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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/014

Wirk­sam­keit ei­ner Kün­di­gung:

Un­ter­schrift bei Ge­mein­schafts­pra­xis: Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 11.12.2009, 10 Sa 594/09
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller Für Kün­di­gun­gen gilt das Schrift­for­mer­for­der­nis

21.01.2010. Ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Nie­der­sach­sen ver­deut­licht die for­mal­ju­ris­ti­schen Fall­stri­cke, über die ein aus meh­re­ren Per­so­nen be­ste­hen­de Ge­sell­schaft bür­ger­li­chen Rechts (GbR) beim Aus­spruch ei­ner form­wirk­sa­men Kün­di­gung stol­pern kann.

Un­ter­schreibt ei­ner der Ge­sell­schaft nicht selbst, muss ein an­de­rer für ihn un­ter­schrei­ben, und zwar mit ei­nem die Ver­tre­tung deut­lich ma­chen­den Hin­weis: LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 11.12.2009, 10 Sa 594/09.

Kündi­gung durch Ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts (GbR): Wer un­ter­schreibt wie?

Kündi­gun­gen bedürfen, das re­gelt § 623 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB), zwin­gend der Schrift­form. Dies be­deu­tet, dass die Kündi­gung „von dem Aus­stel­ler ei­genhändig durch Na­mens­un­ter­schrift oder mit­tels no­ta­ri­ell be­glau­big­ten Hand­zei­chens un­ter­zeich­net wer­den muss“ (§ 126 BGB).

Aus­stel­ler bei ei­ner Kündi­gung ist der Ar­beit­ge­ber. Un­ter­schrei­ben muss al­so grundsätz­lich der Ar­beit­ge­ber. Ein Ar­beit­ge­ber kann sich al­ler­dings da­bei auch ver­tre­ten las­sen, d.h. die in sei­nem Na­men aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung durch ei­nen Be­vollmäch­tig­ten un­ter­schrei­ben las­sen.

Recht­lich wird da­bei un­pro­ble­ma­tisch auf die im BGB ent­hal­te­nen Vor­schrif­ten zur Ver­tre­tung und Voll­macht (§§ 164ff. BGB) zurück­ge­grif­fen, wo­nach ein Ver­tre­ter dann im Na­men des Ar­beit­ge­bers ei­ne Kündi­gung aus­spre­chen und un­ter­schrei­ben darf, wenn ihm dies­bezüglich von dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Voll­macht er­teilt wur­de und deut­lich wird, dass er für den Ar­beit­ge­ber ge­han­delt hat.

Die­se Re­ge­lun­gen sind ein­fach um­zu­set­zen, wenn der Ar­beit­ge­ber ei­ne Ein­zel­per­son ist und die Kündi­gung sel­ber un­ter­schreibt oder wenn ein ge­setz­li­cher Ver­tre­ter für den Ar­beit­ge­ber un­ter­schreibt, et­wa der Geschäftsführer für ei­ne GmbH.

In an­de­ren Fällen kommt es häufig zu zwei Pro­ble­men: Zum ei­nen wird darüber ge­strit­ten, wer über­haupt die Kündi­gung un­ter­zeich­nen durf­te, zum an­de­ren geht es um die Fra­ge, ob bei ei­ner in Ver­tre­tung un­ter­schrie­be­nen Kündi­gung die Be­vollmäch­ti­gung für den Gekündig­ten er­kenn­bar war.

Dies wird oh­ne wei­te­res an­ge­nom­men, wenn et­wa der Lei­ter der Per­so­nal­ab­tei­lung ei­ne Kündi­gung un­ter­schreibt, weil dies zu sei­nen ty­pi­schen Auf­ga­ben gehört. In nicht so er­sicht­li­chen Fällen kann der gekündig­te Ar­beit­neh­mer die Kündi­gung gemäß § 174 BGB we­gen ei­ner feh­len­den Voll­macht zurück­wei­sen, wenn die­se der Kündi­gung nicht bei­gefügt ist. Die Kündi­gung ist dann (erst) nach der recht­zei­ti­gen, d.h. un­verzügli­chen, Zurück­wei­sung un­wirk­sam.

In der Pra­xis ist es für Ar­beit­ge­ber und Beschäftig­te teil­wei­se schwer zu er­ken­nen, wer ei­ne Kündi­gung un­ter­schrei­ben muss bzw. darf. Dies ist ins­be­son­de­re der Fall, wenn der Ar­beit­ge­ber kei­ne Ein­zel­per­son ist und ei­ne Ver­tre­tung nicht klar ge­re­gelt ist, wie es häufig bei den weit ver­brei­te­ten Ge­sell­schaf­ten des Bürger­li­chen Rechts (GbR) nach § 705 BGB der Fall ist. Denn da­bei ver­mi­schen sich die bei­den Pro­ble­me, wer über­haupt die Kündi­gung un­ter­schrei­ben muss und was bei ei­ner Un­ter­schrift in Ver­tre­tung zu be­ach­ten ist.

Wel­che Fall­stri­cke sich hier­bei für den Ar­beit­ge­ber er­ge­ben können, zeigt der vor­lie­gen­de Fall des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Han­no­ver (Ur­teil vom 11.12.2009, 10 Sa 594/09).

Der Fall des Lan­des­ar­beits­ge­richts Han­no­ver: Ge­mein­schafts­pra­xis kündigt - nur ein Arzt un­ter­schreibt

Der be­klag­te Ar­beit­ge­ber im vor­lie­gen­den Fall war ei­ne Ge­mein­schafts­pra­xis (or­ga­ni­siert als GbR), die aus zwei Ärz­ten be­stand. Im Sep­tem­ber 2008 kündig­ten sie ei­ner dort beschäftig­ten Arzt­hel­fe­rin, der Kläge­rin, frist­ge­recht zum 31.12.2008. Das Kündi­gungs­schrei­ben ent­hielt den Brief­kopf der Ge­mein­schafts­pra­xis und war im Plu­ral ver­fasst („Zu un­se­rem Be­dau­ern se­hen wir uns ge­zwun­gen, […] Ih­nen zu kündi­gen“). Un­ter­schrie­ben hat­te die Kündi­gung al­ler­dings nur ei­ner der Ärz­te mit sei­nem Na­men. Die Un­ter­schrift nahm et­wa die Hälf­te der Brei­te des Kündi­gungs­schrei­bens ein, ei­nen Zu­satz oder ei­ne Un­ter­schrif­ten­zei­le ent­hielt das Kündi­gungs­schrei­ben nicht.

Ge­gen die Kündi­gung leg­te die Arzt­hel­fe­rin Kündi­gungs­schutz­kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt Os­nabrück (Ur­teil vom 18.03.2009, 4 Ca 462/08) ein und ar­gu­men­tier­te u.a. da­mit, dass die Kündi­gung nicht dem ge­setz­li­chen Schrift­for­mer­for­der­nis genügte, weil nur ei­ner der Ärz­te un­ter­schrie­ben hat­te. Die Ärz­te ver­tra­ten da­ge­gen die Auf­fas­sung, dass der ei­ne Arzt auch in Ver­tre­tung für den an­de­ren un­ter­schrei­ben durf­te und die Arzt­hel­fe­rin ei­ne feh­len­de Ver­tre­tungs­be­fug­nis je­den­falls nicht recht­zei­tig zurück­ge­wie­sen hat­te.

Das Ar­beits­ge­richt gab der Arzt­hel­fe­rin recht. Nach An­sicht des Ge­richts war ei­ne Zurück­wei­sung der Kündi­gung we­gen ei­ner feh­len­den Voll­macht gar nicht er­for­der­lich. Denn der Arzt hätte deut­lich ma­chen müssen, dass er auch in Ver­tre­tung des an­de­ren Arz­tes un­ter­schrie­ben hat­te, dies aber versäumt. Erst in die­sem Fall wäre es auf ei­ne un­verzügli­che Zurück­wei­sung der Kündi­gung an­ge­kom­men. Die Kündi­gung ver­stieß des­halb ge­gen das Schrift­for­mer­for­der­nis der §§ 623, 126 BGB, so das Ge­richt.

Ge­gen die­ses Ur­teil leg­ten die Ärz­te Be­ru­fung zum Lan­des­ar­beits­ge­richt Han­no­ver ein.

Lan­des­ar­beits­ge­richt Han­no­ver: Die Kündi­gung war for­mun­wirk­sam, da die Ver­tre­tung nicht er­kenn­bar war

Das LAG Han­no­ver gab eben­falls der Arzt­hel­fe­rin recht, weil die Kündi­gung auch nach sei­ner An­sicht nicht dem Schrift­for­mer­for­der­nis genügte.

Die Un­ter­schrift hat nämlich auch die Funk­ti­on, dass der Empfänger, al­so der gekündig­te Ar­beit­neh­mer, er­ken­nen kann, dass die Kündi­gung tatsächlich vom Ar­beit­ge­ber herrührt. Be­steht der Ar­beit­ge­ber des­halb wie vor­lie­gend aus meh­re­ren Per­so­nen, müssen des­halb auch al­le un­ter­schrei­ben, so das LAG.

Un­ter­schreibt ei­ne der Per­so­nen für die an­de­re mit, so muss aus der Kündi­gung die­se Ver­tre­tung er­sicht­lich sein. Dies, so das LAG, ist im vor­lie­gen­den Fall je­doch ge­ra­de nicht er­kenn­bar. Das LAG hält es nämlich für denk­bar, dass auch der an­de­re Arzt die Kündi­gung noch un­ter­schrei­ben soll­te und es hier­zu letzt­end­lich nicht ge­kom­men ist.

Dafür führt das LAG ei­ne Rei­he von Ar­gu­men­ten an: Zunächst ist es nicht ge­ne­rell üblich, dass bei ei­ner Ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts oder spe­zi­ell bei Ge­mein­schafts­pra­xen ei­ne Per­son al­lein un­ter­schrei­ben darf, so dass der Zu­satz, in Ver­tre­tung zu han­deln, nicht ent­behr­lich ist.

Zu­dem gab es kei­ne (vor­ge­druck­te) Un­ter­schrif­ten­zei­le, die dar­auf hin­deu­te­te, dass nur ein Arzt un­ter­schrei­ben soll­te. Die Un­ter­schrift war zu­dem so plat­ziert, dass für die Un­ter­schrift des zwei­ten Arz­tes aus­rei­chend Raum ver­blie­ben war. Aus die­sen gan­zen Umständen schließt das LAG, dass die Arzt­hel­fe­rin nicht da­von aus­ge­hen konn­te und muss­te, dass der un­ter­schrei­ben­de Arzt in Ver­tre­tung han­deln woll­te.

Fa­zit: Ei­ne Kündi­gung soll­te des­halb ent­we­der von al­len Ar­beit­ge­bern un­ter­schrie­ben wer­den, oder der Un­ter­schrei­ben­de muss aus­drück­lich hin­zufügen, dass er als „al­lei­ni­ger Ver­tre­ter des Ar­beit­ge­bers“ (et­wa der Ge­mein­schafts­pra­xis)“ han­delt. Dann soll­te er auch ei­ne ent­spre­chen­de Voll­macht beifügen, da­mit die Kündi­gung nicht zurück­ge­wie­sen wer­den kann.

Für gekündig­te Ar­beit­neh­mer lohnt al­so durch­aus ein Blick auf die Un­ter­schrift auf der Kündi­gung. Auch wenn ein Ar­beit­ge­ber ei­gent­lich ei­nen Kündi­gungs­grund in der Hand hat, kann die Kündi­gung nämlich durch Feh­ler bei der Un­ter­schrift er­folg­reich an­ge­grif­fen wer­den.

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Letzte Überarbeitung: 5. Oktober 2016

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