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LAG Hamburg, Urteil vom 19.11.2012, 7 Sa 16/12
Schlagworte: | Urlaub: Krankheit, Resturlaub | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamburg | |
Aktenzeichen: | 7 Sa 16/12 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 19.11.2012 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Hamburg- 8 Ca 168/11 | |
Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil
Im Namen des Volkes
Geschäftszeichen:
7 Sa 16/12
(8 Ca 168/11 ArbG Hamburg)
In dem Rechtsstreit
-Klägerin / Berufungsklägerin-
Verkündet am: 19.11.2012
gegen
JHS
Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
- Beklagte / Berufungsbeklagte-
erkennt das Landesarbeitsgericht Hamburg, 7. Kammer,
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2012
durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts Loets als Vorsitzende
die ehrenamtliche Richterin Kn.
die ehrenamtliche Richterin Cl.
für Recht:
2
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Hamburg vom 21. Dezember 2011 – 8 Ca 168/11 – wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
3
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Urteil kann Revision bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht.
Die Revisionsschrift muss enthalten:
- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;
- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt wird.
Mit der Revisionsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Die Revision ist zu begründen. Die Revisionsbegründung muss enthalten:
- die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge),
- die Angabe der Revisionsgründe, und zwar,
a) die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt,
b) soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Die Revision kann nur ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, der bzw. die bei einem deutschen Gericht zugelassen ist, oder eine Gewerkschaft, eine Vereinigung von Arbeitgebern oder ein Zusammenschluss solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder einlegen und begründen. Dies gilt entsprechend für juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Frist für die Einlegung der Revision (Notfrist) beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Revision zwei Monate. Die Revisionsbegründungsfrist kann auf Antrag einmal bis zu einem weiteren Monat verlängert werden.
4
Die Revisionsfrist und die Revisionsbegründungsfrist beginnen mit dem Tage der von Amts wegen erfolgten Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Landesarbeitsgerichts, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Hinweis:
1. Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:
Hugo-Preuß-Platz 1 – 99084 Erfurt
2. Aus technischen Gründen sind die Revisionsschrift, die Revisionsbegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Revisionsverfahren in siebenfacher Ausfertigung (und für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr) bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.
3. Zur Möglichkeit der Einlegung der Revision mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung vom 9. März 2006 (BGBl I, 519 ff) hingewiesen.
5
Tatbestand:
Die Parteien streiten um das Bestehen von Resturlaubsansprüchen aus dem Jahr 2010.
Die Klägerin ist seit dem 15. Februar 2009 bei der Beklagten als Bäckereifachverkäuferin zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von zuletzt ca. € 1.586,00 beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Mantel-Tarifvertrag für das Bäckerhandwerk in Schleswig-Holstein und Hamburg Anwendung (MTV). § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV lautet:
„Der in einem Urlaubsjahr nicht gewährte Urlaub kann auf das nächste Urlaubsjahr nur übertragen werden, wenn die Gewährung aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des alten Urlaubsjahres nicht möglich war.“
Die Klägerin hat einen jährlichen Urlaubsanspruch von 27 Werktagen gemäß § 11 Ziff. 3 des MTV. Im Jahr 2010 nahm die Klägerin nur 16 Urlaubstage. Die restlichen 11 Tage konnte die Klägerin aufgrund einer Erkrankung in der Zeit vom 22. November 2010 bis 7. Januar 2011 nicht nehmen. Betriebliche Gründe standen der Gewährung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen.
Die Klägerin machte mit Schreiben vom 20. Februar 2011 und mit Urlaubsantrag vom 15. Februar 2011 den Resturlaub aus dem Jahre 2010 von 11 Tagen geltend. Schließlich machte sie mit Schreiben vom 1. März 2011 erneut die Gewährung von 11 Tagen Resturlaub aus 2010 geltend.
Mit ihrer am 13. April 2011 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Gewährung von 11 Urlaubstagen aus dem Jahr 2010 begehrt.
Die Klägerin hat gemeint, § 11 Ziff. 9 MTV widerspreche der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischem Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 und der darauf gestützten Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 20. Januar 2009 sowie im Anschluss daran des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 24. März 2009.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass der Klägerin restliche 11 Urlaubstage aus dem Jahre 2010 zustehen,
hilfsweise,
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin in der Zeit vom 22. Dezember 2011 bis zum 5. Januar 2012 restlichen Urlaub aus 2010 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem Jahre 2010 seien mit Ablauf des 31. Dezember 2010 erloschen.
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Mit Urteil vom 21. Dezember 2011 – 8 Ca 168/11 – hat das Arbeitsgericht Hamburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Jahre 2010 sei mit Ablauf des 31. Dezember 2010 gemäß § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV verfallen. Eine Übertragung des Urlaubs gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG sei nicht möglich, da § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV eine abweichende Bestimmung im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG beinhalte. Die Tarifregelungen seien von der gesetzlichen Öffnungsklausel gedeckt. Eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung dieses nationalen Gesetzesrechts sei selbst dann nicht möglich, wenn die Öffnungsklausel gegen die Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie verstoßen sollte. Die Öffnungsklausel in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG und die Tarifbestimmung in § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV könnten auch nicht richtlinienkonform ausgelegt oder fortgebildet werden.
Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (S. 4 – 7, Bl. 79 – 82 d. A.) verwiesen.
Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 11. Januar 2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am Montag, den 13. Februar 2012 Berufung eingelegt und ihre Berufung am 16. April 2012 begründet, nachdem ihr durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 12. März 2012 die Berufungsbegründungsfrist bis dahin verlängert worden ist.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:
Die rechtliche Beurteilung durch das Arbeitsgericht sei im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH und des BAG nicht zutreffend. Der durch diese Rechtsprechung abgesicherte Anspruch auf Mindesturlaub sei nicht über § 13 BUrlG i. V. m. § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV auszuhebeln. Dazu macht die Klägerin weitere Rechtsausführungen.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. Dezember 2011 zu dem Aktenzeichen 8 Ca 168/11 aufzuheben und
2. festzustellen, dass der Klägerin restliche 11 Urlaubstage aus dem Jahr 2010 zustehen,
hilfsweise,
3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin in der Zeit vom 18. Dezember 2012 bis 31. Dezember 2012 restlichen Urlaub aus dem Jahr 2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
7
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts mit Rechtsausführungen. Vorsorglich weist die Beklagte daraufhin, dass für den Anspruch der Klägerin nur von 24 Werktagen auszugehen sei, von denen die Klägerin 16 genommen habe.
Wegen der weiteren Ausführungen der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 13. April 2012 (Bl. 110 f. d. A.) und die Berufungserwiderung der Beklagten vom 18. Juni 2012 (Bl. 128 f. d. A.) Bezug genommen.
Ergänzend wird auf das erstinstanzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. Dezember 2011 – 8 Ca 168/11 – ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2b ArbGG statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG).
II.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, sie ist jedoch unbegründet.
Der Klägerin stehen keine restlichen 11 Urlaubstage aus dem Jahre 2010 mehr zu, da der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2010 mit Ablauf des 31. Dezember 2010 gemäß § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV verfallen ist.
Die Berufungskammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil. Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren ist ergänzend Folgendes auszuführen:
1. Der als Feststellungsantrag formulierte Hauptantrag ist zulässig. Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, denn der Antrag ist der geeignete Weg um das streitige Rechtsverhältnis der Parteien zu klären. Die Klägerin kann nicht darauf verwiesen werden, den Urlaubsanspruch in Form einer Leistungsklage auf Gewährung von Erholungsurlaub geltend zu machen. Die Beklagte bestreitet den Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2010, sodass die Klägerin im Ungewissen darüber ist, ob die Beklagte ihr den Urlaub aus 2010 gewähren wird. Die Feststellungsklage ist damit geeignet, einen weiteren Rechtsstreit über die Gewährung des Urlaubs zu vermeiden (so bereits BAG, Urteil vom 12. April 2011 – 9 AZR 80/10 -, juris, Rn. 11 f.).
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2. Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet.
Der Klägerin stehen keine restlichen 11 Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2010, die sie wegen ihrer Erkrankung nicht nehmen konnte, mehr zu. Der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2010 ist mit Ablauf des 31. Dezember 2010 gemäß § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV verfallen.
a) Der Urlaubsanspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Nach dem BUrlG ist der Urlaub auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. In diesem Fall muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt werden (§ 7 Abs. 3 BUrlG. Im vorliegenden Fall findet kraft beiderseitiger Tarifbindung und arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk in Schleswig-Holstein und Hamburg, gültig ab 1. Januar 2006 (MTV) Anwendung.
Gemäß § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV kann – abweichend vom BUrlG - der in einem Urlaubsjahr nicht gewährte Urlaub nur in das nächste Jahr übertragen werden, wenn die Gewährung des Urlaub aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des alten Urlaubsjahres nicht möglich war. Vorliegend ist die Inanspruchnahme des Urlaubs nicht aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen, sondern bedingt durch die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin unmöglich gewesen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin dürfen Tarifvertragsparteien von § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG auch dergestalt abweichen, dass keine Übertragung des Urlaubs bei Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, vorgesehen ist (hier durch § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV). Die Regelung des § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV ist nämlich durch § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG gedeckt.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG kann von den vorstehenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 in Tarifverträgen abgewichen werden. Es ist allgemein anerkannt, dass Tarifvertragsparteien insgesamt auf die Befristung des Urlaubsanspruchs verzichten können, die § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG für den Regelfall vorsieht. Sie können nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG auch einen anderen Befristungszeitraum als das Kalenderjahr wählen, eine Übertragung ausschließen oder die Übertragung erleichtern, indem diese an keine Gründe
9
gebunden wird (so ausdrücklich ErfK/Dörner/Gallner, 11. Aufl. 2011, § 13 BUrlG Rn. 13 m. w. N.). Ebenso sieht es seit jeher das BAG (BAG vom 21. Juli 1973, 5 AZR 105/73, AP Nr. 3 zu § 7 BUrlG Übertragung). Nach Auffassung des BAG sind tarifvertragliche Beschränkungen der Übertragbarkeit bzw. des Übergangs des Urlaubs durch § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG gedeckt und daher rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bedingungen der Übertragbarkeit gehören nicht zu den Grundsatznormen der §§ 1 – 3 Abs. 1 BUrlG, die selbst durch Tarifverträge nicht abgeändert werden können (BAG vom 21. Jul 1973, a.a.O.).
b) Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 stützen. Die Norm lautet:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.“
Nach der Rechtsprechung des BAG (BAG vom 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 -, AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG) ist Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG „dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen steht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugsraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestand, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte (EuGH, vom 20. Januar 2009 – C-350/06 und C-520/06 – [Schultz – Hoff] Rn. 33 und 52, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1)“.
Danach verstößt § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV, soweit der gesetzliche Urlaub betroffen ist, gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie). Dagegen können die Tarifvertragsparteien Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Insoweit ist ihre Regelungsmacht nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG beschränkt. Einem tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren
10
Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH kein Unionsrecht entgegen (BAG vom 4. Mai 2010 – 9 AZR 183/09 – AP BUrlG § 7 Nr. 49).
c) Der Klaganspruch ergibt sich – entgegen der Auffassung der Klägerin - jedoch nicht aus einer unmittelbaren Anwendung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG, weil diese Regelung keine unmittelbare Wirkung gegenüber der nicht öffentlich-rechtlichen Beklagten hat (vgl. BAG, Urteil vom 17. November 2009 – 9 AZR 844/08 – Rn. 19 und 20; Urteil vom 23. März 2010 – 9 AZR 128/09 – Rn. 90, 93 und 94). Die Richtlinien der Gemeinschaft wenden sich nach Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag an die Mitgliedstaaten. Sie verpflichten diese, die von der Richtlinie verfolgten Ziele innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umzusetzen und wirken daher nicht direkt zwischen den Bürgern (für die ständige Rechtsprechung EuGH, 19. Januar 2010 – C-555/07 – (Kücükdeveci – Rn. 46, EzA EG- Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14; 16. Juli 2009 – C-12/08 – [Mono Car Styling]Rn. 59, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; 7. Juni 2007 – C-80/06 (Carp) Rn. 20, Slg. 2007, I-4473; BAG, 17. November 2009, a.a.O., Rn.21). Das Gemeinschaftsrecht enthält keinen Mechanismus, der es dem nationalen Gericht erlaubt, nationale Vorschriften zu „eliminieren“, die von den Regelungen einer Richtlinie abweichen (vgl. BAG vom 16. Oktober 2008 – 7 AZR 253/07 (A) – Rn. 52, AP TzBfG § 14 Nr. 55).
Das BAG führt in der Entscheidung vom 23. März 2010 (a.a.O., Rn. 90) aus:
„In Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten können Richtlinien dagegen nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen. Einer Privatperson gegenüber kann sich niemand auf die Richtlinie als solche berufen (vgl. für die ständige Rechtsprechung EuGH vom 19. Januar 2010 – C-555/07 – [Kücükdeveci] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14). Richtlinien sind an die Mitgliedsstaaten und nicht an private Rechtssubjekte gerichtet. Die Mitgliedsstaaten haben die Richtlinienziele nach Art. 288 Abs. 3 AEUV umzusetzen. Sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, ist zwischen Privaten nicht anwendbar (vgl. EuGH vom 16. Juli 2009 – C-12/08 – [Mono Car Styling] Rn. 59 m. w. N., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2).“
Dem schließt sich die Kammer an. Soweit die Klägerin im vorliegenden Fall die Frage aufwirft, ob „Primärrecht“ der Europäischen Union verletzt sei, verkennt sie, dass das Bundesarbeitsgericht diese Frage bereits mit seiner Entscheidung vom 24. März 2009 (9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 f.) verneint hat. Das BAG spricht insoweit ausdrücklich vom „sekundären Gemeinschaftsrecht“ (BAG vom 24. März
11
2009 – a.a.O., S. 524, Rn. 47). Ergänzend hat die Beklagte insoweit daraufhin gewiesen, dass die Generalanwältin am EuGH in den Schlussanträgen in der Rechtssache C-282/10 vom 8. September 2011 (Centre informatique du Centre Ouest Atlantique ./. Préfet de la règion Centre; Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Frankreich]) jegliche Bestrebung zur unmittelbaren Anwendung des Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zwischen Privaten eine Absage erteilt hat.
d) Der Klaganspruch ergibt sich auch nicht aus einer europarechtskonformen Auslegung von § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV. Die Öffnungsklausel in § 13 Abs. 1 Satz 1 und die Tarifbestimmungen in § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV können nicht richtlinienkonform ausgelegt oder fortgebildet werden.
Das innerstaatliche Recht muss das nationale Recht soweit wie möglich anhand des Wortlautes und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag zu genügen. Die Verpflichtung zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung ist jedoch durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere durch den Rechtsgrundsatz der Rechtssicherheit beschränkt und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts „contra legem“ dienen (BAG vom 17. November 2009, a.a.O., Rn. 81). Zwar scheitert eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung beispielsweise durch teleologische Reduktion nicht notwendig an der Grenze des Wortlautes. Eine solche Auslegung darf jedoch nicht dazu führen, dass eine eindeutige Regelung ins Gegenteil verkehrt wird.
Gemessen hieran wäre die Grenze der zulässigen Auslegung wegen der Gesetzesbindung des nationalen Gerichts (Art. 20 Abs. 3 GG) und des Gewaltenteilungsprinzips (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) überschritten, wenn die Öffnungsklausel in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG und die Tarifbestimmung in § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV dahingehend ausgelegt würden, dass jeder in den Geltungsbereich der Tarifvorschrift fallende Arbeitnehmer einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, ungeachtet der Regelung in § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV hätte.
§ 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV ist wegen seines klaren und eindeutigen Wortlauts einer Auslegung im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG nicht zugänglich. Persönliche Gründe sind nicht nur nicht erwähnt, es heißt darüber hinaus, dass die Übertragung „nur“ stattfindet, wenn es sich um außergewöhnliche betriebliche Gründe handelt (so bereits Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 19. Januar 2010 – 21 Ca 203/09).
e) Eine Nichtanwendung von § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV scheidet ebenfalls aus, da es sich anders, als in den Fällen Mangold (Urteil vom 22. November 2005, C-144/04, Slg. 2005, I – 9981) und Kücükdeveci (Urteil vom 19. Januar 2010, C-555/07 a.a.O.) nicht um einen Verstoß gegen Primär-, sondern Sekundärrecht handelt. Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen des Arbeitsgerichts Hamburg im Urteil vom 19. Januar 2010 (a.a.O.). Eine unmittelbare Anwendung kommt je nach Inhalt
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zwar auch für unbeschriebene allgemeine Grundsätze in Betracht, z. B. für Diskriminierungsverbote (ErfK – Wissmann, 10. Aufl., Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Rn. 10). Ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts steht vorliegend aber nicht in Rede. Richtlinien sind nach Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag nicht auf eine unmittelbare Gestaltung der Rechtsordnung gerichtet, sondern enthalten lediglich einen Befehl an die Mitgliedsstaaten, d. h. in erster Linie an die nationalen Gesetzgeber dafür zu sorgen, dass das nationale Recht innerhalb einer bestimmten Frist die geforderte Regelung enthält. Da die Richtlinie an den Staat gerichtet ist, begründet sie keine Pflichten und keine Rechte Privater.
f) Da im Streitfall die Tarifvertragsparteien § 11 Ziffer 9 Abs. 3 MTV der Richtlinie 2003/88/EG nicht angepasst haben, ist diese Regelung zwar europarechtswidrig, gleichwohl jedoch maßgebend. Das richtlinienwidrige Tarifrecht ist hiernach anzuwenden. Der aus personenbedingten Gründen der Klägerin nicht genommene Teil-Urlaub ist am 31. Dezember 2010 untergegangen, sodass eine Übertragung auf die Folgezeit ausscheidet. Die Klage konnte deshalb weder hinsichtlich des Hauptantrages noch hinsichtlich des Hilfsantrages Erfolg haben.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
IV.
Die Kammer hat die Revision zugelassen, da es sich um eine Rechtsangelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung handelt (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
Kn.
Loets
Cl.
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