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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/176

Häus­li­ches Ar­beits­zim­mer steu­er­lich ab­setz­bar

Kos­ten für häus­li­che Ar­beits­zim­mer müs­sen steu­er­lich ab­zugs­fä­hig sein: Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, Be­schluss vom 06.07.2010, 2 BvL 13/09
Hunderteuroscheine Neu­re­ge­lung der steu­er­li­chen Be­rück­sich­ti­gung ei­nes häus­li­chen Ar­beits­zim­mers ver­fas­sungs­wid­rig
09.09.2010. Wäh­rend Ar­beit­neh­mer und Selb­stän­di­ge, die (auch) bei sich da­heim ar­bei­ten, ha­ben na­tur­ge­mäß gro­ßes In­ter­es­se dar­an, die für die­ses häus­li­che Ar­beits­zim­mer an­fal­len­den Kos­ten von der Steu­er ab­zu­set­zen. Das Fi­nanz­amt hin­ge­gen nicht.

Di­rek­te Fol­ge die­ses In­ter­es­sen­kon­flikts ist ei­ne Art "Ar­beits­zim­mer-Steu­er­recht", das zu­letzt 2007 ver­schärft wur­de. Ob die­se Än­de­rung ver­fas­sungs­kon­form ist, wur­de von den Fi­nanz­ge­rich­ten schnell be­zwei­felt.

Nun hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt für Klar­heit ge­sorgt: Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, Be­schluss vom 06.07.2010, 2 BvL 13/09.

Ab­zug der Ar­beits­zim­mer­kos­ten - er­laubt, ver­bo­ten, oder ... ?

Vie­le Ar­beit­neh­mer und Selbständi­ge nut­zen ständig ein sog. häus­li­ches Ar­beits­zim­mer, d.h. ein Büro­zim­mer, das mit ei­nem Schreib­tisch und Büro­tech­nik aus­ge­stat­tet ist und für die Be­rufstätig­keit ge­nutzt wer­den kann, aber den­noch eng mit dem häus­li­chen Wohn­be­reich ver­bun­den ist. Ver­mut­lich dürf­te die­se Form der Er­werbs­ar­beit in den letz­ten Jah­ren zu­ge­nom­men ha­ben, schon al­lein auf­grund der im­mer bes­se­ren tech­ni­schen Möglich­kei­ten, vom „Ho­me Of­fice“ aus auf die be­trieb­li­che EDV oder auf Da­ten­ban­ken zu­zu­grei­fen.

Trägt der Ar­beit­neh­mer oder der Selbständi­ge die Kos­ten für ein sol­ches Ar­beits­zim­mer, möch­te er die­se verständ­li­cher­wei­se bei der Fest­set­zung sei­ner Ein­kom­men­steu­er berück­sich­tigt se­hen, d.h. er möch­te sie von sei­nem zu ver­steu­ern­den Ein­kom­men ger­ne ab­set­zen. Die­se Ab­zugsmöglich­keit war in den ver­gan­ge­nen Jah­ren im­mer wie­der Ge­gen­stand ei­nes ju­ris­ti­schen Dau­er­kon­flikts zwi­schen Ge­setz­ge­ber und Fi­nanz­ver­wal­tung auf der ei­nen und dem Steu­er­pflich­ti­gen auf der an­de­ren Sei­te. Re­sul­tat die­ses Streits ist ei­ne Art „Ar­beits­zim­mer-Steu­er­recht“.

Die­ses wur­de zu­letzt durch das Steu­erände­rungs­ge­setz 2007 wei­ter zu­las­ten des Steu­er­pflich­ti­gen verschärft, die Möglich­keit des Ab­zugs von Ar­beits­zim­mer­kos­ten wur­de über die schon be­ste­hen­den Be­schränkun­gen hin­aus wei­ter ein­ge­schränkt: § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Ein­kom­men­steu­er­ge­setz (EStG) un­ter­sagt den Ab­zug der Ar­beits­zim­mer­kos­ten ab dem Ver­an­la­gungs­jahr 2007 ge­ne­rell bzw. er­laubt ihn noch dann, wenn das Ar­beits­zim­mer den Mit­tel­punkt der ge­sam­ten be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Betäti­gung bil­det. „Ge­knif­fen“ von die­ser Re­ge­lung sind al­le Ar­beit­neh­mer wie z.B. Leh­rer oder Außen­dienst­mit­ar­bei­ter, die zwar vor­wie­gend an­ders­wo ar­bei­ten (nämlich in der Schu­le oder beim Kun­den), den­noch aber re­gelmäßig auch an ih­rem Heim­ar­beits­platz. Sie sol­len ih­re Ar­beits­zim­mer­kos­ten nicht vom zu ver­steu­ern­den Ein­kom­men gar nicht mehr ab­set­zen können.

Ob die­se Rechts­la­ge mit der Ver­fas­sung zu ver­ein­ba­ren ist, d.h. mit dem im Grund­ge­setz (GG) ent­hal­te­nen Grund­satz der Gleich­heit vor dem Ge­setz (Art. 3 Abs. 1 GG), war in den letz­ten Jah­ren um­strit­ten. Ei­ni­ge Fi­nanz­ge­rich­te und auch der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) hat­ten hier Zwei­fel, da Art. 3 Abs. 1 GG vom Ge­setz­ge­ber ver­langt, dass steu­er­li­che Be­las­tun­gen an der fi­nan­zi­el­len Leis­tungsfähig­keit des Steu­er­pflich­ti­gen aus­ge­rich­tet sind, und war in ei­ner „fol­ge­rich­ti­gen“ Wei­se. Wer­den da­her die bei ei­nem Leh­rer an­fal­len­den Kos­ten für ein Heim­ar­beits­zim­mer, die sein Ein­kom­men min­dern, vom Fi­nanz­amt nicht steu­er­min­dernd an­er­kannt, ob­wohl ein an­de­rer Ar­beit­neh­mer mit ei­nem gleich ho­hen Ge­halt kei­ne Ar­beits­zim­mer­kos­ten hat, weil er al­le Ar­bei­ten im Be­trieb er­le­di­gen kann, liegt ein Ver­s­toß ge­gen den Gleich­heits­satz na­he.

Die­se Fra­ge hat nun­mehr das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) geklärt (Be­schluss vom 06.07.2010, 2 BvL 13/09).

Der Fall: Leh­rer muss zwin­gend da­heim Ex­pe­ri­men­te vor­be­rei­ten - Fi­nanz­amt ver­wei­gert steu­er­li­che Berück­sich­ti­gung

Der Kläger ar­bei­tet als Haupt­schul­leh­rer und un­ter­rich­tet u.a. die Klau­surfächer Eng­lisch, Ma­the­ma­tik und Tech­nik (Elek­tro­nik). Er un­terhält ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer von 10 qm, das 11 % der Ge­samtfläche sei­nes Hau­ses ent­spricht. Das Zim­mer nutzt er täglich, auch am Wo­chen­en­de, für zwei St­un­den, u.a. auch zum Aus­pro­bie­ren der im Un­ter­richt zu be­han­deln­den Ex­pe­ri­men­te. In dem Ar­beits­zim­mer be­wahrt er Ar­beits­ma­te­ria­li­en für den Un­ter­richt, et­wa 120 Fachbücher so­wie Un­ter­richts­ma­te­ria­li­en in zahl­rei­chen Ord­nern auf. Außer­dem be­fin­det sich hier ein PC mit Ne­ben­geräten.

Die von ihm be­an­trag­te Zu­wei­sung ei­nes Ar­beits­plat­zes in der Schu­le zur Vor- und Nach­be­rei­tung des Un­ter­richts war vom Schulträger ab­ge­lehnt wor­den. Trotz­dem ließ das Fi­nanz­amt die vom Kläger in sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Jahr 2007 gel­tend ge­mach­ten Auf­wen­dun­gen für sein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer un­berück­sich­tigt.

Dies ließ sich der Kläger nicht ge­fal­len und zog vor das Fi­nanz­ge­richt Müns­ter. Die­ses legt dem BVerfG die Fra­ge vor, ob der vollständi­ge Aus­schluss der Ab­zugsmöglich­keit der Kos­ten für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer mit der Ver­fas­sung ver­ein­bar ist (Be­schluss vom 08.05.2009, 1 K 2872/08 E).

Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt: Das Ab­zugs­ver­bot ist teil­wei­se ver­fas­sungs­wid­rig und muss rück­wir­kend geändert wer­den

Das BVerfG ent­schied, dass die gel­ten­de Fas­sung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG teil­wei­se un­ver­ein­bar ist, nämlich so­weit das ge­ne­rel­le Ab­zugs­ver­bot auch dann gilt, wenn dem Steu­er­pflich­ti­gen kein an­de­rer Ar­beits­platz für sei­ne be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit zur Verfügung steht. Der Ge­setz­ge­ber wur­de vom BVerfG da­zu ver­pflich­tet, rück­wir­kend zum 01.01.2007 durch ei­ne Neu­fas­sung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG den ver­fas­sungs­wid­ri­gen Zu­stand zu be­sei­ti­gen. Die Ge­rich­te und Ver­wal­tungs­behörden dürfen die Vor­schrift in­so­weit, als sie ver­fas­sungs­wid­rig ist, nicht mehr an­wen­den. Lau­fen­de Ver­fah­ren sind aus­zu­set­zen.

We­sent­lich für das BVerfG war die Über­le­gung, dass der Ge­setz­ge­ber mit der strei­ti­gen Verschärfung des „Ar­beits­zim­mer-Steu­er­rechts“ kei­nen Sys­tem­wan­del im Ein­kom­men­steu­er­recht be­ab­sich­tig­te und da­her die in die­sem Rechts­ge­biet ver­folg­ten ge­setz­li­chen Grund­prin­zi­pi­en kon­se­quent fort­bil­den muss. Ei­nes der wich­tigs­ten der im Ein­kom­men­steu­er­recht gel­ten­den Prin­zi­pi­en ist das sog. Net­to­prin­zip. Da­nach sind be­trieb­lich oder be­ruf­lich ver­an­lass­te Auf­wen­dun­gen als Be­triebs­aus­ga­ben oder Wer­bungs­kos­ten von der Be­mes­sungs-grund­la­ge ab­zu­zie­hen, um das zu ver­steu­ern­de Net­to­ein­kom­men zu er­rech­nen. Aus­nah­men vom Net­to­prin­zip, die zu Las­ten des Bürgers ge­hen wie die hier strei­ti­ge Re­ge­lung, müssen dem­zu­fol­ge durch be­son­de­re Gründe ge­recht­fer­tigt sein, da sie an­sons­ten ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz ver­s­toßen.

Ei­ne sol­che Recht­fer­ti­gung für ei­ne Ab­wei­chung vom Net­to­prin­zip konn­te das BVerfG hier nicht er­ken­nen. Die im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren an­geführ­ten „fis­ka­li­schen Gründe“, d.h. die Ab­sicht, dem Bürger mehr Geld ab­zu­knöpfen, können nach An­sicht des Ge­richts die Neu­re­ge­lung nicht recht­fer­ti­gen. Denn: „Dem Ziel der Ein­nah­men­ver­meh­rung dient je­de, auch ei­ne willkürli­che steu­er­li­che Mehr­be­las­tung.“ (Rn. 44).
Außer­dem be­an­stan­de­te das BVerG, dass die Neu­re­ge­lung auch nicht leich­ter und mit we­ni­ger Strei­tig­kei­ten zu hand­ha­ben ist als die bis­he­ri­ge. Denn im­mer­hin lässt sich das Feh­len ei­nes an­de­ren Ar­beits­plat­zes im Be­trieb rasch und unbüro­kra­tisch durch die Vor­la­ge ei­ner Be­schei­ni­gung des Ar­beit­ge­bers nach­wei­sen. Da­mit be­steht für die Fi­nanz­ver­wal­tung ei­ne leicht nach­prüfba­re Tat­sa­chen­ba­sis für die Fest­stel­lung der tatsächlich be­trieb­li­chen oder be­ruf­li­chen Nut­zung des häus­li­chen Ar­beits­zim­mers.

Im Ver­gleich zu ei­ner sol­chen Tat­sa­chen­fest­stel­lung durch die Fi­nanz­ver­wal­tung ist es we­sent­lich schwe­rer und streit­anfälli­ger her­aus­zu­fin­den, ob ein Ar­beits­zim­mer den „Mit­tel­punkt“ der ge­sam­ten be­trieb­li­chen oder be­ruf­li­chen Tätig­keit bil­det. In die­sem Fall macht aber auch die strei­ti­ge Neu­re­ge­lung ei­ne Aus­nah­me vom Ver­bot der Ab­zugsfähig­keit. Die Neu­re­ge­lung ist al­so auch in der Hin­sicht nicht kon­se­quent, als sie kei­ne wirk­li­che Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chung bringt.

Das BVerfG hat das Ver­bot der Ab­zugsfähig­keit aus­drück­lich nur für die Fälle be­an­stan­det, in de­nen kein an­de­res (be­trieb­li­ches) Ar­beits­zim­mer ge­nutzt wer­den kann. Da­mit bleibt ei­ne we­sent­li­che Verschärfung des Ge­set­zes­la­ge ab 2007 be­ste­hen: Während vor­her die Kos­ten ei­nes häus­li­chen Ar­beits­zim­mers bis zu ei­nem Höchst­be­trag von 1.250,00 EUR pro Jahr ab­zugsfähig wa­ren, wenn die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Nut­zung des Ar­beits­zim­mers mehr als 50 % der ge­sam­ten be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Tätig­keit aus­mach­ten, fällt für die­se Fälle die Ab­zugsfähig­keit ab 2007 weg. Und da­bei dürf­te es blei­ben, da die­se Verschärfung vom BVerfG aus­drück­lich nicht für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt wur­de.

Fa­zit: Ab dem Steu­er­jahr 2007 können wie­der vie­le Ar­beit­neh­mer die Kos­ten für ihr häus­li­ches Ar­beits­zim­mer beim Fi­nanz­amt gel­tend ma­chen, wenn sie ih­re be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit nicht an ei­nem an­de­ren Ar­beits­platz ausüben können. Das be­trifft nicht nur Leh­rer wie den Kläger in dem vom BVerfG ent­schie­de­nen Aus­gangs­fall, son­dern auch Außen­dienst­mit­ar­bei­ter und an­de­re Ar­beit­neh­mer und auch Frei­be­ruf­ler, wenn sie kei­ne Al­ter­na­ti­ve zur Ar­beit in ih­rem Heimbüro ha­ben.

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Letzte Überarbeitung: 3. August 2020

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