 - L 3 ER 79/05 AS - FEVS 57/232; LAG Berlin 27. März 2006 - 3 Ta 349/06 - EzA-SD 9/06 Nr. 14; VG Frankfurt am Main 07. November 2005 - 23 L 2361/05 - PersR 2006/42; Zwanziger AuR 2005/8, 10) oder eines privatrechtli-
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chen Vertrages (so ArbG Berlin 25. August 2005 a.a.O., zu II 1; Schulze NZA 2005/1332, 1333; Eicher in Eicher/Spellbrink SGB II § 16 Rn 239) erbracht wird.
Die Beschäftigung erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger ist mitbestimmungspflichtig, da diese dem Arbeitgeber nicht durch einen Verwaltungsakt zugewiesen werden, sondern nur mit Billigung des Arbeitgebers beschäftigt werden können. Allerdings wird zum Teil von der auch von den Beteiligten und vom Arbeitsgericht zugrundegelegten Ansicht ausgegangen, die Beschäftigung werde - wie früher gemäß § 19 BSHG (hierzu BVerwG 13. Oktober 1983 - 5 C 66/82 - BVerwGE 68/97; Eicher a.a.O. § 16 Rn 239) - auf der Grundlage eines Zuweisungsverwaltungsaktes vollzogen (vgl. VG Oldenburg 22. Juni 2005 - 9 A 1738/05 - PersR 2005/502; für eine Bindung der die Leistung erbringenden Dritten durch Treu und Glauben Zwanziger AuR 2005/8, 10).
Das Dreiecksverhältnis zwischen der Agentur für Arbeit, dem erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen und dem leistungserbringenden Dritten im Sinne von § 17 Abs. 2 SGB II ist jedoch im Gegenteil dadurch gekennzeichnet, dass möglichst weitgehend Konsens zwischen den Beteiligten erzielt werden und keine Rechtsgrundlage zur zwangsweisen Verpflichtung des Dritten zur Beschäftigung des Hilfsbedürftigen besteht. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB II soll zur Durchführung einer Förderungsmaßnahme zwischen der Agentur für Arbeit und dem Hilfsbedürftigen im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen werden, in der insbesondere festgelegt werden soll, welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, welche Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit er zu unternehmen und in welcher Form er Nachweise darüber zu erbringen hat. Nur wenn eine solche Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt, kann die Agentur für Arbeit nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II solche Regelungen durch Verwaltungsakt festsetzen (sog. Heranziehungsverwaltungsakt, vgl. Eicher a.a.O. § 16 Rn 236). Da der leistungserbringende Dritte weder Partei der Eingliederungsvereinbarung
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noch Adressat des Heranziehungsverwaltungsaktes ist, bedarf seine Einschaltung einer zusätzlichen Rechtsgrundlage sowohl im Verhältnis zur Agentur für Arbeit wie im Verhältnis zu dem erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen. Nur die Bewilligung von Teilnahmeplätzen gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II wird durch einen Verwaltungsakt der Agentur für Arbeit ausgesprochen (vgl. Kröll PersR 2005/132, 134). Die Ausgestaltung der Beschäftigung soll dagegen dUrch eine Vereinbarung im Sinne von § 17 Abs. 2 SGB II zwischen der Agentur für Arbeit und dem Dritten geregelt werden. Darüber hinaus bedarf die Beschäftigung des Hilfsbedürftigen in jedem Einzelfall einer zusätzlichen Vereinbarung zwischen dem leistungsbereiten Dritten und dem Hilfsbedürftigen. Da der Dritte nicht Teil der Sozialverwaltung ist und auch nicht den Status eines Beliehenen hat, kann dieses Rechtsverhältnis nicht durch Verwaltungsakt, sondern nur vertraglich geregelt werden (ArbG Berlin 25. August 2005 a.a.O., zu ll 1; Zwanziger AuR 2005/8, 10; Eicher a.a.O. § 16 Rn 234).
Bei der Entscheidung, ob und mit welchem Inhalt er eine solche Vereinbarung abschließt, ist der leistungserbringende Dritte frei. Er unterliegt keinen Bindungen durch die Agentur für Arbeit; insbesondere besteht keine Rechtsgrundlage für einen den Dritten bindenden Verwaltungsakt der Agentur für Arbeit (Eicher a.a.O. § 16 Rn 235). Aus diesem Grund ist die Auskunft der Rhein-Main-Jobcenter GmbH vom 24. August 2005 unzutreffend. Auch dort wird eine Rechtsgrundlage für den Arbeitgeber als Dritten bindende Zuweisungen nicht aufgezeigt. Entsprechend vermochte auch der Arbeitgeber auf die Auflage der Beschwerdekammer vom 15. Mai 2006 keine Rechtsgrundlage für eine derartige Bindung zu nennen. Dieser Rechtslage entspricht die vom Arbeitgeber vorgelegte, die Beschäftigung von Herrn betreffende Korrespondenz. Das Schreiben vom 15. März 2005 enthält bereits seinem Wortlaut nach keine einen Anspruch auf Verbindlichkeit erhebende Zuweisung, sondern lediglich einen Besetzungsvorschlag, mit dem dem Arbeitgeber ausdrücklich die Ablehnung des Hilfsbedürftigen offen gelassen wurde, sofern dieser nicht den Vorstellungen des Arbeitgebers entsprechen sollte. Dementsprechend ließ das Antwort-
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formular dem Arbeitgeber völlige Freiheit bei der Ablehnung des vorgeschlagenen Hilfsbedürftigen. Es mag zwar sein, dass die Arbeitsverwaltung faktisch erwartet, dass ihren Vorschlägen regelmäßig entsprochen wird. Dies ändert jedoch an der fehlenden rechtlichen Bindung des Arbeitgebers an diese nichts. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, in jedem Fall vom Abschluss eines Vertrags mit dem vorgeschlagenen Hilfsbedürftigen abzusehen und den Vorschlag der Arbeitsverwaltung abzulehnen.
Selbst wenn man dagegen mit Zwanziger (der allerdings trotzdem ebenfalls von der Mitbestimmungspflichtigkeit der Beschäftigung erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger nach § 99 BetrVG ausgeht, AuR 2005/8, 10, 14) von einer Bindung des leistungserbringenden Dritten an die Vorschläge der Arbeitsverwaltung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeht, ändert dies nichts Entscheidendes an der Dispositionsbefugnis des leistungserbringenden Dritten. Die Feststellung eines § 242 BGB verletzenden Rechtsmissbrauchs erfordert stets eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. nur BAG 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 1, zu 4 d). Daher würde auch die Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben die Entscheidungsfreiheit des leistungsgewährenden Dritten lediglich einschränken, nicht aber völlig aufheben. Hat er angemessene Gründe, die Beschäftigung des vor-geschlagenen erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen zu verweigern, kann die Ablehnung nach Treu und Glauben nicht rechtsmissbräuchlich sein. Dem trägt im Übrigen das vom Arbeitgeber vorgelegte Antwortformular der Agentur für Arbeit Rechnung, in dem zahlreiche Begründungsmöglichkeiten für eine Ablehnung vorgesehen sind.
Schließlich ergibt sich auch aus dem Bewilligungsbescheid vom 21. Februar 2005 keine Bindung des Arbeitgebers an einzelne Besetzungsvorschläge der Arbeitsverwaltung. Zwar ist dort von einer „Zuweisung" der Hilfsbedürftigen die Rede. Dieser Begriff findet sich indessen in der Beschreibung der Leistungspflichten der Rhein-Main-Jobcenter GmbH. Wenn die Bewilligung nur mit der
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Auflage hätte erteilt werden sollen, dass der Arbeitgeber zur Übernahme der vorgeschlagenen Hilfsbedürftigen verpflichtet sein sollte, hätte diese Auflage klar formuliert und in den übernächsten Absatz, der die Verpflichtungen des Arbeitgebers enthält, aufgenommen werden müssen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass mit dem Bewilligungsbescheid gesetzlich nicht vorgesehene Rechtspflichten begründet werden sollten. Der Begriff „Zuweisung" ist daher untechnisch als Vorschlag an den Arbeitgeber zu verstehen; den Charakter einer Zuweisung hat dieser allein gegenüber dem jeweils vorgeschlagenen erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen.
Da der Arbeitgeber daher über die Beschäftigung eines Hilfsbedürftigen entscheiden kann, trifft er bei deren Begründung eine Einstellungsentscheidung im Sinn von § 99 BetrVG, an der der Betriebsrat zu beteiligen ist. Die Mitbestimmung bei Einstellungen dient vor allem dem Schutz der Interessen der vorhandenen Belegschaft (BAG 19. Juni 2001 a.a.O., zu B II 2; 25. Januar 2005 - 1 ABR 59/03 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 114, zu B II 2 a). Deren Interessen können durch die Beschäftigung weisungsgebunden tätiger, im Wesentlichen aber fremdfinanzierter Beschäftigter in vielfältiger Weise berührt werden. Denkbar sind Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durch zusätzliche Beaufsichtigungs-, Anleitungs- oder Koordinierungsaufgaben, durch eine Entziehung von Arbeitsaufgaben, durch die Zuweisung neuer Tätigkeiten, durch Um- und Versetzungen oder sogar Entlassungen. Dies gilt beim Einsatz erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger nicht weniger als bei Leiharbeitnehmern, Zivildienstleistenden oder DRK-Schwestern aufgrund von Gestellungsverträgen, deren Beschäftigung ebenfalls der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG unterliegen kann. Daher besteht kein Anlass für eine einschränkende Auslegung (vgl. Zwanziger AuR 2005/8, 14; Schulze NZA 2005/1332, 1335 f; entsprechend für das Personalvertretungsrecht Hess. VGH 22. Juni 2006 - 22 TL 2779/05 - Pressemitteilung 12/2006; VG Mainz 24. Juni 2005 - 5 A 193/05 - NZA-RR 2005/669; VG Berlin 07. September 2005 - 60 A 12/05 - n.v.; VG Gießen 30. September 2005 - 22 L 1267/05 - PersR 2006/39; Kröll PersR 2005/132, 135
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ff.; a.A. VG Oldenburg 22. Juni 2005 a.a.O.; VG Frankfurt am Main 07. November 2005 a.a.O.).
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist daher im Ergebnis zutreffend. Sie ist lediglich im Tenor ohne inhaltliche Änderung durch den Gebrauch der gesetzlichen Begrifflichkeiten zu präzisieren.
3. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß §§ 72 Abs. 2 Nr. 1, 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG zugelassen.
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Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
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