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ARBEITSRECHT AKTUELL // 07/49

Jung ge­nug zu ar­bei­ten, aber zu alt für ei­ne un­be­fris­te­te Ein­stel­lung?

Ver­wei­gert ei­ne Flug­ge­sell­schaft Ste­wa­dessen ab 45 Jah­ren ge­ne­rell ei­ne un­be­fris­te­te Be­schäf­ti­gung, ist dies al­ters­dis­kri­mi­nie­rend: Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main, Ur­teil vom 29.05.2007
Sanduhr mit rotem Sand Ab Al­ter 45 kei­ne un­be­fris­te­te An­stel­lung mehr?

18.09.2007. In der Ver­gan­gen­heit konn­ten Ar­beit­ge­ber nach Gut­dün­ken Al­ters­gren­zen für die Ein­stel­lung von Ar­beit­neh­mern und/oder für die Über­nah­me in ei­ne un­be­fris­te­te Be­schäf­ti­gung fest­le­gen.

Seit Au­gust 2006, d.h. seit­dem das All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) in Kraft ist, liegt in ei­ner sol­chen Per­so­nal­po­li­tik al­ler­dings mög­li­cher­wei­se ei­ne durch das AGG ver­bo­te­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters.

In die­sem Sin­ne hat das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main vor kur­zem ent­schie­den. Die­sem Ur­teil zu­fol­ge darf ei­ne Flug­ge­sell­schaft ei­ner Ste­war­dess die Über­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­ver­hält­nis nicht al­lein we­gen ih­res an­geb­lich zu ho­hen Al­ters (45 Jahr oder äl­ter) ver­wei­gern: Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main, Ur­teil vom 29.05.2007, 11 Ca 8952/06.

Gibt es Sach­gründe für den Aus­schluss von über 44jähri­gen Ste­war­des­sen von ei­ner un­be­fris­te­ten Beschäfti­gung?

18.09.2007. Das AGG be­stimmt in § 7 Abs.1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1, dass Be­nach­tei­li­gun­gen aus Gründen des Al­ters in Be­zug auf Be­din­gun­gen für den Zu­gang zu un­selbständi­ger Er­werbstätig­keit, ein­sch­ließlich der Aus­wahl­kri­te­ri­en und Ein­stel­lungs­be­din­gun­gen, un­zulässig sind. Ei­ne Recht­fer­ti­gung der Be­nach­tei­li­gung kann sich nur aus den in § 10 AGG ge­nann­ten Fall­kon­stel­la­tio­nen er­ge­ben.

Bei ei­nem un­ge­recht­fer­tig­ten Ver­s­toß ge­gen die­ses Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot ist der Ar­beit­ge­ber nach § 15 Abs.1 AGG ver­pflich­tet, den hier­durch ent­stan­de­nen Scha­den zu er­set­zen.

Die Höhe des Entschädi­gungs­an­spruchs rich­tet sich im Fal­le der Nicht­ein­stel­lung ei­nes Be­wer­bers nach § 15 Abs.2 AGG, der die Zah­lung ei­ner an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung vor­sieht. Als Höchst­gren­ze im Fall der Nicht­ein­stel­lung sieht § 15 Abs.2 AGG drei Mo­nats­gehälter vor, wenn der oder die Beschäftig­te auch bei be­nach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl nicht ein­ge­stellt wor­den wäre.

Ein An­spruch auf Be­gründung ei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses be­steht bei Ver­s­toß ge­gen die­ses Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot al­ler­dings nicht (§ 15 Abs.6 AGG).

Zu der Fra­ge der Höhe ei­ner an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung bei Nicht­ein­stel­lung we­gen des Al­ters hat nun erst­mals ein Ar­beits­ge­richt ent­schie­den, nämlich das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main mit Ur­teil vom 29.05.2007 (Ak­ten­zei­chen: 11 Ca 8952/06).

Der Streit­fall: 46jähri­ge Ste­war­dess erhält we­gen ih­res Al­ters kei­nen un­be­fris­te­ten Ver­trag

In dem vom Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main ent­schie­de­nen Fall ging es um die Ab­leh­nung ei­ner Ste­war­dess. Ei­ne bei der Luft­han­sa be­fris­tet beschäftig­te Ste­war­dess hat­te sich auf ei­ne un­be­fris­te­te Stel­le im Un­ter­neh­men be­wor­ben, wur­de aber un­ter Hin­weis auf ihr Al­ter von 46 Jah­ren ab­ge­lehnt. Die fach­li­che oder persönli­che Eig­nung der Ste­war­dess wur­de nie in Fra­ge ge­stellt.

Zur Be­gründung der Ab­leh­nung der Ste­war­dess führ­te das Un­ter­neh­men aus, dass der Grund der Ab­leh­nung in der Sys­te­ma­tik sei­ner Über­g­angs­ver­sor­gung lie­ge. Wer­de ein Flug­be­glei­ter, der älter als 45 Jah­re ist, dau­er­haft flug­dienst­un­taug­lich, so er­hal­te er nach die­ser Re­ge­lung bis zur ge­setz­li­chen Re­gel­al­ters­gren­ze ei­ne Über­g­angs­ver­sor­gung.

Aus ei­ner in­ter­nen Ana­ly­se des Un­ter­neh­mens er­ge­be sich, dass Flug­be­glei­ter ab dem 45. Le­bens­jahr in erhöhtem Maße flug­dienst­un­taug­lich würden.

Das Un­ter­neh­men stel­le da­her kei­ne Flug­dienst­be­glei­ter un­be­fris­tet ein, die älter als 40 Jah­re und 364 Ta­ge sei­en. Sch­ließlich würden dem Un­ter­neh­men an­dern­falls erhöhte Kos­ten ent­ste­hen, die nicht zu­mut­bar sei­en.

Die Ste­war­dess klag­te ge­gen die ab­leh­nen­de Ent­schei­dung des Un­ter­neh­mens, d.h. sie ver­lang­te ei­ne Gel­dentschädi­gung we­gen der aus ih­rer Sicht er­lit­te­nen Dis­kri­mi­nie­rung.

Ar­beits­ge­richt Frank­furt: Der ge­ne­rel­le Aus­schluss der über 44jähri­gen von ei­ner un­be­fris­te­ten Beschäfti­gung ist al­ters­dis­kri­mi­nie­rend

Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main gab der Ste­war­dess Recht und bestätig­te das Vor­lie­gen ei­ner un­zulässi­gen Be­nach­tei­li­gung we­gen ih­res Al­ters.

Da­bei ar­gu­men­tier­te das Ge­richt da­mit, dass die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der Be­wer­be­rin we­gen des Al­ters nicht ob­jek­tiv an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt sei. Al­lein das wirt­schaft­li­che Ri­si­ko, ei­ne Über­g­angs­ver­sor­gung auf­grund Flug­dienst­un­taug­lich­keit an die Be­wer­be­rin zah­len zu müssen, oder die Not­wen­dig­keit der Gewähr­leis­tung der Funk­ti­on ei­nes Fir­men­ren­ten­mo­dells sei­en kei­ne le­gi­ti­men Zie­le, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters recht­fer­tig­ten, son­dern le­dig­lich in­di­vi­du­el­le Un­ter­neh­mer­inter­es­sen.

Bei der Ab­leh­nung der Ste­war­dess we­gen ih­res Al­ters han­de­le es sich ge­ra­de um die nach dem AGG ver­bo­te­ne Be­nach­tei­li­gung, denn im vor­lie­gen­den Fall gäbe al­lein das Al­ter der Be­wer­be­rin auf­grund bloßer Wahr­schein­lich­kei­ten den Aus­schlag für die Ab­leh­nung, völlig un­abhängig von ih­rer kon­kre­ten ge­sund­heit­li­chen Si­tua­ti­on.

Zwar hat­te die ab­ge­lehn­te Be­wer­be­rin we­gen § 15 Abs.6 AGG kei­nen An­spruch auf Ein­stel­lung auf die von ihr be­gehr­te un­be­fris­te­te Stel­le, das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main sprach ihr aber ei­ne Entschädi­gung nach § 15 Abs.2 AGG zu, und zwar in vol­ler Höhe von drei Net­to­mo­nats­gehältern. Das Ge­richt setz­te da­mit ei­ne Entschädi­gung für die Ste­war­dess in Höhe von 4.050,00 EUR ge­gen die Luft­han­sa fest.

Das Ge­richt be­ton­te die An­ge­mes­sen­heit der Entschädi­gung mit der Be­gründung, dass bei je­dem Be­wer­ber, der we­gen ei­ner dis­kri­mi­nie­ren­den Aus­wahl nicht berück­sich­tigt wor­den sei, die Höchst­gren­ze des § 15 Abs.2 AGG zu be­ach­ten sei und die Entschädi­gungshöhe un­ter dem As­pekt der Ge­ne­ral­präven­ti­on ge­eig­net sein müsse, den Ar­beit­ge­ber ge­ne­rell von Dis­kri­mi­nie­run­gen ab­zu­hal­ten.

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Letzte Überarbeitung: 20. Dezember 2017

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