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Nachbindung eines Tarifvertrages bei Verbandsaustritt wird nicht verkürzt.
14.08.2009. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in einem aktuellen Urteil zu entscheiden, ob der Austritt eines Arbeitgebers aus einem Arbeitgeberverband gemäß § 3 Abs.3 Tarifvertragsgesetz (TVG) eine zeitlich unbeschränkte Nachbindung an die vom Verband abgeschlossenen Tarifverträge zur Folge hat oder nicht.
Möglicherweise müsste ein Verbandsaustritt ja mit einer Entlastung von der Tarifwirkung einhergehen, so dass sich fragt, ob der Arbeitgeber eine Verkürzung der Nachbindungszeit gerichtlich durchsetzen kann: BAG, Urteil vom 01.07.2009, 4 AZR 261/08.
- Die Tarifbindung und ihre "Nachwirkungen"
- Der Fall: Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich nach dem Verbandsaustritt
- BAG: Nachbindung eines Tarifvertrages bei Verbandsaustritt wird nicht verkürzt
Die Tarifbindung und ihre "Nachwirkungen"
Sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer rechtlich an einen Tarifvertrag gebunden, gelten die in ihm festgelegten Arbeitsbedingungen aufgrund der sog. „Tarifwirkung“ unmittelbar und zwingend, d.h. Abweichungen zuungunsten des Arbeitnehmers sind nicht möglich. Erlaubt ist lediglich eine Abweichung zugunsten des Arbeitnehmers (Günstigkeitsprinzip).
Tarifgebunden sind Arbeitgeber, die selbst einen Tarifvertrag abgeschlossen haben (man spricht dann von einem Haus- bzw. Firmentarifvertrag) oder Mitglieder des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes. Als Arbeitnehmer ist man tarifgebunden, wenn man Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ist.
Tarifverträge - und mit ihnen die rechtlich zwingende Tarifbindung - enden in der Regel durch Kündigung oder durch Zeitablauf, falls die Laufzeit des Tarifs befristet ist. Keine Auswirkung auf die Tarifgebundenheit hat dagegen der Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband oder der Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). In einem solchen Fall wird die Tarifbindung gemäß § 3 Abs.3 TVG nämlich bis zum Ablauf des Tarifvertrages aufrechterhalten. Diese gesetzlich angeordnete „Nachbindung“ verhindert, dass Arbeitgeber trotz bestehender Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband zu teure oder aus anderen Gründen missliebige Tarifverträge umgehen, indem sie kurzfristig aus dem Verband austreten.
Im übrigen gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrags sogar dann weiter, wenn der der Tarifvertrag abgelaufen ist, nur dass sie dann keine zwingende Wirkung mehr haben, sondern jederzeit durch eine anderweitige Abmachung ersetzt werden können (§ 4 Abs. 5 TVG - sog. Nachwirkung). Mit dem Ablauf des Tarifvertrags endet somit die Tarifwirkung und (im Falle eines Verbandesaustritts) die Nachbindung und es beginnt die sog. Nachwirkungszeit. Hier besteht die rechtliche Möglichkeit, in einer für den Arbeitnehmer ungünstigen Richtung vom Tarif abzuweichen, etwa durch arbeitsvertragliche Regelungen, die die tariflichen Arbeitsbedingungen unterschreiten. Vorausgesetzt ist dabei natürlich, dass die betroffenen Arbeitnehmer „freiwillig“ mitmachen.
Viele Rahmen- und Manteltarifverträge haben eine sehr lange Laufzeit, d.h. sie gelten im Unterschied zu Lohn- und Tarifverträgen oft über viele Jahre. Auch sie enthalten allerdings häufig wichtige finanzielle Verpflichtungen des Arbeitgebers, so etwa die Pflicht zu Sonderzahlungen oder eine bestimmte Wochenstundenzahl. Arbeitgeber sehen sich daher, wenn sie durch einen Verbandsaustritt oder einen Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft den Rechtswirkungen der Verbandstarifverträge „entkommen“ wollen, in ihrer negativen Koalitionsfreiheit (Art.9 Abs. 3 Grundgesetz - GG) verletzt und beklagen daher eine Grundrechtsverletzung. Ihrer Meinung nach muss die - gesetzlich im Prinzip zeitlich unbeschränkte -Nachbindung des Tarifvertrages beschränkt werden, z.B. auf ein Jahr.
Bisher ist die Rechtsprechung diesen Forderungen nicht nachgekommen, sondern hat § 3 Abs.3 TVG strikt angewandt. Nunmehr hatte sich erneut das BAG mit dieser Frage zu befassen (Urteil vom 01.07.2009, 4 AZR 261/08).
Der Fall: Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich nach dem Verbandsaustritt
Der Arbeitnehmer, ein Metallarbeiter, konnte zunächst kraft beiderseitiger Tarifbindung die Anwendung des Gemeinsamen Manteltarifvertrags (GMTV) verlangen. Er war nämlich Gewerkschaftsmitglied und der Arbeitgeber Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes. Im GMTV war die 35-Stunden-Woche vorgeschrieben und eine Erhöhung der wöchentlich Stundenzahl auf 40 Stunden nur bei Lohnausgleich erlaubt.
In der Folge trat der Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband aus. Sodann vereinbarte er mit dem Arbeitnehmer im Wege des Arbeitsvertrags eine Arbeitspflicht von 40 Stunden pro Woche - ohne Lohnausgleich.
Nach dem Verbandsaustritt und der vom GMTV abweichenden arbeitsvertraglichen Regelung vereinbarten die Tarifparteien einen Tarifvertrag, dem zufolge der GMTV abgelöst werden sollte, allerdings erst dann, wenn der einzelne Arbeitgeber in seinem Betrieb ein neues Entgeltsystem (ERA) eingeführt hatte. Bei Nichteinführung von ERA sollte der GMTV noch fast drei Jahre weiter, nämlich bis Ende 2008 fortgelten.
Der im vorliegenden Fall verklagte Arbeitgeber führte ERA nicht ein. Etwa zwei Jahre später schloss er mit der Gewerkschaft einen Firmentarifvertrag ab.
Der Metallarbeiter zog vor Gericht und klagte auf Feststellung, dass die mit seinem Arbeitgeber arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich bis zum Inkrafttreten des Firmentarifvertrags unwirksam war. Der Arbeitgeber verteidigte sich mit der Überlegung, dass er an den GMTV nur bis zum frühesten möglichen Kündigungstermin gebunden gewesen sei. Jedenfalls müssten die Gerichte, so seine Rechtsauffassung, die Zeit der gesetzlich angeordneten Nachbindung (§ 3 Abs. 3 TVG) für die Zeit nach seinem Verbandsaustritt in einem „angemessenen“ Umfang abkürzen, da er sonst in seiner negativen Koalitionsfreiheit verletzt sei.
Dieser Auffassung folgten weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht (LAG) Saarland (Urteil vom 09.01.2008, 2 Sa 78/07). Beide Gerichte gaben dem Metallarbeiter recht. Die zuungunsten des Arbeitnehmers getroffenen Vereinbarungen waren nämlich, so die Gerichte, während der Nachbindungszeit getroffen worden. Demzufolge wichen sie während der Zeit der unmittelbaren und zwingenden Tarifwirkung zu Ungunsten des Arbeitnehmers vom Tarif ab und verstießen somit gegen das Prinzip der normativen Wirkung des Tarifs bzw. gegen das Günstigkeitsprinzip.
BAG: Nachbindung eines Tarifvertrages bei Verbandsaustritt wird nicht verkürzt
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Urteile der Vorinstanzen an und wies die Revision des Arbeitgebers zurück.
Seine Argumentation, so das BAG, widerspricht nämlich dem Wortlaut des § 3 Abs.3 TVG. Danach gilt der Tarifvertrag nun einmal zwingend bis zu seinem Ablauf. Eine Einschränkung dieser zwingenden Wirkung , z.B. bis zur nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt oder für eine „angemessene Zeit“, sieht die gesetzliche Regelung gerade nicht vor.
Diese „Härte“ des Gesetzes verstößt auch nicht gegen die negativen Koalitionsfreiheit eines aus dem Verband austretenden Arbeitgebers. Denn schließlich ist der dem Arbeitgeberverband freiwillig und in Kenntnis der oft langen Laufzeiten von Tarifverträgen beigetreten.
In der Tat unterstellt die Argumentation der Arbeitgeber in der Frage der Nachbindung ohne überzeugende Begründung eine „unverhältnismäßig“ lange Bindung an die Verbandstarifverträge. Schließlich verwirklicht sich die grundrechtlich geschützte Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit gerade in der rechtlichen Bindung, d.h. im rechtsverbindlichen Beitritt zu einer Vereinigung, und diesen Verbandsbeitritt (mit der Folge der Tarifbindung) hat der Arbeitgeber selbst freiwillig herbeigeführt.
Fazit: Im Ergebnis sollten Arbeitgeber, die durch einen Verbandstarif wirtschaftlich überfordert werden, mit der Gewerkschaft über einen Firmentarifvertrag verhandeln. Darauf lassen sich Gewerkschaften in der Regel ein, um Entlassungen oder gar eine möglicherweise drohende Insolvenz zu vermeiden. Der Verbandsaustritt dagegen hat dagegen nach bisheriger Rechtsprechung, die durch das vorliegende Urteil des BAG nochmals bestätigt wird, nicht den gewünschten Effekt einer Entlastung von der Tarifwirkung, d.h. eine Verkürzung der Nachbindungszeit ist gerichtlich nicht durchsetzbar.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.07.2009, 4 AZR 261/08
- Bundesarbeitsgericht (Website)
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 11/120 Austritt aus dem Arbeitgeberverband ohne Einhaltung von Fristen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/050 OT-Mitgliedschaft: Streik trotz fehlender Tarifbindung möglich
- Arbeitsrecht aktuell: 11/033 OT-Mitgliedschaft: BVerfG entscheidet zur Mitgliedschaft ohne Tarifbindung
Letzte Überarbeitung: 22. Januar 2014
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