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LAG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 18.12.2014, 15 Ta 582/14

   
Schlagworte: Arbeitnehmer, Weisungsrecht, Scheinselbständigkeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 15 Ta 582/14
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 18.12.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Solingen, Beschluss vom 30.09.2014, 1 Ca 379/14
   

15 Ta 582/14
1 Ca 479/14
Ar­beits­ge­richt So­lin­gen

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

BESCHLUSS

In dem Be­schwer­de­ver­fah­ren

der Frau N. T., C. L. 2, T.,

- Kläge­rin und Be­schwer­deführe­rin -

Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte M. & N., N.-M.-Straße 46, S.,

g e g e n

das Ku­ra­to­ri­um C. L. e.V., vertr. d. d. 1. Vor­sit­zen­de Dipl.-Ing. (arch) O. N., L. Straße 68-72, T.,

- Be­klag­ter -

Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ter: Ver­ei­ni­gung Ber­gi­scher Un­ter­neh­mer­verbände e. V.-VBU, O. Straße 24, T.,

hat die 15. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts am 18.12.2014 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Stol­ten­berg
b e s c h l o s s e n :

Die so­for­ti­ge Be­schwer­de der Kläge­rin ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts So­lin­gen vom 30.09.2014 - 1 Ca 379/14 - wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Streit­wert für das Be­schwer­de­ver­fah­ren: 15.715,64 €

 

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G r ü n d e :

I.

Die Par­tei­en strei­ten über kläger­seits gel­tend ge­mach­te Vergütungs­ansprüche und in­so­weit vor­ab über die Zulässig­keit des zu den Ar­beits­ge­rich­ten be­schrit­te­nen Rechts­wegs.

We­gen der Dar­stel­lung des Sach­ver­hal­tes wird auf die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts in dem an­ge­foch­te­nen Be­schluss (Bl. 218 – 227 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Von ei­ner ge­son­der­ten Dar­stel­lung des Sach­ver­hal­tes wird in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 69 Abs. 2 ArbGG ab­ge­se­hen.

II.

Die so­for­ti­ge Be­schwer­de der Kläge­rin ist statt­haft und zulässig, in der Sa­che hat sie je­doch kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat den zu den Ar­beits­ge­rich­ten be­schrit­te­nen Rechts­weg zu Recht für un­zulässig erklärt und den Rechts­streit an das Land­ge­richt Wup­per­tal ver­wie­sen.

1. Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt in dem an­ge­foch­te­nen Be­schluss zu­grun­de ge­legt, dass der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen in ei­nem Fall wie dem vor­lie­gen­den al­len­falls dann ge­ge­ben sein kann, wenn der An­spruch­stel­ler zu­min­dest schlüssig die rechts­weg­be­gründen­den Tat­sa­chen dar­legt (BAG vom 10.12.1996 – 5 AZB 20/96 – AP Nr. 4 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständig­keitsprüfung; std. Rspr. der Be­schwer­de­kam­mer, vgl. so et­wa LAG Düssel­dorf vom 23.02.2012 – 15 Ta 40/12 –; für die Not­wen­dig­keit ei­nes Be­wei­ses für strei­ti­ge zuständig­keits­be­gründen­de Tat­sa­chen BGH vom 27.10.2009 – XIII ZB 42/08 –).

2. Das Vor­lie­gen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen den Par­tei­en hat die Kläge­rin nicht schlüssig dar­ge­tan.

a) Ar­beit­neh­mer ist, wer auf­grund ei­nes pri­vat­recht­li­chen Ver­tra­ges im Diens­te ei­nes an­de­ren zur Leis­tung wei­sungs­ge­bun­de­ner, fremd­be­stimm­ter Ar­beit in persönli­cher Abhängig­keit ver­pflich­tet ist. Das Wei­sungs­recht kann In­halt, Durchführung, Zeit, Dau­er und Ort der Tätig­keit be­tref­fen. Ar­beit­neh­mer ist der­je­ni­ge Mit­ar­bei­ter, der nicht im We­sent­li­chen frei sei­ne Tätig­keit ge­stal­ten und sei­ne Ar­beits­zeit be­stim­men kann (vgl. so z. B. BAG vom 15.02.2012 – 10 AZR 301/10 – NZA 2012, S. 731 ff. m.w.N.). § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB enthält in­so­weit ei­ne über sei­nen un­mit­tel­ba­ren An­wen­dungs­be­reich hin­aus­ge­hen­de

 

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ge­setz­li­che Wer­tung. Für die Ab­gren­zung von Be­deu­tung sind in ers­ter Li­nie die tatsächli­chen Umstände, un­ter de­nen die Dienst­leis­tung zu er­brin­gen ist (Müller-Glöge in Ger­mel­mann/Mat­thes-Prütting, ArbGG 8. Aufl., § 5 Rz. 8 m.w.N.). Der ob­jek­ti­ve Geschäfts­in­halt ist den aus­drück­lich ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen und der prak­ti­schen Durchführung des Ver­tra­ges zu ent­neh­men. Wi­der­spre­chen sich Ver­ein­ba­rung und tatsächli­che Durchführung, ist Letz­te­re maßge­bend (BAG vom 15.02.2012, a.a.O., m.w.N.).

Zu be­ach­ten ist des Wei­te­ren, dass auch im Rah­men an­de­rer Rechts­verhält­nis­se, wie et­wa beim Dienst- und Werk­ver­trag ei­ne Ei­ni­gung über Leis­tung und Ge­gen­leis­tung zu­stan­de kom­men muss und auch dort die Be­stim­mung der Leis­tung oder Ge­gen­leis­tung durch ei­ne Ver­trags­par­tei recht­lich zulässig und nicht unüblich ist und auch der auf­grund ei­nes Dienst- oder Werk­ver­tra­ges selbstständig Täti­ge mögli­cher­wei­se eben­so Wei­sun­gen zu be­fol­gen hat, wie ein Be­auf­trag­ter (vgl. da­zu et­wa BAG vom 30.09.1998 – 5 AZR 563/97 – AP Nr.103 zu § 611 BGB Abhängig­keit; Müller-Glöge, a.a.O., § 5 Rz. 8). Auch Selbstständi­ge können in ih­ren Hand­lungsmöglich­kei­ten be­grenzt sein. Je­de ver­trag­li­che Bin­dung – auch die ei­nes frei­en Un­ter­neh­mers – bringt ei­ne ge­wis­se Ein­schränkung der Frei­heit mit sich. Die­se mit jeg­li­cher Ver­trags­bin­dung ein­her­ge­hen­de Frei­heits­ein­buße führt nicht stets da­zu, dass ein Ar­beits­verhält­nis entstünde. Dies ist erst dann der Fall, wenn die Be­gren­zung der persönli­chen Frei­heit, ins­be­son­de­re in räum­li­cher und zeit­li­cher Hin­sicht, ei­ne Dich­te er­reicht, die sich ge­ra­de aus der ver­trag­lich dem Ar­beit­ge­ber zu­ge­stan­de­nen Verfügungs­macht über die Ar­beits­leis­tung er­gibt (vgl. da­zu BAG vom 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06 – NZA 2008, S. 878 ff.). Von da­her muss, so­weit die Er­tei­lung von Wei­sun­gen be­haup­tet wird, auch deut­lich wer­den, dass die­se Aus­fluss ei­ner zwi­schen den Par­tei­en zu­vor ver­ein­bar­ten all­ge­mei­nen Wei­sungs­un­ter­wor­fen­heit wa­ren, d. h. ei­ner Wei­sungs­abhängig­keit, wie sie für Ar­beits­verhält­nis­se ty­pisch ist.

Schlüssi­ger Vor­trag zum Vor­lie­gen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ist des­halb nur dann vor­han­den, wenn kon­kret mit al­len er­for­der­li­chen Ein­zel­hei­ten u. a. da­zu vor­ge­tra­gen wird, wer zur Er­tei­lung von bin­den­den Wei­sun­gen be­fugt war, war­um bin­den­de Wei­sun­gen er­teilt wer­den konn­ten, wel­che Wei­sun­gen tatsächlich er­folgt und be­folgt wor­den sind (std. Rspr. der Be­schwer­de­kam­mer vgl. z. B. LAG Düssel­dorf vom 23.02.2012 – 15 Ta 40/12 –). Ein „Sach­vor­trag“ zum Ar­beit­neh­mer­sta­tus, der in Wahr­heit nur Wer­tun­gen enthält („muss­te“, „abhängig“, „fes­te“ Ar­beits­zei­ten, „Wei­sun­gen“ und Ähn­li­ches), oh­ne die da­zu be­rech­ti­gen­de Fak­ten­ba­sis an­zu­ge­ben, ist nicht hin­rei­chend sub­stan­ti­iert (vgl. so z. B. LAG Köln vom 03.07.1998 – 11 Ta 94/98 – ZTR 1998, 563; LAG Köln vom 01.08.2001 – 11 Ta 130/01 – NZA-RR 2002, S. 156 ff.).

 

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b) Die von ihr be­haup­te­te Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft hat die Kläge­rin nicht aus­rei­chend dar­ge­tan. Zu Recht und mit zu­tref­fen­der Be­gründung, die sich die Be­schwer­de­kam­mer zur Ver­mei­dung überflüssi­ger Wie­der­ho­lun­gen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zu ei­gen macht, hat das Ar­beits­ge­richt in dem an­ge­foch­te­nen Be­schluss so­wie in dem Nicht­ab­hil­fe­be­schluss vom 09.12.2014 zu­grun­de ge­legt, dass die Kläge­rin kei­ne Ar­beit­neh­me­rin im Sin­ne der §§ 2, 5 ArbGG ist.

Zu­sam­men­fas­send und ein­ge­hend auf das Vor­brin­gen in der Be­schwer­de­be­gründung ist le­dig­lich noch Fol­gen­des aus­zuführen:

Der vor­lie­gen­de Sach­ver­halt ist durch ei­ne we­sent­li­che Be­son­der­heit ge­kenn­zeich­net: Die Par­tei­en wa­ren nicht nur auf­grund ei­ner ein­zi­gen Rechts­be­zie­hung, son­dern gleich auf­grund meh­re­rer Rechts­be­zie­hun­gen mit­ein­an­der ver­bun­den, nämlich auf­grund der Ver­eins­mit­glied­schaft der Kläge­rin zum Be­klag­ten, auf­grund der Auf­träge bzw. Tätig­kei­ten der Kläge­rin im Rah­men ih­rer Wer­be­agen­tur für den Be­klag­ten, auf­grund des Be­wirt­schaf­tungs­ver­tra­ges vom 13.03.2009 so­wie schließlich auf­grund des hier streit­ge­genständ­li­chen Ver­tra­ges vom 25.04.2006, wel­cher ne­ben den dort ge­nann­ten Auf­ga­ben in we­sent­li­chen Tei­len auch ei­nen Miet­ver­trag über Wohn­raum und über ei­nen Werk­raum zur ge­werb­li­chen Nut­zung be­inhal­te­te. In­so­fern ist be­reits nicht hin­rei­chend deut­lich ge­wor­den, wel­che Tätig­kei­ten ge­nau auf­grund wel­cher Vor­ga­ben bzw. (An-)Wei­sun­gen im Rah­men wel­cher der oben ge­nann­ten Ver­trags­be­zie­hun­gen ent­fal­tet wur­den.

Hin­zu kommt, dass der Ver­trag vom 25.04.2006 un­ter Ziff. 1 und 2 le­dig­lich be­stimm­te „Ziel­vor­ga­ben“ enthält, oh­ne dass die Kläge­rin in­so­weit ver­pflich­tet wur­de, dies­bezüglich er­for­der­lich wer­den­de Tätig­kei­ten in ei­ge­ner Per­son zu er­brin­gen (zu die­ser Vor­aus­set­zung für ei­ne Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft vgl. z. B. BAG vom 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06 – a.a.O.). So konn­te in je­dem Fal­le auch der Ehe­mann der Kläge­rin in­so­weit tätig wer­den, wo­durch dann auch un­schwer ermöglicht wor­den wäre, dass die Kläge­rin in dem von ihr gewünsch­ten Um­fang und zu den von ihr op­por­tun ge­hal­te­nen Ta­ges­zei­ten für ih­re Wer­be­agen­tur tätig wur­de, um so et­wa aus die­ser Tätig­keit ih­ren oder den Le­bens­un­ter­halt der Fa­mi­lie (mit) zu fi­nan­zie­ren. In­so­fern war die Kläge­rin dann auch frei, ins­be­son­de­re bei fi­nan­zi­ell er­folg­rei­cher Tätig­keit in ih­rer Wer­be­agen­tur z. B. die er­for­der­li­chen Rei­ni­gungs­auf­ga­ben nach Ziff. 1 und 2 des Ver­tra­ges vom 25.04.2006 durch Drit­te ausführen zu las­sen, um sich in die­ser Zeit ei­ner evtl. lu­kra­ti­ve­ren Tätig­keit in ih­rer Wer­be­agen­tur zu wid­men. Ei­ne zwin­gen­de Er­for­der­lich­keit, die in Ziff. 1 und 2 des streit­ge­genständ­li­chen Ver­tra­ges ge­nann­ten Auf­ga­ben selbst aus­zuführen, hat die Kläge­rin je­den­falls nicht schlüssig dar­ge­tan (vgl. da­zu et­wa BAG vom 12.12.2001 – 5 AZR 253/00 – NZA 2002, S. 787 ff.).

 

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Der so­for­ti­gen Be­schwer­de der Kläge­rin konn­te nach al­le­dem kein Er­folg be­schie­den sein.

III.

Die Kos­ten des er­folg­los ge­blie­be­nen Rechts­mit­tels hat die Kläge­rin zu tra­gen, § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Der Streit­wert des Be­schwer­de­ver­fah­rens beträgt im Rechts­weg­be­stim­mungs­ver­fah­ren nach der ständi­gen Recht­spre­chung der Be­schwer­de­kam­mer ein Drit­tel des Haupt­sa­chestreit­wer­tes, den die Kam­mer ent­spre­chend der Höhe des Zah­lungs­be­geh­rens mit 47.146,92 € be­mes­sen hat.

V.

Ein ge­setz­li­cher Grund für die Zu­las­sung der Rechts­be­schwer­de war nicht ge­ge­ben. Ge­gen die­sen Be­schluss fin­det ein Rechts­mit­tel da­her nicht statt.

Dr. Stol­ten­berg

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