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ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.03.2012, 10 Ca 3468/11
Schlagworte: | Streik, Schadensersatz | |
Gericht: | Arbeitsgericht Frankfurt am Main | |
Aktenzeichen: | 10 Ca 3468/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 27.03.2012 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
Verkündet am:
27. März 2012
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
10 Ca 3468/11
Arbeitsgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 10 Ca 3468/11
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
1.
2.
3.
4.
- Klägerinnen -
Prozessbevollmächtigt. zu 1, 2, 3, 4:
gegen
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigt.:
hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Kammer 10, auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2012
durch die Richterin am Arbeitsgericht als Vorsitzende
und die ehrenamtliche Richterin
und die ehrenamtliche Richterin
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen zu tragen. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 39.093,20 festgesetzt. Die Berufung wird zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Ersatz von Schäden von Flugunternehmen im Zusammenhang mit einem eintägigen Unterstützungsstreik von Fluglotsen auf dem Stuttgarter Flughafen zugunsten der dortigen im Streik befindlichen Mitarbeiter der Abteilung Verkehrszentrale (bis zum 1. April 2009 Abteilung „Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle“) am 6. April 2009.
Die Klägerinnen sind Luftverkehrsunternehmen, die Passagiere auch vom und zum Stuttgarter Flughafen befördern. Sie haben ihren Sitz in X (Klägerinnen zu 1. und 4.), Y (Klägerin zu 2.) oder Z (Klägerin zu 3.).
Die Beklagte ist eine am 9. Juli 2003 gegründete Gewerkschaft mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie gab auf ihrer Internetseite am 24. April 2009 (Auszug als Anlage K 4 zur Klageschrift, Bl. 122 d.A.) an, circa 3.200 Beschäftigte, unter anderem in den Towern der Flughäfen, zu vertreten. Im Kammertermin hat sie erklärt, sie habe im operativen Bereich der von ihr organisierten Arbeitnehmer einen Organisationsgrad von circa 80-90%.
Die Beklagte hatte am Flughafen München einen auf die Vorfeldkontrolle beschränkten, sonstige Arbeitsbereiche ausschließenden Tarifvertrag geschlossen. Für den Flughafen Frankfurt hatte sie einen Tarifkonflikt bezogen auf die dortige Abteilung Vorfeldkontrolle/ Verkehrszentrale geführt, in der es zwischen dem Bereich der Verkehrszentrale und der Vorfeldfunktion personelle Trennungen gab. Nachdem das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 11. Januar 2007 (9 SaGa 2098/06) ein Urteil bestätigt hatte, wonach Arbeitskampfmaßnahmen mit dem damaligen Forderungskatalog mangels Zuständigkeit für die Vorfeldkontrolle einschließlich der Verkehrszentrale zu unterlassen waren, änderte die Beklagte ihre Satzung. Sie schloss danach bezogen auf den Frankfurter Flughafen im September 2007 einen Tarifvertrag mit dem Namen „Landesbezirklicher Tarifvertrag, Sonderregelung Apron Control für die Fraport AG“. Gemäß § 3 Absatz 1 erhielten alle vom Geltungsbereich erfassten Beschäftigten eine monatliche Zulage von Euro 200,00 brutto, gemäß Absatz 5 eine Einmalzahlung; gemäß § 7 gab es einen
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Anspruch auf einen Gesundheits-Check; für Beschäftigte in der Funktion „Apron Control“ waren zusätzliche Regelungen enthalten. In „§ 1 Geltungsbereich, Zuständigkeit“ hieß es:
„(1) Die vorliegende Vereinbarung gilt für alle operativen Beschäftigten der Fraport AG, die im Bereich „Zentrale Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale“ (derzeit FBA-AF41) eingesetzt werden.
(2) Über den in Absatz 1 genannten Personenkreis hinaus beansprucht die GDF keine Zuständigkeit für andere Beschäftigte der Fraport AG und strebt eine solche auch im Falle einer Satzungsänderung nicht an.“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Regelungern wird auf die Anlage K 5 zur Klageschrift (Bl. 123 ff d.A.) verwiesen.
Die Satzung der Beklagten lautete nach weiteren Änderungen nunmehr auszugsweise wie folgt:
„§ 4 Organisationsbereich
(1) Der Organisationsbereich der GdF umfasst alle Betriebe und Unternehmen, in welchen die Überwachung und Lenkung von Luftfahrzeugen in der Luft oder auf dem Boden zur sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Verkehrs erfolgt oder mit dieser Aufgabe in unmittelbarem Zusammenhang stehende planerische, informatorische, technische und qualifizierende Unterstützungsleistungen erbracht werden. Hierunter fallen insbesondere:
a) die Überwachung und Lenkung der Bewegungen im Luftraum und auf den Abstell- und Bewegungsflächen von Flugplätzen (einschließlich der Vorfeldkontrolle);
b) die Bereitstellung und der Austausch von Informationen zur Planung, Vorbereitung und Durchführung von Flügen durch Publikationen und Beratung vor dem Flug und der Fluginformationsdienst während des Fluges;
c) die Verkehrsflussregelung im Luftraum und auf den Abstell- und Bewegungsflächen von Flugplätzen und die Steuerung der Luftraumnutzung sowie die Disposition von Gate- und Parkpositionen;
(...)
(2) Organisiert werden alle Mitarbeiter in beauftragten Flugsicherungsunternehmen und –betrieben sowie Unternehmen und Betrieben, die vorrangig Leistungen im Sinne des Absatzes 1 erbringen, alle mit der Erbringung von Leistungen im Sinne des Absatzes 1 befassten Mitarbeiter in Unternehmen und Betrieben, in denen diese Leistungen auch erbracht werden sowie alle Mitglieder, die zum Zeitpunkt der Eintragung der GdF Mitglied des VDF oder FTI waren.“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 87 ff d.A.) verwiesen.
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Die Beklagte hatte mit der Deutschen Flugsicherung GmbH (im Folgenden: DFS) am 26. Juli 2006 eine Notdienstvereinbarung abgeschlossen. Gemäß deren § 3 Absatz 2 war eine Arbeitskampfmaßnahme 24 Stunden vorher anzukündigen. Gemäß dessen § 2 b) galten als Notdienstarbeiten zusätzlich zu bestimmten privilegierten Flügen – für Not- und Katastropheneinsätze, einschließlich humanitärer Flüge, Regierungsflüge und den Flugbetrieb der Streitkräfte – die „Arbeiten, die notwendig sind“, „zur sicheren Durchführung“ von „25% des planmäßigen Luftverkehrs, der in dem vom Arbeitskampf betroffenem/n Sektor/en/ TWR üblicherweise pro Stunde durchgeführt wird“. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung nebst Protokollnotiz wird auf die Anlagen K 12, 13 zur Klageschrift (Bl. 145 ff, 148 f d.A.) verwiesen.
Hintergrund war, dass die DFS im Zusammenhang mit ihrer Gründung mit der Bundesrepublik Deutschland unter anderem vereinbart hatte, dass sie für den Fall arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen mit den Tarifpartnern eine Notdienstvereinbarung abschließt, wodurch geregelt werden sollte, dass die bereits genannten privilegierten Flüge nicht behindert werden (§ 6 der Rahmenvereinbarung, Auszüge als Anlage K 11 zur Klageschrift, Bl. 141 – 144 d.A.). Die DFS übernahm seit 1993 als alleinige Organisation im hoheitlichen Auftrag – § 27c Absatz 2 Luftverkehrsgesetz – die Aufgaben bei der Sicherheit, Steuerung und Überwachung des fliegenden und landenden Verkehr bis zum Ende der Rollbahn im Falle der Ankunft bzw. ab Anfang der Rollbahn im Falle des Abflugs. Zuvor hatte eine Bundesanstalt unter Einsatz von Beamten diese Aufgaben durchgeführt. Die DFS erzielte ihre Einnahmen aus Gebühren für die durchgeführten Starts und Landungen. Ihre Kosten und Aufwendungen waren über ihre Einnahmen, insbesondere die Gebühren, zu decken (s.a. § 7 der genannten Rahmenvereinbarung). Dabei konnte sie Einnahmeausfälle bei der Bemessung der Gebühren berücksichtigen und so abwälzen.
Die DFS beschäftigte insgesamt 4.700 tarifliche und 600 außertarifliche Mitarbeiter, zum Teil weiterhin als Beamte. 2.600 waren im operativen Bereich tätig, davon 1.850 als Fluglotsen, 280 als Flugdatenbearbeiter, 70 Flugberater, 50 Platzkoordinatoren, 350 Flugsicherungstechniker und Systemtechniker. Am Flughafen Stuttgart beschäftigte die DFS 22 Fluglotsen im Tower;
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weitere 26 Lotsen waren im sogenannten Approach von Langen aus für die Zielrichtung Flughafen Stuttgart tätig.
In Stuttgart wurde der Flughafen von der Flughafen Stuttgart GmbH betrieben, die Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband war. Für ihren Betrieb galten mit der zuständigen Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund geschlossene Tarifverträge. Sie beschäftigte circa 1.000 Mitarbeiter darunter bis zum 31. März 2009 23 Mitarbeiter in der Abteilung „Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle (VL 2)“. In der Dienstanweisung VL Nr. 01/08 waren unter anderem die in der Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle bestehenden Zuständigkeiten und Aufgaben, unterteilt nach Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Einwinker beschrieben; wegen deren Einzelheiten wird auf die Seiten 2 und 3 der Anweisung in der Anlage K 2 zur Klageschrift (Bl. 113 f d.A.) verwiesen. Ferner gab es die Arbeitsanweisung VL 2 Nr. 3/08 über die Aufgaben und Besetzung der Arbeitsplätze der Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle. Darin waren folgende Arbeitsplätze beschrieben: im Bereich Vorfeldkontrolle: Apron Controller, Apron Assistant sowie Apron Koordinator und für die Verkehrszentrale: Flight Data sowie Disponent. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 3 zur Klageschrift (Bl. 117 – 120 d.A.) verwiesen.
In der Verkehrszentrale wurden unter anderem Flugplandaten bearbeitet sowie die Verkettung eines Ankunftsflugs mit einem Abflug (Rotation); es wurden Kunden bei Beschränkungen im Flugbetrieb informiert, die Parkpositionen der Flugzeuge disponiert und Schleppvorgänge eingeleitet. Zum Arbeitsbereich der Verkehrszentrale gehörte auch die Vorfelddisposition, u.a. die Entscheidung, an welcher Position welches Flugzeug abgefertigt wird. Die Tätigkeiten bezogen sich nicht nur auf Flugzeuge, sondern auch auf sonstige Verkehrs- und Transportmittel/ Fahrzeuge auf dem Flughafen. Aufgabe der Vorfeldkontrolle war die Steuerung und Überwachung des rollenden Verkehrs auf dem Vorfeld; sie war zuständig für die Strecken, die ab dem Ende der Rollbahn bis zur Parkstation des Flugzeugs zurückzulegen war.
Die in der Abteilung Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle eingesetzten Mitarbeiter verfügten nicht über eine Ausbildung zum Fluglotsen, sondern durchliefen eine circa 1,5 jährige flughafeninterne Ausbildung, die aus Unterrichtseinhei-
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ten und aus Training während der Durchführung bestand. Sie wurden – mit einer Ausnahme, allerdings lediglich deswegen, weil die formale Qualifikation noch nicht erlangt war – ohne feste Aufgabenzuordnung im ständigen Wechsel in beiden Bereichen eingesetzt.
Im Frühjahr 2008 forderte die Beklagte die Flughafen Stuttgart GmbH zu Tarifverhandlungen zumindest für die Vorfeldlotsen auf. Zumindest einer der Mitarbeiter in der Abteilung Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle war Mitglied der Gewerkschaft ver.di.
Ab Mitte 2008 verhandelte die Flughafen Stuttgart GmbH mit der DFS über die Übernahme der Vorfeldkontrolle durch diese. Diese beiden schlossen für die Zeit ab dem 1. Oktober 2008 eine „Notfallvereinbarung Vorfeldkontrolle“ mit dem Gegenstand von „Unterstützungsleistungen“ durch die DFS „bei Ausfall der Vorfeldkontrolle“ (Anlage K 14 zur Klageschrift, Bl. 150 – 154 d.A.).
Am 10. November 2008 schloss die Flughafen Stuttgart GmbH mit der Beklagten eine so genannte Prozessvereinbarung. Gemäß deren Vorbemerkung gab es eine Aufforderung der Beklagten zu „Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen“ der bei der Flughafen Stuttgart GmbH „beschäftigten Apron-Controller“. Gegenstand war die Abfolge der Verhandlungen und je nach Verhandlungsgegenstand zeitlich abgestufte Friedenspflichten; wegen deren Einzelheiten wird auf die Anlage K 6 zur Klageschrift (Bl. 131 f d.A.) verwiesen.
Am 12. Februar 2009 legte die Beklagte der Flughafen GmbH einen Entwurf für einen Tarifvertrag „Sonderregelung Apron Control zum TVöD“ für die bei ihr „beschäftigten Mitarbeiter der Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle (z.Zt. VL2) vor, wonach je nach Dauer der eigenverantwortlichen Tätigkeit in der Abteilung verschiedene Monatsentgelte vorgesehen waren, die durch Zahlung einer Differenzzulage in vier Zeitschritten erreicht werden sollten. Wegen dessen weiterer Einzelheiten wird auf die Anlage K 7 zur Klageschrift (Bl. 133 – 135 d.A.) verwiesen. An diesem Tag wurde verhandelt.
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Im Februar 2009 schlossen die Flughafen Stuttgart GmbH und die DFS einen Dienstleistungsvertrag über die Durchführung von Vorfeldtätigkeiten durch die DFS ab dem 1. April 2009.
Am 25. Februar 2009 (Anlage K 8 zur Klageschrift, Bl. 136 f d.A.) informierte die Beklagte die Flughafen Stuttgart GmbH darüber, dass sie das Scheitern der Verhandlungen für die im Bereich Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle beschäftigten Mitarbeiter und die Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen beschlossen habe; sie kündigte an, dass ab dem 1. März 2009 mit Arbeitskampfmaßnahmen zu rechnen sei. Sie stellte entsprechende Informationen, auch über Ausweitungen des Arbeitskampfes auf die DFS, wenn diese „im Rahmen sog. Notfallmaßnahmen die Aufgaben der Vorfeldkontrolle“ übernehmen würde, und über die geplante Übernahme der Vorfeldkontrolle auf die DFS am 26. Februar 2009 ins Internet; wegen der Einzelheiten der damaligen Information wird auf die Anlage K 9 zur Klageschrift (Bl. 138 d.A.) verwiesen.
Am 2. März 2009 kündigte die Beklagte für den 3. bis 6. März 2009 Arbeitskampfmaßnahmen der Abteilungsmitarbeiter in Stuttgart mit Ausnahme eines Notdienstes an. Es gab keine weitere Publikation eines Streikaufrufs. Der Aufruf erfolgte durch direkte Kontaktaufnahme der Beklagten zu den Beschäftigten.
Am 6. März 2009 rief die Beklagte die Beschäftigten der Abteilung Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle zu einem unbefristeten Streik auf. Die dortigen Mitarbeiter folgten dem Aufruf ganz überwiegend, aber nicht vollständig. Die Flughafen GmbH setzte bis zum 31. März 2009 andere Mitarbeiter ein; es arbeiteten externe Vorfeldlotsen und Verkehrszentralenmitarbeiter anderer Flughäfen und einzelne nicht streikende Mitarbeiter der Abteilung. Es kam zu keinen Einschränkungen des Flugbetriebs aufgrund dieses Streiks.
Die DFS hatte beim Arbeitsgericht Stuttgart eine einstweilige Verfügung beantragt; damit sollten der Beklagten Urabstimmung, Streikaufruf und weitere Arbeitskampfmaßnahmen bezogen auf die Mitarbeiter der DFS, die am und für den Flughafen Stuttgart tätig waren, untersagt werden, mit denen die Forderungen der Mitarbeiter der dortigen „Vorfeldkontrolle“ unterstützt werden
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sollten. Mit Beschluss vom 2. März 2009 (12 Ga 4/09, Anlage B 1 zur Klageerwiderung, Bl. 359 – 370 d.A.) wies das Arbeitsgericht Stuttgart die Anträge ab.
In einer Erklärung vom 5. März 2009 (Anlage K 15 zur Klageschrift, Bl. d.A.) teilte die Beklagte mit, dass sie von einer Einmischung der DFS in den Arbeitskampf der Vorfeldlotsen am Stuttgarter Flughafen ausgehe. Sie kündigte eine Ausweitung des Arbeitskampfes an. Am 6. März 2009 führte sie mit der DFS ein Gespräch über deren Neutralität und mögliche Streiks; wegen der Einzelheiten einer Publikation der Beklagten dazu wird auf die Anlage K 10 zur Klageschrift (Bl. 140 d.A.) verwiesen. Die Beklagte verkündete nach weiteren Gesprächen, dass sie bis zum 31. März 2009 keine Unterstützungsstreiks durchführen werde, solange die Neutralität nicht verletzt werde, dass sie aber in der Auftragsübernahme zum 1. April 2009 eine Verletzung der Neutralität sehe.
Am 18. März 2009 fand vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg die mündliche Verhandlung auf die sofortige Beschwerde der DFS gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes Stuttgart statt. Die Beklagte erklärte, dass sie die Übernahme de Auftrages als Verletzung der Neutralitätspflicht werte, so dass ein Unterstützungsstreik wahrscheinlich sei; diese Streiks sollten bis zu 6 Stunden umfassen. Die DFS änderte ihre Anträge dahingehend ab, dass die „die bloße Verweigerung der Übernahme der Vorfeldkontrolle“ nicht mehr mit erfasst war. Mit Urteil vom 31. März 2009 wies das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (2 SaGa 1/09) die sofortige Beschwerde zurück. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf die Anlage B 2 zur Klageerwiderung (Bl. 372 – 394 d.A.) verwiesen.
Ab dem 1. April 2009 setzte die DFS eigene Mitarbeiter als Vorfeldlotsen auf dem Stuttgarter Flughafen ein. Sonstige Tätigkeiten wurden weiterhin durch den Flughafen erbracht, deren Mitarbeiter nunmehr als Flight Data, Disponent und in der neuen Funktion eines Koordinators beschäftigt wurden. Es gab eine neue Arbeitsanweisung „VL 2 Nr. 06/09“. Darin heißt es auszugsweise:
„Am 01.04.2009 00.00 Uhr übernimmt die Platzkontrolle der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) die Rollverkehrsführung von Luftfahrzeugen auf den Vorfeldern der Flughafen Stuttgart GmbH. Dieser Umstand führt bei
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der bisherigen Arbeitsgruppe VL 2-1 Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle zu folgenden organisatorischen Veränderungen:
> Die Arbeitsgruppe trägt künftig die Bezeichnung „VL 2-1 Verkehrs-zentrale“ oder abgekürzt VZ
> Die Arbeitsplätze Apron Controller und Apron Assistant existieren fortan nicht mehr.
> Neu geschaffen wird der Arbeitsplatz „Koordinator“, der in der Kanzel die folgenden Aufgaben wahrnimmt:
o Steuerung und Überwachung des Fahrzeugverkehrs auf Vor-feldrollbahnen
o Koordination besonderer Maßnahmen mit der Deutschen Flugsicherung
o (...)Bis auf weiteres übernimmt die FSG Verkehrszentrale, entgegen der Festlegung in 1.2.1 des Anhangs B der Betriebsabsprache FSG/DFS, auch die Disposition der Flugzeugschlepper für Pushback- und Schleppvorgänge.
(...) Deswegen erteilt die FSG Verkehrszentrale weiterhin Freigaben zum Befahren von Vorfeldrollbahnen über OTTO-Funk, koordiniert dies jedoch mit der DFS Platzkontrolle (Ausnahme: ...).Die Einsatzsteuerung der Leitfahrzeuge erfolgt weiterhin ausschließlich durch die FSG Verkehrszentrale. Allerdings kann die DFS Platzkontrolle bei Bedarf den Einsatz eines Leitfahrzeugs anfordern. Die Kommunikation mit dem Leitfahrzeug erfolgt jedoch ausschließlich durch die FSG Verkehrszentrale.
Durch die geänderte Aufgabenstruktur ist eine kooperative Zusammenarbeit zwischen der FSG Verkehrszentrale und der DFS Platzkontrolle erforderlich. (...)
FSG und DFS richten in den kommenden Wochen ein Qualitätsmonitoring und turnusmäßige gemeinsame Treffen auf Arbeitsebene ein, die dem Ziel eines sicheren und effizienten Rollverkehrs auf dem Flughafen Stuttgart dienen werden (...)“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Anweisung wird auf die Anlage K 36 zum Schriftsatz der Klägerinnen vom 31. Januar 2012 (Bl. 600 f d.A.) verwiesen.
Die Flughafen Stuttgart GmbH kündigte neun Mitarbeitern der Abteilung und stellte sie ab dem 1. April 2009 frei. Es sollten nur noch 14 Mitarbeiter in der Verkehrszentrale mit reduzierten Aufgaben beschäftigt werden.
Am 1. April 2009 beschloss der Bundesvorstand der Beklagten, dass Unterstützungsstreiks stattfinden sollten. Am 2. April 2009 veröffentlichte die Be-
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klagte im Internet, dass sie einen Unterstützungsstreik zugunsten der Mitglieder, die bei der Flughafen Stuttgart GmbH in der Verkehrszentrale beschäftigt seien und sich seit Anfang März im Streik befänden, plane. Weiter heißt es:
„Hintergrund sind die Tarifverhandlungen zwischen GdF und FSG, in denen Verbesserungen sowohl bei der Vergütung als auch der Arbeitbedingungen dieser Mitarbeiter erreicht werden sollen. Nachdem anfänglich gute Verhandlungsfortschritte erzielt worden waren, und man sich sogar bereits auf einen zeitlichen Rahmenplan zum Abschluss geeinigt hatte, hat die FSG völlig überraschend beschlossen, den Bereich Vorfeldkontrolle aus dem Unternehmen auszugliedern (...).“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Publikation wird auf die Anlage K 16 zur Klageschrift (Bl. 157 f d.A.) verwiesen.
Die Beklagte rief ihre Mitglieder im Tower des Flughafens Stuttgart für Montag, den 6. April 2009, von 16:00 bis 22:00 Uhr zum Unterstützungsstreik für die streikenden Mitarbeiter des Flughafens auf. Die Beklagte hatte dies zuvor mit Mail und Fax vom 5. April 2009 vor 16:00 Uhr gegenüber der DFS angekündigt; wegen der Einzelheiten des Faxes wird auf die Anlage B 9 zur Klageerwiderung (Bl. 522 f d.A.) verwiesen. Streitig ist, ob die DFS auf diese Ankündigung unverzüglich durch Information der Verkehrsfluss-Regelungszentrale in Brüssel, die dafür zuständig ist, die Fluggesellschaften entsprechend zu informieren, reagierte. Am 5. April 2009 um 16:56 Uhr erhielt die Klägerin zu 2. eine Information von der DFS über die geplante Maßnahme.
Die Beklagte wies den eingerichteten Notdienst am Flughafen Stuttgart an, nur noch 25% des planmäßigen Luftverkehrs abzuwickeln. Die betroffene Schicht wurde mit insgesamt sechs Lotsen besetzt, wobei jeweils zwei Lotsen tätig waren und im Stundenrhythmus abgelöst wurden. Üblicherweise werden im Tower drei – bei Verhinderung auch nur zwei – Lotsen tätig, die im Abstand von 2,5 Stunden abgelöst werden. Am 6. April 2009 wickelten die Lotsen im Stundenrhythmus zehn Flugbewegungen ab, um die Mindestzahl von 25% zu gewährleisten. 32 Flüge fielen aus; ferner kam es zu Verspätungen. Es fielen jeweils sechs Flüge der Klägerin zu 1. von und nach Stuttgart aus; wegen der Einzelheiten der Flüge wird auf die Aufstellung auf der Seite 36 der Klageschrift (Bl. 36 d.A.) verwiesen. 22 ihrer Flüge von und nach
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Stuttgart waren verspätet; wegen der Einzelheiten einer Aufstellung der Flüge wird auf die Anlage K 38 zum Schriftsatz der Klägerinnen vom 31. Januar 2012 (Bl. 603 d.A.) verwiesen, wobei den dortigen Zeitangaben zur Ermittlung der Ortszeit in Stuttgart zwei Stunden hinzu zurechnen sind. Sie transportierte und verpflegte Passagiere anderweitig. Bei der Klägerin zu 1. wurden im Vergleich zu sonstigen Montagen im Monat März 2009 mehr Flüge storniert. Ein Flug der Klägerin zu 2. von Stuttgart nach Berlin-Tegel wurde um 1,5 Stunden verschoben. Zwei Flüge der Klägerin zu 3. wurden nach Karlsruhe umgeleitet; Passagiere und Crew mussten transportiert und verpflegt werden. Drei Flüge der Klägerin zu 4. fielen aus; die Passagiere wurden – im Rahmen von dazu bestehenden Übereinkommen – von anderen Fluggesellschaften, z.B. der Klägerin zu 1., befördert bzw. verbrachten eine Nacht in Madrid. Bei weiteren Flügen der Klägerin zu 4. kam es zu Verspätungen.
Aufgrund der reduzierten Arbeitsleistungen am 6. April entgingen der DFS Einnahmen in Höhe von geschätzten Euro 4.926,00, die sie auf die Fluggesellschaften umlegte.
Am 6. April 2009 um 21:09 Uhr wurde der Unterstützungsstreik am Stuttgarter Flughafen abgebrochen. Zuvor hatte das Arbeitsgericht Frankfurt mit Beschluss vom 6. April 2009 auf Antrag von drei Klägerinnen dieses Verfahrens sowie eines weiteren Flugunternehmens eine einstweilige Verfügung zur Unterlassung dieser Maßnahme (12 Ga 64/09) erlassen. Darin führte das Arbeitsgericht aus, dass glaubhaft gemacht worden sei, dass der angestrebte Tarifvertrag nicht mehr abgeschlossen werden könne und die verbliebenen Mitarbeiter andere Tätigkeiten ausübten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses wird auf die Anlage B 3 zur Klageerwiderung (Bl. 396 – 398 d.A.) verwiesen.
Am 18. April 2009 unterbrach die Beklagte den Arbeitskampf am Stuttgarter Flughafen.
Mit Urteil vom 5. Mai 2009 hob das Arbeitsgericht Frankfurt auf den Widerspruch der Beklagten die Untersagung vom 6. April 2009 auf und wies die Anträge zurück. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf die Anlage B 4 zur Klageerwiderung (Bl. 399 – 432 d.A.) verwiesen.
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Der Arbeitskampf auf dem Flughafen wurde am 24. Mai 2009 fortgesetzt. Am 25. Mai 2009 kam es zu einem weiteren Unterstützungsstreik der Fluglotsen in Stuttgart. Am 29. Mai 2009 oder Anfang Juni 2009 kamen die Beklagte und der Flughafen Stuttgart darin überein, dass der Arbeitskampf beendet sei. Ein Tarifvertrag wurde nicht vereinbart.
Die gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt eingelegte Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht (9 SaGa 1003/09) wurde für erledigt erklärt und das Hessische Landesarbeitsgericht entschied über die Kosten; wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf die Anlage B 5 zur Klageerwiderung (Bl. 433 – 437 d.A.) verwiesen.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, sie seien Opfer rechtswidriger Arbeitskampfmaßnahmen der Beklagten am 6. April und am 25. Mai 2009 geworden, da diese ihre Flugzeugflotten am Einsatz in Stuttgart ge-/behindert hätten. Sie könnten den Ersatz der ihnen aus den Arbeitskampfmaßnahmen gegenüber der DFS am 6. April 2009 entstandenen Schäden verlangen. Dies ergebe sich daraus, dass sie in ihrem gemäß § 823 Absatz 1 BGB geschützten Recht auf Ausübung ihres Gewerbebetriebs sowie ihrem Eigentums- und Besitzrecht verletzt seien und dass sie unter Verletzung ihrer Grundrechte vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt worden seien.
Auch Drittbetroffene könnten durch einen Arbeitskampf in ihren Rechten verletzt werden. Auf jeden Fall werde durch einen Streik der Fluglotsen, der aufgrund deren Funktion für den Flugbetrieb und deren nicht nur hoheitlichen, sondern auch sonderpolizeilichen Aufgaben schon grundsätzlich nicht in Betracht komme, in rechtswidriger Weise in den Betrieb der Fluglinien eingegriffen. Die Klägerinnen könnten ihren Betrieb ohne die Dienstleistungen der DFS aus Rechtsgründen nicht ausüben. Nur um diese unmittelbare Abhängigkeit und die Nicht-Ersetzbarkeit der Tätigkeiten der Fluglotsen gehe es. Es entspreche seit 1977 – wie gerade auch jüngste Entscheidungen zeigten – der ständigen Rechtsprechung, dass ein solcher Streik den Tatbestand des unmittelbaren Eingriffs in den Betrieb der Flugunternehmen ausfülle. Bereits
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die Ankündigung eines Arbeitskampfes der Fluglotsen stelle aufgrund dieser zwingenden Zusammenhänge und der Wirkungsweise einer solchen Maßnahme eine „partielle Betriebsblockade“ dar. Es handele sich dabei nicht nur um eine reflexhafte, mittelbare Streikwirkung, sondern um eine zielgerichtete Blockade, um die Lahmlegung des Geschäftsbetriebs der Klägerinnen, die nicht am Arbeitskampf beteiligt seien.
Hinzu komme, dass durch den Arbeitskampf nicht die bestreikte DFS, sondern ausschließlich Dritte, insbesondere die Klägerinnen, geschädigt würden. Wegen der Vollkostendeckung, der Art der Gebührenermittlung und der Weiterleitung von Gebührenausfällen bei der DFS an die Fluggesellschaften sei ein Schaden bei der bestreikten DFS letztlich nicht möglich.
Ihre Eigentumsrechte zumindest an den in Stuttgart stationierten Flugzeugen seien verletzt worden. Dem stehe die vorherige Ankündigung der Maßnahme nicht entgegen, da eine Rechtsgutverletzung durch deren vorherige Ankündigung nicht ausgeschlossen werde. Auch sei es nicht möglich, binnen 24 Stunden alle erforderlichen Dispositionen zu treffen.
Die Klägerinnen behaupten, der Beklagten sei es gerade auf diese Wirkung ihres Arbeitskampfes
angekommen. Sie habe unmittelbar und gezielt die Klägerinnen schädigen wollen.
Der Eingriff sei nicht nur per se, sondern auch dann, wenn man ihn als Unterstützungsstreik ansehe, rechtswidrig.
Ein Unterstützungsstreik der Fluglotsen sei grundsätzlich, aber auch konkret in der damaligen Situation, rechtswidrig. Die Fluglotsen dürften nicht streiken, da sie hoheitliche, sonderpolizeiliche Aufgaben wahrnähmen. Allenfalls in einem Kernbereich könne ein Streikrecht bestehen. Auf jeden Fall dürften sie dies nicht zur Unterstützung nutzen bzw. es müsse ein spezifischer Grund vorliegen, an dem es vorliegend fehle.
Gerade der Unterstützungsstreik unterliege einem strengeren Maßstab der Verhältnismäßigkeit. Die Beklagte hätte sich zumindest darauf beschränken müssen, die angenommene Neutralitätsverletzung zu beseitigen. Die Störung des Flugbetriebs und die dadurch bewirkten Schädigungen auch sonstiger Dritter überstiegen bei weitem das Interesse der Beklagten bezogen auf
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den Tarifabschluss für zuletzt 14 Mitarbeiter. Die Kampfparität sei verletzt, da die DFS nicht reagieren könne.
Auf jeden Fall sei der Schwerpunkt des Streiks verlagert worden und dadurch sei der Charakter der Unterstützung verloren gegangen. Zur Beurteilung der Schwerpunktverlagerung sei auf die Wirkung der Mittel abzustellen. Der Hauptarbeitskampf habe keine Auswirkungen gezeigt. Erst durch den Unterstützungsarbeitskampf sei der Flugverkehr am Flughafen Stuttgart weitgehend zum Erliegen gekommen. Die Beklagte habe ihre überragende Mächtigkeit bei der DFS und die Wirkungsweise eines Streiks von Fluglotsen ausnutzen wollen; sie habe mit dem Unterstützungsstreik die eigentliche Streikwirkung erzielen wollen. Ihr sei es nicht auf den Tarifgegner und nicht auf den Arbeitgeber der Unterstützer angekommen, sondern auf die Klägerinnen.
Zumindest bezogen auf den Unterstützungsstreik sei eine Forderung erhoben worden, die gegen die Friedenspflicht verstoße, da die Beklagte am 2. April 2009 auch „andere Bedingungen“ in Bezug genommen habe. Ein Solidaritätsstreik komme dann, wenn bereits ein anderweitiger Tarifvertrag existiere, nicht mehr in Betracht.
Zudem habe die Beklagte ihre Verpflichtung zur Durchführung von Notdienstarbeiten verletzt. Die von ihr am 6. April während des Streiks eingesetzten Lotsen seien in den Bummelstreik getreten und hätten nicht nur 25% der pro Stunde anfallenden Flugbewegungen abwickeln dürfen, sondern die volle Arbeitsleistung erbringen müssen, da sie vom Streikaufruf ausgenommen seien. Darauf könnten sich auch die Klägerinnen berufen.
Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass im Verhältnis zu ihnen die vom Bundesarbeitsgericht genannten Voraussetzungen für einen Unterstützungsstreik nicht erfüllt seien.
Darüber hinaus sei der Hauptarbeitskampf rechtswidrig, was zur Rechtswidrigkeit des darauf bezogenen Unterstützungsstreiks führe.
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Der Hauptarbeitskampf sei rechtwidrig, da die Beklagte seit dem 1. April 2009 für Mitarbeiter der Flughafen Stuttgart GmbH nicht mehr tarifzuständig sei. Zumindest der Schwerpunkt der Tätigkeit der Mitarbeiter der Verkehrszentrale liege nicht auf der Flugsicherung. Die Klägerinnen machen geltend, schon die Vorfeldkontrolle gehöre zu Aufgaben gemäß § 45 LuftVZO und sei keine Aufgabe der Flugsicherung. Auch betreffe der Organisationsbereich der Beklagten nur den Flugverkehr. Eine Tarifzuständigkeit für ausschließlich in der Verkehrszentrale tätige Mitarbeiter lasse sich aus der Satzung nicht begründen. Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass diese Frage in einem separaten Verfahren zu klären sei.
Sie behaupten, die Beklagte beanspruche keine Repräsentation der Mitarbeiter der Verkehrszentralen der Flughäfen. Hierzu nehmen die Klägerinnen auf die vorherigen Tarifabschlüsse Bezug. Der Tarifvertrag in Frankfurt enthalte lediglich Regelungen, die sich auf die Vorfeldkontrolle und nicht auf die Verkehrszentrale bezögen. Den Klägerinnen sei nicht bekannt, dass sich die Regelungen auch auf die Verkehrszentrale bezögen. Wenn dies so wäre, wären sie teilnichtig.
Dies sei zumindest anfangs in Stuttgart nicht anders gewesen, da sich die Tarifforderungen dort nur auf die Vorfeldkontrolle bezogen hätten. Dies ergebe sich aus der Prozessvereinbarung, die sich nur auf die Vorfeldkontrolle beziehe, aber auch aus dem Entwurf des Tarifvertrages. Die Klägerinnen nehmen dazu Bezug auf die Verwendung des Begriffs „Apron-Controller“.
Aufgrund der Prozessvereinbarung vom 11. November 2008 habe Friedenspflicht bestanden, gegen die die Beklagte verstoßen habe. Sie habe mit ihren Maßnahmen ausweislich ihrer Interneterläuterungen zumindest zuletzt nicht nur die Verbesserung der Vergütung, sondern auch die der Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter erreichen wollen.
Die Tarifforderung habe nur vordergründig die Vergütung betroffen. Es sei davon auszugehen, dass damit das Outsourcing habe verhindert werden sollen.
Das Ziel der Tarifpluralität sei nicht statthaft; die Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit berühre das Arbeitskampfrecht nicht. Der Hauptarbeitskampf
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sei wegen einer existierenden tariflichen Regelung jedenfalls in der vorliegenden Konstellation unverhältnismäßig.
Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Eine Art Entschuldigungsgrund gebe es nur für die Frage der zulässigen Kampfziele, auf die es vorliegend nicht vorrangig ankomme. Auch die Abweisung einer einstweiligen Verfügung stehe dem Verschulden nicht entgegen.
Zum Schaden behaupten die Klägerinnen, die Flugausfälle und Verspätungen seien auf den Arbeitskampf zurückzuführen. Die Information sei rechtzeitig weitergeleitet worden. Selbst wenn dies anders gewesen wäre, hebe dies nicht die Kausalität auf. Im Übrigen mache auch eine Information 24 Stunden vorher Schäden nicht vermeidbar. Eine Verlagerung von Flugzeugen mache aus operationellen Gründen keinen Sinn. Andere Ursachen kämen nicht in Betracht.
Zum Schaden sei ausreichend vorgetragen, da weitere Darlegungen nicht möglich und zumutbar seien. Er sei schätzbar.
Der Klägerin zu 1. seien Schäden aufgrund von Erlösausfällen wegen stornierter Flüge, auch bereits aufgrund der Ankündigung der Arbeitskampfmaßnahme, Zusatzkosten wie Übernachtung und Verpflegung von Fluggästen, Transportkosten von und nach Stuttgart in Höhe von insgesamt Euro 12.050,13 – ursprünglich hat sie Euro 12.510,13 begehrt – entstanden. Die Klägerin zu 1. lässt sich die ersparten Aufwendungen, die sich aus nicht entrichtetem Flughafenentgelt, nicht entrichteten Flugsicherungsgebühren, nicht verbrauchtem Treibstoff und Bordverpflegung ergeben, in Abzug bringen. Wegen der Einzelheiten ihrer Schadensberechnung wird auf die Seiten 30 bis 36 der Klageschrift (Bl. 30 – 36 d.A.), auf die Seiten 5 bis 8 ihres Schriftsatzes vom 31. Januar 2012 (Bl. 573 – 576 d.A.) und auf die Seiten 1, 2/3 und 6 f ihres Schriftsatzes vom 27. Februar 2012 (Bl. 660, 661/662, 665 f d.A.), jeweils samt Anlagen, verwiesen.
Die Klägerin zu 2. macht einen Teilbetrag in Höhe von Euro 88,00 des von ihr angenommenen Schadens geltend, der aus Hotelkosten für einen na-
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mentlich benannten Fluggast, der aufgrund der Verspätung des Fluges AB 6538 von Stuttgart nach Berlin um 1,5 Stunden einen Anschlussflug verpasste, bestehe. Hierzu nimmt sie auf eine Hotelrechnung Bezug, die sie beglichen habe.
Die Klägerin zu 3. macht Schäden in Höhe von Euro 11.993,00 geltend, die sich aus zwei Flugumleitungen nach Karlsruhe und dem Transport der Fluggäste nach Stuttgart sowie deren Verpflegung und dem Transport der Crew ergeben. Wegen der Einzelheiten ihrer Schadensberechnung wird auf die Seite 37 der Klageschrift (Bl. 37 d.A.), auf die Seite 8 f ihres Schriftsatzes vom 31. Januar 2012 (Bl. 576 f d.A.) und auf die Seiten 1 und 3 ihres Schriftsatzes vom 27. Februar 2012 (Bl. 660, 662 d.A.), jeweils samt Anlagen, verwiesen.
Die Klägerin zu 4. macht Schäden in Höhe von Euro 8.446,54 geltend, die sich aus Kosten für die Verpflegung bei Verspätung, Übernachtung und Ersatzbeförderung von Fluggästen ergäben. Wegen der Einzelheiten ihrer Schadensberechnung wird auf die Seiten 38 bis 40 der Klageschrift (Bl. 38 – 40 d.A.), auf die Seite 9 ihres Schriftsatzes vom 31. Januar 2012 (Bl. 577 d.A.) und auf die Seiten 1 und 3 ihres Schriftsatzes vom 27. Februar 2012 (Bl. 660, 662 d.A.), jeweils samt Anlagen, verwiesen.
Der Feststellungsantrag rechtfertige sich aus dem Gesichtspunkt der Zwischenfeststellungsklage.
Die Klägerinnen beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) Euro 12.050,13, an die Klägerin zu 2) Euro 88,00, an die Klägerin zu 3) Euro 11.993,00 und an die Klägerin zu 4) Euro 8.446,54 jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juni 2011 zu zahlen,
festzustellen, dass die Beklagte gegenüber den Klägerinnen verpflichtet war, die gegen die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH am 6. April 2009 durchgeführten Arbeitskampfmaßnahmen mit dem Ziel einer Durchsetzung von Vergütungsforderung, die die Beklagte für die Arbeitnehmer der Abteilung Vorfeldkontrolle/ Verkehrszentrale gegen die
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Flughafen Stuttgart GmbH erhoben hat, zu unterlassen, soweit sie zu Störungen des Flugbetriebs der Klägerinnen führten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Klägerinnen als Drittbetroffene könnten keine Ansprüche gemäß § 823 Absatz 1 BGB i.V.m. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend machen. Auch andere Anspruchsgrundlagen kämen nicht in Betracht.
Bei dem streitgegenständlichen Unterstützungsarbeitskampf am 6. April 2009 habe es sich nicht um einen unmittelbaren Eingriff auf den Betrieb von Flugunternehmen, noch weniger auf denjenigen der Klägerinnen, gehandelt, sondern um die faktischen Auswirkungen eines Streiks, die hinzunehmen seien. Die Unmittelbarkeit sei aus der objektiven Stoßrichtung einer Maßnahme abzuleiten, die am 6. April lediglich auf die DFS und den Flughafen gerichtet gewesen sei. Die Nutzbarkeit des Flughafens betreffe nicht unmittelbar die Betriebe der Klägerinnen, sondern die Frage des Gemeingebrauchs. Etwas anderes sei auch nicht aus den Besonderheiten des Flugbetriebs oder der Stellung der Fluglotsen abzuleiten und entspreche auch nicht der ständigen Rechtsprechung; vielmehr sei dann, wenn man aus der Einbindung und Bedeutung der Arbeit der Fluglotsen immer einen Eingriff in Rechte betroffener Dritter ableite, der Weg zur Popularklage eröffnet und das Streikrecht beseitigt.
Allein aus dem Vollkostenprinzip ergebe sich der Angriff auf die Flugunternehmen ebenfalls nicht; die Situation sei derjenigen vergleichbar, wenn Betroffene anderer Arbeitskämpfe versuchten, ihre Kosten von Dritten erstattet zu erhalten.
Es handele sich schließlich nicht um eine Blockade, da lediglich die Arbeitskraft zurückgehalten worden sei. Auch hätten sich die Klägerinnen auf die zeitlich begrenzte Maßnahme einstellen können und so agieren können, dass sie beweglich blieben. Würde man einen Arbeitskampf der Fluglotsen bzw. einen Arbeitskampf im Bereich der Flugsicherung immer als Blockade
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der Fluggesellschaften betrachten, dann gebe es dort kein Streikrecht mehr. Dies sei mit dem bestehenden Recht nicht in Einklang zu bringen sei.
Eine separat zu bewertende Verletzung von Eigentum und Besitz liege ebenso wenig vor wie eine sittenwidrige Schädigung. Der Arbeitskampf sei keine gegen die Klägerinnen, sondern eine gegen die Flughafen Stuttgart GmbH gerichtete Maßnahme gewesen. Für dieses in einer Tarifauseinandersetzung befindliche Unternehmen seien wirtschaftliche Schäden zu erwarten gewesen, um die es in erster Linie gegangen sei.
Der Arbeitskampf in Form des Unterstützungsstreiks sei nicht rechtswidrig.
Auch die Fluglotsen hätten ein Streikrecht und dürften solidarisch handeln. Die Beklagte weist darauf hin, dass sie seit 2004 Tarifauseinandersetzungen führe, die bereits Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen gewesen seien, ohne dass man ihr aus grundsätzlichen Erwägungen ein Streikrecht abgesprochen habe – im Gegenteil. Die Rechtsprechung aus der Zeit, als Fluglotsen noch Beamte gewesen seien, könne nach der Umorganisation nicht mehr angewandt werden. Dies gelte ferner auch deswegen, weil das damalige Verhalten klar rechtswidrig gewesen sei, weil es nicht auf das Betriebspotential des damaligen Dienstherrn, sondern auf Dritte gerichtet gewesen sei und insbesondere anders und gefährdend gewirkt habe, da sich Flugzeuge wegen Warteschleifen besonders lange in der Luft aufgehalten hätten. Die Beklagte weist darauf hin, dass die Aufgaben der Flugsicherung nunmehr Fluglotsen in der Position von Arbeitnehmern oblägen. Die daraus resultierenden Konsequenzen seien bei der Privatisierung erkannt und geregelt worden, wozu sie auf die Rahmenvereinbarung der Bundesrepublik mit der DFS Bezug nimmt. Die Drittinteressen und die Eingriffsempfindlichkeit des Flugbetriebs würden durch die Notdienstregelungen aufgefangen; hierzu beruft sie sich unter anderem auf ein damals eingeholtes Gutachten.
Ein Streikrecht der Fluglotsen könne auch nicht unter Hinweis auf das Vollkostendeckungssystem bestritten werden. Ferner ergäben sich dem Vollkostendeckungsprinzip vergleichbare Wirkungen bei Arbeitskämpfen gegen Monopolisten oder bezogen auf Schlüsselbetriebe oder im öffentlichen Dienst.
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Dies habe für diese Bereiche nicht dazu geführt, dass ein Streikrecht negiert werde. Auch relativ kleine Gruppen und Inhaber von Schlüsselpositionen hätten ein Streikrecht. Es gehe nicht nur um das Koalitionsrecht der Beklagten, sondern auch um dasjenige ihrer Mitglieder.
Aus den strukturellen Besonderheiten der Luftfahrt/ Luftsicherung ergebe sich auch bezogen auf die Zulässigkeit eines Unterstützungsarbeitskampfes nichts anderes. Besondere Anforderungen und der von den Klägerinnen angenommene „spezifische Grund“ ließen sich nicht herleiten. Insbesondere gebe es keine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung. Streikforderungen und Schäden oder die Anzahl der Betroffenen, dürften grundsätzlich nicht zueinander ins Verhältnis gesetzt werden; dies würde eine Tarifzensur bewirken.
Die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines Unterstützungsstreiks gemäß der Rechtsprechung seien erfüllt.
Die Maßnahme am 6. April 2009 sei geeignet, da es zumindest auch um die Stärkung der Kampfkraft durch Solidarität und nicht nur durch wirtschaftlichen Druck gehe. Sie sei erforderlich gemäß der Einschätzungsprärogative der Gewerkschaft. Sie sei im engeren Sinne verhältnismäßig. Die Beklagte verweist auf die wirtschaftliche und tatsächliche Verknüpfung des Flughafens mit der DFS, die von der DFS in zeitlicher Nähe zum Arbeitskampf eingegangenen Verträge mit der Flughafen Stuttgart GmbH und die dadurch bedingte Verletzung der Neutralität, die Identität der Gewerkschaft und die begrenzte Dauer der Maßnahme.
Für die Beurteilung einer Schwerpunktverlagerung könne nicht auf die Wirkungen abgestellt werden; lediglich die eingesetzten Arbeitskampfmittel, deren Umfang und Dauer könnten verglichen werden. Dies spreche hier gegen eine Schwerpunktverlagerung. Auch sei der Hauptarbeitskampf nicht wirkungslos gewesen. Es sei zwar zunächst durch den intensiven Einsatz sonstiger Arbeitskräfte gelungen, die Arbeit in Form einer Notbesetzung aufrecht zu erhalten und die Auswirkungen zu einem gewissen Grad zu kompensieren. Aber es sei zu Ablaufstörungen bei der Flughafen Stuttgart GmbH gekommen.
Bei der Betrachtung der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf Kampfparität komme es nur auf die beiden Arbeitskampfparteien und nicht auf Dritte an;
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dieses Kriterium solle lediglich Extremfällen entgegen wirken, insbesondere wenn höherrangige Grundrechte Dritter betroffen seien.
Der Aufruf zum Unterstützungsstreik habe nicht die Friedenspflicht verletzt. Es komme auf das Schreiben vom 5. April 2009 und nicht auf die interne Mitteilung vom 2. April 2009 an, die im Übrigen keine weiteren Forderungen enthalte, sondern nur die Historie schildere.
Die Notdienstvereinbarung gelte lediglich im Verhältnis zur DFS und aus einer Verletzung könne nur diese Ansprüche herleiten. Sie sei nicht verletzt worden, da lediglich die zur Aufrechterhaltung der Mindestproduktion erforderlichen Arbeiten zu gewährleisten sei.
Der Hauptarbeitskampf sei rechtmäßig.
Die Beklagte sei weiterhin tarifzuständig. Dies ergebe sich aus den geänderten Satzungsbestimmungen, insbesondere aus den Buchstaben b) und c) ihrer Satzung im Hinblick auf den Austausch von Informationen zur Planung, deren Publikation bzw. der Disposition von Parkpositionen im Abgleich mit den in der Verkehrszentrale anfallenden Tätigkeiten, aber auch aus dem Obersatz der Satzungsbestimmung und dem Zusammenhang der Tätigkeiten, aus deren Charakter als Unterstützungsleistungen. Es ergebe sich auch in Ansehung des neuen Arbeitsplatzes Koordinator. Der Verkehrsfluss in § 4 Absatz 1 c der Satzung beziehe sich nicht nur auf Flugzeugverkehr.
Die Beklagte macht geltend, dass sie im Rahmen ihrer Satzung selbst entscheide, für wen sie Forderungen aufstelle. Auch habe sie bereits für Verkehrszentralenmitarbeiter einen Tarifvertrag geschlossen. Hierzu nimmt sie auf den Tarifvertrag am Flughafen Frankfurt vom September 2007 Bezug und weist darauf hin, dass dort – anders als in Stuttgart – eine personelle Trennung und damit eine andere Regelung möglich gewesen sei.
In Stuttgart hätten sich die Verhandlungen bereits wegen der fehlenden Abgrenzbarkeit auf sämtliche Mitarbeiter der Abteilung Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale bezogen. Auch der Tarifvertrag habe von Anfang an die Verkehrszentrale mit einbezogen. Anders sei dies damals nicht möglich ge-
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wesen. Dies zeige auch die Prozessvereinbarung, bei deren Abschluss die organisatorische Trennung noch nicht absehbar gewesen sei. Dieser Vereinbarung zufolge seien die betrieblichen Besonderheiten, zu denen gehöre, dass die Bereiche nicht getrennt gewesen seien, zu berücksichtigen. Der Begriff des Apron-Controllers sei untechnisch verwendet worden.
Die Friedenspflicht sei nicht verletzt. Der Streikaufruf habe sich lediglich auf den vorgelegten Tarifvertrag bezogen und auf nichts anderes. Maßgeblich sei das Schreiben an die Flughafen Stuttgart GmbH vom 25. Februar 2009. Auf andere Verlautbarungen als den Streikbeschluss und die dazu übermittelten Tarifforderungen komme es nicht an. Die Erläuterungen im Internet seien keine Wiedergabe eines Streikbeschlusses.
Der Grundsatz der Tarifeinheit schließe keinen Arbeitskampf um einen potentiell konkurrierenden Tarifvertrag aus und führten zu keinen besonderen Anforderungen an eine Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Auf jeden Fall fehle es am Verschulden der Beklagten. Im Hinblick darauf, dass die rechtliche Zulässigkeit der Arbeitskampfmaßnahme noch nicht höchstrichterlich geklärt worden sei, aber durch die einstweiligen Verfügungen, insbesondere die Entscheidung des LAG Baden Württemberg, Klarheit eingetreten sei, habe die Beklagte den Streik wählen dürfen.
Eine sittenwidrige Schädigung sei nicht gegeben. Der Arbeitskampf habe nicht dazu gedient, ausschließlich den Klägerinnen Schäden zuzufügen.
Es sei zu bestreiten, dass die geltend gemachten Kosten alle und insbesondere im eingetretenen Ausmaß auf den Arbeitskampf zurückzuführen seien. Sie seien zumindest ebenso so sehr darauf zurückzuführen, dass die DFS auf die Ankündigung nicht unmittelbar reagiert habe. Die Klägerinnen hätten besser und länger umplanen und disponieren können, wenn die DFS unmittelbar reagiert hätte. Einzelne Flüge hätten z.B. auf die Zeit kurz vor Streikbeginn vorverlegt werden können.
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Die Beklagte bestreitet die Angaben zur Schadenshöhe und deren Kausalität. Sie rügt diese als nicht ausreichend nachvollzieh- und kontrollierbar. Verspätungen könnten auch auf betriebsimmanente Gründe zurückzuführen sein oder durch anderweitige Steuerungsmaßnahmen vermieden werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen der Beklagten zum Schaden und dessen Darlegung wird auf die Seiten 68 bis 75 der Klageerwiderung (Bl. 350 – 358 d.A.) und auf die Seiten 3 f bis ihres Schriftsatzes vom 20. Februar 2012 (Bl. 639 f d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
A. Die Klage ist nur zum Teil zulässig. Sie ist zulässig, soweit die Klägerinnen Schadensersatz begehren und unzulässig, soweit sie die Feststellung der Unterlassungspflicht bezogen auf den Arbeitskampf am 6. April 2009 begehren.
Der Feststellungsantrag ist unzulässig. Es handelt sich um eine Zwischenfeststellungsklage, deren Zulässigkeit gemäß § 256 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zu beurteilen ist. Danach kann ein Kläger beantragen, ein im Laufe des Rechtsstreits streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festzustellen. Voraussetzung für deren Zulässigkeit ist, erstens, dass der Bestand des Rechtsverhältnisses für die Entscheidung vorgreiflich ist (Greger in: Zöller, ZPO, 29. A., Köln 2012, § 256 Rz 21, 25), und, zweitens, dass das Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehung der Partei nicht bereits erschöpfend regelt. Es muss die Möglichkeit bestehen, dass aus dem streitigen Rechtsverhältnis weitere Ansprüche erwachsen (ebenda Rz 26). Wie das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 21. Dezember 1982 (1 AZR 411/80 – in: AP Nr. 76 zu Art 9 GG Arbeitskampf) ausgeführt hat, muss das incidenter ohnehin zu klärende
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Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über den gegenwärtigen Streitstand hinaus Bedeutung haben oder gewinnen können. Steht fest, dass durch die Entscheidung über die Hauptsache die Rechtsbeziehungen, die sich für die Parteien aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergeben können, mit Rechtskraftwirkung erschöpfend klargestellt werden, ist kein Raum für eine Zwischenfeststellungsklage (ebenda unter A. I. 1. b)).
Die Zwischenfeststellungsklage gerichtet auf das Begehren der Feststellung einer Rechtspflicht auf Unterlassung des Arbeitskampfes am 6. April 2009 ist gemessen an diesen Maßstäben unzulässig. Zwar berühmen sich die Klägerinnen Schadensersatzansprüche aus dem Arbeitskampf am 6. April 2009 und schließen nicht aus, dass ihnen noch weitergehende Schäden, als die mit dieser Klage geltend gemachten, entstanden sind, wozu sie sich ein diesbezügliches Vorgehen vorbehalten (Seite 7 der Klageschrift, Bl. 7 d.A.). Aber für diese Ansprüche ist nicht die durch den Antrag zu 2. skizzierte Rechtspflicht, nämlich die Frage der Pflicht zum Unterlassen, vorgreiflich, sondern die Frage, ob eine Rechtspflicht zum Ersatz der aus dem im Antrag skizzierten Ereignis entstandenen Schäden besteht. Wenn auch einzuräumen ist, dass dann, wenn – wie die Klägerinnen meinen – eine Rechtspflicht zum Unterlassen bestehen würde, eine – unabdingbare – Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch erfüllt ist, heißt dies aber noch nicht, dass deswegen dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch in Betracht käme. Anders als ein Unterlassungsanspruch setzt dieser nämlich Verschulden voraus.
Darüber hinaus wird durch das vorliegende Urteil – allerdings nicht mit Rechtskraft – das Rechtsverhältnis bezüglich der Schadensentstehung abschließend geklärt. Eine Haftung der Beklagten kommt bereits dem Grunde nach nicht in Betracht, so dass es auch im Hinblick auf weitere Schäden keiner Entscheidung über eine mögliche damalige Rechtspflicht zur Unterlassung, die kein Verschulden voraussetzt, bedarf. Insbesondere wäre eine von den Klägerinnen angenommenen vergangenheitsbezogene Unterlassungsverpflichtung für zukünftige Maßnahmen nicht aussagekräftig, wie sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. September 1984 (1 AZR 342/83 – in: AP Nr. 81 zu Art 9 GG Arbeitskampf Leitsatz 7 b) ergibt.
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Da es nicht Aufgabe der Gerichte ist, Rechtsgutachten zu – noch dazu vergangenen – Ereignissen zu verfassen, und die Frage der Unterlassungspflicht für zukünftige Streitigkeiten isoliert keine Rolle spielt, ist der Antrag unzulässig.
B. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Zahlung der eingeklagten Beträge nebst Zinsen. Die begehrte Feststellung ist nicht auszusprechen. Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich bereits dem Grunde nach weder aus § 823 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. dem Eigentumsrecht bezogen auf Flugzeuge noch i.V.m. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (I.), noch aus § 826 BGB (II.). Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass die Beklagte gemäß § 1004 BGB i.V.m. den vorgenannten Bestimmungen zur Unterlassung des Arbeitskampfes am 6. April 2009 verpflichtet gewesen wäre (III.).
I. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Absatz 1 BGB. § 823 Absatz 1 BGB verpflichtet zum Ersatz von den Schäden, die daraus resultieren, dass vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, der Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt wird. Die Beklagte hat die Klägerinnen durch den Aufruf und die Durchführung des Unterstützungsstreiks am Flughafen Stuttgart am 6. April 2009 weder in ihrem Recht auf Eigentum oder Besitz, wobei eine Rechtsverletzung diesbezüglich bezogen auf die Klägerin zu 1. letztlich dahingestellt bleibt(1.), noch in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb (2.) widerrechtlich und schuldhaft (3.) verletzt.
1. Eine Verletzung des Eigentums liegt nicht nur bei einer Substanzverletzung oder Entziehung des Eigentums vor, sondern kann auch dann anzunehmen sein, wenn die Eigentumsbefugnisse durch tatsächliche oder rechtliche Einwirkungen beeinträchtigt werden (z.B. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1970 – II ZR 133/68 – in: BGHZ 55, 153 unter II. 4. a) m.w.N. unter Ableh-
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nung einer engeren Auslegung des Reichsgerichts), wenn dessen bestimmungsgemäßer Gebrauch verletzt wird. Allerdings muss es sich dabei zumindest um eine nicht nur unerhebliche, mehr als kurzfristige, nicht lediglich vorübergehende Beeinträchtigung handeln (z.B. Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. A. München 2004, § 823 Rz 112 f, 115; Schaub in: Prütting u.a., BGB, 5.A., Neuwied 2010, § 823 Rz 54, 55; Sprau in: Palandt. BGB, 71. A. München 2012 (zit.: Palandt/Sachbearbeiter), § 823 BGB Rz 7). Eine Verletzung von Verwertungs- oder Vermögensinteressen ist gerade nicht geschützt (Schaub, a.a.O. § 823 Rz 54; Wagner a.a.O., § 823 Rz 111, 116). Welche Kriterien zur Bemessung der Erheblichkeit heranzuziehen sind, ist kontrovers (s. dazu: Wagner, a.a.O. § 823 R 115).
Bezogen auf Fahrzeuge hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass das Einsperren eines Fahrzeugs in einer Art und Weise, dass dieses nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt, bewegt werden kann, eine solche Verletzung begründen kann. Er hat eine solche Verletzung aber abgelehnt, wenn lediglich beabsichtigte Ziele nicht erreicht oder Wege nicht genutzt werden können (Urteil vom 21. Dezember 1970, a.a.O.). In dem entschiedenen Fall ging es um Schiffe auf einer beschädigten Wasserstraße. Für das Schiff, welches aufgrund der Beschädigung für circa acht Monate jede Bewegungsmöglichkeit verlor, „eingesperrt“ war, hat der Bundesgerichtshof eine Eigentumsverletzung angenommen; für andere Schiffe, die lediglich auf die Nutzung der Straße angewiesen waren, auf dieser eine Verladestelle erreichen wollten – und aus vertraglichen Gründen dazu auch verpflichtet waren –, eine solche abgelehnt. Für kürzere Behinderungen sonstiger Fahrzeuge, deren „Festsetzen“ z.B. durch Zuparken, liegt nach Wagner (a.a.O. § 823 Rz 113 bei und in FN 471 m.w.N.) noch keine höchstrichterliche Klärung vor.
Bezogen auf eine mehrtägige Blockade von Baumaschinen ist der Bundesgerichtshof von einer Eigentumsverletzung ausgegangen (nach Wagner, a.a.O. Rz 113 bei FN 470). Bezogen auf die insgesamt fünfstündige Blockade einer Grundstückszufahrt wegen eines Brandes auf dem Nachbargrundstück und der deswegen angeordneten Räumung aufgrund akuter Brand-und Explosionsgefahr hat er für den Eigentümer des Grundstücks nur für die ersten zwei Stunden eine Eigentumsverletzung angenommen, nicht aber für die folgenden drei Stunden der Blockade wegen den Weg versperrender
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Einsatzfahrzeuge (Urteil vom 21. Juni 1977 – VI ZR 58/76 – in: NJW 1977, 2264; s. dazu Wagner, a.a.O., Rz 113 bei FN 467).
Unter Beachtung dieser Maßstäbe kommt lediglich für die Klägerin zu 1. überhaupt eine Eigentumsverletzung in Betracht. Nur sie hat dargelegt, dass sechs ihrer Flugzeuge den Flughafen Stuttgart für sechs Stunden nicht verlassen konnten (untere Hälfte der Aufstellung auf der Seite 36 der Klageschrift, Bl. 36 d.A.). Allenfalls im Hinblick auf die Nutzungsbeeinträchtigung dieser Flugzeuge käme eine Eigentumsverletzung dann in Betracht, wenn man sie für erheblich hielte. Die Änderungen ihrer Pläne zur Nutzung weiterer Flugzeuge stellen keine Eigentumsverletzung dar.
Es bestehen Bedenken dagegen, eine Eigentumsverletzung bezogen auf die zeitlich begrenzt eingesperrten Flugzeuge der Klägerin zu 1) anzunehmen. Zum ersten ist zu beachten, dass die Flugzeuge nicht jeweils sechs Stunden „eingesperrt“ waren. Vielmehr sollten zwei kurz vor, drei kurz nach 18:00 Uhr und eines nach 20:00 Uhr abfliegen, so dass das Zeitfenster des Einsperrens kleiner als sechs Stunden ist. Zum zweiten ist aufgrund der Notdienstvereinbarung und der auf deren Grundlage durchzuführenden Verkehre im Umfang von 25% eine „Blockade“ des Flughafens nicht mit derjenigen der Flugzeuge, die sich gerade auf dem Flughafen befinden, gleich zu setzen, da nicht bereits die „Blockade“ des Flughafens festlegt, dass und welche Flugzeuge „eingesperrt“ bleiben, wenn auch einzuräumen ist, dass sie unverzichtbare Bedingung des „Eingesperrtseins“, so es dazu kommt, ist. Vor allem bestehen aber dogmatische Bedenken dagegen, zeitlich relativ begrenzte Nutzungsbeschränkung als erhebliche Eigentumsverletzung einzustufen. Denn durch eine vorübergehende Nutzungsbeschränkung wird selbst die Verwertungsmöglichkeit lediglich zeitlich begrenzt beeinträchtigt, so dass im Wesentlichen eine Verletzung der Verwertungsinteressen, somit des Vermögens, welches gerade nicht geschützt sein soll, vorliegt. Es bestehen daher erhebliche Bedenken, bezogen auf die Nutzungsmöglichkeit von Flugzeuge ein Zeitfenster, welches lediglich die einmalige kurzzeitige Nutzung, als erheblich einzustufen. Die Einschränkung ist sowohl im Vergleich zur jeweiligen als auch zur absoluten Nutzungsdauer und Langlebigkeit dieses Verkehrsmittels geringfügig.
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Dies kann die Kammer letztlich aber dahingestellt sein lassen. Denn selbst wenn dies anzunehmen wäre, hätte die Klägerin zu 1. keinen Ersatzanspruch, da die Beklagte nicht rechtswidrig und schuldhaft in dieses Recht eingegriffen hätte (dazu unter 3.). Es bedarf deswegen auch keiner abschließenden Erörterung dazu, in welcher Höhe sie diesbezüglich einen Ersatzanspruch haben könnte (dazu unter 4.).
Für die Klägerinnen zu 2. bis 3. ist keine Verletzung ihres Eigentums an Flugzeugen dargelegt. Ein Ersatzanspruch auf dieser Grundlage kommt nicht in Betracht. Sie haben sich darauf berufen, dass sie den Flughafen nicht anfliegen konnten oder Verspätungen entstanden sind. Dies bewirkt keine Nutzungsbeeinträchtigung, die als Eigentumsverletzung einzustufen ist. Die Klägerin zu 4. hat ausgeführt, dass sie für drei ausgefallene Flüge ein System gegenseitiger Hilfe für Störfälle in Anspruch genommen habe; sie hat aber nicht dargelegt – und aus ihrer Aufstellung der Flüge auf der Seite 39 der Klageschrift ergibt sich dies auch nicht –, dass es sich dabei um Flüge handelte, die ausfielen, weil sie mangels Flugsicherung Flugzeuge, die sich auf dem Flughafen Stuttgart befanden, nicht bewegen konnte.
2. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Absatz 1 BGB i.V.m. ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Eines der sonstigen Rechte im Sinne des § 823 Absatz 1 BGB, dessen schuldhafte und widerrechtliche Verletzung zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet, ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Klägerinnen sind durch den Unterstützungsarbeitskampf der Fluglotsen des Towers am Flughafen Stuttgart am 6. April 2009, zu dem die Beklagte unstreitig aufgerufen und ihn veranlasst hatte, nicht in diesem Recht verletzt worden.
Eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb setzt einen betriebsbezogenen Eingriff in den geschützten betrieblichen Bereich voraus, wobei die Grenzen dieses Rechts im Falle einer kollidieren¬den anderen Interessensphäre aus einer Interessen- und Güterabwägung zu ermitteln sind (BAG, Urteil vom 1. September 2009 – 1 AZR 972/08 – in: AP
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Nr. 174 zu Art 9 GG Arbeitskampf unter B. II. 1. a) am Ende; Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rz 126). Das Merkmal „betriebsbezogener Eingriff“ verlangt eine unmittelbare Beeinträchtigung des Betriebs als solchen bzw. die Bedrohung seiner Grundlagen. Da der Gesetzgeber durch die Benennung absoluter Rechte in § 823 Absatz 1 BGB nach allgemeiner Ansicht hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, dass Schutzobjekt dieser Bestimmung lediglich ähnlich absolute, Dritte ausschließende Rechte sind und nicht das Vermögen oder eine Gewinnerwartung (z.B. Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rz 11) sind, muss es sich um mehr handeln, als um einen Eingriff in einzelne Elemente eines Betriebs, zum Beispiel eines bestimmten Betriebsgegenstandes. Wie der Bundesgerichtshof zum Beispiel im Urteil vom 11. Januar 2005 (VI ZR 34/04 – in: NJW-RR 05, 673) ausgeführt hat, darf dieser Schutz nicht in „einen allgemeinen deliktischen Vermögensschutz für Gewerbetreibende ausufern“; es muss sich um einen unmittelbaren Eingriff in dem Sinne, dass er sich „irgendwie gegen den Betrieb als solchen richtet, also betriebsbezogen ist“ und nicht ein ohne weiteres ablösbares Recht oder Rechtsgut betrifft. Bereits 1985 hatte der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass damit „nur spezifische Eingriffe, die sich gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten“, „denen eine Schadensgefahr eigen ist, die über eine bloße Belästigung oder eine sozialübliche Behinderung“ hinausgehen (Urteil vom 19. Januar 1985 – VI ZR 130/83 – in: NJW 1985, 1620 unter II. 1.; s.a. BAG, Urteil vom 11. September 2009, a.a.O.), erfasst sein sollen. Eine mittelbare Beeinträchtigung durch ein Ereignis von außerhalb, welches mit dem Wesen des Betriebs nicht in Beziehung steht, reicht nicht aus, soweit es sich nicht gegen die Grundlagen der betrieblichen Tätigkeit richtet. In einer circa achtmonatigen Beeinträchtigung der Schiffbarkeit einer Wasserstraße hat der Bundesgerichtshof keine Beeinträchtigung der diese nutzenden Schiffseigner im Hinblick auf deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gesehen (Urteil vom 21.12.1970, a.a.O.). Er hat später im bereits zitierten Urteil von 2005 (a.a.O. unter II. 2. c)) unter anderem ausgeführt: „Die Befahrbarkeit von Gleisen gehört ebenso wenig zum Gewerbetrieb eines Eisenbahnverkehrsunternehmers wie die Befahrbarkeit einer Straße zum Gewerbebetrieb eines Spediteurs oder die Schiffbarkeit einer Wasserstraße zum Gewerbebetrieb eines Schifffahrttrei-
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benden gehört. Die zeitweilige Sperrung von Gleisen, die auch andere Eisenbahnverkehrsunternehmer treffen kann, greift daher nicht in deren Gewerbebetrieb ein.“
Speziell bezogen auf die Fallgruppe Arbeitskampfmaßnahme, gewerkschaftliche Tätigkeit gehen Rechtsprechung und Literatur zwar davon aus, dass eine solche Maßnahme im Verhältnis zu demjenigen, der mit dem Arbeitskampfmittel in der Weise überzogen wird, dass seine Mitarbeiter sich daran beteiligen sollen, einen solchen unmittelbaren Eingriff darstellen, da dessen Betrieb durch Entzug der Arbeitskraft zum Erliegen kommen soll (z.B. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11. September 2009, a.a.O.; Urteil vom 10. Dezember 2002 – 1 AZR 96/02 – in: AP Nr. 162 zu Art 9 GG Arbeitskampf unter B.; Löwisch/Krauß, Arbeitskampf III C (170.3.3) in AR-Blattei, Systematische Darstellungen, Loseblatt, Stand November 2004, Rz 32). Anders ist aber die Situation, wenn Dritte betroffen sind, wenn deren Betrieb zum Erliegen kommt. Diese mittelbare Betroffenheit rechtfertigt nicht die Annahme eines betriebsbezogenen Eingriffs (Löwisch/Krauß, a.a.O. Rz 32). Speziell bezogen auf die Problematik, ob ein Arbeitskampf auch einen Drittbetroffenen in seinen Rechtsgütern verletzen könne, hat Otto (Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht, München 2006, § 16 III. 1.) im Hinblick auf das von den Klägerinnen zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs von 1977 (betr. Fluglotsen) ausgeführt, dass die Ausweitung auf einen „funktionell abhängigen Dritten“, damals ein Reiseunternehmen, bedenklich sei. Kissel (Arbeitskampfrecht, München 2002, § 73 Rz 71 bei FN 152) stellt darauf ab, ob sich ein unmittelbarer Eingriff aus der Willensrichtung des Verletzers ergibt. Er lehnt ferner eine Übertragung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 1977 auf privatrechtliche Beziehungen als „systemwidrig“ ab, da dies „außerdem zu unübersehbaren haftungsrechtlichen Folgen führen müsste, die wiederum einen tiefen Eingriff in die Handlungsfreiheit der den Arbeitskampf Führenden darstellen würde“ (a.a.O. § 74 Rz 9 bei FN 24, 25). Löwisch/Krauß führen aus, dass ein betriebsbezogener Eingriff in Betracht käme, „wenn ein Streik von vornherein darauf gerichtet ist, auch die Betriebstätigkeit von Unternehmen zu stören, die mit dem bestreikten Unternehmen arbeitsteilig zusammenarbeiten“ (a.a.O. Rz 35 unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Blockade eines Druckzentrum). Das Bundesar-
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beitsgericht hat im Zusammenhang mit Blockademaßnahmen, zu denen es im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung kam, ausgeführt, dass diese einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der im blockierten Zentrum ansässigen Unternehmen darstellen (Urteil vom 21. Juni 1988 – 1 AZR 653/86 – in: AP Nr. 109 zu Art 9 GG Arbeitskampf). Dies hat es daraus abgeleitet, dass „nach dem gesamten Vortrag der Klägerin (...) die Verletzungshandlung von dem Zweck bestimmt gewesen“ sei, „gerade – auch – die Schäden bei der Klägerin auszulösen“. Es hat damals entscheidend auf den sich aus dem Vortrag ergebenden „zielgerichteten Angriff“ und den festgestellten Willen der Anwesenden abgestellt. Abweichend davon hat es in dem bereits zitierten Urteil vom 11. September 2009 (a.a.O.) ausgeführt, der Eingriff müsse seiner „objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet sein“. Angesichts dieser Entscheidungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Drittbetroffene eines Arbeitskampfes, dessen Betrieb allein durch Fort-/Fernwirkung dieses Arbeitskampfes, z.B. wegen fehlender Lieferungen von Materialien oder sonstigen Versorgungen, Dienstleistungen, Logistik, Einschränkungen erleidet oder nicht produzieren kann, deswegen in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt sind. Dies ist insbesondere nicht einschlägig höchstrichterlich entschieden worden.
Wenn die Klägerinnen mit der Entscheidung aus dem Jahr 1988 argumentieren, beachten sie nicht zur Genüge, dass diese nicht mit der Situation gleichgesetzt werden kann, in der sich eine grundsätzlich zulässige Arbeitskampfmaßnahme wie eine „Blockade“ auswirkt oder auswirken könnte. Sie kann auf den Streik vom 6. April 2009 nicht übertragen werden. Die Entscheidungen von 1988 betrafen Sachverhalte, in denen das eingesetzte Mittel gerade kein Streik war, sondern eine Maßnahme, die als solche und unabhängig von sonstigen Voraussetzungen zumindest bisher (kritisch dazu: Dieterich in: Müller-Glöge, Preis, Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. A. München 2012 (zit: ErfK/Sachbearbeiter), Art. 9 GG Rz 275 ff) dem Verdikt der Rechtswidrigkeit unterfiel und unterfällt (zur rechtlichen Einordnung von Blockaden als Arbeitskampfmittel z.B. ebenda; BAG, Urteil vom 8. November 1988 – 1 AZR 417/86 – in: AP Nr. 111 zu Art 9 GG Arbeitskampf unter A. III.
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3.; s.a. zur Wirkungsweise von Streikverhalten als „Blockade“: BAG, Urteil vom 11. Juli 1995 – 1 AZR 161/95 – in : AP Nr. 135 zu Art 9 GG Arbeitskampf unter III. 2.). Es gibt – soweit ersichtlich – keine Entscheidungen, die Dritten gegen eine Gewerkschaft Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zusprechen, weil sie von den Auswirkungen eines – rechtswidrigen – Streiks betroffen sind. Denn auch ein rechtswidriger Streik stellt nicht per se einen Eingriff in die davon vermittelt betroffenen Betriebe dar. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit des Streiks erst weiteres Tatbestandselement einer Haftung. Wenn die Klägerinnen argumentieren, dass ein Streik als solcher zunächst den Tatbestand einer deliktischen Handlung im Sinne des § 823 Absatz 1 BGB für denjenigen erfülle, der von dessen Folgen in seiner betrieblichen Tätigkeit beeinträchtigt werde, und ausführen, dass dessen Rechtswidrigkeit erst danach als weitere haftungsbegründende Voraussetzung zu prüfen sei, so überdehnen sie die Figur des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Vielmehr ist das Merkmal der Betriebsbezogenheit, der Unmittelbarkeit des Eingriffs, losgelöst von der Frage der Rechtswidrigkeit des möglichen Eingriffs zu prüfen. Nichts anderes ergibt sich auch aus der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts. Andersherum gesagt: auch wenn erst die rechtswidrige Arbeitskampfmaßnahme – unter weiteren Voraussetzungen – überhaupt eine Haftung begründen könnte, so bedeutet dies nicht, dass deswegen an die Voraussetzungen für die Verletzung des Rechtsguts geringere Anforderungen zu stellen wären. Gerade wenn die von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsfigur schon bezogen auf ihren Inhalt und ihre Grenzen aus der Abwägung von Interessen und Gütern mit der kollidierenden Interessensphäre bestimmt werden muss (s. die Nachweise oben, Seite 27/28 und auch Kissel, a.a.O., § 73 Rz 72 a.E.), ist die Anforderung der Betriebsbezogenheit und Unmittelbarkeit in Ansehung der Herkunft und Bedeutung des Streikrechts zu bestimmen.
Der Streik einer Gewerkschaft ist Ausübung der koalitionsspezifischen Betätigung; er ist – zumindest zurzeit – das zentrale Mittel einer Koalition in einem Konflikt. Er ist im Zusammenhang mit dem Ziel, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern, durch Artikel 9 Absatz 3 des Grund-
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gesetzes (z.B. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1993 – 1 BvR 1213/85 – in: AP Nr. 126 zu Art 9 Arbeitskampf unter C. II. 1.; BVerfG, Beschluss vom 10. September 2004 – 1 BvR 1191/03 – in: AP Nr. 167 zu Art 9 GG Arbeitskampf unter B II. 1.; ErfK/ Dieterich, a.a.O. Art 9 GG Rz 102 ff, 161 ff), aber auch durch Artikel 6 Nr. 4 a der Europäischen Sozialcharta (unter II; s. dazu z.B.: BAG, Urteil vom 12. September 1984, a.a.O. unter B II. 2. c); ErfK/ Dieterich, a.a.O., Art. 9 GG Rz 105) und über die in Artikel 11 Europäische Menschenrechtskonvention geschützte Vereinigungsfreiheit gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (dazu z.B. VG Kassel, 31. August 2011 – 28 K 574/10.KS.D. – in: AuR 2012, 36 m.w.N.; s. dazu auch ErfK/ Dieterich, a.a.O., Art. 9 GG Rz 106) geschützt. Seine Ausübung beeinträchtigt zwangsläufig die Rechte Anderer und nahezu unvermeidlich, auf jeden Fall häufig, die Rechte Dritter. Es handelt sich um ein Recht, dessen Wirkung auf Schädigung angelegt ist, das umso effektiver ist, je mehr es schädigt. Auf jeden Fall trägt es die Schadensneigung und die Gefährdung der Positionen anderer in sich. Dies wird z.B. in Ansehung der Streikfolgen im Bereich der Daseinsvorsorge und der öffentlichen Dienstleistungen besonders deutlich, wenn man an die möglichen Gefahren und Folgen von nicht entsorgtem Müll oder nicht aufnahmebereiten Kliniken denkt. Literatur und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland – nicht der Gesetzgeber – haben dem Streikrecht/ Arbeitskampfrecht Grenzen gesetzt. Überprüft wird insbesondere die Verhältnismäßigkeit. Hierbei waren und sind die gewonnenen Ergebnisse nicht immer prognostizierbar. Es gibt viele Streitfragen und immer wieder neue Entwicklungen (zuletzt z.B. die bereits zitierte Entscheidung des BAG vom 22. September 2009 (flash mob); s.a. Rehder/ Deinert/ Callsen, Atypische Arbeitskampfformen auf Arbeitnehmerseite, AUR 2012, 103 ff), was im Hinblick auf die gesellschaftspolitische Tragweite und Einbindung dieses Rechts zwangsläufig ist. Wenn man in den heutigen Wirtschafts- und Sozialbeziehungen ein Streikrecht garantieren will, so muss eine Haftung für in der Regel nicht kalkulierbare Schäden Dritter ausgeschlossen sein, solange es sich um übliche oder unvermeidbare Folgewirkungen handelt. Es liegt nicht in der Hand der Akteure eines Streiks, welche Interdependenzen und Abhängigkeiten geschaffen worden sind oder werden; sie sind vielmehr vorgegeben und fremdbestimmt. Dies gilt umso
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mehr, wenn die Folgewirkungen durch gesetzliche Vorgaben oder sonstige Rahmenbedingungen unausweichlich sind. Dann kann allein der Umstand, dass diese Mechanismen zum Tragen kommen, nicht die Annahme rechtfertigen, dass der Streik im Sinne der Formulierung von Löwisch/Krauß „von vorneherein“ auf die Betroffenen gerichtet ist.
Gemessen an diesen Maßstäben, stellt sich der Unterstützungsarbeitskampf der Beklagten am 6. April 2009 nicht als betriebsbezogener Eingriff gegen die Klägerinnen dar.
Der Unterstützungsarbeitskampf der Beklagten war zunächst gegen die DFS gerichtet, da ein Teil deren Arbeitnehmer streikten. Sie konnte dadurch die von ihr geschuldeten Dienstleistungen am Stuttgarter Flughafen nicht erbringen und die dafür fälligen Gebühren nicht vereinnahmen. Soweit die Klägerinnen darauf abstellen, dass diese Mindereinnahmen letztlich im Hinblick auf das Vollkostendeckungsprinzip nicht von der DFS zu tragen sind, ist dies ein Umstand, der durch Gesetz und Vertrag zwingend vorgegeben und durch keine der Parteien dieses Rechtsstreits gestaltet werden kann. Allerdings ist zu beachten, dass die DFS durch die Maßnahme auch geringere Kosten hatte, die im Hinblick auf ihren vorrangig personalkostenintensiven Betrieb bei der Saldierung eine nicht unbeträchtliche Rolle spielen. Es ist den Klägerinnen aber ohne weiteres einzuräumen, dass diese Gebühren und Kosten nicht der entscheidende Punkt sind, wenn es darum geht, was mit diesem Arbeitskampfmittel bezweckt werden soll. Vielmehr geht es erstens um eine Unterstützung von Kollegen, mit denen man täglich zusammenarbeitet, durch die „Übergabe“ der Flugzeuge quasi „Hand in Hand“ arbeitet und mit denen man durch eine gemeinsame Mitgliedschaft bei der Beklagten verbunden ist. Zweitens steht die Maßnahme im Zusammenhang mit der Vorgeschichte des Arbeitskampfes und die von der DFS mit der Flughafen Stuttgart GmbH eingegangenen Verträge. Diese hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zu Recht als Verletzung der Neutralität der DFS eingestuft (un¬ter 2.2.2.2 (5)).
Direkt nach der DFS wirkt sich diese Maßnahme auf den Betrieb desjenigen aus, mit dem die Beklagte im Tarifkonflikt steht, nämlich auf den der Flughafen Stuttgart GmbH. Deren Betrieb wird – mit den Einschränkungen, die
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durch die Notdienstvereinbarungen abgesichert sind – beschränkt. Diese verliert Einnahmen, Kundenpotential und Ansehen. In Anbetracht der Alternativen für ihre Dienstleistungen in – für fliegerische Entfernungen – Ortsnähe, nämlich den Flughäfen in Karlsruhe, Frankfurt und München, spielt dies eine relevante Rolle. Für diese Zielrichtung spricht ferner die Formulierung der Beklagten in ihrer Internet-Information vom 2. April 2009, nach der „die Streiks in Kürze beginnen und den Flugverkehr von und nach Stuttgart erheblich behindern“ werden, sowie ihre sonstigen von den Klägerinnen vorgelegten Publikationen, die sich mit diesen zwei Gegenspielern und deren Aktivitäten befassen. Diese Wirkungsweise und das entsprechende Schädigungspotential sowie die Druckwirkung auf die Flughafen Stuttgart GmbH lassen die Klägerinnen unerwähnt (z.B. auf den Seiten 9, 44 und 45 der Klageschrift).
Den Klägerinnen kann und soll nicht widersprochen werden, wenn sie ausführen, dass auch ihre betrieblichen Tätigkeiten beeinträchtigt wurden. Woraus sie allerdings ableiten, dass dies nicht nur durch – von ihnen selbst benannte – gesetzliche Bestimmungen und der Organisation und Arbeitsaufteilung bei Personenbeförderungen per Flugzeug bedingt ist, sondern dass es der Beklagten gerade auch auf ihre Einbeziehung angekommen sei, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte kann diese Wirkung vielmehr nicht vermeiden, wenn sie ihr Streikrecht, bezogen auf die von ihr ausgewählten Mitarbeiter, ausüben will. Soweit die Klägerinnen auf die Publikationen der Beklagten Bezug nehmen, verkürzen sie die vorstehend beschriebene Zielrichtung bzw. lenken diese auf sich um, ohne dass dafür weitere Anhaltspunkte bestehen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass alle am Flughafen Stuttgart im Zeitrahmen von 16:00 bis 22:00 Uhr am 6. April 2009 start- und landewilligen Flugunternehmen betroffen waren, nicht nur oder gerade die Klägerinnen. Dies ist wegen der Funktionsweise eines Flughafens und der Notwendigkeit der Flugsicherung zwangsläufig und unvermeidbar. Des Weiteren findet in den Ausführungen der Klägerinnen keine Berücksichtigung, dass aufgrund der wegen der Notdienstvereinbarung durchzuführenden Flüge im Umfang von 25% eine Zielrichtung auf einzelne Flugunternehmen genauso fernliegend ist, wie es unzutreffend ist, dass der Flughafen „blockiert“ wurde. Eine „Teilblockade“ ist letztlich keine Blockade, zumal eine derartig regulierte.
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Wenn die Klägerinnen darauf abstellen, dass gerade wegen ihrer Angewiesenheit auf die Infrastruktur eines Flughafens und die Flugsicherheit eine Arbeitskampfmaßnahme, bezogen auf diese Infrastruktur, immer auch sie betreffe, ist dies richtig, rechtfertigt aber nicht ihre Schlussfolgerung, dass es sich schon deswegen auch um einen unmittelbaren Eingriff handele. Es wird auf das Zitat aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2005 (a.a.O., s.o. S. 28/29) verwiesen.
Wenn sie ausführen, die Beklagte könne andere Mitarbeiter in den Unterstützungsstreik rufen, deren Nichtarbeit wahrscheinlich nicht zu einer Beeinträchtigung des Flugverkehrs führe, z.B. die ab dem 1. April 2009 von der DFS auf dem Stuttgarter Flughafen eingesetzten Vorfeldlotsen oder deren nicht operative Mitarbeiter, die Beklagte könne so ihr Streikrecht ausüben, ohne dass die unternehmerische Tätigkeit der Klägerinnen beeinträchtigt werden, so verkennt sie die Reichweite des Streikrechts. Es ist – in den vorgegebenen rechtlichen Grenzen – der Gewerkschaft überlassen, über dessen Einsatz und die Ausgestaltung zu entscheiden. Es ist ihr originäres und zu schützendes Recht, ihre Mittel effektiv einzusetzen. Ein Streikrecht, welches quasi automatisch dort endet, wo die Folgen seiner Ausübung ein Ausmaß annehmen, dass es wahrgenommen wird, dass es Bewegung in einen Tarifkonflikt bringt, dass aufgrund bestehender Interdependenzen eine Diskussion in Gang kommt, dass möglicherweise auch von Dritten auf die Arbeitskampfarteien Einfluss genommen, Druck ausgeübt wird, verdient diesen Namen nicht. Allein der Umstand, dass diese Effekte entstehen, kann es nicht begrenzen. Entsprechend setzt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts inzwischen erst dann Grenzen, wenn aus anderen Gründen die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt ist oder Kampfparität verletzt wird.
Aufgrund der dieser beschriebenen Umstände kann deswegen weder davon ausgegangen werden, dass die Vorgänge eine sozial unübliche Behinderung darstellten, noch dass der betriebliche Organismus der Betriebe der Klägerinnen betroffen war, noch dass es um mehr ging, als um die vorübergehende Verhinderung der Nutzung eines einzelnen Betriebsmittels. Selbst das letztgenannte kommt im Übrigen lediglich bezogen auf die Klägerin zu 1) in
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Betracht, da lediglich diese vorgetragen hat, dass sie einige ihrer Flugzeuge nicht vom Stuttgarter Flughafen weg bewegen konnte. Vorrangig geht es für alle Klägerinnen um die Frage, wie effizient und gewinnbringend sie ihre unternehmerischen Tätigkeiten bezogen auf von ihnen angebotene Dienstleistungen für einen Zeitraum von sechs Stunden gestalten können bzw. kosten-trächtig modifizieren müssen. Es ging nicht um ihren „Betrieb“, sondern um dessen Entfaltung bezogen auf ein enges Zeitfenster und eine auch von vielen anderen genutzte Örtlichkeit.
3. Selbst wenn man aber von einem Eingriff in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb ausginge, hätten die Klägerinnen keinen Ersatzanspruch. Denn die Beklagte hat zumindest nicht in schuldhafter Art und Weise in dieses Recht oder in das Eigentum der Klägerin zu 1) bezogen auf die in Stuttgart stationierten und zur Nutzung vorgesehenen Flugzeuge eingegriffen. Erstens war ihr Streik nicht rechtswidrig (a)), wenn sie auch noch nach dem 1. April 2009 bezüglich der Mitarbeiter des Flughafen Stuttgarts, Verkehrszentrale, tarifzuständig war, was, wie die Parteien zutreffend unter Hinweis auf § 97 Arbeitsgerichtsgesetz ausgeführt haben, nicht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens geklärt werden kann. Zweitens hat sie selbst dann, wenn sie nicht zuständig war, nicht schuldhaft gehandelt, da sie dann ihre Zuständigkeit in ihr nicht vorwerfbarer Weise verkannt hätte (b)). Vor diesem Hintergrund bedarf es jedenfalls auch keiner Aussetzung des Verfahrens.
a) Der Unterstützungsstreik der Beklagten am 6. April 2009 war – lässt man die Frage der Tarifzuständigkeit außer Betracht – nicht rechtswidrig. Weder der Unterstützungsstreik als solcher (aa)), noch der Hauptstreik (bb)) – dieser allerdings unter Außerachtlassung der Frage der Tarifzuständigkeit – war unzulässig und unverhältnismäßig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 19. Juni 2007 – 1 AZR 396/06 – in: AP Nr. 173 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) ist ein Unterstützungsstreik nicht generell unzulässig, sondern grundsätzlich vom Betätigungsrecht der Gewerkschaften gedeckt. Er muss aber verhältnismäßig sein, was von seiner Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit ab-
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hängig ist, für die das Bundesarbeitsgericht verschiedene Kriterien benannt hat. Insbesondere ist bei der Angemessenheitsüberprüfung zu beachten, dass der vom Unterstützungsstreik betroffene, bestreikte Dritte die Forderung nicht erfüllen kann und eines größeren Schutzes bedarf (dazu unter aa) (3) – (5)). Ferner kann er nur dann verhältnismäßig sein, wenn er auf einen Hauptstreik gerichtet ist, der nicht seinerseits rechtswidrig ist (dazu unter bb)).
aa) Der Unterstützungsarbeitskampf am 6. April 2009 als solcher war nicht rechtswidrig. Weder ist es der Beklagten aus grundsätzlichen Überlegungen heraus versagt, die von ihr organisierten Fluglotsen in den Streik zu rufen (1), noch ist es ihr aus ähnlichen Überlegungen heraus versagt, mit diesen einen Unterstützungsarbeitskampf zu führen (2), noch war der Unterstützungsarbeitskampf am 6. April 2009 ungeeignet (3) noch war er nicht erforderlich (4) noch war er – unter anderem im Hinblick auf die Frage der Schwerpunktverlagerung – unangemessen (5) oder unverhältnismäßig (6). Die Beklagte hat ferner nicht gegen die Notdienstvereinbarung verstoßen (7).
(1) Die Fluglotsen haben ein Streikrecht. Weder der Umstand, dass sie mit hoheitlichen Tätigkeiten betraut sind, noch ihre Verantwortung für die Flugsicherung steht dem entgegen. Wie das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 2. März 1993 (a.a.O. unter C. II. 1.) ausgeführt hat, schützt das in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz verankerte Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen (Koalitionen) zu bilden auch die von diesen genutzten Mittel und deren Auswahl, insbesondere die Arbeitskampfmaßnahmen, die erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen. Hierzu gehört der Streik. Die Koalitionsfreiheit und damit das Streikrecht seien – so das Bundesverfassungsgericht – auch den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst, unabhängig von ihrer Aufgabe, gewährleistet. Wenn hoheitliche Aufgaben nicht Beamten mit dem damit verbundenen Schutz übertragen würden, sondern Arbeitnehmern, so seien diese wegen ihrer Unterlegenheit auf das Druckmittel des Arbeitskampfes angewiesen. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung haben sowohl das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 22. Juli 2004 – 9 SaGa
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593/04 – in: juris) als auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14. Juni 2007 – 11 Sa 208/07 in: LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 78 unter II. 2. b) dd)) und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 31. März 2009 – 2 SaGa 1/09 – in: juris, unter 2.2.1) der Beklagten und den von ihr organisierten Fluglotsen ihr Streikrecht bestätigt. Wie das Hessische Landesarbeitsgericht (22. Juli 2004, a.a.O., Rz 19 m.w.N.) ausgeführt hat, sind im Bereich des Luftverkehrs Arbeitskämpfe nicht von vorneherein ausgeschlossen und der Gesetzgeber hat sie nicht verboten. Die Bundesrepublik hat die Möglichkeit von Arbeitskämpfen vielmehr bereits bei der Gründung der DFS in Betracht gezogen und diese dazu verpflichtet, mit möglichen Tarifpartner Notdienstvereinbarungen zu schließen (§ 6 der Rahmenvereinbarung, Bl. 144 d.A.). Entsprechend hat die Beklagte mit der DFS auch eine solche Vereinbarung geschlossen, deren Inhalt durch die Vereinbarung einer Teilflugabfertigung von 25% erheblich über die Maßnahmen hinausgeht, die die Rahmenvereinbarung vorsieht. Spätestens mit dieser Vereinbarung ist den Besonderheiten des Luftverkehrs Rechnung getragen und ein diese Grenzen wahrender Streik nicht zu beanstanden (so auch LAG Baden-Württemberg, a.a.O.).
(2) Das Streikrecht der Fluglotsen umfasst auch das Recht auf Durchführung eines Unterstützungsarbeitskampfes. Wie sich aus der Begründung der bereits zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Juni 2007 ergibt, gehört dieses Recht zum Recht auf koalitionsgemäße Betätigung (unter I. 1.). Derjenige, der ein Streikrecht hat, kann dies auch in einem Unterstützungsarbeitskampfes einsetzen. Die allgemeinen Grenzen sind sicherlich zu wahren. Aber einen Ansatzpunkt für eine „Sondergrenze“ oder gar einen Ausschluss für die Fluglotsen gibt es nicht (so auch LAG Baden-Württemberg, a.a.O. unter 2.2.2.1).
(3) Der Unterstützungsstreik am 6. April 2009 ist nicht als ungeeignet einzustufen. Geeignet ist ein Kampfmittel, wenn durch seinen Einsatz die Durchsetzung des Kampfziels gefördert werden kann. Dabei ist die dazu von einer Gewerkschaft erfolgte Beurteilung nur dahingehend zu überprüfen, ob das Mittel offensichtlich ungeeignet ist (z.B. BAG, Urteil vom 19. Juni 2007, a.a.O., unter I. 3. c) aa), aber auch unter 2. c) bb) (3) (a), (Rz 26)). Dies kann
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der Fall sein, wenn der Unterstützungsstreik den sozialen Gegenspieler des Hauptarbeitskampfes nicht beeindrucken kann, weil er branchenbezogen, wirtschaftlich oder räumlich weit entfernt stattfindet; allerdings sind die Realitäten von Einfluss- und Reaktionsmöglichkeiten zu beachten. Die unterstützende Wirkung auf die „Kampfmoral“ kann dann besonders in Betracht kommen, wenn Mitglieder derselben Gewerkschaft handeln.
Die Einschätzung der Beklagten, die Unterstützung befördere den Hauptarbeitskampf, ist nicht zu beanstanden (so schon LAG Baden-Württemberg, a.a.O.; ArbG Frankfurt, Urteil vom 5. Mai 2009 – 12 Ga 64/09, S. 26). Die Akteure des Haupt- und des Unterstützungsarbeitskampfes waren in derselben Gewerkschaft. Durch die regionale und auch vertragliche Verbundenheit sowie den Verflechtungen durch die Arbeitsabläufe bei Starts und Landungen bestand die Möglichkeit, durch den Streik bei der DFS Druck auf die Flughafen Stuttgart GmbH auszuüben. Deren Betrieb und deren Ansehen, insbesondere Verlässlichkeit, wurde durch die Maßnahme beeinträchtigt und war in Anbetracht zumindest teilweise bestehender Alternativen/ Konkurrenz durch nahegelegene Flughäfen oder auch andere Transportmittel wie auch des möglichen Drucks durch Vertragspartner, deren Verträge nicht erfüllt werden – wie z.B. die Klägerinnen –, druckempfindlich. Mit der Maßnahme verlieh die Beklagte ihrem seit dem 2. März 2009 andauerndem Arbeitskampf neuen Auftrieb im Hinblick auf eine Unterstützung der daran Beteiligten wie auch in der Wahrnehmung durch den Gegenspieler, die Flughafen Stuttgart GmbH, und in der Öffentlichkeit mit der entsprechenden Druckwirkung. Anhaltspunkte dafür, dass der Gegner damals offensichtlich nicht mehr zu beeindrucken war – was gegen die Geeignetheit sprechen könnte – liegen nicht vor.
(4) Der Unterstützungsstreik war nicht offenkundig nicht erforderlich. Im Hinblick auf die auch diesbezüglich zu schützende Einschätzungsprärogative der Gewerkschaft ist deren Einstufung des gewählten Mittels als nunmehr erforderlich, da kein milderes zur Verfügung stehe bzw. ausreiche, lediglich begrenzt überprüfbar. Im Kern geht es um die Kontrolle eines Rechtsmissbrauchs, der z.B. dann angenommen werden soll, wenn das Kampfmittel nicht mehr erforderlich ist, weil der Gegner eingelenkt hat (BAG, Urteil vom
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19. Juni 2007, a.a.O. unter I. 2. c) bb) (3) (b) (Rz 27). Speziell für den Unterstützungsstreik kommt dies in Betracht, wenn der Hauptkämpfende gar keine Unterstützung will. Nicht relevant ist allerdings die Überlegung, ob zunächst der Hauptstreik intensiviert werden müsse oder andere Mittel in Betracht kommen. Dies zu beurteilen, ist Sache der Gewerkschaft (ebenda unter I. 3. c) bb)).
Gemessen an diesem Maßstab, ist der Unterstützungsstreik nicht zu beanstanden. Die Flughafen Stuttgart GmbH hatte nicht eingelenkt. Eine Intensivierung des Hauptstreiks kam nicht mehr in Betracht; dieser war bereits unbefristet ausgerufen worden und dauerte schon über einen Monat. Zwar ist – wie gerade ausgeführt – ein Unterstützungsarbeitskampf nicht bereits dann unzulässig, wenn eine Intensivierung noch in Betracht kommt; scheidet dies aber aus, so liegt das Verdikt der Unzulässigkeit des Unterstützungsarbeitskampf fern. Darüber hinaus hatte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg damals kurz vorher einen potentiellen Unterstützungsarbeitskampf der Fluglotsen in Stuttgart im Umfang der durchgeführten Maßnahme für zulässig erachtet. Es bleibt auch schon deswegen kein Raum für Offensichtlichkeitsbetrachtungen oder Rechtsmissbrauch. Auch das Arbeitsgericht Frankfurt hat denselben Arbeitskampf, der mit dieser Entscheidung geprüft wird, nicht für offenkundig nicht erforderlich gehalten (a.a.O. S. 26 unten).
(5) Der Unterstützungsstreik war angemessen. Alle Aspekte, die das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 19. Juni 2007 in diesem Zusammenhang angesprochen hat, allerdings nur teilweise für unerlässlich einstuft, sind zu bejahen:
Für relevant, aber nicht für unverzichtbar, hat es den Umstand gehalten, ob die Grenzen eines Tarifgebiets überschritten werden (a.a.O. unter I. 3. b)). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Hauptarbeitskampf wurde für das Tarifgebiet Flughafen Stuttgart geführt. Die Beklagte hat den Unterstützungsstreik auf diese Örtlichkeit begrenzt.
Für relevant hat es erachtet, welche Nähe oder eben nur Ferne zwischen den Kampfmaßnahmen liegt, ob die betroffenen Arbeitgeber räumlich, branchenbezogen oder wirtschaftlich verbunden oder gar verflochten sind. Hierbei sei allerdings der Unterstützungsarbeitskampf nicht auf Konzernstruktu-
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ren begrenzt. Eine solche Verbindung besteht vorliegend zwischen den beiden Kampfmaßnahmen, wie bereits unter (3) erörtert wurde. Diese Verbindung wurde durch den zum 1. April 2009 geschlossenen Vertrag der Übernahme von Vorfeldtätigkeiten noch intensiviert.
Von Bedeutung kann nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sein, ob der bestreikte Arbeitgeber seine Neutralität verletzt hat. Die bestreikte DFS hat zum einen mit der Flughafen Stuttgart GmbH, also dem Tarifgegner der Beklagten im Hauptarbeitskampf, eine Notfallvereinbarung getroffen, dieser ihre Unterstützung für den Fall des Ausfalls der Vorfeldkontrolle zugesagt. Dies hat sie zu einem Zeitpunkt getan, als die Beklagte zumindest auch bezüglich dieses Bereichs von der Flughafen Stuttgart GmbH Verhandlungen gefordert hatte. Zum anderen hat die DFS nach der Vorlage der Tarifforderung diese Arbeiten gänzlich übernommen. Dies ist eine Einmischung, da dadurch andere Handlungsoptionen und Rückgriffmöglichkeiten eröffnet werden. Die DFS hat den Tarifgegner der Beklagten bestärkt. Bereits das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (a.a.O. unter 2.2.2.2 (5)) hat darin eine Verletzung der Neutralität gesehen.
Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, dass eine Gewerkschaft, die lediglich zugunsten einer anderen Gewerkschaft zur Unterstützung streike, durch eine Untersagung weniger schwerwiegend betroffen sei, als diejenige, die ihre eigenen Mitglieder in den Unterstützungsstreik ruft. Letzteres war am 6. April 2009 der Fall; nur Mitglieder der Beklagten wurden in den Streik gerufen.
Schließlich hat das Bundesarbeitsgericht es für wesentlich erachtet, für welche Dauer und welchen Umfang der Dritte mit dem Unterstützungsstreik überzogen wird. Es hat ausgeführt, dass der Unterstützungsstreik unangemessen sein kann, wenn der Schwerpunkt signifikant auf den Unterstützungsstreik verlagert werde, wenn dieser seinen Charakter als Unterstützung eines ernsthaft geführten Hauptarbeitskampfes verliere, wenn er an dessen Stelle trete. Eine solche Schwerpunktverlagerung ist durch den Unterstützungsstreik am 6. April 2009 nicht eingetreten. Damals befanden sich die Teilnehmer des Hauptstreiks seit mehr als einem Monat in einem unbefristeten Ausstand. Es handelte sich dabei zunächst um potentielle 23, ab dem 1. April 2009 aufgrund der Umstrukturierung um 14 Mitarbeiter. Der Unterstüt-
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zungsarbeitskampf war auf ein Zeitfenster von 6 Stunden begrenzt; damit war seine zeitliche Dauer begrenzt und betrug noch nicht einmal einen halben Tag. Ausfallen sollte der überwiegende Teil der Tätigkeiten der Mitarbeiter, die man für diese Schicht benötigt. Dies waren aufgrund der Ablösung im Wechsel von 2,5 Stunden und der Anwesenheit von möglichst drei Lotsen entweder sechs, maximal neun Personen. Schließlich wurde ein Notdienst eingerichtet, nach dem durch die Anwesenheit von insgesamt sechs Lotsen, von denen jeweils zwei tätig wurden, die im Stundenrhythmus abgelöst wurden, sichergestellt wurde, dass 25% der üblicherweise stattfindenden Flüge durchgeführt werden konnten. Auch unter dem Aspekt des Umfangs im Hinblick auf die Anzahl der in den Streik gerufenen Mitarbeiter und der durchgeführten Restarbeiten blieb der Unterstützungsstreik damit deutlich hinter dem Hauptarbeitskampf zurück. Wenn die Klägerinnen damit argumentieren, dass auf die Auswirkungen der jeweiligen Maßnahme abzustellen ist, und daran die Schwerpunktverlagerung festzumachen sei, so ergibt sich dieses Kriterium zwar nicht aus der bereits zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, ist aber im Hinblick auf die Betrachtung eines Arbeitskampfgeschehens sicherlich nicht von der Hand zu weisen und deswegen einzubeziehen. Allerdings kann es gerade nicht das einzige Kriterium sein, vielmehr sind zunächst und ebenso gewichtig die bereits erörterten Aspekte Dauer und Umfang zu vergleichen und einzubeziehen. Dies ergibt sich daraus, dass Auswirkungen von vielen sonstigen Umständen, insbesondere der anderweitigen Abwendbarkeit, Ersetzbarkeit – zumindest für eine gewisse Zeit –, sonstigen Ereignissen (Überlagerungen durch anderweitige Beeinträchtigungen) oder aktuellem Bedarf abhängig sind. Sie stellen – sicherlich – eine sehr wichtige, aber nicht die einzige Komponente eines Streiks dar.
Soweit Auswirkungen in Betracht zu ziehen sind, geht es einerseits um diejenigen auf den Partner des Hauptarbeitskampfes, da der Unterstützungsstreik diesem dient, andererseits aber auch um die Auswirkungen auf den durch den Unterstützungsstreik einbezogenen Dritten. So hat das Bundesarbeitsgericht in dem Urteil vom 19. Juni 2007 die besondere Angemessenheitskontrolle beim Unterstützungsarbeitskampf daraus abgeleitet, dass bei diesem „die Betroffenheit des Dritten nicht lediglich eine mehr oder weniger beabsichtigte Folge des Arbeitskampfes“ ist, sondern „der Unterstützungs-
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streik gerade darauf gerichtet“ ist, „den Dritten beim Betreiben seines Gewerbebetriebs zu beeinträchtigen“ (a.a.O., unter I. 3. c) cc) (1)). Damit meint es denjenigen, der durch den Unterstützungsstreik bestreikt wird und keine sonstigen Dritten. Wenn es um die Auswirkungen des Unterstützungsarbeitskampfs am 6. April 2009 geht – im Sinne einer Beurteilung der Grenzen des Streikrechts –, ist daher auf diejenigen für die Flughafen Stuttgart GmbH und für die DFS abzustellen und nicht auf diejenigen für die Klägerinnen. Dies ist nicht etwa im Hinblick auf das von den Klägerinnen zitierte Vollkostendeckungsprinzip anders zu beurteilen. Dies kann nur rechtfertigen, dass die für die DFS letztlich ausbleibenden Auswirkungen fiktiv als bei ihr verbleibend zu behandeln, also als existent anzusehen sind. Es rechtfertigt aber nicht, die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur Flugsicherung und aufgrund der Verflechtungen und Interdependenzen bei den Klägerinnen – oder auch sonstigen Dritten, z.B. den Reisenden – zwangsläufig und unabwendbar eintretenden Auswirkungen einzubeziehen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist bezogen auf die Auswirkungen des Hauptarbeitskampfes zunächst zu beachten, dass diese nicht mit „keine“ zu beschreiben sind. Denn unstreitig hatte die Flughafen Stuttgart GmbH erhebliche organisatorische Mühen und Kosten aufzubringen, um die streikenden Mitarbeiter zu ersetzen und den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten. So hat die DFS in ihrer von der Beklagten vorgelegten Beschwerdeschrift vom 5. März 2009 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart ausgeführt, dass sie jederzeit damit rechnen müsse, dass sie um die Übernahme der Vorfeldkontrolle gebeten werde (Anlage B 6 zur Klageerwiderung, Bl. 446). Der Flughafen Stuttgart GmbH ist es dann gelungen, dies bis zum 1. April 2009 zu vermeiden und durch die Auftragsübernahme der DFS entstand eine neue Situation, die die Auswirkungen des Hauptstreiks für die Flughafen Stuttgart GmbH zwangsläufig verringerten, da weniger und anders geartete Ausfälle ausgeglichen werden mussten. Nichts desto trotz ist aber die Bewertung der Klägerinnen, der Hauptarbeitskampf habe keine Auswirkungen gehabt, deswegen nicht zutreffend. Die Auswirkungen des Unterstützungsstreiks auf die DFS hielten sich in Anbetracht der Höhe der entgangenen Gebühren, denen auch noch die ersparten Lohnkosten gegen zu rechnen sind, in Grenzen. Dagegen waren die Auswirkungen des Unterstützungs-
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treiks auf die Flughafen Stuttgart GmbH beträchtlich. Denn der Unterstützungsstreik führte zu 32 Flugausfällen und zahlreichen Verspätungen. Er reduzierte den Flughafenbetrieb um 75% und machte ihn zudem auch noch unberechenbar. Dies bedeutete für die Flughafen Stuttgart GmbH einerseits wirtschaftliche Verluste wegen der nicht durchgeführten Dienstleistungen und andererseits einen erheblichen Renommeeverlust – Folgen, die der Hauptarbeitskampf nicht nach sich zog. Diese anders gearteten relevanten Auswirkungen führen aber angesichts der weiteren Kriterien Dauer und Umfang und des Gesamteindrucks des Geschehens – wie er bereits oben geschildert und im einzelnen in der Relation Unterstützungsarbeitskampf und Hauptarbeitskampf verglichen wurde – nicht dazu, dass sich der Unterstützungsarbeitskampf am 6. April 2009 an die Stelle des damaligen Hauptarbeitskampf schob, dass sich der Schwerpunkt verlagerte.
Zusätzlich wird auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (a.a.O. unter 2.2.2.2 (6): mit der Einschränkung „derzeit“) und des Arbeitsgerichtes Frankfurt (a.a.O. ab S. 28 unter dd)) Bezug genommen, die zum selben Ergebnis gekommen sind.
(6) Der Unterstützungsstreik erweist sich schließlich auch nicht aus sonstigen Gründen als unangemessen, als nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Wie das Bundesarbeitsgericht – zum Beispiel – in der bereits zitierten Entscheidung vom 19. Juni 2007 ausgeführt hat (a.a.O., unter I. 2. c) bb) (3) (c) (Rz 28)), muss sich ein Arbeitskampf unter hinreichender Würdigung der grundrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit zur Erreichung des angestrebten Kampfziels unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der von der Kampfmaßnahme unmittelbar oder mittelbar Betroffenen als angemessen darstellen. Dabei ist dieses Kampfziel allerdings nicht mit der Arbeitskampfforderung gleichzusetzen. Insbesondere sind Arbeitskampfforderungen nicht in Relation zu eintretenden oder absehbaren Schäden zu setzen. Es kommt weder darauf an, für wie viele Arbeitnehmer noch in welcher Höhe Forderungen erhoben werden; derartige Überlegungen würden zu einer Tarifzensur und dem kuriosen Ergebnis führe, dass ein Arbeitskampf um eine höhere Forderung eher verhältnismäßig wäre als derjenige um ein moderatere (s. dazu LAG Baden-Württemberg, a.a.O. unter 2.2.2.1, 5. Absatz (Rz 65) und
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unter 2.2.2.2, 3. Absatz (Rz 69) m.w.N.; s.a. LAG Rheinland-Pfalz, a.a.O., unter II. 2. cc) (4)). Unverhältnismäßig ist ein Arbeitskampfmittel erst dann, wenn es sich auch unter Berücksichtigung des o.g. Zusammenhangs als unangemessene Beeinträchtigung gegenläufiger, ebenfalls verfassungsrecht¬lich geschützter Rechtspositionen darstellt (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007, a.a.O. unter I. 2. c) bb) (3) (c); s.dazu auch: ErfK/ Dieterich, Art. 9 GG Rz 129 ff).
Insbesondere ist zu beachten, dass ein Streik immer darauf gerichtet ist, Schäden anzurichten. Dies gehört zu seinem Wesen (s. dazu: BAG, Urteil vom 19.Juni 2007 wie zuvor und LAG Baden-Würtemberg, a.a.O. unter II. 1. a.E.) und ist letztlich verfassungsrechtlich geschützt. Der Unterstützungsarbeitskampf beeinträchtigt mittelbar Rechtspositionen Dritter, nämlich der Reisenden, der Wirtschaftsunternehmen am Flughafen und der Flugunternehmen, darunter der Klägerinnen. Diese Beeinträchtigungen liegen aber nicht auf der Ebene von verfassungsrechtlichen geschützten Rechtspositionen, sondern betreffen Vermögen, Gewinnerwartungen, Befindlichkeiten und Wohlergehen. Weitergehende Beeinträchtigungen sind durch die vorherige Ankündigung und die gesicherten Notdienste abgewehrt und zu vermeiden. Es wird auf die Ausführungen des LAG Baden-Württemberg zu diesem Aspekt (a.a.O. unter 2.2.2.2 Absatz 1 und 2 (Rz 68, 69)) Bezug genommen, das damals noch mit einen wirtschaftlichen Schaden von mindestens 2 Millionen Euro täglich konfrontiert worden war.
(7) Die Beklagte hat nicht gegen die Notdienstvereinbarung verstoßen, so dass dahingestellt bleiben kann, ob ein solcher Verstoß überhaupt zur Rechtswidrigkeit des Streiks führen könnte. Gemäß der Notdienstvereinbarung war der Streik 24 Stunden vorher anzukündigen, was unstreitig geschehen ist. Ferner waren die darin genannten privilegierten Flüge und ein Verkehrsaufkommen von 25% der üblicherweise stattfindenden Flüge abzusichern und durchzuführen. Auch dies ist unstreitig geschehen. Soweit die Klägerinnen die Auffassung vertreten, die für den Notdienst eingesetzten Lotsen hätten auch weitergehende Arbeiten durchführen können und müssen, da sie vom Streik ausgenommen waren, betrifft dies allenfalls die Frage,
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ob sie ihren Arbeitsvertrag verletzten, und ist keine Frage der Verletzung der Notdienstvereinbarung.
bb) Der Hauptarbeitskampf ist – unter Außerachtlassung und Ausklammerung der Frage der Tarifzuständigkeit, die allerdings ebenfalls Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Streiks ist – nicht rechtswidrig. Die Streikforderung ist tariflich regelbar (1) und ihr steht keine Friedenspflicht entgegen (2). Die Streikforderung ist auch nach dem 1. April 2009 tariflich regelbar – soweit, was in diesem Verfahren nicht abschließend geklärt werden kann, die Beklagte tarifzuständig ist (3). Der von den Klägerinnen zitierte Grundsatz der Tarifeinheit steht einem Arbeitskampf, der auf die Durchsetzung eines konkurrierenden Tarifvertrages gerichtet ist, nicht entgegen (4). Der Hauptarbeitskampf ist schließlich nicht unverhältnismäßig (5).
(1) Die Streikforderung der Beklagten betraf die Vergütung. Dies ist ein tariflich regelbares Ziel. Soweit die Klägerinnen darauf abstellen, dass Streikforderung ferner „sonstige Arbeitsbedingungen“ gewesen seien, sind auch diese Bedingungen mögliche regelbare Ziele, so dass an dieser Stelle dahingestellt bleiben kann, ob diese Annahme zutreffend ist.
(2) Die Streikforderung unterfiel nicht der Friedenspflicht. Denn gemäß der Prozessvereinbarung der Beklagten mit der Flughafen Frankfurt GmbH aus November 2008 endete die Friedenspflicht bezüglich Vergütung mit dem 28. Februar 2009. Weitere Streikforderungen gab es nicht.
Die Streikforderung bestimmt sich grundsätzlich nach dem gewerkschaftlichen Streikbeschluss (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007, a.a.O. unter I. 3. a)). Ein solcher liegt nicht vor und kann daher nur aus den zeitnahen Publikationen abgeleitet werden. Die Beklagte hatte der Flughafen Stuttgart GmbH mit Schreiben vom 25. Februar 2009 mitgeteilt, dass die letzten Verhandlungen bezüglich der Vergütungsforderung gescheitert sind und dass sie Arbeitskampfmaßnahmen ankündige. In dem Schreiben wird ferner Bezug genommen auf die ablaufende Friedenspflicht. Es ist nur die Rede von Vergütungsforderungen. Die in Bezug genommene Friedenspflicht bezog sich ebenfalls auf solche. Daraus lässt sich keine weitere Forderung herleiten. Die Beklagte hatte der GmbH zuvor den Entwurf eines Tarifvertrages vorgelegt, der sich
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auf Vergütungsfragen beschränkte. Die Beklagte hat am 26. Februar 2009 auf ihrer Internet-Seite mitgeteilt, dass sie die Verhandlungen für gescheitert erklärt habe und Arbeitskampfmaßnahmen plane. Sie hat des Weiteren Erläuterungen zum Hintergrund abgegeben. Konkrete Forderungen und Streikbeschlüsse sind nicht mitgeteilt. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass sie andere als Vergütungsforderungen gegenüber ihrem Tarifgegner aufgestellt hätte. Die Beklagte hat am 2. April 2009 eine weitere Information auf ihre Internet-Seite gestellt, aus der die Klägerinnen ableiten, sie habe nun¬mehr weitere Forderungen gestellt. Dies ist nicht zutreffend. Die Beklagte schildert zwar, dass Hintergrund des Unterstützungsstreiks Tarifverhandlungen seien, „in denen Verbesserungen sowohl bei der Vergütung als auch der Arbeitsbedingungen dieser Mitarbeiter erreicht werden sollen.“ Diese Erläuterung steht aber im Zusammenhang mit der Schilderung der Geschichte der Tarifverhandlungen und –auseinandersetzung. So heißt es direkt im Anschluss: „nachdem anfänglich gute Verhandlungsfortschritte erzielt worden waren, und man sich sogar bereits auf einen zeitlichen Rahmenplan zum Abschluss geeinigt hatte“. Damit wird deutlich, dass sich der vorherige Satz auf die Situation noch vor und mit der Prozessvereinbarung bezieht, die nicht nur Vergütung, sondern noch drei weitere Themenkomplexe zum Gegen¬stand hat und zeitlich gestufte Friedenspflichten enthält. Damit hat die Publikation nichts mit einer Forderungsausweitung zu tun, zumal unklar bleibt, wann und wie eine solche überhaupt dem Gegner mitgeteilt worden oder beschlossen worden sein soll – oder wie sie beschaffen ist. Wenn die Klägerinnen ausführen, der Beklagten sei es darum gegangen, das Outsourcing zu verhindern, so ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Geschehnisse und Ereignisse dies anzunehmen sein soll. In den genannten Internetpublikationen wird das Outsourcing erwähnt und sicher nicht begrüßt. Diese Erwähnung ist aber bei einer Schilderung der Ereignisse unvermeidlich und die Bewertung ist eine Meinungsäußerung. Welche Forderungen an wen diesbezüglich gerichtet wurden und mit dem Streikbeschluss zum 2. März 2009 zusammenhängen, ergibt sich daraus nicht. Schließlich ist zu beachten, dass das Outsourcing am 6. April 2009 bereits stattgefunden hatte, so dass sich – angenommene – Forderungen bezüglich dessen Verhinderung erledigt hätten und nicht mehr Gegenstand des Arbeitskampfes sein könnten, was ebenfalls da-
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gegen spricht, dass sie am 6. April 2009 Gegenstand des Hauptarbeitskampfes waren.
(3) Es gab auch nach dem 1. April 2009 noch eine von der Flughafen Stuttgart GmbH erfüllbare Streikforderung, da sich die Forderung auch auf die bei der GmbH verbliebenen Mitarbeiter der Verkehrszentrale erstreckte.
Die Verhandlungen und Forderungen der Beklagten bezogen sich von Anfang an auf alle Mitarbeiter der damaligen Abteilung Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle. Zwar findet sich in der Vorbemerkung der Prozessvereinbarung aus November 2008 die Formulierung, dass die Flughafen Stuttgart GmbH „von der GdF zu Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen der bei der FSG beschäftigten Apron-Controller aufgefordert“ worden sei und „zum Ablauf der aufzunehmenden Sondierungsgespräche bzw. Tarifverhandlungen“ die folgenden Rahmenbedingungen vereinbart würden. Aber daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Beklagte lediglich Verhandlungen für einen Teil der 23 Mitarbeiter der Abteilung, in der die Aufgaben eines Apron-Controller erledigt wurden, führen wollte oder nur für die Mitarbeiter, die diese Tätigkeiten ausübten oder nur für Tätigkeiten der Mitarbeiter, die als Apron-Controller einzustufen sind. Denn wenn unter II.2. ausgeführt wird, dass sich die Parteien darüber einig seien, „ernsthaft und zielführend über Sonderregelungen im TVöD für bei der FSG beschäftigte Apron Controller zu verhandeln“, wenn festgehalten wird, die Beklagte strebe „langfristig den Abschluss eines eigenständigen, den TVöD ablösenden Tarifvertrages für den Bereich Apron Control an“, ergibt sich im Hinblick auf die vorgefundenen Organisationsstrukturen und Arbeitsaufteilungen, auf die sich dies bezieht, dass damit nicht nur die Tätigkeit eines „Apron-Controller“ gemeint gewesen sein kann. So wird direkt im nächsten Satz unter II.2. ausgeführt, dass Einvernehmen bestehe, „ dass die betrieblichen Besonderheiten der Apron-Control-Tätigkeit am Flughafen Stuttgart (Verkehrsaufkommen, Arbeitsorganisation etc.) im Rahmen der Verhandlungen Berücksichtigung finden“. Damit wird auf die vorgefundenen Strukturen Bezug genommen, die darin bestanden, dass alle 23 Mitarbeiter alle in der Abteilung anfallenden Tätigkeiten im ständigen Wechsel und ohne feste Aufgabenzuordnung erledigten. Es gab weder einen Arbeitsplatz „Apron-Controller“ noch Stellen als „Apron-Controller“,
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sondern alle 23 Mitarbeiter waren – jeweils zeitweise – Apron-Controller oder Apron Assistant oder Apron Koordinator oder Flight Data oder Disponent oder Einwinker. Damit konnten die verhandelnden Tarifvertragsparteien weder an eine abgrenzbare „Unterabteilung“ Vorfeldkontrolle noch an eine funktionsbezogen bestimmte Personengruppe anknüpfen. Eine Anknüpfung an bestimmte Zeitphasen und Tätigkeiten wäre zwar theoretisch möglich gewesen, hätte sich aber nicht auf alle in der Vereinbarung aufgelisteten zukünftigen Themen praktikabel umsetzen lassen. Denn es mag noch vorstellbar sein, dass Regelungen, bezogen auf die „Wochenarbeitszeit, Regenerationspausen und Regenerationskuren“ in Abhängigkeit zu den Zeitanteilen, die als „Apron-Controller“ verbracht werden, kodifiziert werden könnten; nicht mehr denkbar ist dies für die Themen „Übergangsversorgung und Betriebliche Altersversorgung“. Ferner wird in der Prozessvereinbarung formuliert, dass es um die am Flughafen Stuttgart „beschäftigten Apron-Controller“ gehe. Auch dies deutet darauf hin, dass es um die dort tätigen 23 Mitarbeiter ging. Ansonsten hätte es sich angeboten zu formulieren, dass es um die Beschäftigten gehe, soweit und solange sie als Apron-Controller tätig werden. Mit dem Begriff Apron-Controller waren somit alle 23 Mitarbeiter der Abteilung gemeint, weil sie alle als solche beschäftigt wurden und die gewünschten Regelungen nicht nur das gesamte tägliche und jährliche Arbeitsleben, sondern dessen kompletten Bestand betrafen. Es mag sein, dass man den Verhandlungsgegenstand auch unter Bezugnahme auf eine Organisationsstruktur und die diesbezüglich Beschäftigten hätte beschreiben können. Dies steht aber dem oben genannten Begriffsverständnis nicht entgegen. Es liegt vielmehr nahe, Beschäftigte, die laufend, allseits bekannt und kontinuierlich eine begrenzte Anzahl verschiedener Tätigkeiten ausüben, mit derjenigen zu beschreiben, die ihnen am wichtigsten ist und das höchste Ansehen genießt. Die Diktion des vorgelegten Tarifvertragentwurfs entspricht dem. Zwar wird diese Regelung in der Überschrift als „Sonderregelung Apron Control zum TVöD“ bezeichnet, aber sie enthält bereits im Einleitungssatz die Formulierung, dass es um „Sonderregelungen für die bei der FSG beschäftigten Mitarbeiter der Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle (z.Zt. VL 2)“ gehe, und sie benutzt dieselbe Formulierung sodann im Obersatz des § 1. Sie enthält Vergütungsregelungen unabhängig von der jeweiligen Tätigkeit. Geregelt wer-
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den soll eine Vergütung für die Mitarbeiter dieser Abteilung, die an die Zeit seit „Aufnahme der eigenverantwortlichen Tätigkeit in der Verkehrszentrale/ Vorfeldkontrolle“ anknüpft. Dies lässt keine andere Auslegung zu als diejenige, dass die Forderung sich auf alle in der Abteilung Beschäftigten bezog. Dieser Tarifvertragsentwurf wurde dann Gegenstand der Streikforderung.
Schließlich wird darauf hingewiesen, dass branchenbezogen der Begriff Apron Controll bereits im Tarifkonflikt in Frankfurt so verwendet wurde, dass damit sowohl die Beschäftigten der Vorfeldkontrolle als auch der Verkehrszentrale erfasst waren. Denn der in Frankfurt geschlossene Tarifvertrag mit dem Namen „Sonderregelung Apron controll für die Fraport AG“ enthält Regelungen, die sich unmissverständlich auf alle vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfassten Personen beziehen (z.B. § 3 Absatz 1, § 7), der dahingehend definiert worden war, dass er „für alle operativen Beschäftigten der Fraport AG, die im Bereich „Zentrale Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale“ (derzeit FBA-AF41) eingesetzt werden“, gelte (so auch schon Arbeitsgerichtes Frankfurt, a.a.O. Seite 18/19 unter b)).
Vorsorglich wird ausgeführt, dass selbst dann, wenn man davon ausgehen würde, dass die Prozessvereinbarung bezüglich der betroffenen Personen lediglich „Aproncontroller“ meinen würde, durch den Tarifvertragsentwurf eine unmissverständliche und zulässige Ausweitung stattfand. Dem würde insbesondere nicht die Ziffer 5 der Prozessvereinbarung entgegen stehen, da sich die Tarifvertragsparteien lediglich darauf beschränkt haben, dass die in der Ziffer 4 „angeführten Verhandlungsgegenstände“ abschließend sind und sich auch die Ziffer 4 lediglich auf einen Zeitplan für „Themen“ beschränkt, nicht aber auf eine Personengruppe.
(4) Der vom Bundesarbeitsgericht entwickelte und zwischenzeitlich – unter anderem aus Gründen der Kollision mit Artikel 9 Grundgesetz (Urteil vom 7. Juli 2010 – 4 AZR 549/08 – in: AP Nr. 140 zu Art 9 GG unter II. 4. e)) – nicht mehr aufrechterhaltene Grundsatz der Tarifeinheit stand und steht einem Arbeitskampf, der auf die Durchsetzung eines konkurrierenden Tarifvertrages gerichtet ist, nicht entgegen. Dies ergibt sich daraus, dass dieser Grundsatz die Existenz von konkurrierenden Tarifverträgen voraussetzt und dann deren Kollision auflösen will. Knüpft er aber an eine solche Situation an, so kann er
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sich nicht auf deren Vermeidung erstrecken. Auch kann die problematische und umstrittene Rechtskonstruktion der „Tarifeinheit“ nicht die originäre Betätigung einer Koalition, die zur Förderung der Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder antritt, beschränken. Die Kammer nimmt Bezug auf die einschlägigen Ausführungen des Hessischen Landesarbeitsgerichts im Urteil vom 2. Mai 2003 (9 SaGa 637/03 in: juris) und vom 22. Juli 2004 (a.a.O., Rz 23), auf die bereits zitierte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Juni 2007 (a.a.O., unter II. 2. b) cc) (1) unter Aufgabe einer vorherigen anderen Rechtsprechung im einstweiligen Rechtsschutz) sowie auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Frankfurt (a.a.O. ab S. 22 unter e)).
(5) Der Hauptarbeitskampf ist verhältnismäßig.
Er ist zur Durchsetzung der erhobenen Forderungen weder offensichtlich ungeeignet noch offensichtlich nicht erforderlich noch unverhältnismäßig im engeren Sinn. Es handelt sich um einen unbefristeten Erzwingungsstreik, der nach der Ablehnung eines Tarifvertrages, gescheiterten Verhandlungen und entsprechender Beschlussfassung durch Aufforderung an die betroffenen Mitarbeiter zur Arbeitsniederlegung durchgeführt wird und gegen den Verhandlungspartner gerichtet war. Ansatzpunkte für eine Rechtswidrigkeit unter diesen Aspekten sind nicht ersichtlich und werden von den Parteien auch nicht diskutiert.
b) Die Beklagte handelte nicht schuldhaft, als sie davon ausging, dass sie auch nach dem 1. April 2009 noch tarifzuständig war.
Geht eine Gewerkschaft davon aus, dass der von ihr ausgerufene Streik rechtmäßig ist, so kann dann, wenn sich dies als Irrtum herausstellt, der aber bei Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt unvermeidbar war, kein Schuldvorwurf erhoben werden (BAG, Urteil vom 21. März 1978 – 1 AZR 11/76 – in: AP Nr. 62 zu Art. 9 GG Arbeitskampf unter III. 2.). Darüber hinaus ist aber ein Schuldvorwurf auch dann nicht berechtigt, wenn in einer zweifelhaften Rechtslage ein Arbeitskampf geführt wird, weil die Nichtdurchführung unzumutbar wäre. Wegen der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Tätigkeit der Koalitionen und deren Aufgabe, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht nur zu wahren, sondern diese auch zu fördern, muss die
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Frage des Verschuldens bezüglich der Einschätzung der Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfes unter Beachtung dieses Verfassungsauftrags beantwortet werden. Insbesondere ist zu vermeiden, dass durch das Aufbürden der Haftung für streitige, ungeklärte Fälle eine Lähmung der Entwicklung des sozialen Lebens eintritt. Wie das Bundesarbeitsgericht zu Recht bereits 1978 in Abänderung eines früheren Rechtssatzes, wonach „derjenige, der bei zweifelhafter Rechtslage einen Arbeitskampf entfesselt oder ihn unterstützt, damit rechnen müsse, dass die von ihm vertretene Rechtsauffassung nicht zutrifft und dass er deshalb das Risiko zu tragen habe, wenn er gleichwohl aktiv werde“, ausgeführt hat, „können die Koalitionen nur dann möglichst umfassend“ ihre Aufgaben erfüllen, „wenn sie auch neue, rechtlich noch nicht endgültig abgesicherte tarifliche Gestaltungsmöglichkeiten ins Auge fassen und sie in die Wirklichkeit umzusetzen versuchen, ohne dabei übermäßigen Haftungsrisiken ausgesetzt zu sein.“ (a.a.O.) Das Bundesarbeitsgericht hat den Verzicht auf einen Arbeitskampf wegen ungesicherter Forderungen als unzumutbar bezeichnet, aber eine besonders sorgfältige Interessenabwägung beim Arbeitskampf und dessen Begrenzung auf einen „maßvollen Rahmen“ verlangt. Es hat des Weiteren ausgeführt, dass sehr beachtliche Gründe für die Zulässigkeit einer Regelung sprechen müssten und dass eine anderweitige Klärung der Rechtslage nicht zu erreichen sei. Dabei hat es ausgeführt, dass eine Klärung im Zweifel auch der Gegenseite durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung zuzumuten sei (ebenda). Diese Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 10. Dezember 2002 (1 AZR 96/02 – in: AP Nr. 162 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) aufgenommen und bestätigt. Es hat allerdings auch ausgeführt, dass allein der Umstand, dass ein Arbeitskampf nicht untersagt worden sei, noch kein Vertrauen darauf be¬gründe, dass er rechtmäßig sei, wenn die problematische Frage nicht Gegenstand dieser Entscheidung sei (a.a.O. unter II. 2.). Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit seinem Urteil vom 26. November 2010 (8 Sa 446/10 – in: LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 87) ein Verschulden einer Gewerkschaft deswegen abgelehnt, weil diese mit rechtlich vertretbarer Begründung von einer Tarifbindung ausgegangen war und lediglich ein eintägiger Warnstreik durchgeführt worden war.
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Gerade bezogen auf die Situation, in der eine Gewerkschaft sich mit dem Aspekt ihrer Tarifzuständigkeit auseinandersetzen muss, ist im Hinblick darauf, dass dieser Umstand verbindlich nur in einem gesonderten Verfahren gemäß § 97 Absatz 5 Arbeitsgerichtsgesetz geklärt werden kann, zu beachten, dass dann, wenn man annehmen würde, diese müsse bis zu einer Klärung ihrer Zuständigkeit zur Meidung von Schadensersatzklagen von Arbeitskämpfen absehen, dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung der koalitionsmäßigen Betätigung dieser Gewerkschaft führen würde. Denn ihr wäre das Hauptbetätigungsfeld verwehrt. Wie das Bundesarbeitsgericht z.B. im Urteil vom 7. Juli 2010 (a.a.O. unter II. 4. e) bb) (1) (Rz 57)) ausgeführt hat, ist „der Abschluss von Tarifverträgen für alle bei einer Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer“ „zentraler Bestandteil ihrer Koalitionsfreiheit“. Dessen verfassungsrechtlicher Schutz erstreckt sich „auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen“ (ebenda unter e) aa) (Rz 53)). Ohne die Möglichkeit zum Arbeitskampf könnte eine Gewerkschaft in der Zeitphase der Unklarheit über ihre Zuständigkeit lediglich Forderungen aufstellen und auf deren Verhandlung und Erfüllung hoffen, sie wäre auf das „kollektive Betteln“ (s. zu dieser plakativen Formulierung z.B.: BAG, Urteil vom 12. September 1984 – 1 AZR 342/83 – in: AP Nr. 81 zu Art 9 GG Arbeitskampf unter II. 2. a)) zurückgeworfen. In Anbetracht der Länge eines möglichen Verfahrens zur Klärung der Tarifzuständigkeit würde dies einer zeitweisen Aufhebung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Rechte gleichkommen, wenn sich später ihre Tarifzuständigkeit herausstellt. In einer solchen Situation ist eine anderweitige Klärung im Sinne der Entscheidung des BAG von 1978 nicht zu erreichen und ein Verschulden einer Gewerkschaft ist zumindest dann ausgeschlossen, wenn diese – wie es das Bundesarbeitsgericht formuliert hat – sehr beachtliche Gründe für ihre Annahme, sie sei tarifzuständig, hat.
Das Hessische Landesarbeitsgericht hat bezogen auf die Situation der einstweiligen Verfügung ausgeführt, dass dann, wenn hinreichende Erfolgsaussichten für eine Klage wegen der Tariffähigkeit im Hauptverfahren zu prognostizieren seien, die Frage einer Tarifzuständigkeit auch außerhalb des Verfahrens des § 97 Absatz 5 ArbGG für das einstweilige Verfahren incident bejaht werden dürfe, dass dann wenn Zweifel bestünden, Streikmaßnahmen besondere im Hinblick auf die Abwägung von Eingriffsintensivität, Eingriffs-
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empfindlichkeit und Drittbetroffenheit abzuwägen seien (Urteil vom 22. Juli 2004 – 9 SaGa 593/04 – juris; bestätigt mit Urteil vom 11. Januar 2007 – 9 SaGa 2098/06).
Auf dieser Grundlage ergibt sich Folgendes:
Sollte die Beklagte die zwischen den Parteien streitige Frage der Tarifzuständigkeit der Beklagten am 6. April 2009, als sie zu dem Arbeitskampf aufrief, falsch beantwortet haben, so war ihr dies bei Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt unvermeidbar; auf jeden Fall hatte sie sehr beachtliche Gründe für ihre Ansicht, sie sei tarifzuständig, und durfte mit hinreichender Sicherheit prognostizieren, dass sie dies sei. Ihr ist deswegen kein Verschulden vorzuwerfen. Im Einzelnen:
aa) Es sprechen sehr beachtliche Gründe dafür, dass die Beklagte auch noch nach dem 1. April 1999 für die Mitarbeiter der Verkehrszentrale der Flughafen Stuttgart GmbH tarifzuständig war.
Die Beurteilung der Tarifzuständigkeit richtet sich danach, ob der Geltungsbereich der Satzung einer Gewerkschaft die Vertretung derjenigen ergibt, für die sie Forderungen aufstellt (s. dazu: Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Juli 2007 – 9 SaGa 2098/06 – in: juris Rz 18 m.w.N.). Dazu sind die satzungsmäßigen Bestimmungen auszulegen. Knüpfen diese an betriebliche Strukturen oder Tätigkeiten an, so sind diese mit den Bedingungen abzugleichen, die bei dem Arbeitgeber anzutreffen sind, der mit Forderungen überzogen wird.
Die Mitarbeiter der verbliebenen Abteilung Verkehrszentrale der Flughafen Stuttgart GmbH hatten ab dem 1. April 2009 lediglich noch die Funktionen Flight Data, Disponent, Einwinker und die neue Funktion des Koordinators auszuüben. Sonstige Änderungen sind nicht dargelegt, so dass weiterhin von allen verbliebenen Mitarbeitern im ständigen Wechsel ohne feste Aufgabenzuordnung alle Tätigkeiten ausgeübt werden mussten. Relevante Teile der von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben können den in der Definition des Organisationsbereichs der Beklagten benannten Tätigkeiten zugeordnet werden. Im Einzelnen:
Die Beklagte hat ihren betrieblichen Organisationsbereich dahingehend festgelegt, dass dieser alle Betriebe und Unternehmen umfassen soll, „in wel-
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chen die Überwachung und Lenkung von Luftfahrzeugen in der Luft oder auf dem Boden zur sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Verkehrs erfolgt oder mit dieser Aufgabe in unmittelbarem Zusammenhang stehende planerische, informatorische, technische und qualifizierende Unterstützungsleistungen erbracht werden“. Die Satzung gibt Fallbeispiele an, für die diese Bedingungen als gegeben eingestuft werden. Die erste Alternative trifft auf den Tarifpartner der Beklagten am 6. April 2009, die Flughafen Stuttgart GmbH, unstreitig nicht zu. Allerdings lassen sich Teile der bei der Flughafen Stuttgart GmbH, Abteilung Verkehrszentrale, nach dem 1. April 2009 verbliebenen Tätigkeiten sowohl Fallbeispielen als auch der zweiten Variante des Obersatzes zuordnen. Die für diese Zuordnung sprechenden Argumente reichen zur Annahme von sehr beachtlichen Gründen, die für eine Tarifzuständigkeit sprechen, aus. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Satzung unter a) und c) mit „Bewegungen“ und „Verkehrsflussregelungen“ nur diejenigen von Flugzeugen meint, wofür im Hinblick auf die jeweils als zweite Alternative in Bezug genommenen „Abstell- und Bewegungsflächen“ einerseits und im Hinblick auf die umfassende Formulierung im Einleitungssatz zu „Unterstützungsleistungen“ andererseits wegen des Ineinandergreifens der verschiedenen Verkehre und deren Koordination auch gute Gründe sprechen könnten. Sollte der gerade genannten Auslegung zu folgen sein, so ergäben sich noch viele weitere Überschneidungen der in den Anweisungen und Richtlinien beschriebenen verbliebenen Tätigkeiten mit der Satzung.
Die Argumente für eine Tarifzuständigkeit der Beklagten für die Restabteilung am Flughafen am 6. April 2009 sind wie folgt beschaffen:
Gemäß Buchstabe a) 2. Alternative des § 4 der Satzung ist „die Überwachung und Lenkung der Bewegungen (...) auf den Abstell- und Bewegungsflächen von Flugplätzen (einschließlich der Vorfeldkontrolle)“ ein Fallbeispiel des Organisationsbereichs. Diesem Fallbeispiel können bei der Verkehrszentrale der GmbH verbliebene Tätigkeiten zugeordnet werden: So ist die Lenkung der Bewegung gerade auf den Abstellflächen eine Aufgabe, die letztlich von der verbliebenen Verkehrszentrale wahrgenommen wird. Denn es heißt in der Arbeitsanweisung VL 2 Nr. 06/09 schon einleitend, dass von der DFS lediglich die „Rollverkehrsführung“ auf dem Vorfeld übernommen werde. Damit ist die Abstellfläche gerade nicht vom Auftrag der DFS erfasst.
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Auch wird insofern weiter unten in der Anweisung noch eingeschränkt, dass die Verkehrszentrale die Disposition der Flugzeugschlepper für Pushback-und Schleppvorgänge übernimmt. Damit werden Tätigkeiten ausgeführt, die die Lenkung von Flugzeugen auf den Bewegungsflächen zum Gegenstand haben. Ferner ist in der Arbeitsanweisung bestimmt, dass die Verkehrszentrale weiterhin Freigaben zum Befahren von Vorfeldrollbahnen erteile, diese mit der DFS koordiniere. All diese verbleibenden Tätigkeiten gehören zumindest zur Lenkung von Bewegungen auf den Abstell- und sogar auf Teilen der Bewegungsflächen der Flugzeuge.
Auch in den Tätigkeiten des Koordinators finden sich einschlägige Aufgaben. So steuert dieser die Einsätze der Einwinker und überwacht die Funktion der Andocksysteme, was sich wiederum auf die Überwachung und Lenkung der Bewegungen von Flugzeugen auf den Abstell- und Bewegungsflächen bezieht. Denn wie sich aus der Dienstanweisung VL Nr. 01/08 (Seite 3 unter 3.5) ergibt, gehört zu deren Aufgaben das „Einwinken von Luftfahrzeugen“ sowie „Leitvorgänge für Luftfahrzeuge“. Zu den Tätigkeiten des Flight Data gehört unter anderem das Überprüfen und Durchführen von Flugverkettungen; dies betrifft ebenfalls die Überwachung und Lenkung. Der Disponent hat unter anderem die Aufgabe den anfliegenden Verkehr mittels eines bestimmten Luftlagedarstellungssystems zu überwachen. Dies kann dem Fallbeispiel zugeordnet werden.
Gemäß Buchstabe b) 1. Alternative der Satzung ist „die Bereitstellung und der Austausch von Informationen zur Planung, Vorbereitung und Durchführung von Flügen durch Publikationen“ ein weiteres Fallbeispiel. Diesem Fallbeispiel können folgende Tätigkeiten der Restabteilung zugeordnet werden: die „Erfassung der tatsächlichen Pisten- und Blockzeiten“ und der „tatsächlichen Schleppzeiten von Flugzeugen“ sowie die „Benachrichtigung und Information der Kunden bei Beschränkungen im Flugbetrieb“, nunmehr Tätigkeiten des Koordinators, wobei letztere zuvor möglicherweise Aufgabe gemäß dem letzten Spiegelstrich des Apron Koordinators war. Ferner hat der Arbeitsplatz Flight Data viele solche Tätigkeitskomponenten. So ist dort die Flugbearbeitung in der Anwendung „Tagesflugplanbearbeitung“ durchzuführen, eine Aufgabe, die auf die Publikation dieses Plans, der wiederum fliegerische Bewegungen betrifft, gerichtet ist. Weiterhin sind „diverse Informatio-
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nen der Luftverkehrsgesellschaften bzw. Abfertiger“ zu bearbeiten, Informationen beim Fluginformationssystem abzufragen, solche einzugeben, betriebsrelevante Informationen, z.B. bei Wettermeldungen, zu übermitteln. Diese Aufgaben betreffen den Austausch und die Publikation von Informationen, die bei der Planung, Vorbereitung oder Durchführung von Flügen benötigt werden. Es kann sein, dass dies auch bezüglich der Aufgabenstellung „Clearing“ gilt; der Inhalt dieser Tätigkeit ist aber nicht weiter dargelegt und nicht gerichtsbekannt.
Gemäß Buchstabe c) 2. und 4. Alternative der Satzung ist die „Verkehrsflussregelung (...) auf den Abstell- und Bewegungsflächen von Flugplätzen (...) sowie die Disposition von Gate- und Parkpositionen ein Fallbeispiel für den Organisationsbereich. Dem Arbeitsplatz Disponent bei der Verkehrszentrale obliegt die Disposition von Parkpositionen auf den Vorfeldern.
Der bereits zitierten zweiten Hälfte des Obersatz der Beschreibung des Organisationsbereichs, nämlich den in unmittelbaren Zusammenhang stehenden Unterstützungsleistungen, können weitere Tätigkeiten der neuen Verkehrszentrale zugeordnet werden. So obliegt dem neuen Koordinator auch die Aufgabe „Koordination besonderer Maßnahmen mit der Deutschen Flugsicherung“, die wiederum Aufgaben der Überwachung und Lenkung von Luftfahrzeugen in der Luft und auf dem Boden, letzteres inzwischen auch hinter dem Ende der Rollbahn auf dem Flughafen Stuttgart übernahm. Eine Koordination besonderer Maßnahmen mit diesem Ansprechpartner stellt zwangsläufig eine planerische oder informatorische Unterstützungsleistung im unmittelbaren Zusammenhang dar. Darüber hinaus hat die Flughafen Stuttgart GmbH aber auch bestimmt, dass es Aufgabe der neuen Abteilung sei „die DFS Platzkontrolle über sämtliche Vorkommnisse zu informieren, die für eine sichere und effiziente Steuerung des Rollverkehrs auf den Vorfeldern der FSG erforderlich sind“ (Seite 2 der Arbeitsanweisung VL 2 Nr. 06/09); im Hinblick auf den Ansprechpartner und den Gegenstand der Informationen ist dies ohne weiteres unter den zitierten Obersatz subsumierbar.
Selbst wenn man einige der zahlreichen informatorischen Tätigkeiten insbesondere auch des Flight Data nicht dem Fallbeispiel zu b) zuordnen könnte, so sprächen gute Gründe dafür die unmittelbar flugbezogenen Informationen
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und deren Verarbeitung, Weiterleitung oder Einholung als Unterstützungsleistungen im Sinne des Obersatzes einzuordnen.
Wie sich aus der Arbeitsanweisung des Flughafens VL 2 Nr. 3/08 ergibt, gab es vor dem 1. April 2009 noch den Arbeitsplatz des Apron Koordinator, der ebenfalls der Vorfeldkontrolle, ein Begriff der sich im Tätigkeitsbeispiel Buchstabe a) im Klammerzusatz findet, zugeordnet war. Die für diesen Koordinator in der Arbeitsanweisung aus dem Jahr 2008 beschriebenen Tätigkeiten finden sich nunmehr am Ende der Tätigkeitsbeschreibung des neu geschaffenen Arbeitsplatzes „Koordinator“. Die darin genannte Aufgabe der Erfassung und Überwachung von Enteisungsvorgängen bezieht sich auch auf Flugzeuge, betrifft aber nicht die „Überwachung und Lenkung von Bewegungen“, sondern deren saisonale/ wetterbedingte „Wartung“. Diese Tätigkeit kann aus guten Gründen spätestens den technischen Unterstützungsleistungen zugeordnet werden und hätte den erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang.
Zusammengefasst gibt es eine größere Menge von Tätigkeiten, die unter die in § 4 Absatz 1 der Satzung benannten Begrifflichkeiten fallen.
Die Zuständigkeit der Beklagten ist des Weiteren von dem persönlichen Organisationsbereich gemäß § 4 Absatz 2 der Satzung abhängig. Gemäß dessen dritter Alternative werden alle Personen organisiert, die mit der Erbringung von Leistungen im Sinne des Absatzes 1 befasst sind, wenn sie in Unternehmen und Betrieben tätig sind, in denen diese Leistungen auch erbracht werden. Die Flughafen Stuttgart GmbH erbringt durch ihre Verkehrszentrale, Leistungen im Sinne des § 4 Absatz 1, wozu auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden kann. Dies ist ausreichend, da es lediglich für das zweite Fallbeispiel im Absatz 2 darauf ankommt, dass „vorrangig“ solche Leistungen erbracht werden. Die verbliebenen Mitarbeiter der Verkehrszentrale sind mit der Erbringung von Leistungen im Sinne des Absatzes 1 befasst. Eine Festlegung, dass dies überwiegend oder in einem bestimmten Mindestmaß der Fall sein muss, enthält die Satzung nicht, so dass diese Frage keiner weiteren Erörterung bedarf.
Bei der Auslegung der Satzung kann deren Entstehungsgeschichte berücksichtigt werden (Hessisches Landesarbeitsgerichts, Urteil vom 11. Januar 2007, a.a.O.). Die Beklagte hatte früher in ihrer Satzung bestimmt, dass ihr
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Organisationsbereich alle Betriebe und Unternehmen umfasst, „in welchen Flugsicherungsleistungen erbracht werden. Organisiert werden alle Mitarbeiter in Flugsicherungsunternehmen und –betrieben, alle mit Flugsicherungsaufgaben befassten Mitarbeiter in Unternehmen und Betrieben, in denen auch Flugsicherungsleistungen erbracht werden (...)“ (so die Angabe im Tatbestand des Urteils des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Januar 2007, a.a.O., Rz 2). In Reaktion auf gerichtliche Ausführungen zu ihrer Unzuständigkeit für den Vorfeldbereich und Abstellflächen und Ausführungen zum Begriff der Flugsicherung im Zusammenhang mit einem Konflikt um eine tarifliche Regelung für eine Abteilung „Zentrale Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale“ auf einem anderen Flughafen, hat sie ihre Satzung umfangreich geändert. Dabei ging es ihr um eine Absicherung ihrer Zuständigkeit für den damals weiterhin angestrebten – und später geschlossenen – Tarifvertrag für die genannte Abteilung.
Bei der Auslegung einer Satzung kann schließlich auch auf die tatsächliche Handhabung und die Anschauung beteiligter Berufskreise abgestellt werden (Hessisches Landesarbeitsgerichts, Urteil vom 11. Januar 2007, a.a.O.). Die beteiligten Berufskreise, nämlich ein anderer Flughafen, hat mit der Beklagten – was bereits auf Seite 49/50 (unter (3)) angesprochen wurde – für die dortige Abteilung „Zentrale Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale“ einen Tarifvertrag geschlossen, der für alle in der dortigen Abteilung Beschäftigten gilt und für sie Regelungen enthält, obwohl dort sogar eine personelle Aufteilung möglich gewesen wäre. Dies wollen die Klägerinnen, die nunmehr diesbezüglich mit einer Teilnichtigkeit argumentieren, inzwischen wohl nicht mehr bestreiten.
bb) Dass die Beklagte sehr beachtliche Gründe für ihre Annahme, sie sei tarifzuständig, hatte, zeigt auch der Umstand, dass das Arbeitsgericht Frankfurt im Urteil vom 5. Mai 2009 (a.a.O. Seiten 16 ff unter a)) von einer solchen Zuständigkeit ausgegangen ist. Dies konnte die Beklagte zwar am 6. April 2009 nicht wissen, aber es zeigt, dass zeitnah auch ein Gericht zu einer entsprechenden Würdigung kam. Ferner hat das Hessische Landesarbeitsgericht diese Würdigung im weiteren Verlauf des damaligen Rechtsstreits als „methodisch und inhaltlich sauber herausgearbeitet“ (Seite 5 oben) bezeich-
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net und die Frage in seinem Beschluss als eine von mehreren „schwierigen Rechtsfragen“ (Seite 3 unten) bezeichnet.
Es ist zwar zutreffend, dass das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zur Frage der Tarifzuständigkeit keine Ausführungen gemacht hat. Dies liegt aber daran, dass die Streitparteien des dortigen Verfahrens dies nicht thematisiert haben. Vielmehr kam diese Argumentation erst durch die Eingabe der Antragsschrift im einstweiligen Verfügungsverfahren beim Arbeitsgericht Frankfurt am 6. April 2009 auf, als der Streik schon ausgerufen war.
In Anbetracht all dieser Umstände handelte die Beklagte bei der Ausrufung des Streiks am 6. April 2009 nicht schuldhaft, sondern befand sich bezüglich ihrer Tarifzuständigkeit – würde ihre Unzuständigkeit anzunehmen sein – in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum.
Es kommt daher nicht darauf an, ob der Streik ab dem 1. April 2009 und auch der Unterstützungsstreik „maßvoll“ waren, und ob dies in Anbetracht der zu wahrenden Freiheit der Gewerkschaft, über ihre Kampfmittel zu entscheiden (z.B.: BAG, Urteil vom 7. Juli 2010, a.a.O., unter II. 4. e) bb) (1)), und die geschilderten schwierigen Situationen überhaupt ein zulässiges Kriterium ist und was es bedeutet.
4. Nach alledem kommt es letztlich nicht darauf an, dass die Klägerin zu 1) wegen der möglicherweise begrenzt in Betracht kommenden Eigentumsverletzung auf keinen Fall einen Anspruch in der Höhe, wie sie ihn geltend macht, hätte. Die von ihr behaupteten Schäden sind nicht alle in einer Art und Weise dargelegt, dass Schadenspositionen oder -beträge lediglich den sechs Flugzeugen zugeordnet werden können, die „eingesperrt“ waren. So hat die Klägerin zu 1) ihre Stornierungsschäden unter Einbeziehung auch der Flüge zum Flughafen Stuttgart ermittelt und geschätzt (Seite 30 der Klageschrift zweiter Absatz unter a.); bezogen auf die Flüge zum Flughafen liegt aber keine Eigentumsverletzung vor, so dass dies herauszurechnen wäre. Auch die von ihr geltend gemachten Zusatzkosten beziehen diejenigen ein, die aus Flügen resultieren, die nicht nach Stuttgart fliegen konnten (Seite 33 der Klageschrift unter b.). Für die Transportkosten sind Summen gebildet, die Transporte zum Flughafen Stuttgart einbeziehen und nicht nur auf die Nicht-
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beweglichkeit der sechs Flugzeuge zurückzuführen sind (Seite 35 der Klageschrift unter bb. 3. Absatz). Lediglich die Ausführungen der Klägerin zu 1. auf der Seite 7 ihres Schriftsatzes vom 31. Januar 2012 (Bl. 575 d.A.) in Verbindung mit der Anlage K 27 (Bl. 238 d.A.) könnten eine Zuordnung ermöglichen.
II. Die Klägerinnen haben keinen Ersatzanspruch gemäß § 826 BGB. Danach ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderem zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Voraussetzung ist eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung, die Überschreitung der Verhaltensvorgaben eines „rechtsethischen Minimums“ (z.B.: Schaub in: Prütting, a.a.O., § 826 Rz 5). Maßnahmen im Arbeitskampf können nur bei Hinzutreten besonderer Umstände sittenwidrig sein (ebenda Rz 29). Nicht jeder Arbeitskampf, der das Recht verletzt, ist bereits sittenwidrig (Löwisch/ Krauß, a.a.O., Rz 43). Otto führt aus, dass auch bei einem rechtswidrigen Arbeitskampf in der Regel eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu verneinen ist; anders könne dies sein, wenn die Rechtswidrigkeit evident sei und die Schädigung des Dritten den Handelnden bewusst sei oder sogar beabsichtigt sei (a.a.O. Rz 122).
Wie bereits ausgeführt, handelte die Beklagte bei dem Aufruf zum Unterstützungsarbeitskampf am 6. April 2009 – mit Ausnahme der in diesem Verfahren nicht klärbaren Frage der Tarifzuständigkeit – rechtmäßig und auf jeden Fall nicht schuldhaft. Bei dieser Sachlage gibt es keinen Ansatzpunkt für eine sittenwidrige Schädigung. Der Arbeitskampf am 6. April 2009 überschritt nicht das „rechtsethische Minimum“.
Soweit die Klägerinnen damit argumentieren, dass der Unterstützungsstreik darauf ausgerichtet war, gerade sie zu schädigen, wurde bereits ausgeführt, dass diese Annahme nicht begründet ist. Es wird auf die Erläuterungen unter 2. gegen Ende (Seiten 34 f oben) Bezug genommen.
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C. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen aufgrund ihres Unterliegens zu tragen, § 91 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstandes setzt sich aus dem Wert der Hauptforderungen gemäß den Zahlungsanträgen und aus weiteren 20% davon als Wert für den Feststellungsantrag zusammen.
Die Berufung ist gemäß § 64 Absatz 3 Ziffer 2 Buchstabe c) Arbeitsgerichtsgesetz zuzulassen, da Fragen des Arbeitskampfes zwischen einer tariffähigen Partei, der Beklagten, und Dritten streitig sind. Wegen der Einzelheiten der Rechtsmittelbelehrung für die Klägerinnen wird auf die nächste Seite Bezug genommen.
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