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LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 20.10.2014, 2 Sa 114/14

   
Schlagworte: Arbeitszeitverringerung, Elternzeit, Entgeltfortzahlung, Krankheit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen: 2 Sa 114/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.10.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Kaiserslautern, Urteil vom 20.01.2014, 2 Ca 1344/14
   

Ak­ten­zei­chen:

2 Sa 114/14

2 Ca 1344/13
Ar­beits­ge­richt Kai­sers­lau­tern
Ent­schei­dung vom 20.10.2014

Te­nor:

I. Die Be­ru­fung des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Kai­sers­lau­tern vom 09.01.2014 - 2 Ca 1344/13 - wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über ei­nen An­spruch der Kläge­rin auf Ent­gelt­fort­zah­lung.

Die Kläge­rin war seit dem 16. Mai 2005 bei dem Be­klag­ten als Rei­se­ver­kehrs­kauf­frau ge­gen ein Brut­to­mo­nats­ent­gelt in Höhe von 2.269,-- EUR beschäftigt.

Ab dem 23. Ju­li 2012 be­fand sich die Kläge­rin in Mut­ter­schutz. Ih­re Toch­ter wur­de im Au­gust 2012 ge­bo­ren. Im An­schluss dar­an be­fand sie sich in El­tern­zeit. Ei­nen schrift­li­chen An­trag hierfür hat­te sie nicht ge­stellt.

Per E-Mail vom 22. Mai 2013 (Bl. 78 d. A.) teil­te die Kläge­rin dem Be­klag­ten u. a. fol­gen­des mit:

"(…)

Außer­dem woll­te ich Ih­nen mit­tei­len, dass ich ab 01.09.2013 nach mei­nem Jahr El­tern­zeit zurück­kom­men wer­de. Je­doch müss­te mei­ne Ar­beits­zeit von 9 bis 16 Uhr sein.

(…)"

Am 29. Au­gust 2013 ging dem Be­klag­ten fol­gen­des Ein­schrei­ben der Kläge­rin vom 28. Au­gust 2013 (Bl. 79 d. A.) zu:

"Sehr ge­ehr­ter Herr A.,

da ich, wie sie si­cher­lich wis­sen, El­tern­zeit für die Dau­er von ei­nem Jahr be­an­tragt ha­be, ist die­se dem­zu­fol­ge am 31. Au­gust 2013 be­en­det.

Ich ge­he da­von aus, dass vor Auf­nah­me mei­ner Ar­beit nach Lösungsmöglich­kei­ten ge­sucht wird, bezüglich der Verände­rung mei­ner Ar­beits­zeit, wie dies von mir im Vor­feld be­gehrt wur­de und in münd­li­cher Form ver­bind­lich von Frau S. zu­ge­sagt wur­de."

Für die Zeit ab dem 27. Au­gust 2013 leg­te die Kläge­rin dem Be­klag­ten Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gun­gen vor.

Mit ih­rer beim Ar­beits­ge­richt Kai­sers­lau­tern er­ho­be­nen Kla­ge be­gehrt die Kläge­rin für die Zeit ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall für die Dau­er von sechs Wo­chen in Höhe von 3.211,51 EUR brut­to.

Die Kläge­rin hat erst­in­stanz­lich vor­ge­tra­gen, zwi­schen den Par­tei­en sei von An­fang an ver­ein­bart ge­we­sen, dass ih­re El­tern­zeit auf ein Jahr an­ge­legt sein sol­le. Über die ge­plan­te Dau­er ih­rer El­tern­zeit ha­be sie nicht nur mit dem Be­klag­ten selbst, son­dern auch mit zahl­rei­chen Mit­ar­bei­tern in den ver­schie­de­nen Büros des Be­klag­ten ge­spro­chen und die­sen mit­ge­teilt, dass ihr ein Jahr El­tern­zeit ge­neh­migt wor­den sei und sie ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 wie­der ih­re Ar­beit auf­neh­men sol­le. Für die Zeit ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 sei ge­plant ge­we­sen, dass sie ei­nen Teil ih­rer Ar­beit im Büro selbst und ei­nen wei­te­ren Teil von zu Hau­se er­le­di­gen soll­te. Aus die­sem Grun­de ha­be Frau S. im Auf­trag des Be­klag­ten be­reits im Ju­ni 2013 mehr­fach Te­le­fon­gespräche mit ihr geführt, um ihr mit­zu­tei­len, dass der Be­klag­te dem "Ho­me-Of­fice/Büro-Ta­ge Mo­dell" zu­ge­stimmt ha­be und dass ein geänder­ter Ver­trag ihr noch vor dem 01. Sep­tem­ber 2013 zur Un­ter­zeich­nung zu­ge­sandt wer­den sol­le. Darüber hin­aus ha­be Herr S. S., wel­cher im Büro des Be­klag­ten für IT-An­ge­le­gen­hei­ten zuständig sei, ei­nen PC für den Ein­satz auf ei­nem Heim­ar­beits­platz pro­gram­mie­ren sol­len. Mit­hin ha­be ih­re El­tern­zeit nach der Ab­spra­che der Par­tei­en un­zwei­fel­haft mit Ab­lauf des 31. Au­gust 2013 be­en­det sein sol­len. Im Übri­gen sei die El­tern­zeit man­gels Ein­hal­tung der Schrift­form gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG le­dig­lich fak­tisch gewährt wor­den. Un­abhängig von der Fra­ge, ob ei­ne nur fak­tisch gewähr­te El­tern­zeit über­haupt für be­en­det erklärt wer­den müsse, sei in je­dem Fall ei­ne ein­sei­ti­ge Be­en­di­gungs­erklärung des Ar­beit­neh­mers aus­rei­chend, oh­ne dass es hier­zu ei­ner Zu­stim­mung durch den Ar­beit­ge­ber bedürfe. Im Hin­blick dar­auf, dass sie mehr­fach und ein­deu­tig ge­genüber dem Be­klag­ten zum Aus­druck ge­bracht ha­be, dass sie ih­re El­tern­zeit mit Ab­lauf des 31. Au­gust 2013 als be­en­det an­se­he und ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 wie­der an ih­re Ar­beits­stel­le zurück­keh­ren wol­le, sei das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 mit al­len dar­aus re­sul­tie­ren­den Rech­ten und Pflich­ten wie­der auf­ge­lebt, so dass ihr der gel­tend ge­mach­te Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch aus § 3 Abs. 1 EFZG zu­ste­he.

Die Kläge­rin hat erst­in­stanz­lich zu­letzt be­an­tragt,

den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an sie 3.211,51 EUR brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Kla­ge­zu­stel­lung zu zah­len.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Er hat er­wi­dert, der von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­te Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch sei un­be­gründet, weil er ei­ner vor­zei­ti­gen Rück­kehr der Kläge­rin aus der El­tern­zeit nicht zu­ge­stimmt und die El­tern­zeit der Kläge­rin da­mit nicht am 31. Au­gust 2013 ge­en­det ha­be. Die Kläge­rin ha­be noch während der Mut­ter­schutz­frist erklärt, ei­ne dreijähri­ge El­tern­zeit in An­spruch zu neh­men, wor­auf er sich ein­ge­rich­tet ha­be. Ei­ne Be­ru­fung der Kläge­rin auf die feh­len­de Schrift­form sei treu­wid­rig, weil die­se nicht et­wa den Schutz des Ar­beit­neh­mers, son­dern des Ar­beit­ge­bers zur Wah­rung sei­ner Dis­po­si­ti­ons­frei­heit be­zwe­cke. Tatsäch­li­cher Hin­ter­grund für das nun­meh­ri­ge Zah­lungs­be­geh­ren der Kläge­rin sei der Um­stand, dass er ih­rem Wunsch nach ei­nem Heim­ar­beits­platz nicht ha­be ent­spre­chen können. Vor die­sem Hin­ter­grund sei auch die ver­meint­li­che Rück­kehr aus der El­tern­zeit und die von ihm aus­drück­lich be­strit­te­ne Ar­beits­unfähig­keit der Kläge­rin zu se­hen. Die Kläge­rin sei zu ei­ner Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung im bis­he­ri­gen Um­fang nicht mehr wil­lens und mögli­cher­wei­se auch nicht in der La­ge.

Mit Ur­teil vom 09. Ja­nu­ar 2014 - 2 Ca 1344/13 - hat das Ar­beits­ge­richt der Kla­ge statt­ge­ge­ben und zur Be­gründung aus­geführt, dass sich die Kläge­rin ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 nicht mehr in El­tern­zeit be­fun­den ha­be. Da die Kläge­rin zu Be­ginn der El­tern­zeit kei­nen schrift­li­chen An­trag nach § 16 BEEG ge­stellt ha­be, sei sie hier­an auch nicht ge­bun­den. Im Hin­blick dar­auf, dass der Be­klag­te selbst von ei­ner länge­ren In­an­spruch­nah­me der El­tern­zeit aus­ge­he, ha­be die Kläge­rin auch nicht un­ent­schul­digt ge­fehlt, son­dern es ha­be ei­ne le­dig­lich fak­ti­sche El­tern­zeit be­stan­den, die die Kläge­rin je­der­zeit durch ein­sei­ti­ge Erklärung ge­genüber dem Be­klag­ten ha­be be­en­den können. Zwar sei auch der Be­klag­te schutzwürdig, weil er sich auf die El­tern­zeit ein­ge­rich­tet ha­be. Er hätte je­doch je­der­zeit von der Kläge­rin ei­nen schrift­li­chen An­trag ver­lan­gen oder sie zur Ar­beits­auf­nah­me auf­for­dern können. Vor­lie­gend könne der Be­klag­te auch nicht ein­wen­den, die Kläge­rin hätte die Ar­beit wie bis­her nicht an­tre­ten können oder wol­len. Nach Auf­fas­sung der Kam­mer sei dies ei­ne bloße Ver­mu­tung.

Ge­gen das ihm am 06. Fe­bru­ar 2014 zu­ge­stell­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts hat der Be­klag­te mit Schrift­satz vom 05. März 2014, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz am glei­chen Tag ein­ge­gan­gen, Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit Schrift­satz vom 04. April 2014, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz am glei­chen Tag ein­ge­gan­gen, be­gründet.

Der Be­klag­te trägt vor, das Ar­beits­ge­richt ha­be sich nicht mit der Fra­ge aus­ein­an­der­ge­setzt, in­wie­weit die Kläge­rin treu­wid­rig ge­han­delt ha­be. Das Schrift­for­mer­for­der­nis soll in ers­ter Li­nie die Dis­po­si­ti­ons­frei­heit des Ar­beit­ge­bers schützen. § 15 Abs. 2 BEEG se­he ei­ne dreijähri­ge El­tern­zeit vor, die zwi­schen den Par­tei­en be­spro­chen und von der Kläge­rin auch zunächst an­ge­tre­ten wor­den sei. Wenn die Kläge­rin ei­nem aus­sch­ließlich dem Schutz des Ar­beit­ge­bers die­nen­den Schrift­for­mer­for­der­nis nicht nach­kom­me, stel­le es sich als rechts­miss­bräuch­lich dar, wenn sie so­dann un­ter Be­ru­fung auf eben je­ne feh­len­de Schrift­form die von ihr mit­ge­teil­te El­tern­zeit­dau­er von drei Jah­ren ab­bre­che. § 16 Abs. 3 S. 1 BEEG ver­lan­ge für die Fälle vor­zei­ti­ger Be­en­di­gung der El­tern­zeit aus­drück­lich die Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers. Bei zu­tref­fen­der Würdi­gung des ge­setz­ge­be­ri­schen Zwecks des Schrift­for­mer­for­der­nis­ses könne sich die Kläge­rin zum Ab­bruch ih­rer El­tern­zeit ge­ra­de nicht auf die feh­len­de Schrift­form ih­res El­tern­zeit­ver­lan­gens be­ru­fen. Un­abhängig da­von be­ste­he ein An­spruch auf Ent­gelt­fort­zah­lung auch des­halb nicht, weil die be­haup­te­te Ar­beits­unfähig­keit nicht die al­lei­ni­ge Ur­sa­che für das Fern­blei­ben der Kläge­rin ge­we­sen sei. Hierfür spre­che be­reits die ei­ge­ne Ein­las­sung der Kläge­rin im Güte­ter­min vom 11. No­vem­ber 2013 vor dem Ar­beits­ge­richt, in dem die Kläge­rin klar und ein­deu­tig be­kun­det ha­be, zur Er­brin­gung ih­rer Ar­beits­leis­tun­gen im bis­he­ri­gen Um­fang, nämlich von 10.00 bis 18.00 Uhr von Mon­tag bis Frei­tag, auf­grund ih­rer Le­bens­umstände und der Be­treu­ungs­not­wen­dig­keit ih­res Kin­des nicht in der La­ge zu sein. Viel­mehr sei die Kläge­rin nach ih­rer ei­ge­nen Ein­las­sung da­von aus­ge­gan­gen, auf ei­nem Heim­ar­beits­platz ar­bei­ten zu können. Als sich ih­re dies­bezügli­che Wunsch­vor­stel­lung nicht rea­li­siert ha­be, ha­be sie nicht et­wa ih­re Ar­beits­leis­tung an­ge­bo­ten oder ih­re Tätig­keit auf­ge­nom­men, son­dern statt­des­sen Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gun­gen über­sandt. Aus dem von der Kläge­rin vor­ge­leg­ten Schrei­ben vom 22. Mai 2013 er­ge­be sich, dass ei­ne einjähri­ge El­tern­zeit ent­ge­gen ih­rer Be­haup­tung nicht mit ihm ver­ein­bart wor­den sei. In die­sem Schrei­ben ha­be die Kläge­rin mit­ge­teilt, sie wer­de ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 aus der El­tern­zeit zurück­kom­men, oh­ne dass dar­in von ir­gend­ei­ner Ver­ein­ba­rung die Re­de sei. In die­sem Schrei­ben ha­be die Kläge­rin ih­re Rück­kunft aus der El­tern­zeit un­ter die Be­din­gung ei­ner be­stimm­ten Ar­beits­zeit und Ar­beits­dau­er ge­stellt, die nicht den be­trieb­li­chen Bedürf­nis­sen ent­spre­che. In An­be­tracht die­ser Umstände könne ei­ne Ar­beits­unfähig­keit nicht als die ein­zi­ge Ur­sa­che für das Fern­blei­ben der Kläge­rin an­ge­se­hen wer­den. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Be­ru­fungs­vor­brin­gens des Be­klag­ten wird auf sei­ne Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift vom 04. April 2014 und sei­nen Schrift­satz vom 03. Ju­ni 2014 ver­wie­sen.

Der Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Kai­sers­lau­tern vom 09. Ja­nu­ar 2014 - 2 Ca 1344/13 - ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie er­wi­dert, zwi­schen den Par­tei­en sei ei­ne El­tern­zeit von ei­nem Jahr ver­ein­bart ge­we­sen. Der Be­klag­te sei un­zu­tref­fend un­ter Hin­weis auf § 15 Abs. 2 BEEG von ei­ner dreijähri­gen El­tern­zeit aus­ge­gan­gen, oh­ne dass dies zwi­schen den Par­tei­en be­spro­chen oder in ir­gend­ei­ner Art und Wei­se ver­ein­bart ge­we­sen sei. Bei der dreijähri­gen El­tern­zeit han­de­le es sich um den höchst­zulässi­gen Zeit­raum. Sie ha­be zu kei­nem Zeit­punkt ei­ne dreijähri­ge El­tern­zeit in An­spruch neh­men wol­len. Ei­ne vor­zei­ti­ge Be­en­di­gung der El­tern­zeit ha­be mit­hin nicht vor­ge­le­gen. Die Dar­stel­lung des Be­klag­ten, sie ha­be be­reits im Güte­ter­min am 11. No­vem­ber 2013 be­kun­det, zur Er­brin­gung ih­rer Ar­beits­leis­tun­gen im bis­he­ri­gen Um­fang auf­grund ih­rer Le­bens­umstände und der Be­treu­ungs­not­wen­dig­keit ih­res Kin­des nicht in der La­ge zu sein, sei un­zu­tref­fend. Viel­mehr ha­be sie von den Schwie­rig­kei­ten be­rich­tet, die ih­re bis­he­ri­gen Ar­beits­zei­ten be­rei­ten würden, wes­halb sie sich auch im Vor­feld der von ihr für den 01. Sep­tem­ber 2013 ge­plan­ten Rück­kehr um ei­nen PC für den Ein­satz auf ei­nem Heim­ar­beits­platz bemüht ha­be. Sie ha­be mit­ge­teilt, zu wel­chen Zei­ten sie ei­ne Kin­der­be­treu­ung ha­be und dass für die Zeit ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 ge­plant ge­we­sen sei, dass sie ei­nen Teil ih­rer Ar­beit im Büro selbst und ei­nen wei­te­ren Teil von zu Hau­se er­le­di­gen soll­te. Im Kam­mer­ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt ha­be sich der Be­klag­te stand­haft ge­wei­gert, über die­se Möglich­kei­ten zu spre­chen. Sie ha­be dann er­wi­dert, dass sie selbst­verständ­lich not­falls ih­re Ar­beits­leis­tun­gen zu den übli­chen Öff­nungs­zei­ten er­brin­gen würde und auch in der La­ge sei, dies zu or­ga­ni­sie­ren. Es könne da­her kei­ne Re­de da­von sein, dass sie nicht in der La­ge ge­we­sen wäre, ih­re Ar­beits­leis­tung ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 zu er­brin­gen. Ent­ge­gen der In­ter­pre­ta­ti­ons­ver­su­che des Be­klag­ten wer­de in ih­rem Schrei­ben vom 22. Mai 2013 mit der Wort­wahl "nach mei­nem Jahr El­tern­zeit" ein­deu­tig auf die ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung von ei­nem Jahr Be­zug ge­nom­men. In die­sem Schrei­ben ha­be sie kei­nes­wegs ih­re Rück­kehr an die Be­din­gung ei­ner be­stimm­ten Dau­er und La­ge der Ar­beits­zeit ge­knüpft. Ei­ne Be­din­gung könne die­sem Schrei­ben si­cher­lich nicht ent­nom­men wer­den. Sie ha­be auch die Gewährung der dort erwähn­ten Ar­beits­zei­ten zu kei­nem Zeit­punkt zur Be­din­gung er­ho­ben. Ent­ge­gen der Dar­stel­lung des Be­klag­ten ha­be sie nicht erklärt, nur im Zeit­raum zwi­schen 8.00 Uhr und 16.00 Uhr ar­bei­ten zu können. Viel­mehr ha­be sie le­dig­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sich die­se Ar­beits­zeit mit den Be­treu­ungs­zei­ten ih­res Kin­des ver­ein­ba­ren las­se. Da der Be­klag­te ihr al­ler­dings nicht ha­be ent­ge­gen kom­men wol­len, ha­be sie im Güte­ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt erklärt, dass sie dann die Be­treu­ung ih­res Kin­des an­ders or­ga­ni­sie­ren müsse, was aber gewähr­leis­tet wer­den könne.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die Schriftsätze der Par­tei­en nebst An­la­gen so­wie auf den ge­sam­ten Ak­ten­in­halt Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung des Be­klag­ten ist zulässig. Sie ist ins­be­son­de­re form- so­wie frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

Die Be­ru­fung des Be­klag­ten hat aber in der Sa­che kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht der Kla­ge statt­ge­ge­ben.

Die Kläge­rin hat gemäß § 3 Abs. 1 EFZG ei­nen An­spruch ge­gen den Be­klag­ten auf Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 für die Dau­er von sechs Wo­chen in rech­ne­risch un­strei­ti­ger Höhe von 3.211,51 EUR brut­to.

1. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht an­ge­nom­men, dass sich die Kläge­rin im streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum ab 01. Sep­tem­ber 2013 nicht in El­tern­zeit be­fun­den hat und des­halb die wech­sel­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten nicht ruh­ten.

Die nach § 16 Abs. 1 BEEG er­for­der­li­che Schrift­form stellt ei­ne Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung für die In­an­spruch­nah­me der El­tern­zeit dar. Das Schrift­for­mer­for­der­nis dient der Rechts­klar­heit und hat ei­ne vor al­lem klar­stel­len­de Funk­ti­on für die Par­tei­en, an der grundsätz­lich - wie es in § 16 BEEG vor­ge­se­hen ist - fest­zu­hal­ten ist (BAG 26. Ju­ni 2008 - 2 AZR 23/07 - Rn. 24 und 25, NZA 2008, 1241). Ent­ge­gen der An­sicht des Be­klag­ten hat das Schrift­for­mer­for­der­nis nicht al­lein die Funk­ti­on, die Dis­po­si­ti­ons­frei­heit des Ar­beit­ge­bers zu schützen. Im Hin­blick dar­auf, dass die Erklärung des Ar­beit­neh­mers über die In­an­spruch­nah­me der El­tern­zeit für die­sen im Fal­le ih­rer Wirk­sam­keit Bin­dungs­wir­kung ent­fal­tet und ein­sei­tig hin­sicht­lich des End­zeit­punk­tes nicht mehr geändert wer­den kann, ent­fal­tet das im In­ter­es­se der Rechts­klar­heit für bei­de Par­tei­en sta­tu­ier­te Schrift­for­mer­for­der­nis auch ei­ne Schutz­funk­ti­on bzw. Warn­funk­ti­on für den Ar­beit­neh­mer. Zwar sind bei­de Par­tei­en für die Zeit bis zum 31. Au­gust 2013 übe­rein­stim­mend da­von aus­ge­gan­gen, dass sich die Kläge­rin in die­sem Zeit­raum in El­tern­zeit be­fun­den hat. Das führt aber le­dig­lich da­zu, dass sich der Be­klag­te für die­sen Zeit­raum gemäß § 242 BGB nicht mehr auf die feh­len­de Schrift­form be­ru­fen könn­te, weil er es in Kennt­nis des feh­len­den schrift­li­chen An­trags hin­ge­nom­men hat, dass die Kläge­rin in die­ser Zeit nicht zur Ar­beit er­schie­nen ist und ih­re "El­tern­zeit" fort­geführt hat. Die Kläge­rin hat aber mit ih­rer E-Mail vom 22. Mai 2013 dem Be­klag­ten mit­ge­teilt, dass sie ab 01. Sep­tem­ber 2013 nach ih­rem Jahr El­tern­zeit zurück­kom­men wer­de. Wei­ter­hin hat sie den Be­klag­ten mit dem ihm am 29. Au­gust 2013 zu­ge­gan­ge­nen Schrei­ben darüber un­ter­rich­tet, dass sie El­tern­zeit für die Dau­er von ei­nem Jahr be­an­tragt ha­be und die­se dem­zu­fol­ge am 31. Au­gust 2013 be­en­det sei. Für die Zeit ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 hat in An­be­tracht die­ser Erklärun­gen der Kläge­rin kein schützens­wer­tes Ver­trau­en des Be­klag­ten auf ei­ne Fortführung der El­tern­zeit durch die Kläge­rin be­stan­den. Ei­ne ver­bind­li­che Fest­le­gung des End­zeit­punkts der El­tern­zeit bis zum Ab­lauf der höchstmögli­chen Dau­er von drei Jah­ren ist man­gels Ein­hal­tung der hierfür er­for­der­li­chen Schrift­form nicht er­folgt. Viel­mehr soll durch das Schrift­for­mer­for­der­nis ge­ra­de die zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Un­klar­heit, für wel­chen Zeit­raum die El­tern­zeit ver­bind­lich in An­spruch ge­nom­men wur­de, ver­hin­dert wer­den. 

2. Die Kläge­rin hat un­strei­tig dem Be­klag­ten für den streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gun­gen vor­ge­legt. Der Be­klag­te hat kei­ne Umstände vor­ge­tra­gen, die den Be­weis­wert der ärzt­li­chen Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gun­gen erschüttern könn­ten. Da­nach hat die Kläge­rin den ihr ob­lie­gen­den Be­weis für ih­re krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit im streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum be­reits durch die vor­ge­leg­ten Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gun­gen er­bracht.

3. Die krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit der Kläge­rin war auch die al­lei­ni­ge Ur­sa­che für den Aus­fall der Ar­beit.

Ent­ge­gen der An­sicht des Be­klag­ten kann im Streit­fall nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Kläge­rin leis­tungs­un­wil­lig war. Die vom Be­klag­ten be­haup­te­te Ein­las­sung der Kläge­rin im Güte­ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt lässt nicht den Rück­schluss dar­auf zu, dass sie oh­ne ei­ne Ände­rung ih­rer Ar­beits­zei­ten bzw. der Ein­rich­tung ei­nes Heim­ar­beits­plat­zes oh­ne­hin nicht mehr zur Ar­beit er­schie­nen wäre. Viel­mehr ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Kläge­rin im Güte­ter­min, in dem das ge­sam­te Streit­verhält­nis zum Zwe­cke der gütli­chen Ei­ni­gung der Par­tei­en zu erörtern ist (§ 54 Abs. 1 ArbGG), ih­rem Be­geh­ren Nach­druck ver­lei­hen woll­te, die Ar­beits­zei­ten bzw. die Ar­beits­be­din­gun­gen mit den Be­treu­ungs­zei­ten ih­res Kin­des in Ein­klang zu brin­gen. Die Kläge­rin hat nicht erklärt, dass sie im Fal­le der Ab­leh­nung ih­res Wun­sches, zukünf­tig zu geänder­ten Ar­beits­zei­ten bzw. in Heim­ar­beit tätig zu sein, über­haupt nicht mehr zur Ar­beit kom­men wer­de. Viel­mehr hat sie be­reits im Vor­feld den Be­klag­ten aus­drück­lich auf die Be­en­di­gung ih­rer El­tern­zeit zum 31. Au­gust 2013 hin­ge­wie­sen und die­sen le­dig­lich un­ter Be­ru­fung auf die von ihr an­geführ­te Zu­sa­ge um Lösungsmöglich­kei­ten bezüglich ei­ner Verände­rung ih­rer Ar­beits­zeit ge­be­ten. Ent­ge­gen der An­sicht des Be­klag­ten er­gibt sich aus der E-Mail vom 22. Mai 2013 we­der, dass ei­ne einjähri­ge El­tern­zeit ent­ge­gen der Be­haup­tung der Kläge­rin nicht ver­ein­bart ge­we­sen sei, noch dass die Kläge­rin ih­re Rück­kehr aus der El­tern­zeit an die Be­din­gung veränder­ter Ar­beits­zei­ten ge­knüpft ha­be. In der E-Mail der Kläge­rin vom 22. Mai 2013 heißt es aus­drück­lich, dass sie ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 nach ih­rem Jahr El­tern­zeit wie­der zurück­kom­men wer­de ("nach mei­nem Jahr El­tern­zeit"). So­weit die Kläge­rin dar­auf ver­wie­sen hat, dass ih­re Ar­beits­zeit von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr sein müss­te, er­gibt sich aus die­sem Wunsch nach ei­ner geänder­ten Ar­beits­zeit nicht, dass sie ent­schlos­sen war, ab dem 01. Sep­tem­ber 2013 bei Ab­leh­nung ih­rer Vor­stel­lung über­haupt nicht mehr beim Be­klag­ten zu ar­bei­ten (vgl. hier­zu auch LAG Rhein­land-Pfalz 29. Sep­tem­ber 2010 - 8 Sa 226/10 - ju­ris). Auch aus ih­rem wei­te­ren Schrei­ben, das dem Be­klag­ten am 29. Au­gust 2013 zu­ge­gan­gen ist, lässt sich ein sol­cher Schluss nicht her­lei­ten. Auch wenn die Kläge­rin dar­in ihr Be­geh­ren zum Aus­druck bringt, dass vor Auf­nah­me ih­rer Ar­beit nach Lösungsmöglich­kei­ten bezüglich ei­ner Verände­rung ih­rer Ar­beits­zeit ge­sucht wer­de, be­sagt dies noch nicht, dass sie im Fal­le ei­ner Ab­leh­nung die­ser an­ge­streb­ten Lösung ih­re Ar­beit beim Be­klag­ten zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen nicht mehr auf­neh­men könne oder wol­le. Die Be­haup­tung der Kläge­rin, sie hätte not­falls ih­re Ar­beits­leis­tung zu den übli­chen Öff­nungs­zei­ten er­bracht und die Be­treu­ung ih­res Kin­des dann an­ders or­ga­ni­siert, er­scheint be­zo­gen auf den streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum von sechs Wo­chen oh­ne wei­te­res als nach­voll­zieh­bar und plau­si­bel, auch wenn die Kläge­rin in An­be­tracht der Be­treu­ung ih­res Kin­des länger­fris­tig an ei­ner orts­na­hen Tätig­keit zu ent­spre­chend an­ge­pass­ten Ar­beits­zei­ten in­ter­es­siert sein mag.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on war nicht ver­an­lasst, weil hierfür die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vor­lie­gen.

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