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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.10.2012, 15 Sa 1109/12
Schlagworte: | Maßregelungsverbot, Selbständige Einstellung, Selbständige Entlassung, Änderungskündigung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 15 Sa 1109/12 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 17.10.2012 | |
Leitsätze: | 1. Verweigert der Arbeitnehmer die Zustimmung zu einem angebotenen Altersteilzeitvertrag und spricht der Arbeitgeber sodann eine Beendigungskündigung aus, obwohl wegen einer unstreitig vorhandenen freien Stelle allenfalls eine Änderungskündigung in Betracht gekommen wäre, stellt dies eine unzulässige Maßregelung nach § 612 a BGB dar.
|
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 07.03.2012 - 37 Ca 14237/11 | |
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 17. Oktober 2012
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
15 Sa 1109/12
37 Ca 14237/11
Arbeitsgericht Berlin
K., JHS
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender
sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Dr. B. und Herrn H.
für Recht erkannt:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin
vom 07.03.2012 – 37 Ca 14237/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
K.
Dr. B.
H.
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Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und über die Berechtigung eines von der Beklagten gestellten Auflösungsantrages.
Der am ….. 1951 geborene Kläger war seit dem 1. November 2001 bei der Beklagten, bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Anfangs war er als Factory Manager des Werkes in Neustadt tätig. Seit dem 1. Januar 2008 war er als Operations Manager für alle drei Werke der Beklagten tätig und hatte gleichzeitig die Leitung des Werkes Schwerin inne. Unter dem 2. Januar 2008 wurde ihm Handlungsvollmacht für das Aufgabengebiet Operations, Fabrik Schwerin erteilt (Kopie Bl. 40 d. A.). Der Kläger erhielt zuletzt unter Berücksichtigung von Optionen etc. ein Jahresentgelt in Höhe von ca. 200.000,-- €.
Hinsichtlich der vom Kläger vorgenommenen Einstellungsvorgänge wird auf das Anlagenkonvolut B4 (Bl. 148 ff. d. A.) verwiesen. Der Kläger hatte hierbei auch das Formular „HIRING NEEDS AUTHORIZATION“ (Bl. 128 d. A.) zu benutzen. Der Kläger hat verschiedene Kündigungen zusammen mit der Personalleiterin des Werkes Schwerin, Frau D., unterzeichnet (Anl. B3 = Bl. 139 ff. d.). Kündigungen durften nur nach dem Vier-Augen-Prinzip erfolgen. Der Personalleiter der Beklagten, Herr L., war ebenfalls berechtigt, Kündigungen auszusprechen. Auch er hatte das Vier-Augen-Prinzip zu berücksichtigen. Ihm waren jeweils die Personalleiter der drei Werke Schwerin, Neustadt und Eschweiler unterstellt, somit auch Frau D.. Hinsichtlich der verschiedene Unterschriftsberechtigungen wird auf die Anlage des Schriftsatzes vom 23. August 2012 (Bl. 335 d. A.) verwiesen.
In einem Gespräch am 11. Juli 2011 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass für ihn kein Platz mehr in der neuen Organisationsstruktur vorhanden sei. Für die Leitung des Werkes Schwerin sei Herr S. (ca. 35 Jahre) vorgesehen, der aus einem anderen Unternehmen des Konzerns stammt. Gleichzeitig wurde dem Kläger mitgeteilt, dass man ihm einen Altersteilzeitvertrag anbieten werde. Am 19. Juli 2011 wurde dem Kläger der Entwurf eines Altersteilzeitvertrages mit Datum vom 15. August 2011 (Kopie Bl. 43 ff. d. A.) überreicht. Am 15. August 2011 (Kopie Bl. 48 ff. d. A.) ließ der Kläger mitteilen, dass er dieses Angebot ablehne. Mit Schreiben vom 22. August 2011 erfolgte die Freistellung des Klägers von der Arbeit. Am nächsten Tag wurde Herr S. als Nachfolger des Klägers im Werk Schwerin vorgestellt. Mit Schreiben vom 29. August 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2011.
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Gegen diese Kündigung setzt der Kläger sich mit der am 16. September 2011 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage zur Wehr. Er hat die Ansicht vertreten, nicht Leitender Angestellter zu sein. Er sei auch nicht befugt, selbständig Einstellungen oder Entlassungen vorzunehmen. Ihm fehle im Außenverhältnis die entsprechende Kompetenz. Bei Einstellung benötige er zumindest die Zustimmung des Geschäftsführers. Darüber hinaus habe er mit dem entsprechenden Formular das Hiring Comitee um Zustimmung zu bitten. Kündigungen seien intern mit dem Geschäftsführer abzustimmen gewesen. Die Personalleiterin des Werkes Schwerin, Frau D., sei nicht ihm gegenüber weisungsgebunden gewesen, sondern nur gegenüber Herrn L.. Einstellungen und Entlassungen seien durch Herrn L. in Abstimmung mit Frau D. entschieden worden. Er habe diese nur unterzeichnet, da sonst aller Schriftverkehr erst hätte nach Berlin geschickt werden müssen. Die erfolgte Kündigung sei auch altersdiskriminierend. Bei dem Gespräch am 11. Juli 2011 sei ihm mitgeteilt worden, dass seine Stelle „durch einen jüngeren Nachfolger“ besetzt werden solle. Darüber hinaus verstoße die Kündigung gegen das Maßregelungsverbot, weil er mit der Änderung der Arbeitsbedingungen im Rahmen des Altersteilzeitvertrages nicht einverstanden gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29. September 2011 nicht beendet wurde, sondern ungekündigt und zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 31. Dezember 2011 fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise
das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, 57.500,-- € jedoch nicht übersteigen sollte, zum Ablauf des 29. Februar 2012 aufzulösen.
Der Kläger hat beantragt,
den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
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Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe sämtliche Einstellungen und Entlassungen eigenständig vornehmen können. Hierbei sei es rechtlich irrelevant, dass das so genannte Vier-Augen-Prinzip einzuhalten gewesen wäre. Der Kläger sei bei Entscheidung frei gewesen, ob und wen er entlassen wolle. Bei Einstellung musste er sich auch nicht mit dem Geschäftsführer abstimmen. Das hierbei benutzte Formular habe nur die Aufgabe gehabt, den Einstellungsbedarf nach Mailand zur Konzernzentrale zu melden. Bei dem Gespräch am 11. Juli 2011 sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass nunmehr die Stelle eines reinen Werkleiters für Schwerin geschaffen werden solle. Herr L. habe ferner gesagt: „Das ist der junge Kollege aus Spanien, der gerne in Deutschland arbeiten möchte“. Das Adjektiv „jung“ sei nur erwähnt worden, um den neuen Werkleiter zu identifizieren. Damit habe man keinesfalls ein Auswahlkriterium dargelegt. Man sei der Ansicht gewesen, dass die neue Stelle, die erheblich weniger Kompetenzen beinhaltet habe, durch eine andere Person, die einen Neuanfang in Schwerin bewirken sollte, besetzt werden musste. Herr S. habe gerne in Deutschland arbeiten wollen, kannte den Konzern und stand sofort zur Verfügung. Dies sei der einzige Grund für dessen Einstellung gewesen.
Mit Urteil vom 7. März 2012 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage stattgegeben. Die Kündigung sei schon deswegen unwirksam, weil gegenüber dem Kläger allenfalls eine Änderungskündigung bezogen auf die reine Funktion des Werkleiters in Schwerin hätte ausgesprochen werden dürfen. Den Auflösungsantrag der Beklagten hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen. Der Kläger sei nicht zur selbständigen Einstellung befugt gewesen. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Kläger das Formular „HIRING NEEDS AUTHORIZATION“ habe benutzen müssen. Der Kläger sei auch nicht zur selbständigen Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt gewesen. Nachdem der Kläger zu den von ihm unterschriebenen Kündigungen im Einzelnen vorgetragen habe, hätte die Beklagte im Hinblick auf die konkreten Einzelfälle darlegen müssen, dass die ausgesprochenen Kündigungen „nur vom Willensentschluss des Klägers abhingen“. Hierzu hätten die eingereichten Stellungnahmen der Personalleiterin des Werkes Schwerin und des Personalchefs der Beklagten nicht ausgereicht.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 24. Mai 2012 zugestellt worden. Die Berufung ging am 13. Juni 2012 und die entsprechende Begründung am 17. Juli 2012 beim Landesarbeitsgericht ein.
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Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht hätte den Auflösungsantrag nicht zurückweisen dürfen. Es hätte vielmehr die entsprechenden Zeugen hören müssen. Sie behauptet weiterhin, nur der Kläger hätte selbständig darüber entschieden, ob, wann und gegenüber wem eine Kündigung auszusprechen sei. Die Benutzung des Formulars bei den Einstellungen sei eine reine Formalie. Der Personalleiter L. sei nicht operativ in den Werken für Einstellungen und Entlassungen von Personal verantwortlich. Hinsichtlich der wegen Krankheit ausgesprochenen Kündigungen habe Frau D. dem Kläger berichtet. Diese habe dann entschieden, inwiefern zu kündigen sei. Herr L. habe hiermit gar nichts zu tun gehabt. Frau D. sei sowohl an den Weisungen von Herrn F. als auch von denen von Herrn L. abhängig gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin - 37 Ca 14237/11 - aufzuheben und die Klage abzuweisen;
hilfsweise
das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, 57.500,-- € jedoch nicht übersteigen sollte, zum Ablauf des 29.02.2012 aufzulösen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07.03.2012 (Az. 37 Ca 14237/11) sowie den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Der Kläger verweist darauf, dass die Berufung hinsichtlich des Hauptantrages mangels entsprechender Begründung unzulässig sei. Er betont erneut, dass er keine Alleinentscheidungsbefugnis in personellen Angelegenheiten gehabt habe.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg und war daher zurückzuweisen. Sie ist teilweise unzulässig. Im Übrigen ist sie hinsichtlich des Auflösungsantrages unbegründet.
I.
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Die Berufung ist teilweise unzulässig. Soweit das Arbeitgericht festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29. August 2011 nicht beendet wurde, fehlt es an der entsprechenden Berufungsbegründung. Mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts setzt sich die Berufungsbegründung an keiner Stelle auseinander. Insofern fehlt es an der entsprechenden Berufungsbegründung nach § 520 ZPO. In diesem Punkt war die Berufung als unzulässig zurückzuweisen.
Hinsichtlich des gestellten Auflösungsantrages ist die Berufung jedoch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist zulässig.
II.
Die Berufung ist hinsichtlich des Auflösungsantrages nicht begründet. Der Auflösungsantrag konnte schon deswegen keinen Erfolg haben, weil die ausgesprochene Kündigung nicht nur sozialwidrig war (1.) Darüber hinaus war der Kläger nicht zur selbständigen Einstellung (2.) oder selbständigen Kündigung (3.) berechtigt.
1. Ein Arbeitgeber kann die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nur verlangen, wenn die Kündigung lediglich nach § 1 KSchG sozialwidrig ist (BAG 27.09.2001 - 2 AZR 176/00 - NZA 2002, 1277, 1281). Vorliegend ist die Kündigung vom 29. August 2011 nicht nur sozialwidrig, sondern verstößt auch gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB und ist daher unwirksam (§ 134 BGB).
Gemäß § 612a BGB darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hat. Nach der Rechtsprechung des BAG ist das Maßregelungsverbot nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, also das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein (BAG, 21.09.2011 - 7 AZR 150/10 - NZA 2012, 317 Rn. 35). Kündigt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nur deshalb, weil dieser in eine Änderung der Arbeitsbedingungen nicht eingewilligt hat, verstößt dies gegen das Maßregelungsverbot (LAG Hamm, 18.12.1987 - 17 Sa 1295/87 - DB 1988, 917). Verweigert der Arbeitnehmer – wie hier - die Zustimmung zu einem angebotenen Altersteilzeitvertrag und spricht der Arbeitgeber sodann eine
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Beendigungskündigung aus, obwohl wegen einer unstreitig vorhandenen freien Stelle allenfalls eine Änderungskündigung in Betracht gekommen wäre, stellt dies eine unzulässige Maßregelung nach § 612 a BGB dar. Ein verständiger Arbeitgeber hätte in einer solchen Situation jedenfalls keine Maßnahme ergriffen, die über eine Änderungskündigung hinausgeht. Insofern hat die Beklagte ihr Verhalten gerade nicht mehr an der Rechtsordnung orientiert (vgl. BAG a. a. O. Rn. 41). Die Maßregelung bestand jedenfalls in dieser Überreaktion.
Soweit die Beklagte sich in der Berufungsverhandlung vom 28. September 2012 darauf bezogen hat, dass sie den Kläger als altgedienten Arbeitnehmer („Silberrücken“) die Tätigkeit des reinen Werkleiters in Schwerin nicht habe zumuten wollen, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Die Rechtsprechung prüft schon länger nicht mehr, ob das in Betracht kommende Änderungsangebot - von Ausnahmen abgesehen - für den Arbeitnehmer objektiv zumutbar ist. Es ist einzig und allein Sache des betroffenen Arbeitnehmers, ob er ein solches Änderungsangebot unter Vorbehalt annehmen will. Es liegt auch kein Extremfall vor, bei dem hätte angenommen werden können, dass die Annahme durch den Arbeitnehmer völlig ausgeschlossen ist. Die Tätigkeit als Werkleiter in Schwerin hätte vielmehr nur die Herabstufung um eine Hierarchiestufe bedeutet.
Soweit die Beklagte in der Berufungsverhandlung auch darauf hingewiesen hat, dass mit dem ATZ-Vertrag sofort eine Freistellung hätte erfolgen sollen, mag dies sein. In dem an den Kläger übergebenen Vertragsentwurf war dies nicht geregelt. Hätte man nach der Ablehnung durch den Kläger weitere Vergleichsvarianten abklären wollen, wäre dies jederzeit möglich gewesen. Stattdessen hat die Beklagte jedoch das Mittel der Beendigungskündigung ergriffen, obwohl ein freier Arbeitsplatz vorhanden war.
Selbst wenn all dies nicht ausreichen sollte, dann ist als weiteres starkes Indiz zu berücksichtigen, dass bei der Beklagten auch in der jüngeren Vergangenheit Kündigungen ausschließlich nach maßregelnden Gesichtspunkten ausgesprochen wurden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass unter dem 20.06.2011 gegenüber drei Arbeitnehmern Kündigungen aus disziplinarischen Gründen ausgesprochen wurden, weil diese zu einer Gruppe von Mitarbeitern gehörten, die versucht hatten, per einstweiliger Verfügung eine lange zuvor anberaumte Arbeit an Ostern zu verhindern. Zwischen den Parteien ist nur streitig, ob der Kläger diese Maßnahme ausdrücklich abgelehnt hat (so dessen Schriftsatz vom 29.02.2012 auf Seite 11, Bl. 222 d. A.) oder ob Herr L. nach Rücksprache mit dem
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jetzigen Beklagtenvertreter hiervon abgeraten hat (Beklagtenschriftsatz vom 17.07.2012, Seite 7 f. = Bl. 279 f. d. A.). Gleichartige Maßnahmen in der Vergangenheit können ein Indiz dafür bilden, dass auch ein aktuelles Verhalten auf gleichen Erwägungen beruht (vgl. BAG 22.07.2010 – 8 AZR 1012/08 – NZA 2011, 93 Rn. 83 mit Beispielen zur Geschlechtsdiskriminierung). Jedenfalls in Verbindung mit diesem Indiz ist von einer unzulässigen Maßregelung auszugehen.
Da die Kündigung vom 29. August 2011 schon wegen des Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot nicht nur sozialwidrig ist, kann offen bleiben, ob angesichts des Gesprächsverlaufs vom 11. Juli 2011 auch anzunehmen ist, dass die Kündigung aus altersdiskriminierenden Gründen erfolgte.
2. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist auch deswegen unwirksam, weil die Beklagte keinerlei Gründe dafür vorgetragen hat, dass eine den weiteren Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen ihr und dem Kläger nicht erwartet werden könne (§ 9 Abs. 1 Satz 2KSchG). Hiervon konnte nach § 14 Abs. 2 nicht abgewichen werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger zur selbständigen Einstellung berechtigt war. Dies ergibt sich schon aus den Anlagen B4, die die Beklagte selbst eingereicht hat.
Danach bat der Kläger unter dem 19. Juli 2010 bei der Zentrale in Italien um die Billigung („for jour approval“) für die Ersetzung einer langjährig beschäftigten Mitarbeiterin, die das Unternehmen zum 1. August verlassen sollte, durch einen jungen Kollegen. Die Antwort lautete: „We approve the substitution.“ (Bl. 153 d. A.). Die Konzernzentrale in Italien wurde durch den Kläger also nicht einfach nur in Kenntnis gesetzt, sondern musste selbst die Ersetzung einer ausgeschiedenen Mitarbeiterin ausdrücklich genehmigen. Unter diesen Umständen kann von einer selbständigen Einstellungsbefugnis nicht ausgegangen werden, denn der Kläger brauchte im Innenverhältnis die Genehmigung der Konzernzentrale. Gleiches gilt für die zusätzliche Einstellung von Arbeitnehmern in Schwerin. Auch dort teilt die Konzernzentrale unter dem 16. Mai 2008 mit, dass sie nach Erhalt des Formblattes „offiziell“ den Vorgang genehmigen wolle (Bl. 151 d. A.).
3. Der Kläger als Betriebsleiter war auch nicht zur selbständigen Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt. Der Kläger ist schon deswegen nicht zur selbständigen Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt, weil auch der Personalleiter des Unternehmens,
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der auf der gleichen Ebene wie der Kläger tätig ist, unterschriftsberechtigt bzgl. Personalentscheidungen ist.
Das BAG verlangt, dass die Berechtigung zur Einstellung und (gemeint: oder) Entlassung dann nicht ausreichend ist, wenn sie nicht unbeschränkt ist. Dem stehe es entgegen, dass eine solche Berechtigung durch gleiche Berechtigungen anderer eingeschränkt ist. Dies ist dann der Fall, wenn die gleiche Befugnis auch anderen eingeräumt wird (BAG 14.04.2011
- 2 AZR 167/10 - juris Rn. 21). So verhält es sich hier.
Der Personalleiter der Beklagten, Herr L., hat in der Berufungsverhandlung vom 28.09.2012 erklärt:
„Ich war auch berechtigt, Kündigungen auszusprechen. Aber dies galt nur in Verbindung mit dem Vier-Augen-Prinzip. Insofern war eine zweite Unterschrift notwendig.“ (Bl. 371 d A.)
Herr L. war genauso wie der Kläger von der Beklagten als Leitender Angestellter mit entsprechender Unterschriftberechtigung ausgestattet (vgl. Bl. 335 d. A.). Herr L. konnte genauso wie der Kläger unter Hinzuziehung einer weiteren unterschriftsberechtigten Person somit Kündigungen aussprechen. Insofern war auch hier in einem Konfliktfall von vornherein nicht sicher, ob der Kläger sich mit seiner Entlassungsentscheidung durchsetzen konnte.
Die neuere Rechtsprechung verlangt auch, dass die Befugnis zur Entlassung nicht nur im Innenverhältnis, sondern auch im Außenverhältnis besteht (BAG 14.04.2011 a. a. O. Rn. 13). Hier war der Kläger im Außenverhältnis jedoch nicht zur selbständigen Entlassung berechtigt, da die Wirksamkeit der Kündigung nach der Unterschriftsberechtigung der Beklagten eine zweite Unterschrift erforderte. Von daher diente die Zweitunterschrift nicht lediglich Kontrollzwecken (so aber BAG 27.09.2001 - 2 AZR 176/00 - NZA 2002, 1277, 1282).
Unabhängig hiervon war auch nicht von vornherein gesichert, dass der Kläger die erforderliche Zweitunterschrift auch erhielt. Ausweislich der Liste zur Unterschriftsberechtigung (Bl. 335 d. A.) unterstanden dem Kläger noch die Arbeitnehmer L., S. und K., die alle drei jedoch nicht in Personalangelegenheiten zeichnungsberechtigt waren. Die Personalleiterin des Werkes Schwerin, Frau D., war unstreitig auch in Personalangelegenheiten zeichnungsberechtigt. Nach Darstellung des Klägers unterlag
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diese jedoch ausschließlich den Weisungen von Herrn L.. Aber auch nach Darstellung der Beklagten im Berufungstermin vom 28. September 2012 war Frau D. sowohl von den Weisungen des Klägers als auch von den Weisungen von Herrn L. abhängig (Bl. 371 d. A.). Falls in einem Konfliktfall der Kläger und Herr L. an Frau D. unterschiedliche Weisungen hinsichtlich der erforderlichen Zweitunterschrift erteilt hätten, wäre durchaus nicht gesichert gewesen, ob der Kläger sich mit seiner Entlassungsentscheidung hätte durchsetzen können. Die Entlassungsbefugnis war somit nicht „selbständig“, denn deren Umsetzung war nicht nur vom Willensentschluss des Klägers abhängig.
III.
Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 ArbGG). Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.
K.
Dr. B.
H.
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