HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 07.10.2011, 12 Sa 139/11

   
Schlagworte: Kündigung, Betriebsrat
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen: 12 Sa 139/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 07.10.2011
   
Leitsätze:

1. Eine Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Abs. 5 KSchG ist ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil des Betriebs, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der einen eigenen Betriebszweck verfolgt, auch wenn dieser in einem bloßen Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs besteht (BAG 23.02.2010, 2 AZR 656/08, AP Nr. 66 zu § 15 KSchG 1969, Rn. 29).

2. Dabei ist es im Einzelfall möglich, dass diese "personelle Einheit" durch einen einzelnen Arbeitnehmer verkörpert wird, der räumlich und organisatorisch abgegrenzt einen eigenen Hilfszweck verfolgt.

3. Um in einer solchen Konstellation der "Atomisierung" der kündigungsschutzrechtlich relevanten Betriebsstruktur und damit einer Aushöhlung des gesetzlich geschaffenen besonderen Bestands- und Inhaltsschutzes der betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträger vorzubeugen (in Anlehnung an BAG 20.01.1984, 7 AZR 443/82, AP Nr. 16 zu § 15 KSchG 1969, Rn. 29), bedarf es eines besonders dichten und konturierten Tatsachenvortrags des Arbeitgebers um zu verdeutlichen, dass tatsächlich ein abgrenzbarer Hilfszweck durch diese Betriebsabteilung selbständig verfolgt wird.

4. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn ein einzelner Justitiar in der Verwaltung einer Klinik neben allgemeinen Verwaltungsaufgaben juristische Querschnittsaufgaben bei der Beratung anderer Verwaltungsmitarbeiter sowie die Prozessführung vor Gericht ohne nennenswerten eigenen Entscheidungsspielraum wahrnimmt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 1.12.2010, 2 Ca 93/10
   

Te­nor

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Han­no­ver vom 01.12.2010 - 2 Ca 93/10 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung, wel­che die Be­klag­te dem Kläger ge­genüber un­ter Be­zug­nah­me auf die be­haup­te­te Still­le­gung ei­ner Be­triebs­ab­tei­lung aus­ge­spro­chen hat.

Der am 00.00.1963 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te und ei­nem Kind zum Un­ter­halt ver­pflich­te­te Kläger ist seit dem 01.10.2002 für die Be­klag­te tätig. Der schrift­li­che Ar­beits­ver­trag vom 19.08.2003 (Bl. 5 ff. d. A.) re­gelt in § 3 als Auf­ga­ben­ge­biet des Klägers "Jus­ti­ti­ar und Per­so­nal­lei­ter, wo­bei der Schwer­punkt sei­ner Tätig­keit im Be­reich der ju­ris­ti­schen Be­ra­tung liegt." Der Kläger er­zielt ein mo­nat­li­ches Brut­to­ent­gelt von der­zeit 6.750,00 €.

Mit Wir­kung zum 01.10.2004 hat die Be­klag­te Frau C. R. als neue Per­so­nal­lei­te­rin ein­ge­stellt. Ob es in die­sem Zu­ge auch zu ei­ner Verände­rung des recht­li­chen In­halts des zwi­schen dem Kläger und der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Ar­beits­verhält­nis­ses ge­kom­men ist, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Mit an die Be­klag­te ge­rich­te­tem Schrei­ben vom 18.11.2005 äußer­te der Kläger: "Nach mei­ner Zu­stim­mung zu der von Ih­nen ein­sei­tig vor­ge­nom­me­nen Ver­tragsände­rung ar­bei­te ich aus­sch­ließlich als Jus­ti­ti­ar für Sie, oh­ne ei­ge­ne Be­fug­nis zu Sach­ent­schei­dun­gen" (Bl. 151 d. A.). Der Kläger nahm wei­ter­hin re­gelmäßig an der bei der Be­klag­ten in­stal­lier­ten "Ver­wal­tungs­run­de" teil. Über die dort erörter­ten In­hal­te ge­ben bei­spiel­haft die Pro­to­kol­le vom 28.10.2004 (Bl. 264 ff. d. A.) und vom 23.12.2004 (Bl. 308 f. d. A.) Aus­kunft. Ab dem 29.11.2005 war der Kläger von sei­ner Pflicht zur Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt.

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Seit De­zem­ber 2005 ist der Kläger Mit­glied des bei der Be­klag­ten ge­bil­de­ten Be­triebs­ra­tes. Er wur­de En­de April 2010 er­neut in das Gre­mi­um gewählt. Nach ei­ner recht­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung zu die­ser Fra­ge ist der Kläger we­gen sei­ner Be­triebs­rats­ar­beit vollständig frei­ge­stellt.

Am 16.12.2009 fass­te der geschäftsführen­de al­lei­ni­ge Ge­sell­schaf­ter der Be­klag­ten fol­gen­den Be­schluss:

"Die Lei­tung der Per­so­nal­ab­tei­lung wird mit so­for­ti­ger Wir­kung der Geschäftsführung über­tra­gen. Im Rah­men der Geschäfts­ver­tei­lung ob­liegt dem Geschäftsführer A. J. die Lei­tung der Per­so­nal­ab­tei­lung.

Die Rechts­ab­tei­lung wird mit so­for­ti­ger Wir­kung ge­schlos­sen. So­weit Rechts­fra­gen und Rechts­strei­tig­kei­ten außer­ge­richt­lich oder ge­richt­lich nicht durch von der Ge­sell­schaft zu be­auf­tra­gen­de Rechts­anwälte be­ar­bei­tet und be­treut wer­den, ob­liegt die Be­ar­bei­tung die­ser An­ge­le­gen­hei­ten eben­falls der Geschäftsführung. Im Rah­men der Geschäfts­ver­tei­lung ist der Geschäftsführer R. B. für die An­ge­le­gen­hei­ten Bau­recht, Pfle­ge­satz­ver­hand­lun­gen und Herr J. für den Be­reich Per­so­nal­recht zuständig. Mit der Klärung von Rechts­fra­gen und der außer­ge­richt­li­chen und ge­richt­li­chen Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft sol­len im We­sent­li­chen ex­ter­ne Rechts­anwälte be­auf­tragt wer­den." (Bl. 55 d. A.).

Mit Schrei­ben vom 07.01.2010 hörte die Be­klag­te den bei ihr ge­bil­de­ten Be­triebs­rat zur be­ab­sich­tig­ten or­dent­li­chen Kündi­gung des Klägers an (Bl. 152 ff. d. A.). Der Be­triebs­rat wi­der­sprach die­sem Kündi­gungs­be­geh­ren mit Schrei­ben vom 14.01.2010 (Bl. 157 ff. d. A.). Mit Schrei­ben vom 18.01.2010 sprach die Be­klag­te dem Kläger ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung mit Wir­kung zum 31.03.2010 aus (Bl. 19 d. A.). Hier­ge­gen hat der Kläger mit am 05.02.2010 beim Ar­beits­ge­richt A-Stadt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben.

Der Kläger hat gerügt, dass die Vor­aus­set­zun­gen des § 15 Abs. 5 Kündi­gungs­schutz­ge­setz nicht vorlägen.

Ins­be­son­de­re stel­le sein zu­letzt wahr­ge­nom­me­ner Auf­ga­ben­be­reich kei­ne ei­genständi­ge "Rechts­ab­tei­lung" dar. Der Kläger hat zu­dem vor­ge­tra­gen, es sei­en so­wohl gleich­wer­ti­ge als auch ge­rin­ger­wer­ti­ge Ar­beitsplätze bei der Be­klag­ten vor­han­den, die für ihn frei­ge­macht wer­den müss­ten. Er sei auch be­reit, zu geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen zu ar­bei­ten.

Der Kläger hat be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung der
Be­klag­ten vom 18.01.2010 zum 31.03. 2010 nicht be­en­det wor­den ist,

für den Fall, dass dem Fest­stel­lungs­an­trag statt­ge­ge­ben wird, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, den Kläger zu
un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen ent­spre­chend dem ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trag zu beschäfti­gen,

so­wie hilfs­wei­se

fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung vom
18.01.2010 auch nicht zum 31.12.2011 be­en­det wird,

so­wie wei­ter­hin hilfs­wei­se

für den Fall der Statt­ga­be die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, den Kläger zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen
ent­spre­chend dem ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trag bis zum 31.12.2011 zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat vor­ge­tra­gen, dass der Kläger mit der ab Ok­to­ber 2004 voll­zo­ge­nen fak­ti­schen Tren­nung von Per­so­nal- und Rechts­ab­tei­lung ein­ver­stan­den ge­we­sen sei. Bei der vom Kläger verkörper­ten Rechts­ab­tei­lung han­de­le es sich um ei­ne selbständi­ge Be­triebs­ab­tei­lung im Sin­ne von § 15 Abs. 5 KSchG. Dem Kläger sei ein ei­ge­nes Ar­beits­zim­mer mit der Auf­schrift "Rechts­ab­tei­lung" zu­ge­wie­sen wor­den. Der Kläger ha­be ei­ge­ne Rechts­an­ge­le­gen­hei­ten selbständig be­ar­bei­tet und als Ju­rist ei­ne Schnitt- und Ko­or­di­nie­rungs­stel­le für die von der Be­klag­ten be­auf­trag­ten ex­ter­nen Rechts­anwälte dar­ge­stellt. Zur Bewälti­gung die­ser Auf­ga­be ha­be dem Kläger spe­zi­el­le ju­ris­ti­sche Li­te­ra­tur so­wie ei­ne Büro­aus­stat­tung zur Verfügung ge­stan­den. Der Kläger ha­be ei­ge­ne Ak­ten geführt. Die Da­ten der Rechts­ab­tei­lung sei­en auf ei­nem se­pa­ra­ten Lauf­werk der be­trieb­li­chen EDV ab­ge­legt wor­den.

Der Kläger ha­be als Lei­ter der Rechts­ab­tei­lung zahl­rei­che so­zi­al­recht­li­che, ver­wal­tungs­recht­li­che und ar­beits­ge­richt­li­che Strei­tig­kei­ten selbständig geführt. Im März 2009 sei hin­sicht­lich der Re­fi­nan­zie­rung der Kos­ten der Pa­ti­en­ten und Be­woh­ner ei­ne um­fas­sen­de ver­gleichs­wei­se Re­ge­lung mit den Kos­tenträgern ge­lun­gen. Da in der Fol­ge der ju­ris­ti­sche Be­ar­bei­tungs­be­darf bei der Be­klag­ten sich dras­tisch re­du­ziert ha­be, ha­be der geschäftsführen­de Ge­sell­schaf­ter der Be­klag­ten am 16.12.2009 den Be­schluss ge­fasst, die bis­he­ri­ge Rechts­ab­tei­lung auf­zulösen. Im Be­trieb der Be­klag­ten ge­be es kei­ne Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten für den Kläger. Es ge­be auch kei­ne dem Qua­li­fi­ka­ti­ons­pro­fil des Klägers ent­spre­chen­den gleich­wer­ti­gen Ar­beitsplätze, wel­che für den Kläger frei gekündigt wer­den könn­ten. Zur Freikündi­gung ge­rin­ger­wer­ti­ger Ar­beitsplätze sei die Be­klag­te aus recht­li­chen Gründen nicht ver­pflich­tet. Ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen sei ihr unmöglich.

Mit Ur­teil vom 02.12.2010 hat das Ar­beits­ge­richt A-Stadt den Haupt­anträgen des Klägers ent­spro­chen. Zur Be­gründung der Un­wirk­sam­keit der or­dent­li­chen Kündi­gung vom 18.01.2010 hat das Ar­beits­ge­richt we­sent­lich dar­auf

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ab­ge­stellt, dass die Be­klag­te es versäumt ha­be, dem Kläger ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung auf gleich­wer­ti­gen oder ge­rin­ger­wer­ti­gen Ar­beitsplätzen an­zu­bie­ten. Da­zu hätte die Be­klag­te not­falls auch ge­rin­ger­wer­ti­ge Ar­beitsplätze für den Kläger freikündi­gen müssen.

Die­ses Ur­teil des Ar­beits­ge­richts A-Stadt vom 01.12.2010 ist den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten am 28.12.2010 zu­ge­stellt wor­den. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fungs­schrift ist am 25.01.2011 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen. Die Be­ru­fungs­be­gründung ist am 28.03.2011 zu­gleich dem letz­ten Tag der verlänger­ten Be­ru­fungs­be­gründungs­frist beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen.

Zur Be­gründung der Be­ru­fung macht die Be­klag­te gel­tend, dass es zum Zeit­punkt der aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung bei ihr kei­ne frei­en Stel­len ge­ge­ben ha­be, die dem Qua­li­fi­ka­ti­ons­pro­fil des Klägers ent­spre­chen. Auch im Be­reich der Per­so­nal­ab­tei­lung oder der Pa­ti­en­ten- und Be­woh­ner­ver­wal­tung ha­be es we­der gleich­wer­ti­ge noch ge­rin­ger­wer­ti­ge freie Stel­len ge­ge­ben. Ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zur Freikündi­gung ge­rin­ger­wer­ti­ger Stel­len las­se sich aus § 15 Abs. 5 KSchG nicht ab­lei­ten. Zur Über­nah­me der Funk­ti­on der Lei­tung der Pa­ti­en­ten- und Be­woh­ner­ver­wal­tung sei der Kläger auf­grund sei­ner fach­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on nicht in der La­ge. Ins­be­son­de­re feh­le es ihm an den er­for­der­li­chen Kennt­nis­sen in der Buch­hal­tung. Die Be­klag­te be­ab­sich­ti­ge die zum No­vem­ber 2011 frei wer­den­de Stel­le des Herrn K. mit ei­nem stu­dier­ten Be­triebs­wirt zu be­set­zen und dort zusätz­lich die Lei­tung der Buch­hal­tung an­zu­sie­deln. An­ge­sichts der feh­len­den Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten für den Kläger im Ar­beits­verhält­nis kom­me es auf des­sen tem­poräre Frei­stel­lung als Be­triebs­rats­mit­glied nicht an. Der Wi­der­spruch des Be­triebs­ra­tes vom 14.01.2010 sei nicht "ord­nungs­gemäß" im Sin­ne von § 102 Abs. 5 Be­trVG. Der Be­triebs­rat und das Ar­beits­ge­richt hätten hin­sicht­lich des Wi­der­spruchs­grun­des ei­ner Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit le­dig­lich auf die re­la­tiv brei­te Qua­li­fi­ka­ti­on des Klägers ab­ge­stellt, da­bei je­doch et­wai­ge Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten im Be­trieb der Be­klag­ten nicht kon­kret be­nannt. Der Be­klag­ten sei die ver­trags­gemäße Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers unmöglich.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts A-Stadt vom 01.12.2010 - 2 Ca 93/10 - ab­zuändern und die Kla­ge
ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Mit der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung rügt der Kläger, dass die Be­klag­te nicht ha­be dar­le­gen können, dass es sich bei der "Rechts­ab­tei­lung" über­haupt um ei­ne Be­triebs­ab­tei­lung im Sin­ne von § 15 Abs. 5 KSchG han­de­le. Der Kläger ha­be mit sei­ner "Rechts­ab­tei­lung" nicht über ein ei­ge­nes Sach­kos­ten­bud­get verfügen können. Dem Kläger sei­en kei­ne fes­ten Mit­ar­bei­ter zu­ge­ord­net ge­we­sen und ab Mai 2005 ha­be der Kläger nicht mal mehr ei­nen ei­ge­nen Schlüssel be­ses­sen, der ihm den selbständi­gen Zu­weg zu sei­nem Ar­beits­platz ermöglicht hätte. Der Kläger ha­be nicht als "Rechts­ab­tei­lung" ge­ar­bei­tet, son­dern Hand in Hand mit sei­nen Kol­le­gen der Ver­wal­tung als ju­ris­ti­scher Sach­be­ar­bei­ter. Die Be­klag­te ha­be ihm na­he­zu je­de ei­ge­ne Ent­schei­dungs­be­fug­nis ent­zo­gen. Zu­letzt sei der an­geb­lich ei­genmäch­ti­ge Ab­schluss ei­nes ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­glei­ches über ein Weih­nachts­geld von 1.000,00 € als Kündi­gungs­grund her­an­geführt wor­den. Die vor­mals vom Kläger aus­geübten Tätig­kei­ten der Lei­tung der Per­so­nal­ab­tei­lung würden jetzt ganz über­wie­gend von Frau J. E. aus­geübt. Die­ser ob­lie­ge der­zeit auch die in­ter­ne Vor- und Nach­be­rei­tung von Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten. Im Be­reich der Pa­ti­en­ten- und Be­woh­ner­be­treu­ung ob­lie­ge dies Herrn K.. Der Kläger sei oh­ne nen­nens­wer­te Ein­ar­bei­tungs­zeit in der La­ge, so­wohl die Auf­ga­ben von Frau E. als auch die des Herrn K. zu über­neh­men. Der Kläger verfüge so­gar über die not­wen­di­ge Qua­li­fi­ka­ti­on zur Über­nah­me der neu­ge­schaf­fe­nen Funk­tio­nen des "Lei­ters der Buch­hal­tung und Pa­ti­en­ten- und Be­woh­ner­ver­wal­tung". Sei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch stütze er nicht nur auf § 102 Abs. 5 Be­trVG, son­dern auch auf den all­ge­mei­nen ar­beits­recht­li­chen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch.

Ergänzend wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie die Sit­zungs­nie­der­schrift der Ver­hand­lung am 07.10.2011 ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die statt­haf­te und form- so­wie frist­ge­recht ein­ge­leg­te Be­ru­fung der Be­klag­ten ist un­be­gründet.

1. Die Be­klag­te ver­moch­te nicht dar­zu­le­gen, dass die Vor­aus­set­zun­gen des § 15 Abs. 5 KSchG erfüllt sind. Es ist nicht nach­voll­zieh­bar, dass die dem Kläger zu­letzt über­tra­ge­ne ju­ris­ti­sche Tätig­keit ei­ne ei­genständi­ge Be­triebs­ab­tei­lung dar­ge­stellt ha­ben soll. Da der Kläger zum Zeit­punkt der Kündi­gung am 18.01.2010 or­dent­li­ches Mit­glied des bei der Be­klag­ten ge­bil­de­ten Be­triebs­ra­tes ge­we­sen ist, hätte ihm nur mit Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes nach § 103 Be­trVG oder nach ent­spre­chen­der Zu­stim­mungs­er­set­zung durch das Ar­beits­ge­richt gekündigt wer­den können. Bei­de Vor­aus­set­zun­gen lie­gen nicht vor. Der in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nor­mier­te Grund­satz, dass die Kündi­gung ei­nes Mit­glie­des des Be­triebs­ra­tes un­zulässig ist, wird vor­lie­gend nicht durch­bro­chen.

a) Ei­ne Be­triebs­ab­tei­lung im Sin­ne von § 15 Abs. 5 KSchG ist ein räum­lich und or­ga­ni­sa­to­risch ab­ge­grenz­ter Teil des Be­trie­bes, der ei­ne per­so­nel­le Ein­heit er­for­dert, dem ei­ge­ne tech­ni­sche Be­triebs­mit­tel zur Verfügung ste­hen und der ei­nen ei­ge­nen Be­triebs­zweck ver­folgt, auch wenn die­ser in ei­nem bloßen Hilfs­zweck für den ar­beits­tech­ni­schen

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Zweck des Ge­samt­be­trie­bes be­steht (BAG 23.02.2010, 2 AZR 656/08, AP Nr. 66 zu § 15 KSchG 1969, Rn. 29). Da­bei ist es im Ein­zel­fall möglich, dass die­se "per­so­nel­le Ein­heit" durch ei­nen ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer verkörpert wird, der räum­lich und or­ga­ni­sa­to­risch ab­ge­grenzt ei­nen ei­ge­nen Be­triebs­zweck oder Teil­zweck ver­folgt. Um in ei­ner sol­chen Kon­stel­la­ti­on der "Ato­mi­sie­rung" der kündi­gungs­schutz­recht­lich re­le­van­ten Be­triebs­struk­tur und da­mit ei­ner Aushöhlung des ge­setz­lich ge­schaf­fe­nen be­son­de­ren Be­stands- und In­halts­schut­zes der be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Funk­ti­ons­träger vor­zu­beu­gen (in An­leh­nung an BAG 20.01.1984, 7 AZR 443/82, AP Nr. 16 zu § 15 KSchG 1969, Rn. 29), be­darf es ei­nes dich­ten und kon­tu­rier­ten Tat­sa­chen­vor­tra­ges des Ar­beit­ge­bers, um zu ver­deut­li­chen, dass tatsächlich ein ab­grenz­ba­rer Be­triebs­zweck durch ei­ne sol­che Ein-Mann-Ab­tei­lung selbständig ver­folgt wird. So zeigt die vom Bun­des­ar­beits­ge­richt in der Ent­schei­dung vom 23.02.2010 (a. a. O. Rn. 31) durch­geführ­te Prüfung, dass das Bun­des­ar­beits­ge­richt kon­kre­te tatsächli­che Fest­stel­lun­gen ver­langt, aus de­nen sich so­wohl die an­ge­nom­me­ne räum­li­che und or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ab­gren­zung als auch die kla­re Ab­gren­zung der Ar­beits­auf­ga­ben er­ge­ben, da­mit von ei­ner Ver­selbständi­gung die­ser Ein­heit im Sin­ne ei­ner Be­triebs­ab­tei­lung ge­spro­chen wer­den kann.

b) Auch nach umfäng­li­cher ergänzen­der Sach­ver­halts­aufklärung im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung am 07.10.2011 ist vor­lie­gend nicht er­sicht­lich, wie sich die von der Be­klag­ten be­haup­te­te Be­triebs­ab­tei­lung "Rechts­ab­tei­lung" von der all­ge­mei­nen Ver­wal­tung der Be­klag­ten or­ga­ni­sa­to­risch und funk­tio­nell klar ab­gren­zen las­sen soll. Un­strei­tig exis­tiert bei der Be­klag­ten kei­ne for­mel­le Geschäfts­ver­tei­lung. Die vom Kläger mit der Klag­schrift vom 05.02.2010 vor­ge­leg­ten im In­ter­net veröffent­lich­ten Or­ga­ni­gram­me der Be­klag­ten (Bl. 25 f. d. A.) wei­sen zwar ei­ne Per­so­nal­ab­tei­lung zunächst un­ter Führung von Frau C. R. und später un­ter Führung von Herrn A. J., hin­ge­gen kei­ne ei­ge­ne Rechts­ab­tei­lung aus.

Das Er­geb­nis­pro­to­koll der Ver­wal­tungs­run­de vom 28.10.2004 erwähnt den Kläger auf der dor­ti­gen Sei­te 4. Die in der Ver­wal­tungs­run­de erläuter­te Pro­ble­ma­tik der Zu­sam­men­set­zung des Be­sitz­stan­des wird da­bei da­bei nicht als Er­geb­nis ei­ner Be­gut­ach­tung durch die Rechts­ab­tei­lung, son­dern als Er­geb­nis ei­ner Ar­beits­grup­pe be­ste­hend aus Herrn J., der Per­so­nal­ab­tei­lung und dem Kläger dar­ge­stellt (Bl. 267 d. A.). Im Pro­to­koll der Ver­wal­tungs­run­de vom 23.12.2004 (dort Bl. 309 d. A.) kann zwar die vom Kläger vor­ge­nom­me­ne In­for­ma­ti­on über die vor­sorg­li­che Er­he­bung von Untätig­keits­kla­gen zur Un­ter­bre­chung even­tu­el­ler Verjährungs­fris­ten als spe­zi­fi­sches Ar­beits­er­geb­nis ei­nes ju­ris­ti­schen Sach­be­ar­bei­ters ge­se­hen wer­den. Hin­ge­gen be­trifft der fol­gen­de Punkt zur Er­mitt­lung der Un­ter­schieds­beträge zwi­schen Ab­schlags­pfle­gesätzen und den heim­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Pfle­gesätzen le­dig­lich ei­ne ma­the­ma­ti­sche bzw. ver­wal­tungs­tech­ni­sche Fra­ge­stel­lung. Die glie­de­rungsmäßige Stel­lung im Pro­to­koll vom 23.12.2004 lässt aber den Schluss zu, dass auch die­se all­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­auf­ga­be vom Kläger be­ar­bei­tet wor­den ist. Der Kläger hat zu­letzt im Ter­min am 07.10.2011 vor­ge­tra­gen, dass er sei­ne Auf­ga­ben über­wie­gend "Hand in Hand" mit an­de­ren Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­tern na­ment­lich mit der Ab­tei­lung zur Pa­ti­en­ten- und Be­woh­ner­ver­wal­tung er­le­digt ha­be. So­weit er für die Be­klag­te Ge­richts­ter­mi­ne wahr­ge­nom­men ha­be, sei­en ihm nen­nens­wer­te ei­ge­ne Ent­schei­dungs­spielräume nicht ein­geräumt ge­we­sen. Die dem Kläger am 27.10.2004 er­teil­te Voll­macht im Um­fan­ge des § 141 Abs. 3 ZPO lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger auch im In­nen­verhält­nis ent­spre­chend um­fas­send be­vollmäch­tigt ge­we­sen ist. Die Be­klag­te hin­ge­gen hat kei­ne kon­kre­ten Bei­spielsfälle vor­ge­tra­gen aus de­nen deut­lich ge­wor­den wäre, über wel­che tatsächli­chen Ent­schei­dungs­spielräume der Kläger bei der Be­ar­bei­tung von Ge­richts­ver­fah­ren verfügt ha­ben soll. Für die streit­be­fan­ge­ne Ab­gren­zungs­fra­ge nicht aus­sa­ge­kräftig ist der Um­stand, dass der Kläger nach außen un­ter dem Brief­kopf "Rechts­ab­tei­lung" auf­ge­tre­ten ist. Die­se Möglich­keit ha­ben auch in die all­ge­mei­ne Ver­wal­tung ein­ge­bun­de­ne ju­ris­ti­sche Sach­be­ar­bei­ter.

Vor die­sen Hin­ter­grund wäre es Auf­ga­be der in­so­weit dar­le­gungs- und be­weis­be­las­te­ten Be­klag­ten ge­we­sen, dem Ge­richt die funk­tio­na­le Ab­gren­zung und den kla­ren Zu­schnitt des Teil­zwe­ckes zu ver­deut­li­chen, den der Kläger ge­trennt von den an­de­ren Ab­tei­lun­gen selbständig ver­wirk­li­chen soll­te. Dies ist der Be­klag­ten un­ter Ge­samtwürdi­gung ih­res Sach­vor­tra­ges ein­sch­ließlich der Ergänzun­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung am 07.10.2011 nicht ge­lun­gen. Es er­gibt sich das Bild, dass der Kläger im maßgeb­li­chen Zeit­raum von Ok­to­ber 2004 bis No­vem­ber 2011 zwar ver­trags­recht als Ju­rist beschäftigt wor­den ist, die funk­tio­na­le Ab­gren­zung zu den an­de­ren Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­tern in­des nicht so klar ist, dass von ei­ner ver­selbständig­ten "Rechts­ab­tei­lung" aus­ge­gan­gen wer­den kann. Das Vor­lie­gen ei­ner Be­triebs­ab­tei­lung im Sin­ne von § 15 Abs. 5 KSchG ist zu ver­nei­nen, wenn ein ein­zel­ner Jus­ti­ti­ar in der Ver­wal­tung ei­ner Kli­nik ne­ben all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­auf­ga­ben ju­ris­ti­sche Quer­schnitts­auf­ga­ben bei der Be­ra­tung an­de­rer Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­ter so­wie die Pro­zessführung vor Ge­richt oh­ne ei­ge­ne ab­grenz­ba­re Kom­pe­ten­zen wahr­nimmt.

2. Hin­sicht­lich des be­gründe­ten Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruchs kann der Kläger sich auch auf den all­ge­mei­nen ar­beits­recht­li­chen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch stützen. Der Be­klag­ten ist ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers gemäß dem Ar­beits­ver­trag vom 19.08.2003 zu­min­dest hin­sicht­lich ei­ner Beschäfti­gung als Jus­ti­ti­ar mit dem Schwer­punkt sei­ner Tätig­keit im Be­reich der ju­ris­ti­schen Be­ra­tung nicht unmöglich. Auch wenn sich nach dem Ge­samt­ver­gleich zur Kos­tenüber­nah­me im März 2009 die Zu­sam­men­set­zung der bei der Be­klag­ten zur Be­gut­ach­tung an­fal­len­den recht­li­chen Fra­gen geändert ha­ben mag, so ist es der Be­klag­ten zur Erfüllung ih­rer ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen möglich und zu­mut­bar, die im Be­reich der ju­ris­ti­schen Be­ra­tung noch an­fal­len­den Tätig­kei­ten wie­der dem Kläger zu­zu­wei­sen. Darüber hin­aus könn­te dem Kläger all­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­auf­ga­ben aus dem Be­reich der Pa­ti­en­ten- und Be­woh­ner­ver­wal­tung zu­ge­wie­sen wer­den. Prak­ti­sche Re­le­vanz ent­fal­tet die­se Fra­ge oh­ne­hin erst dann, wenn die Frei­stel­lung des Klägers für die Be­triebs­rats­ar­beit ge­en­det hat.

II.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO wo­nach die Be­klag­te die Kos­ten der von ihr er­folg­los ein­ge­leg­ten Be­ru­fung zu tra­gen hat.

- 5 -

Gründe für ei­ne Zu­las­sung der Re­vi­si­on la­gen nicht vor, da der Rechts­streit un­ter An­wen­dung der vom Bun­des­ar­beits­ge­richt ge­prägten De­fi­ni­tio­nen zur Be­triebs­ab­tei­lung im Sin­ne von § 15 Abs. 5 KSchG auf der Ebe­ne der Sach­ver­halts­aufklärung und Sub­sum­ti­on un­ter die­sen Rechts­be­griff ent­schie­den wor­den ist.

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