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LAG Düsseldorf, Beschluss vom 04.03.2014, 13 Ta 645/13
Schlagworte: | Zeugnis | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Düsseldorf | |
Aktenzeichen: | 13 Ta 645/13 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 04.03.2014 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 11.12.2013, 11 Ca 3298/13 | |
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 13 Ta 645/13
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 17.12.2013 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.12.2013 - 11 Ca 3298/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 2.574,05 €.
Gründe
A.
Die Parteien streiten über den Antrag der Gläubigerin, die Schuldnerin durch Verhängung eines Zwangsgeldes zur Erteilung eines Zeugnisses bestimmten Inhalts anzuhalten.
Im Ausgangsverfahren schlossen die Parteien am 30.07.2013 einen gerichtlichen Vergleich, dessen Ziffer 3 wie folgt lautet:
Die Beklagte erteilt der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis auf der Basis eines von der Klägerin einzureichenden Entwurfs, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen darf.
Unter dem 18.09.2013 übermittelte die Gläubigerin der Schuldnerin zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten den Entwurf eines Zeugnisses. Wegen des Inhalts des Entwurfs wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 36 f. der Akte) verwiesen. Die Schuldnerin erteilte der Gläubigerin daraufhin ein Zeugnis. In dessen Eingangssatz wird anders als im Entwurf erwähnt, dass die Gläubigerin zunächst lediglich als stellvertretende Reservierungsleiterin tätig war. Es enthält zudem anders als der Entwurf eine Beschreibung des Unternehmens der Schuldnerin. Auch in der Leistungsbeurteilung finden sich vom Entwurf abweichende Formulierungen. In der Schlussformel fehlt der von der Gläubigerin gewünschte Ausdruck des Bedauerns über ihr Ausscheiden. Die Verhaltensbeurteilung enthält anders als der Entwurf nicht die Bezeichnung als "Führungskraft" und nicht die Angabe, die Gläubigerin habe Gäste und Kunden stets zuvorkommend bedient. Auf den Inhalt des Zeugnisses im Übrigen wird Bezug genommen (Blatt 39 f. der Akte).
Eine Ablichtung der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs vom 30.07.2013 stellte die Gläubigerin der Schuldnerin am 30.10.2013 zu.
Die Schuldnerin hat insbesondere gerügt, die von der Gläubigerin im Wege der Zwangsvollstreckung begehrte Erteilung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Wortlaut scheitere daran, dass sich der Text als solcher nicht aus dem Prozessvergleich ergebe. Die Gläubigerin sei insoweit auf das Erkenntnisverfahren zu verweisen. Die Abweichungen vom Zeugnisentwurf begründet sie damit, die Gläubigerin habe nicht seit Beginn ihrer Beschäftigung die Stellung der Reservierungsleiterin innegehabt, sei zu keiner Zeit "Führungskraft" gewesen und habe nie Gäste und Kunden bedient.
Die Gläubigerin hat die Auffassung vertreten, die Bemängelungen der Gegenseite seien unsubstanziiert. Sie habe z. T. auch die Aufgaben einer Empfangsmitarbeiterin wahrnehmen müssen. Zudem seien ihr Mitarbeiter unterstellt gewesen. Mit Schriftsatz vom 02.12.2013 hat die Gläubigerin der Schuldnerin anheimgestellt, einen vom ursprünglichen Entwurf abweichenden Eingangssatz zu verwenden.
Mit Beschluss vom 11.12.2013 hat das Arbeitsgericht den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines Zwangsgelds wegen Nichterfüllung der Pflicht zur Zeugniserteilung zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Gläubigerin müsse ihre Änderungswünsche in einem Erkenntnisverfahren verfolgen.
Gegen den ihr am 16.12.2013 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin mit einem am 18.12.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich darauf, in Anwendung der in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.09.2011 (- 3 AZB 35/11 - NZA 2012, 1244) niedergelegten Grundsätze sei der Vergleich dahingehend vollstreckbar, dass sie die Erteilung eines Zeugnisses mit dem Text ihres Entwurfs - unter Berücksichtigung der Änderung aus dem Schriftsatz vom 02.12.2013 - verlangen könne.
Mit Beschluss vom 19.12.2013 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
B.
1.Die sofortige Beschwerde ist zulässig: Sie ist nach §§ 62 Abs. 2 Satz 1, 78 Satz 1 ArbGG, 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch fristgerecht (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegt worden.
2.In der Sache hat die sofortige Beschwerde der Gläubigerin jedoch keinen Erfolg.
a)Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts erweist sich der Vollstreckungsantrag der Gläubigerin nicht schon deshalb als unbegründet, weil die Schuldnerin für die Abweichungen vom ihr übermittelten Zeugnisentwurf "nachvollziehbare" Gründe i. S. d. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.09.2011 vorgebracht hat. Zwar mag das für einzelne Abweichungen zutreffen. Anderes gilt jedoch beispielsweise für den von der Gläubigerin gerügten Umstand, dass die Schuldnerin eine Beschreibung ihres Unternehmens hinzugefügt hat, sich in der Leistungsbeurteilung vom Entwurf abweichende Formulierungen finden und in der Schlussformel der von der Gläubigerin gewünschte Ausdruck des Bedauerns über ihr Ausscheiden fehlt. Das Bundesarbeitsgericht hat in der seitens der Gläubigerin angeführten Entscheidung vom 09.09.2011 unter Randnummer 23 ausgeführt, das Beschwerdegericht habe den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen, wenn es zur Auffassung gelange, dass die beklagte Arbeitgeberin unter Berücksichtigung der von ihr nachvollziehbar vorgetragenen Umstände mit dem erteilten Zeugnis den titulierten Anspruch erfüllt habe. Das kann im Umkehrschluss nur bedeuten, dass dem Antrag zu entsprechen ist, wenn die Arbeitgeberin mit dem erteilten Zeugnis auch in anderen Punkten vom Entwurf des Arbeitnehmers abgewichen ist, zu denen sie nicht vorgetragen hat. Es ist auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung also so lange zu vollstrecken, bis die Arbeitgeberin ein Zeugnis erteilt hat, das nur insoweit vom Entwurf abweicht wie nachvollziehbare Gründe vorgetragen sind.
Auch scheitert die Vollstreckung nicht bereits daran, dass die vollstreckbare Ausfertigung des (Widerrufs-) Vergleichs nicht durch den Rechtspfleger, sondern durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erteilt worden ist. Die gegenteilige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (05.11.2003 - 10 AZB 38/03 - NZA 2004, 117) ist durch die Einfügung des § 795b ZPO gegenstandslos geworden.
b)Zur Überzeugung der Beschwerdekammer hat das Arbeitsgericht den Vollstreckungsantrag jedoch zu Recht zurückgewiesen, weil dem zugrundeliegenden Schuldtitel die erforderliche Bestimmtheit fehlt. Die Gläubigerin verlangt mit ihrem Vollstreckungsantrag nicht etwa nur die Erteilung eines beliebigen qualifizierten Zeugnisses. Es besteht insoweit bereits kein Streit, dass die Schuldnerin einen solchen Anspruch bereits erfüllt hat. Die Gläubigerin möchte vielmehr erreichen, dass die Schuldnerin zur Erteilung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Wortlaut angehalten wird. Der Vergleich vom 30.07.2013 ist entgegen der Ansicht der Gläubigerin jedoch nicht dahingehend vollstreckbar, dass sie die Erteilung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Wortlaut verlangen kann.
aa) Der Schuldner muss aus einem Vollstreckungstitel zuverlässig erkennen können, welche Verpflichtungen er vorzunehmen hat, zu denen er durch Zwangsgeld und notfalls auch durch Zwangshaft gezwungen werden kann. Er muss bereits aus rechtsstaatlichen Gründen wissen, in welchen Fällen ihm diese Maßnahmen drohen. Unklarheiten über den Inhalt des Vollstreckungstitels können nicht im Vollstreckungsverfahren gelöst werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgesetzten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang diese besteht. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BAG 28.02.2003 - 1 AZB 53/02 - NZA 2003, 516 = AP ArbGG 1979 nF § 78 Nr. 2 m. w. N.). Der Streit der Parteien darf nicht in die Vollstreckung verlagert werden (BAG 10.05.2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155).
Dabei kann ein Vollstreckungstitel grundsätzlich nur aus sich heraus ausgelegt werden. Umstände, die außerhalb des Titels liegen, dürfen bei der Auslegung in der Regel nicht berücksichtigt werden (BAG 28.02.2003 - 1 AZB 53/02 - NZA 2003, 516 unter RN 18; BGH 25.08.1999 - XII ZR 136/97 - juris). Allerdings besteht die Möglichkeit, im Titel auf andere Urkunden zu verweisen. Für Urteile folgt dies aus der Regelung des § 313 Abs. 2 ZPO, die eine Verweisung auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ausdrücklich vorsieht. Soweit das Gericht davon Gebrauch gemacht hat, sind diese Unterlagen deshalb als Teil des vollstreckbaren Titels zu betrachten (BAG 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 - NZA 2009, 917).
Auf diese Rechtssätze hat das Bundesarbeitsgerichts in seiner auch von der Gläubigerin angezogenen einschlägigen Entscheidung vom 09.09.2011 ebenfalls abgestellt. Es verweist darauf, ein Prozessvergleich habe eine rechtliche Doppelnatur. Inhalt und Umfang der in ihm enthaltenen materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und der des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits könnten auseinanderfallen. Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden seien, soweit es ihrem übereinstimmenden - unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervortretenden - Willen entspreche, sei ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt habe. Ob und ggfs. in welchem Umfang das der Fall sei, sei durch Auslegung zu ermitteln. In diesem Zusammenhang betont das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung das Prinzip, dass allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs maßgebend sei, also auch die Frage beantworte, ob er einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat (BAG 09.09.2011 - 3 AZB 35/11 - NZA 2012, 1244 RN 13; siehe auch BAG 31.05.2012 - 3 AZB 29/12 - NZA 2012, 1117). Das Bundesarbeitsgericht hat sodann die Auffassung vertreten, in Anwendung der genannten Grundsätze enthalte ein Prozessvergleich, in welchem sich ein Arbeitgeber verpflichte, ein Zeugnis entsprechend einem vom Arbeitnehmer noch zu erstellenden Entwurf zu erteilen, einen hinreichend bestimmten Inhalt. Der Arbeitgeber sei allerdings nicht zur einschränkungslosen Übernahme des Entwurfs verpflichtet. Insbesondere müsse er kein Zeugnis erteilen, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstoße. Trage er nachvollziehbar Umstände vor, die ergäben, dass das verlangte Zeugnis nicht der Wahrheit entspreche und gelange das Vollstreckungsgericht zu der Auffassung, der Schuldner habe unter Berücksichtigung der vorgetragenen Umstände mit dem erteilten Zeugnis den titulierten Anspruch erfüllt, sei der Vollstreckungsantrag zurückzuweisen. Eine Zeugnisberichtigung könne der Gläubiger dann nur in einem neuen Erkenntnisverfahren durchsetzen.
bb)In Anwendung der dargestellten Rechtssätze erweist sich der Vollstreckungsantrag nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer als unbegründet.
(1)Allerdings fehlt dem Vergleich der Parteien nicht allein deshalb die erforderliche Bestimmtheit, weil er die Schuldnerin verpflichtet, ein Zeugnis "auf Basis" eines Entwurfs zu erteilen. Zwar mag diese Formulierung ohne weiteres nicht so auszulegen sein, dass das Zeugnis genau dem Wortlaut des Entwurfs entsprechen muss (vgl. LAG Köln 04.07.2013 - 4 Ta 155/13 - NZA-RR 2013, 490). Die Parteien haben jedoch weiter formuliert, die Schuldnerin dürfe von dem Entwurf "nur aus wichtigem Grund abweichen". Damit haben sie aus Sicht der Beschwerdekammer hinreichend deutlich gemacht, dass die Wendung "auf der Basis" nicht etwa der Schuldnerin eine generelle Formulierungsfreiheit zubilligen, sondern nur dem Umstand Rechnung tragen sollte, dass die Schuldnerin eben bei Vorliegen eines wichtigen Grundes diese Basis verlassen durfte.
(2)Dem Vergleich vom 30.07.2013 unter Ziffer 3 mangelt es auch nicht bereits deshalb an der erforderlichen Bestimmtheit, weil die Schuldnerin ein "wohlwollendes" qualifiziertes Zeugnis zu erteilen hat. Zwar ist die Wendung "wohlwollend" unbestimmt und deshalb ein Vergleich insoweit nicht vollstreckbar; dies hindert jedoch nicht die Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs auf ein qualifiziertes Zeugnis an sich, da die Wendung nur deklaratorisch das wiedergibt, was nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen inhaltlich von einem Zeugnis zu fordern ist; sie ist deshalb vollstreckungsrechtlich ohne Bedeutung (LAG Köln 03.09.2013 - 11 Ta 202/13 - juris; Sächs. LAG 06.08.2012 - 4 Ta 170/12 (9) - NZA-RR 2013, 215).
(3) Die erkennende Beschwerdekammer vermag sich jedoch der oben dargestellten Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 09.09. 2011 zu den Folgerungen aus den auch von ihm geteilten maßgeblichen Rechtssätze nicht anzuschließen.
Die Beschwerdekammer vermisst in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst und vor allem eine Begründung dazu, weshalb im Vollstreckungsverfahren das vom Arbeitgeber erteilte Zeugnis an einem Entwurf gemessen werden kann, der im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses nicht einmal existent war. Die Frage, ob "das … erteilte Zeugnis dem eingereichten Entwurf entspricht" (BAG 09.09.2011 a. a. O. RN 23), kann nicht allein aus dem Inhalt des Vergleichs beantwortet werden. Aus Sicht der Beschwerdekammer zeigt dies deutlich, dass die konkrete Verpflichtung des Arbeitgebers von Umständen abhängt, die dem Vergleich nicht zu entnehmen sind. Erst der später durch den Arbeitnehmer erstellte Zeugnisentwurf legt den Rahmen fest, an dem das Bundesarbeitsgericht seine Prüfung festmacht, ob der Arbeitgeber für seine Abweichungen nachvollziehbare Gründe vorgebracht habe. Die durch das Bundesarbeitsgericht aufgestellten und auch von der Beschwerdekammer geteilten Rechtssätze ermöglichen daher aus Sicht der erkennenden Kammer keine Subsumtion dahingehend, dass die titulierte Verpflichtung einschließlich des Zeugnisinhalts als vollstreckbar angesehen werden kann. Das Landesarbeitsgericht Köln hat konsequenterweise in Anwendung der durch das Bundesarbeitsgericht vertretenen Rechtssätze sogar angenommen, die Bestimmtheit eines gerichtlichen Vergleichs könne nicht durch den Rückgriff auf den Inhalt der Prozessakten, etwa die gestellten Anträge, herbeigeführt werden (LAG Köln 04.07.2013 - 4 Ta 155/13 - NZA-RR 2013, 490). Das Hessische Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Bezugnahme im Vergleich auf ein bereits erteiltes Zwischenzeugnis nicht ausreicht, wenn dessen Inhalt weder im Vergleichstext wiedergegeben noch sein Text dem Protokoll beigefügt war (Hess. LAG 17.03.2003 - 16 Ta 82/03 - NZA-RR 2004, 382).
(4)Die Beschwerdekammer meint in der erwähnten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.09.2011 zudem einen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu erkennen. Danach genügt für die Bestimmtheit eines Titels nicht, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder wenn sonst die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann (BGH 07.12.2005 - XII ZR 94/03 - NJW 2006, 695). Das Verfahren nach § 888 ZPO dient nämlich nicht der Feststellung, sondern allein der Vollstreckung des titulierten Anspruchs; der Mangel der fehlenden Bestimmtheit eines Titels kann daher in diesem Verfahren nicht nachträglich geheilt werden (BGH 19.05.2011 - I ZB 57/10 - NJW 2011, 3161). Es genügt nicht einmal, dass die Parteien oder das Gericht außerhalb des Titels liegende Umstände aus dem Verfahrenszusammenhang oder aus dem Zusammenhang mit anderen Verfahren kennen (OLG Saarbrücken 13.08.2013 - 5 W 79/13 - MDR 2013, 1311). Eine Verpflichtung zur Freigabe einer Bürgschaft ist daher unbestimmt, wenn ihre Höhe davon abhängt, in welcher Höhe der Schuldner eine Zahlungsklage erheben wird (OLG Saarbrücken a. a. O.). Der Beschwerdekammer erschließt sich nicht, inwiefern der vorliegende Sachverhalt in rechtserheblicher Weise hiervon abweicht. Im Gegenteil ist der Inhalt einer zu erhebenden Klage für das Vollstreckungsgericht wesentlich leichter feststellbar als der eines zwischen den Parteien gewechselten Schreibens. In der vorliegenden Sache zeigt sich das auch daran, dass die Gläubigerin im Laufe des Vollstreckungsverfahrens mit Schriftsatz vom 02.12.2013 der Schuldnerin anheimgestellt hat, einen vom ursprünglichen Entwurf abweichenden Eingangssatz zu verwenden.
(5)Ein vollstreckbarer Inhalt des Vergleichs lässt sich auch nicht dadurch gewinnen, dass man die titulierte Verpflichtung auf eine "Erteilung nach Entwurf des Gläubigers" reduziert, ohne zugleich den Inhalt des Entwurfs zum Bestandteil der Pflicht zu machen. Ob nämlich der Schuldner seine Pflicht erfüllt hat, lässt sich nur mit Blick auf den Inhalt des Zeugnisentwurfs beurteilen. Der Zeugnisentwurf ist nicht nur Voraussetzung für die Vollstreckung selbst ("Ob"), sondern bestimmt zugleich erst deren Inhalt ("Wie"). Die Gläubigerin beruft sich nicht lediglich darauf, die Schuldnerin habe ihr kein Zeugnis erteilt, obwohl sie ihr einen Entwurf übermittelt habe. Ihr Antrag ist vielmehr darauf gerichtet, dass die Schuldnerin ihr ein Zeugnis mit dem Inhalt des ihr übermittelten Entwurfs erteilt. Es liegt daher auch kein Fall vor, bei dem der Titel das Ergebnis (den Erfolg) beschreibt, nicht jedoch die Art, auf die es herbeizuführen ist (vgl. insoweit BAG 31.05.2012 - 3 AZB 29/12 - NZA 2012, 1117).
(6) Der weitere Inhalt der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts läuft zudem darauf hinaus, dass systemwidrig eine materiell-rechtliche Prüfung dem Vollstreckungsverfahren zugewiesen wird. Das Bundesarbeitsgericht erlaubt nämlich dem Arbeitgeber aus dem Gesichtspunkt der Zeugniswahrheit Abweichungen vom Entwurf, wenn er "nachvollziehbar" Umstände vorbringt, die ergeben, dass das verlangte Zeugnis nicht der Wahrheit entspricht. Abgesehen davon, dass der Beschwerdekammer ein Maßstab der "Nachvollziehbarkeit" dem Vollstreckungsrecht fremd erscheint, dürfte es sich deutlich um eine materiell-rechtliche Subsumtion handeln. Eine Verlagerung der Fragen, die im Erkenntnisverfahren zu beantworten sind, in das Vollstreckungsverfahren verbietet sich jedoch auch deshalb, weil in den beiden Verfahren unterschiedliche Verfahrensgrundsätze gelten (BGH 19.05.2011 - I ZB 57/10 - NJW 2011, 3161).
(7) In Anwendung der Entscheidung vom 09.09.2011 wäre zudem die in einem einschlägigen Vergleich gemachte Voraussetzung (Erstellen eines Zeugnisentwurfs durch den Gläubiger) vollstreckungsrechtlich einzuordnen. Richtigerweise dürfte es sich - die Bestimmtheit unterstellt - um eine Bedingung i. S. d. § 726 Abs. 1 ZPO handeln. Dann aber ist der Eintritt der Bedingung grundsätzlich durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zu beweisen.
(8)Die vom 3. Senat entwickelte Rechtsprechung lässt sich auch nicht mit dem Gesichtspunkt der Praktikabilität begründen. Sie erweist sich im Gegenteil als wenig praktikabel. Gibt der Arbeitgeber nur für einen Teil der Abweichungen nachvollziehbare Gründe an, müsste ein Zwangsvollstreckungsantrag erfolgreich sein. Der Arbeitnehmer könnte dann allerdings im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht das von ihm gewünschte Zeugnis durchsetzen, sondern müsste für die Abweichungen, die der Arbeitgeber "nachvollziehbar" begründet hat, dennoch eine Klage erheben. Es stellt sich in einem solchen Fall zudem die Frage, ob er dann alle Änderungen unmittelbar durch Klageerhebung verfolgen kann oder ob ihm bezogen auf die nicht nachvollziehbar begründeten Abweichungen entgegengehalten werden müsste, insofern sei er schon im Besitz eines Titels.
(9)Anderes gilt auch nicht etwa deshalb, weil der Gläubigerin durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erteilt worden ist. Die Klausel entfaltet bereits deshalb keine Bindungswirkung, weil dieser die fehlende Vollstreckungsfähigkeit offensichtlich übersehen hat (vgl. hierzu OLG Saarbrücken 13.08.2013 - 5 W 79/13 - MDR 2013, 1311). Das folgt bereits daraus, dass die Gläubigerin bei ihrem Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nicht einmal vorgetragen hatte, dem Schuldner bereits einen Zeugnisentwurf übermittelt zu haben.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Höhe des Beschwerdewerts entspricht in Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO grundsätzlich dem Hauptsachewert und auch im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf und der herrschenden Meinung dem Wert des zu vollstreckenden Anspruchs. Bei einem Zeugnisanspruch beläuft sich dieser in der Regel auf einen Monatsverdienst.
Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO im Hinblick auf die Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugelassen.
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