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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 09.02.2017, 14 Sa 1038/16

   
Schlagworte: Diskriminierung, Diskriminierungsverbote: Religion, Kopftuch
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 14 Sa 1038/16
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.02.2017
   
Leitsätze: § 2 Satz 1 des Berliner Neutralitätsgesetzes ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Land Berlin Lehrkräften das Tragen religiös geprägter Kleidungsstücke dann untersagen kann, wenn dadurch die weltanschaulich-religiöse Neutralität einer öffentlichen Schule oder sämtlicher öffentlicher Schulen in einem bestimmten Bezirk gegenüber Schülerinnen und Schülern gefährdet oder gestört wird.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 14.04.2016, 58 Ca 13376/15
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ber­lin-Bran­den­burg

Verkündet am
9. Fe­bru­ar 2017

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
14 Sa 1038/16
58 Ca 13376/15
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

M., GB
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le 

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

in Sa­chen

pp.

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 14. Kam­mer, auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 9. Fe­bru­ar 2017 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Sch. als Vor­sit­zen­de so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter L. und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin B. für Recht er­kannt: 

I. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 14. April 2016 – 58 Ca 13376/15 – teil­wei­se ab­geändert und das be­klag­te Land ver­ur­teilt, an die Kläge­rin ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 8.680 EUR zu zah­len.

II. Im Übri­gen wird die Be­ru­fung zurück­ge­wie­sen.


III. Von den Kos­ten des Rechts­streits ha­ben die Kläge­rin 1/3 und das be­klag­te Land 2/3 zu tra­gen.

IV. Die Re­vi­si­on wird für das be­klag­te Land zu­ge­las­sen.


Sch. L. B.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Zah­lung ei­ner Entschädi­gung we­gen ei­ner Be­nach­tei­li­gung auf­grund der Re­li­gi­on.

Die am …. 1978 in Ber­lin ge­bo­re­ne Kläge­rin ist deut­sche Staats­an­gehöri­ge, ver­hei­ra­tet und hat zwei Kin­der. Die Kläge­rin ist gläubi­ge Mus­li­ma und trägt auf­grund ih­rer Glau­bensüber­zeu­gung ein Kopf­tuch.

Im Mai 2008 be­stand die Kläge­rin die Zwei­te Staats­prüfung für das Lehr­amt für die Bil­dungsgänge der Se­kun­dar­stu­fe I und der Pri­mar­stu­fe an all­ge­mein­bil­den­den Schu­len mit Fächern Po­li­ti­sche Bil­dung, Deutsch und Sach­un­ter­richt als wei­te­rem Fach und er­hielt die Ge­samt­no­te „be­frie­di­gend“. Das The­ma der schrift­li­chen Haus­ar­beit lau­te­te „Hand­lungs­ori­en­tie­rung im Po­li­tik­un­ter­richt am Bei­spiel des Plan­spiels in den Klas­sen­stu­fen 5/6.“ Hin­sicht­lich des vollständi­gen In­halts des Zeug­nis­ses vom 14. Mai 2008 wird auf die Ab­lich­tung auf Bl. 27 d. A. Be­zug ge­nom­men (An­la­ge K1).

Am 1. Sep­tem­ber 2008 schlos­sen die Kläge­rin und der Ver­ein I. F. in Ber­lin e.V. mit Wir­kung vom 1. Sep­tem­ber 2008 ei­nen Ar­beits­ver­trag, mit dem die Kläge­rin als Leh­re­rin für is­la­mi­schen Re­li­gi­ons­un­ter­reicht ein­ge­stellt wur­de. Die Kläge­rin wur­de als Re­li­gi­ons­leh­re­rin an ei­ner Ber­li­ner Grund­schu­le ein­ge­setzt.

Seit Ja­nu­ar 2014 be­fand sich die Kläge­rin in El­tern­zeit, de­ren En­de zum 26. Ja­nu­ar 2016 vor­ge­se­hen war.

Am 24. Sep­tem­ber 2003 hat­te der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ent­schie­den, dass es für ein Ver­bot für Lehr­kräfte, in Schu­le und Un­ter­richt ein is­la­mi­sches Kopf­tuch zu tra­gen, ei­ner hin­rei­chend be­stimm­ten ge­setz­li­chen Grund­la­ge bedürfe und es dem zuständi­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber frei­ste­he, bei Schaf­fung ei­nes ent­spre­chen­den Ge­set­zes der Glau­bens­frei­heit der Leh­rer wie auch der be­trof­fe­nen Schüler, dem Er­zie­hungs­recht der El­tern so­wie der Pflicht des Staa­tes zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität in an­ge­mes­se­ner Wei­se Rech­nung zu tra­gen (2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282).

Auf­grund die­ser Ent­schei­dung wur­de im Land Ber­lin die Ent­schei­dung ge­trof­fen, ein ent­spre­chen­des Ge­setz zu er­las­sen. Am 9. Fe­bru­ar 2005 trat als Ar­ti­kel I des Ge­set­zes zur

 

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Schaf­fung ei­nes Ge­set­zes zu Ar­ti­kel 29 der Ver­fas­sung von Ber­lin und zur Ände­rung des Kin­der­ta­ges­be­treu­ungs­ge­set­zes vom 27. Ja­nu­ar 2005 das sog. Neu­tra­litäts­ge­setz (im Fol­gen­den: Neu­trG) in Kraft (GVBl 2005, 92).

Die Präam­bel des Ge­set­zes lau­tet wie folgt:

„Al­le Beschäftig­ten ge­nießen Glau­bens- und Ge­wis­sens­frei­heit und die Frei­heit des re­li­giösen und welt­an­schau­li­chen Be­kennt­nis­ses. Kei­ne Beschäftig­te und kein Beschäftig­ter darf we­gen ih­res oder sei­nes Glau­bens oder ih­res oder sei­nes welt­an­schau­li­chen Be­kennt­nis­ses dis­kri­mi­niert wer­den. Gleich­zei­tig ist das Land Ber­lin zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität ver­pflich­tet. Des­halb müssen sich Beschäftig­te des Lan­des Ber­lin in den Be­rei­chen, in de­nen die Bürge­rin oder Bürger in be­son­de­rer Wei­se dem staat­li­chen Ein­fluss un­ter­wor­fen ist, in ih­rem re­li­giösen oder welt­an­schau­li­chen Be­kennt­nis zurück­hal­ten.“

§ 2 Neu­trG hat fol­gen­den Wort­laut:

„Lehr­kräfte und an­de­re Beschäftig­te mit pädago­gi­schem Auf­trag in den öffent­li­chen Schu­len nach dem Schul­ge­setz dürfen in­ner­halb des Diens­tes kei­ne sicht­ba­ren re­li­giösen oder welt­an­schau­li­chen Sym­bo­le, die für die Be­trach­te­rin oder den Be­trach­ter ei­ne Zu­gehörig­keit zu ei­ner be­stim­men Re­li­gi­ons- oder Welt­an­schau­ungs­ge­mein­schaft de­mons­trie­ren, und kei­ne auf­fal­len­den re­li­giös oder welt­an­schau­lich ge­prägten Klei­dungsstücke tra­gen. Dies gilt nicht für die Er­tei­lung von Re­li­gi­ons- und Welt­an­schau­ungs­un­ter­richt.“

§ 3 Neu­trG hat fol­gen­den Wort­laut:

„§ 2 Satz 1 fin­det kei­ne An­wen­dung auf die be­ruf­li­chen Schu­len im Sin­ne von § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Schul­ge­set­zes so­wie auf Ein­rich­tun­gen des Zwei­ten Bil­dungs­wegs im Sin­ne von § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 des Schul­ge­set­zes. Die obers­te Dienst­behörde kann für wei­te­re Schul­ar­ten oder für Schu­len be­son­de­rer pädago­gi­scher Prägung Aus­nah­men zu­las­sen, wenn da­durch die welt­an­schau­lich-re­li­giöse Neu­tra­lität der öffent­li­chen Schu­len ge­genüber Schüle­rin­nen oder Schülern nicht in­fra­ge ge­stellt und der Schul­frie­den nicht gefähr­det oder gestört wird.“

§ 17 des Ber­li­ner Schul­ge­set­zes lau­tet im ers­ten Ab­satz wie folgt:

„Die Schu­le glie­dert sich nach Jahr­gangs­stu­fen, Schul­stu­fen und Schul­ar­ten so­wie in­halt­lich nach Bil­dungsgängen. Die Jahr­gangs­stu­fen 1 bis 6 bil­den die Pri­mar­stu­fe (Grund­schu­le), die Jahr­gangs­stu­fen 7 bis 10 die Se­kun­dar­stu­fe I; die gym­na­sia­le Ober­stu­fe und die be­ruf­li­chen Schu­len bil­den die Se­kun­dar­stu­fe II.“

§ 17 Abs. 3 des Ber­li­ner Schul­ge­set­zes hat fol­gen­den Wort­laut:

 

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„Schul­ar­ten sind:

1. die Grund­schu­le

2. als wei­terführen­de all­ge­mein­bil­den­de Schu­len

a) die Ge­samt­schu­le,

b) die Haupt­schu­le,

c) die Re­al­schu­le

d) die ver­bun­de­ne Haupt- und Re­al­schu­le und

e) das Gym­na­si­um,

3. als be­ruf­li­che Schu­len

a) die Be­rufs­schu­le,

b) die Be­rufs­fach­schu­le,

c) die Fach­ober­schu­le

d) die Be­rufs­ober­schu­le und

e) die Fach­schu­le,

4. die Schu­len mit son­derpädago­gi­schem Förder­schwer­punkt (Son­der­schu­len) und

5. die Ein­rich­tun­gen des Zwei­ten Bil­dungs­wegs zum nachträgli­chen Er­werb all­ge­mein­bil­den­der und be­ruf­li­cher Ab­schlüsse.“

Al­le im Land Ber­lin ein­zu­stel­len­den Lehr­kräfte er­hal­ten ei­nen Ar­beits­ver­trag, in dem ein Ein­satz „als Lehr­kraft“ und die Ent­gelt­grup­pe ver­ein­bart wer­den. Nach der Ein­stel­lung können die Lehr­kräfte vom be­klag­ten Land ent­spre­chend ih­rer Eig­nung und Befähi­gung an ei­ner Schu­le ein­ge­setzt wer­den. Hin­sicht­lich des In­halts ei­nes sol­chen Ar­beits­ver­tra­ges mit der For­mu­l­ar­be­zeich­nung „Fin 504 – Ar­beits­ver­trag Lehr­kräfte (oh­ne Mu­sik­schul­lehr­kräfte) un­be­fris­tet (10.15)“ wird bei­spiel­haft auf den In­halt des der Kläge­rin im Kam­mer­ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt an­ge­bo­te­nen Ar­beits­ver­trag Be­zug ge­nom­men (Ab­lich­tung Bl. 214 – 216 d. A., An­la­ge zum Sit­zungs­pro­to­koll des Ar­beits­ge­richts vom 14.04.2016).

 

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Am 27. Ja­nu­ar 2015 ent­schied der Ers­te Se­nat des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts in Be­zug auf Re­ge­lun­gen im Schul­ge­setz für das Land Nord­rhein-West­fa­len, dass ein lan­des­wei­tes ge­setz­li­ches Ver­bot re­li­giöser Be­kun­dun­gen durch das äußere Er­schei­nungs­bild schon we­gen der bloß abs­trak­ten Eig­nung zur Be­gründung ei­ner Ge­fahr für den Schul­frie­den oder die staat­li­che Neu­tra­lität in ei­ner öffent­li­chen be­kennt­nis­of­fe­nen Ge­mein­schafts­schu­le un­verhält­nismäßig ist, wenn die­ses Ver­hal­ten nach­voll­zieh­bar auf ein als ver­pflich­tend ver­stan­de­nes re­li­giöses Ge­bot zurück­zuführen ist. Nach die­ser Ent­schei­dung er­for­der­te ein an­ge­mes­se­ner Aus­gleich der ver­fas­sungs­recht­li­chen ver­an­ker­ten Po­si­tio­nen – der Glau­bens­frei­heit der Lehr­kräfte, der ne­ga­ti­ven Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit der Schüle­rin­nen und Schüler so­wie der El­tern, des El­tern­grund­rechts und des staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trags – ei­ne ein­schränken­de Aus­le­gung der Ver­bots­norm, nach der zu­min­dest ei­ne hin­rei­chend kon­kre­te Ge­fahr für die Schutzgüter vor­lie­gen muss (1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10, BVerfGE 138, 296).

Nach Be­kannt­wer­den die­ser Ent­schei­dung be­warb sich die Kläge­rin beim Land Ber­lin für ei­ne Ein­stel­lung in den Ber­li­ner Schul­dienst als Lehr­kraft.

Mit E-Mail vom 23. April 2015 lud das be­klag­te Land die Kläge­rin zu ei­nem Be­wer­bungs­gespräch für den 29. April 2015 in ei­ne Grund­schu­le im Rah­men ei­nes vor­ge­zo­ge­nen Aus­wahl­ver­fah­rens ein und wies dar­auf hin, dass es sich bei der Grund­schu­le le­dig­lich um den Stand­ort des Aus­wahl­gespräches han­de­le. Die Fest­le­gung ei­ner mögli­chen Ein­satz­schu­le er­fol­ge im An­schluss al­ler Aus­wahl­gespräche am En­de des Ta­ges.

Wei­ter wur­de in der E-Mail Fol­gen­des aus­geführt:

„Ein Großteil des Ein­stel­lungs­be­dar­fes der all­ge­mein­bil­den­den Schu­len be­steht an Grund­schu­len (in Ber­lin bis Klas­sen­stu­fe 6). Da­her ist es möglich, dass auch Be­wer­ber/in­nen für Lehr­befähi­gung für den Be­reich der wei­terführen­den Schu­len ein Ein­stel­lungs­an­ge­bot für ei­ne Grund­schu­le er­hal­ten (die Vergütung in Ber­lin bleibt im die­sem Fall iden­tisch).“

Hin­sicht­lich des vollständi­gen In­halts der E-Mail wird auf die Ab­lich­tung des Aus­drucks auf Bl. 28 – 30 d. A. Be­zug ge­nom­men (An­la­ge K2).

Am 29. April 2015 er­schien die Kläge­rin zu dem sog. „Cas­ting“, bei dem Schul­lei­ter/in­nen von ca. 40 Schu­len so­wie Ver­tre­ter/in­nen des Ge­samt­per­so­nal­rats und des be­klag­ten

 

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Lan­des an­we­send wa­ren. Das „Cas­ting“ wur­de aus­sch­ließlich zur Be­set­zung von Stel­len in Grund­schu­len durch­geführt.

Die Kläge­rin, die ein Kopf­tuch trug, stell­te sich und ih­ren Le­bens­lauf ca. fünf Mi­nu­ten lang vor. Im An­schluss wur­de die Kläge­rin von ei­nem/ei­ner der an­we­sen­den Schul­lei­ter/in­nen ge­fragt, ob sie das Kopf­tuch auch im Un­ter­richt zu tra­gen be­ab­sich­ti­ge, was die Kläge­rin be­jah­te. Dar­auf­hin wur­de die Kläge­rin von ei­ner Ver­tre­te­rin der Se­nats­ver­wal­tung auf § 2 des Ber­li­ner Neu­tra­litäts­ge­set­zes hin­ge­wie­sen. Ob die Ver­tre­te­rin der Se­nats­ver­wal­tung dann äußer­te, es könne sein, dass die Kläge­rin des­halb kein Beschäfti­gungs­an­ge­bot be­kom­me – so die Be­haup­tung des be­klag­ten Lan­des – oder ob die Ver­tre­te­rin sag­te, ei­ne Ein­stel­lung mit Kopf­tuch sei auf­grund § 2 des Ber­li­ner Neu­tra­litäts­ge­set­zes nicht möglich – so Be­haup­tung der Kläge­rin – ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.

Im An­schluss dar­an wies die Kläge­rin auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27. Ja­nu­ar 2015 hin und die Ver­tre­te­rin der Se­nats­ver­wal­tung lehn­te ei­ne Dis­kus­si­on über die Ver­ein­bar­keit des Ber­li­ner Neu­tra­litäts­ge­set­zes mit der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts im Rah­men des Be­wer­bungs­gespräches ab. Ob die Kläge­rin dar­auf von sich aus das Vor­stel­lungs­gespräch ver­ließ – so die Be­haup­tung des be­klag­ten Lan­des – ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.

Mit E-Mail vom 6. Mai 2015 teil­te das be­klag­te Land der Kläge­rin mit, ihr könne im Rah­men des Aus­wahl­ver­fah­rens für un­be­fris­te­te Ein­stel­lun­gen des Jah­res 2015/2016 lei­der kein An­ge­bot für ei­ne Ein­satz­schu­le im Ber­li­ner Schul­dienst un­ter­brei­tet wer­den (Ab­lich­tung des Aus­drucks auf Bl. 31 – 32 d. A., An­la­ge K3).

Mit E-Mail vom 7. Mai 2015 bat die Kläge­rin um ei­ne schrift­li­che Mit­tei­lung der Ab­leh­nungs­gründe. Mit E-Mail vom 7. Mai 2015 teil­te das be­klag­te Land der Kläge­rin mit, im Er­geb­nis des Be­wer­bungs­gesprächs sei es zu kei­ner po­si­ti­ven Aus­wah­l­ent­schei­dung durch ei­ne der an­we­sen­den Schu­len und de­ren Schul­lei­tun­gen ge­kom­men (Ab­lich­tung des Aus­drucks auf Bl. 31 d. A., An­la­ge K3).

Mit ei­ner E-Mail vom 13. Mai 2015 bat die Kläge­rin das be­klag­te Land um Mit­tei­lung, ob sich die Ab­sa­ge nur auf das vor­ge­zo­ge­ne Aus­wahl­ver­fah­ren be­zie­he oder ob die Kläge­rin auch in der zen­tra­len Nach­steue­rung nicht mehr berück­sich­tigt wer­de (Ab­lich­tung des Aus­drucks auf Bl. 31 d. A., An­la­ge K3).

 

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Mit ei­ner E-Mail vom 13. Mai 2015 teil­te das be­klag­te Land der Kläge­rin Fol­gen­des mit:

„… Ih­re Be­wer­bung be­fin­det sich selbst­verständ­lich noch im Aus­wahl­ver­fah­ren (zen­tra­le Nach­steue­rung), die Ab­sa­ge be­zog sich nur auf das vor­ge­zo­ge­ne Ver­fah­ren am 29./30.04.2015.

Die nächs­ten Aus­wahl­ver­fah­ren be­gin­nen En­de Mai, sie er­hal­ten nächs­te Wo­che ei­ne ent­spre­chen­de Ein­la­dung.“

Hin­sicht­lich des vollständi­gen Wort­lauts wird auf die Ab­lich­tung des Aus­drucks auf Bl. 33 d. A. Be­zug ge­nom­men (Be­stand­teil der An­la­ge K3).

In der Fol­ge­zeit er­hielt die Kläge­rin ei­ne Ein­la­dung zu ei­nem „Cas­ting“ für den 27. Mai 2015 in der R.-V.-Schu­le. Bei die­sem „Cas­ting“ wur­den Lehr­kräfte für Grund­schu­len und für Be­rufs­schu­len ge­sucht. Mit ih­rer Qua­li­fi­ka­ti­on als Lehr­kraft für die Se­kun­dar­stu­fe I ist die Kläge­rin auch für ei­nen Ein­satz an ei­ner Be­rufs­schu­le ge­eig­net. Zu die­sem „Cas­ting“ er­schien die Kläge­rin nicht.

Mit Schrei­ben vom 26. Ju­ni 2015, das vor­ab per Te­le­fax ver­sen­det wur­de, ver­lang­te die Kläge­rin von dem be­klag­ten Land ei­ne Entschädi­gung gemäß § 15 AGG, de­ren Höhe sich an drei Mo­nats­gehältern ori­en­tie­ren soll­te (Ab­lich­tung Bl. 34 – 35 d. A., An­la­ge K4). Mit Schrei­ben vom 1. Ju­li 2015 lehn­te das be­klag­te Land die For­de­rung ab und teil­te hier­bei u.a. mit, die Kläge­rin ste­he zur Zeit auf der lan­des­wei­ten Nachrücker­lis­te, die al­len Schul­auf­sich­ten und Schu­len in Ber­lin zur Verfügung ste­he. Zu­dem sei es sei der Kläge­rin selbst­verständ­lich un­be­nom­men, sich um ei­ne Ein­stel­lung zum nächs­ten Schul­halb­jahr zu be­wer­ben, die Be­wer­bungs­frist en­de vor­aus­sicht­lich am 31. Ok­to­ber 2015. Hin­sicht­lich des vollständi­gen In­halts des Schrei­bens des be­klag­ten Lan­des wird auf die Ab­lich­tung auf Bl. 36 – 37 d. A. Be­zug ge­nom­men (An­la­ge K5).

Der Präsi­dent des Ab­ge­ord­ne­ten­hau­ses des Lan­des Ber­lin hat­te auf­grund ei­ner ent­spre­chen­den Bit­te der Frak­ti­on der SPD den Wis­sen­schaft­li­chen Par­la­ments­dienst mit der Er­stel­lung ei­nes Gut­ach­tens zu ver­schie­de­nen Fra­gen im Zu­sam­men­hang mit der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27. Ja­nu­ar 2015 be­auf­tragt. Un­ter dem Da­tum des 25. Ju­ni 2015 er­stell­te der Wis­sen­schaft­li­che Par­la­ments­dienst des Ab­ge­ord­ne­ten­hau­ses von Ber­lin ein Gut­ach­ten zu den Aus­wir­kun­gen der „Kopf­tuch-Ent­schei­dung“ des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27. Ja­nu­ar 2015 auf die Rechts­la­ge im Land Ber­lin.

 

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Hier­bei kam der Wis­sen­schaft­li­che Par­la­ments­dienst zu fol­gen­dem „Aus­le­gungs­er­geb­nis“:

„Die Ber­li­ner Re­ge­lung kann im Er­geb­nis nicht ein­schränkend und ver­fas­sungs­kon­form da­hin­ge­hend aus­ge­legt wer­den, dass für ein Ver­bot je­weils ei­ne hin­rei­chend kon­kre­te Ge­fahr für den Schul­frie­den oder die re­li­giöse Neu­tra­lität des Staa­tes er­for­der­lich ist. Die ein­zig mögli­che Aus­le­gung von § 2 GArt29, nämlich als pau­scha­les Ver­bot re­li­giöser Klei­dungsstücke und Sym­bo­le für Lehr­kräfte an den meis­ten öffent­li­chen Schu­len un­abhängig von ei­ner kon­kre­ten Ge­fahr, verstößt aber nach Maßga­be des Be­schlus­ses des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27. Ja­nu­ar 2015 je­den­falls in­so­fern ge­gen die Ver­fas­sung, als sie auch nach­voll­zieh­bar als ver­pflich­tend emp­fun­de­ne re­li­giöse Ge­bo­te er­fass. In­so­weit – und auch nur in­so­weit – gibt die Ent­schei­dung Ver­an­las­sung zur Ände­rung der der­zei­ti­gen Re­ge­lung.“

Im Fol­gen­den enthält das Gut­ach­ten Vor­schläge für mögli­che Ge­set­zesände­run­gen.

Hin­sicht­lich des vollständi­gen In­halts des Gut­ach­tens wird auf die Ab­lich­tung auf Bl. 74 – 87 Rs. d. A. Be­zug ge­nom­men (An­la­ge K7).

Mit der vor­lie­gen­den, am 28. Sep­tem­ber 2015 beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin ein­ge­gan­ge­nen, dem be­klag­ten Land am 6. Ok­to­ber 2015 zu­ge­stell­ten Kla­ge­schrift hat die Kläge­rin die Zah­lung ei­ner Entschädi­gung ver­langt.

Die Kläge­rin hat die An­sicht ver­tre­ten, ih­re Ab­leh­nung im An­schluss an das Be­wer­bungs­gespräch vom 29. April 2015 stel­le ei­ne un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung auf­grund der Re­li­gi­on dar. Die Ab­leh­nung sei al­lein auf­grund der Äußerung der Tat­sa­che, dass die Kläge­rin im Un­ter­richt auf Kopf­tuch zu tra­gen be­ab­sich­ti­ge, er­folgt. Die Ab­leh­nung könne nicht auf­grund § 8 Abs. 1 AGG i.V.m. § 2 Neu­trG ge­recht­fer­tigt wer­den, denn § 2 Neu­trG sei ver­fas­sungs­wid­rig und ei­ne ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung sei nicht möglich.

Die Kläge­rin hat be­haup­tet, am 29. April 2015 ha­be die Ver­tre­te­rin der Se­nats­ver­wal­tung nach dem Hin­weis der Kläge­rin auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27. Ja­nu­ar 2015 erklärt, ei­ne Ver­mitt­lung sei der­zeit nicht möglich und das Gespräch be­en­det.

Wei­ter hat die Kläge­rin die An­sicht ver­tre­ten, die Höhe der Entschädi­gung sol­le nicht un­ter drei Mo­nats­gehältern lie­gen.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

 

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das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung, de­ren ge­naue Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, we­gen ei­ner Be­nach­tei­li­gung auf­grund der Re­li­gi­on zu zah­len.

Das be­klag­te Land hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das be­klag­te Land hat die An­sicht ver­tre­ten, ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung sei schon nach dem Vor­trag der Kläge­rin nicht an­zu­neh­men, denn die Kläge­rin ha­be sich selbst um die Möglich­keit ei­ner Ein­stel­lung als Lehr­kraft ge­bracht, in­dem sie nicht zum Vor­stel­lungs­gespräch am 27. Mai 2015 er­schie­nen sei. Ei­nen An­spruch an­ge­hen­der Lehr­kräfte, gleich nach dem ers­ten von meh­re­ren Vor­stel­lungs­gesprächen aus­gewählt zu wer­den, ge­be es eben­so we­nig wie den auf Beschäfti­gung an ei­nem be­stimm­ten Schul­typ.

Wei­ter hat das be­klag­te Land die An­sicht ver­tre­ten, die Nicht­beschäfti­gung der Kläge­rin an ei­ner Ber­li­ner Grund­schu­le be­ru­he auf der ein­deu­ti­gen Re­ge­lung in § 2 Neu­trG, an das die Ber­li­ner Ver­wal­tung nach Maßga­be von Art. 20 Abs. 3 GG ge­bun­den sei, so­lan­ge be­sag­te Re­ge­lung nicht vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auf­ge­ho­ben wor­den sei. Ei­ne ent­spre­chen­de Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts könne durch­aus an­ders aus­fal­len als die Ent­schei­dung zum Schul­ge­setz in Nord­rhein-West­fa­len, denn das be­klag­te Land ha­be das ers­te Kopf­tuch-Ur­teil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts aus dem Jahr 2003 nicht nur für den Schul­be­reich um­ge­setzt, son­dern ha­be ein Ge­setz für die ge­sam­te Ver­wal­tung ge­schaf­fen. Al­ler­dings sei auch bei § 2 Neu­trG ei­ne abs­trak­te Gefähr­dung aus­rei­chend, um das Ver­bot des Tra­gens ei­nes Kopf­tu­ches oder an­de­rer Sym­bo­le zu be­gründen. § 2 Neu­trG sei in­so­weit so­gar noch deut­li­cher for­mu­liert als die nord­rhein-westfäli­sche Re­ge­lung, als dass sie kei­ne „Be­kun­dung“ wie in Nord­rhein-West­fa­len ver­lan­ge, son­dern al­lein das Tra­gen der Sym­bo­le aus­rei­chen las­se. Im Un­ter­schied zu dem Schul­ge­setz in Nord­rhein-West­fa­len ken­ne das Ber­li­ner Neu­tra­litäts­ge­setz aber kein „aus­nahms­los in al­len öffent­li­chen Schu­len und für al­le Schüle­r­al­ters­grup­pen“ gel­ten­des, flächen­de­cken­des Ver­bot, für das aus­nahms­los ei­ne abs­trak­te Gefähr­dung des Schul­frie­dens für ein Kopf­tuch­ver­bot aus­rei­che, son­dern schränke das Ver­bot bei Lehr­kräften auf be­stimm­te Schul­ar­ten, nämlich Grund­schu­len, ISS und Gym­na­si­en so­wie Förder­schu­len ein und las­se zu­dem noch Aus­nah­me­re­ge­lun­gen im Ein­zel­fall zu.

 

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Hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des un­strei­ti­gen Sach­ver­hal­tes so­wie des strei­ti­gen Vor­brin­gens der Par­tei­en I. In­stanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tat­be­stand des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils Be­zug ge­nom­men. Fer­ner wird auf die erst­in­stanz­lich ein­ge­reich­ten Schriftsätze der Par­tei­en nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Im Kam­mer­ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt bot das be­klag­te Land der Kläge­rin den Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges als Lehr­kraft an, hin­sicht­lich des­sen In­halt auf die Ab­lich­tung auf Bl. 214 – 216 d. A. Be­zug ge­nom­men wird (An­la­ge zum Sit­zungs­pro­to­koll vom 14. April 2016). Die Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin erklärte zu Pro­to­koll, die Kläge­rin könne die­ses Ar­beits­ver­trags­an­ge­bot nicht an­neh­men, da dar­aus ein Ein­satz aus­sch­ließlich in der Be­rufs­schu­le fol­gen würde.

Durch ein Ur­teil vom 14. April 2016 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat das Ar­beits­ge­richt im We­sent­li­chen aus­geführt, die Kla­ge sei zulässig, aber un­be­gründet. Die Kläge­rin sei zwar we­gen ih­rer Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit im Sin­ne des § 3 Abs. 1 AGG un­mit­tel­bar be­nach­tei­ligt wor­den. Denn die Kläge­rin sei nicht für ei­ne Leh­rer­stel­le an ei­ner Ber­li­ner Grund­schu­le aus­gewählt wor­den, wo­durch sie ei­ne ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung als die­je­ni­gen Be­wer­ber er­fah­ren ha­be, die für ei­ne Erst­an­stel­lung an ei­ner Ber­li­ner Grund­schu­le aus­gewählt wor­den sei­en. Ein Kau­sal­zu­sam­men­hang zwi­schen der be­nach­tei­lig­ten Be­hand­lung und dem An­knüpfungs­merk­mal Re­li­gi­on be­ste­he. Die Kläge­rin sei im Be­wer­bungs­gespräch am 29. April 2015 be­fragt wor­den, ob sie das Kopf­tuch im Un­ter­richt tra­gen wol­le, was die Kläge­rin be­jaht ha­be. Ei­ne Ver­tre­te­rin der Schul­ver­wal­tung ha­be die Kläge­rin auf das Neu­tra­litäts­ge­setz hin­ge­wie­sen. Später sei die Ab­sa­ge sei­tens des be­klag­ten Lan­des er­folgt. Es lägen da­mit In­di­zi­en gemäß § 22 AGG vor, die für ein un­mit­tel­ba­res An­knüpfen an die Re­li­gi­on sprächen. Die­se In­di­zi­en sei­en auch nicht durch das be­klag­te Land wi­der­legt wor­den und das be­klag­te Land ha­be sich im vor­lie­gen­den Rechts­streit selbst auf § 2 Neu­trG be­ru­fen. So­weit das be­klag­te Land auf die Möglich­keit der Un­ter­richtstätig­keit an ei­ner Be­rufs­schu­le ver­wie­sen ha­be, spre­che das nicht ge­gen ei­ne Be­nach­tei­li­gung, weil die Kläge­rin sich im Rah­men des Be­wer­bungs­gesprächs vom 29. April 2015 um die Stel­le ei­ner Grund­schul­leh­re­rin be­wor­ben ha­be. Denn im Rah­men des Be­wer­bungs­gesprächs vom 29. April 2015 sei­en aus­sch­ließlich Lehr­kräfte für Grund­schu­len ge­sucht wor­den. Wei­ter hat das Ar­beits­ge­richt aus­geführt, die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der Kläge­rin aus re­li­giösen Gründen sei aber gemäß § 8 AGG zulässig. Im Streit­fall sei zwar nicht ei­ne be­stimm­te Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit oder ge­ra­de de­ren Feh­len Vor­aus­set­zung für die Ausübung der frag­li­chen Tätig­keit. Gleich­wohl lie­ge ein An­wen­dungs­fall von § 8 Abs. 1 AGG vor. Der Kläge­rin ge­rei­che ei­ne be­stimm­te Form ih­rer

 

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Re­li­gi­ons­ausübung – das Tra­gen des is­la­mi­schen Kopf­tuchs – zum Nach­teil. De­ren Un­ter­las­sung wer­de auf­grund des Ver­bots gemäß § 2 Satz 1 Neu­trG zu ei­ner we­sent­li­chen und ent­schei­den­den be­ruf­li­chen An­for­de­rung im Sin­ne des § 8 Abs. 1 AGG für die Un­ter­richtstätig­keit der Kläge­rin an ei­ner Grund­schu­le. Das Ar­beits­ge­richt hat fer­ner aus­geführt, mit dem Neu­tra­litäts­ge­setz ver­fol­ge der Lan­des­ge­setz­ge­ber den rechtmäßigen Zweck, dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Ge­bot zu staat­li­cher Neu­tra­lität ei­ne stärker dis­tan­zie­ren­de Be­deu­tung in den Be­rei­chen des öffent­li­chen Diens­tes bei­zu­mes­sen, in de­nen die Mit­ar­bei­ter des Staa­tes – sei­en es Be­am­te oder An­ge­stell­te – dem Bürger mit ei­ner be­son­de­ren durch Ausübung von Ho­heits­rech­ten ver­mit­tel­ten Außen­wir­kung ge­genüberträten. Die strei­ti­ge Fra­ge, ob die Ver­pflich­tung der Lehr­kräfte des be­klag­ten Lan­des, im Schul­dienst kei­ne re­li­giös kon­no­tier­ten Klei­dungsstücke zu tra­gen, ein un­verhält­nismäßiger Ein­griff in die in­di­vi­du­el­le Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sei und des­halb kei­ne an­ge­mes­se­ne An­for­de­rung im Sin­ne des § 8 AGG dar­stel­le, ha­be der Lan­des­ge­setz­ge­ber mit Er­lass des (pau­scha­len) Ver­bots gemäß § 2 Neu­trG ent­schie­den. Aus­weis­lich der Be­gründung der Be­schluss­vor­la­ge des Se­nats ha­be das Ab­ge­ord­ne­ten­haus in An­se­hung und Abwägung der wi­der­strei­ten­den Grund­rechts­po­si­tio­nen über die Ge­set­zes­vor­la­ge ent­schie­den. Im vor­lie­gen­den Fall ergäben sich auf­grund der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27. Ja­nu­ar 2015 zur Re­ge­lung in § 57 Abs. 4 Schul­ge­setz des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit des in § 2 Neu­trG ent­hal­te­nen Ver­bots. Die Kam­mer ha­be aber kei­ne über Zwei­fel hin­aus­ge­hen­de Über­zeu­gung von der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit von § 2 Neu­trG. Hier­zu hat das Ar­beits­ge­richt aus­geführt, die Kam­mer se­he Be­son­der­hei­ten der Ber­li­ner Re­ge­lung im Ver­gleich zu § 57 Abs. 4 Schul­ge­setz Nord­rhein-West­fa­len. Das be­klag­te Land ha­be sich bei der Schaf­fung des Neu­tra­litäts­ge­set­zes auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 24. Sep­tem­ber 2003 be­zo­gen. Dem Ge­setz­ge­ber sei ein Ge­stal­tungs­spiel­raum zu­ge­wie­sen wor­den, wel­cher es ihm ermögli­che, ge­setz­lich zu re­geln, in­wie­weit er re­li­giöse Bezüge in der Schu­le zu­las­se oder we­gen ei­ner strik­te­ren Neu­tra­litäts­verständ­nis­ses aus der Schu­le her­aus­hal­te. Auch nach der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27. Ja­nu­ar 2015 verfüge der Ge­setz­ge­ber über ei­ne Einschätzungs­präro­ga­ti­ve. Die­ser be­ste­hen­de Ge­stal­tungs­spiel­raum der Länder schließe ein, dass die ein­zel­nen Länder zu ver­schie­de­nen Re­ge­lun­gen kom­men könn­ten, weil bei dem zu fin­den­den Mit­tel­weg auch Schul­tra­di­tio­nen, die kon­fes­sio­nel­le Zu­sam­men­set­zung der Bevölke­rung und ih­re mehr oder we­ni­ger star­ke re­li­giöse Ver­wur­ze­lung berück­sich­tigt wer­den dürf­ten. Bei der Be­ur­tei­lung der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit des § 2 Neu­trG ha­be die Kam­mer auch auf die Vor­la­ge des Ber­li­ner Se­nats zur Be­schluss­fas­sung über das Ge­setz im Ab­ge­ord­ne­ten­haus vom 5. Ok­to­ber 2004 (Druck­sa­che 15/3249) ab­ge­stellt, weil die dar­in

 

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ent­hal­te­nen Mo­ti­ve Auf­schluss über die Grund­la­gen der vom Ge­setz­ge­ber ge­trof­fe­nen Abwägung der wi­der­strei­ten­den Grund­rechts­po­si­tio­nen gäben. Die Ber­li­ner Re­ge­lung be­tref­fe nicht aus­sch­ließlich den Be­reich des Schul­un­ter­richts in be­stimm­ten Schul­ty­pen, son­dern al­le Be­rei­che der Ver­wal­tung, in de­nen die Beschäftig­ten des be­klag­ten Lan­des im Rah­men ih­rer dienst­li­chen Tätig­keit ty­pi­scher­wei­se dem Bürger ge­genüber träten, um auch Ho­heits­rech­te aus­zuüben. Die Glaubwürdig­keit des Han­delns staat­li­cher Ho­heits­träger set­ze die strik­te Ein­hal­tung der ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­nen Neu­tra­lität vor­aus. Die staat­li­che Un­par­tei­lich­keit ha­be auch der Se­nat des be­klag­ten Lan­des gemäß sei­ner Be­schluss­vor­la­ge als Grund­be­din­gung für ein fried­li­ches Zu­sam­men­le­ben ver­schie­de­ner re­li­giöser und welt­an­schau­li­cher Grup­pie­run­gen ge­se­hen. Da­bei sei auch die Be­son­der­heit des Lan­des Ber­lin zu berück­sich­ti­gen, dass mit sei­ner großstädtisch-he­te­ro­ge­nen Bevölke­rungs­struk­tur und sei­ner kon­fes­sio­nel­len Viel­ge­stal­tig­keit ein be­son­de­res Kon­flikt­po­ten­ti­al bie­te und da­her stärker nach ei­ner re­strik­ti­ven Re­ge­lung ver­lan­ge. Dem­zu­fol­ge wer­de gemäß § 1 Neu­trG das Tra­gen re­li­giöser Sym­bo­le und Klei­dungsstücke zunächst für die die Be­rei­che der Rechts­pfle­ge, des Jus­tiz­voll­zugs und der Po­li­zei ein­ge­schränkt. Es sei kon­se­quent und aus Sicht der Kam­mer ver­fas­sungs­recht­lich zulässig, die­se Ein­schränkung auch auf Lehr­kräfte an öffent­li­chen Schu­len zu er­stre­cken. Zu Recht sei in der Be­schluss­vor­la­ge aus­geführt wor­den, dass es im Schul­be­reich wei­ter­hin durch kon­kre­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu ei­ner Störung des Schul­frie­dens kom­men könne, die letzt­lich den staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag gefähr­de. Um dies zu ver­hin­dern, sei der Staat nicht nur ge­hal­ten, in Schu­len ei­ne neu­tra­le Ge­stal­tung der Räum­lich­kei­ten zu ermögli­chen, son­dern er müsse auch ver­hin­dern, dass an­ders- oder nichtgläubi­ge Schüle­rin­nen und Schüler von Leh­re­rin­nen und Leh­rern un­ter­rich­tet würden, die sicht­ba­re re­li­giöse oder welt­an­schau­li­che Sym­bo­le bzw. ent­spre­chend auf­fal­len­de Klei­dungsstücke trügen. Wei­ter hat das Ar­beits­ge­richt auf ei­ne Ent­schei­dung des OVG Ber­lin-Bran­den­burg Be­zug ge­nom­men, in der die aus­ge­prägte re­li­giöse He­te­ro­ge­nität an ei­nem Ber­li­ner Gym­na­si­um be­schrie­ben wur­de. Die­se Dar­stel­lung bestäti­ge bei­spiel­haft die Exis­tenz von re­li­giös be­ding­ten Kon­flik­ten an den Schu­len des Lan­des Ber­lin, die auch mit ei­ner an­de­ren Rol­len­ver­tei­lung, bei de­nen Schüler und Schüle­rin­nen mit ei­nem is­la­mi­schen Glau­bens­be­kennt­nis Op­fer von Überg­rif­fen an­ders- bzw. nichtgläubi­ger Schüler sei­en, auf­träten. Es könne ent­spre­chend der Be­gründung der ab­wei­chen­den Mei­nung zur Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­rich­tes vom 27. Ja­nu­ar 2015 nicht al­lein dar­auf ab­ge­stellt wer­den, dass der Staat ei­ne ihm un­mit­tel­bar nicht zu­zu­rech­nen­de in­di­vi­du­el­le Grund­rechts­ausübung sei­ner Pädago­gen nur dul­de und die Schüler le­dig­lich ei­ne be­stimm­te Be­klei­dung der Pädago­gen an­zu­schau­en hätten, die er­kenn­bar auf de­ren in­di­vi­du­el­le Ent­schei­dung zurück­ge­he. Ei­ne sol­che ver­ein­fa­chen­de Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen dem Staat zu­re­chen­ba­ren Sym­bo­len und in­di­vi­du­el­ler re­li­giös

 

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kon­no­tier­ter Be­klei­dung von Pädago­gen blen­de die Wirk­lich­keit aus, die auch die in­di­vi­du­el­le Grund­rechts­ausübung ei­ner Lehr­per­son auf Schüle­rin­nen und Schüler ha­ben könne. Fer­ner hat das Ar­beits­ge­richt aus­geführt, für die ver­fas­sungsmäßige Verhält­nismäßig­keit des § 2 Neu­trG spre­che auch, dass das Ver­bot des Tra­gens re­li­giöser Sym­bo­le und Klei­dungsstücke gemäß § 3 Neu­trG nicht für die be­ruf­li­chen Schu­len und die Ein­rich­tun­gen des zwei­ten Bil­dungs­we­ges gel­te. Dies wer­de vom Lan­des­ge­setz­ge­ber da­mit be­gründet, dass der Er­zie­hungs­as­pekt bei älte­ren Schülern zurück­tre­te und von stärke­rer Ei­genständig­keit aus­ge­gan­gen wer­den könne. Im Übri­gen be­han­de­le das Neu­tra­litäts­ge­setz al­le Re­li­gio­nen und Glau­bens­be­kennt­nis­se gleich. Das Ar­beits­ge­richt hat wei­ter aus­geführt, da die Kam­mer kei­ne über Zwei­fel hin­aus­ge­hen­de Über­zeu­gung von der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit des § 2 Neu­trG ha­be, kom­me es nicht auf die Fra­ge der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit die­ser Norm an. Es hab des­halb auch nicht geklärt wer­den müssen, ob hier die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit aus­schei­de, weil § 2 Neu­trG nicht mit Uni­ons­recht ver­ein­bar und des­halb un­an­wend­bar sei. Ei­ne Vor­la­ge an den EuGH sei nach Auf­fas­sung der Kam­mer auch aus sons­ti­gen Gründen nicht an­ge­zeigt; § 2 Neu­trG ver­s­toße nicht ge­gen Uni­ons­recht. Sch­ließlich hat das Ar­beits­ge­richt aus­geführt, an der Ge­eig­net­heit des Ver­bots des Tra­gens re­li­giös ge­prägter Klei­dungsstücke zur Durch­set­zung des Neu­tra­litäts­ge­bo­tes bestünden kei­ne Zwei­fel. Die Kam­mer ge­he da­von aus, dass die­ses Ver­bot uni­ons­recht­lich dem Verhält­nismäßig­keits­grund­satz ent­spre­che und an­ge­mes­sen im Sin­ne des Art. 4 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG sei. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses ihr am 23. Mai 2016 zug­stell­te Ur­teil hat die Kläge­rin mit ei­nem am 23. Ju­ni 2016 bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se – nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­be­gründungs­frist bis zum 23. Au­gust 2016 – mit ei­nem am 23. Au­gust 2016 bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Die Kläge­rin tritt dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­trags ent­ge­gen und ist der An­sicht, das Ar­beits­ge­richt hätte die von der Kläge­rin an­ge­bo­te­nen Zeu­gen hören müssen. Durch die Zeu­gen­be­fra­gung wäre deut­lich ge­wor­den, dass die Kläge­rin als Grund­schul­leh­re­rin ge­eig­net sei und dass die Ab­leh­nung der Kläge­rin ei­gent­lich auf dem Ver­bot des § 2 Neu­trG be­ru­he. Wei­ter­hin wäre durch die Be­fra­gung der Zeu­gen deut­lich ge­wor­den, dass es Schu­len in Ber­lin ge­be, an wel­chen sich die Schul­lei­tun­gen vor­stel­len könn­ten, Leh­re­rin­nen mit Kopf­tuch ein­zu­stel­len. Die Einschätzun­gen der Schul­lei­ter wären im vor­lie­gen­den Fall auch not­wen­dig ge­we­sen, da so

 

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ein nicht nur abs­trak­ter Ein­blick in die tatsächli­che Kon­flikt­kla­ge an Ber­li­ner Schu­len hin­sicht­lich der un­ter­schied­li­chen Re­li­gio­nen möglich ge­we­sen wäre.

Wei­ter ist die Kläge­rin der An­sicht, ei­ne Ein­schränkung ih­rer Tätig­keit als Lehr­kraft aus­sch­ließlich an be­rufs­bil­den­den Schu­len sei mit den Grundsätzen der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27. Ja­nu­ar 2015 und dem AGG nicht ver­ein­bar.

Die Kläge­rin ist fer­ner der An­sicht, § 2 Neu­trG sei ver­fas­sungs­wid­rig, denn die Norm wi­der­spre­che den Maßstäben, die das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im Be­schluss vom 27. Ja­nu­ar 2015 auf­ge­stellt ha­be. Ei­ne Vor­la­ge an das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt sei da­her statt­haft. Das Ar­beits­ge­richt ha­be es versäumt, ei­ne ei­ge­ne Abwägung der Grund­rechts­po­si­tio­nen vor­zu­neh­men.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das am 14. April 2016 verkünde­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin 58 Ca 13376/15 ab­zuändern und das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung we­gen ei­ner Be­nach­tei­li­gung auf­grund der Re­li­gi­on zu zah­len, de­ren ge­naue Höhe ins Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird.

Das be­klag­te Land be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Das be­klag­te Land ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung sei­nes erst­in­stanz­li­chen Vor­trags und ist der An­sicht, ei­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin lie­ge nicht vor und selbst wenn die­se vor­lie­gen soll­te, wäre sie je­den­falls gemäß § 8 AGG zulässig. § 2 Neu­trG sei we­der ver­fas­sungs­wid­rig noch eu­ro­pa­rechts­wid­rig.

Das be­klag­te Land be­haup­tet, die Kläge­rin ha­be das Vor­stel­lungs­gespräch vom 29. April 2015 von sich aus be­en­det, nach­dem die von ihr gewünsch­te Grund­satz­dis­kus­si­on nicht zu­stan­de ge­kom­men sei.

 

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Das be­klag­te Land ist der An­sicht, die Kläge­rin ha­be sich durch ihr Nich­t­er­schei­nen zum Vor­stel­lungs­gespräch am 27. Mai 2015 selbst um die Möglich­keit ge­bracht, als Lehr­kraft an ei­ner Ber­li­ner Schu­le an­ge­stellt zu wer­den.

Wei­ter ist das be­klag­te Land der An­sicht, ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin lie­ge nicht vor, weil der Kläge­rin im Kam­mer­ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt ge­nau der Ar­beits­ver­trag an­ge­bo­ten wor­den sei, den sie auch bei Aus­wahl bei dem Vor­stel­lungs­gespräch (Cas­ting), an dem sie teil­ge­nom­men hätte, er­hal­ten hätte. Ei­ne bes­se­re Rechts­po­si­ti­on könne die Kläge­rin in kei­nem Fall er­hal­ten, weil das be­klag­te Land in den Ar­beits­verträgen mit an­ge­stell­ten Lehr­kräften we­der Fest­schrei­bun­gen ei­ner kon­kre­ten Schu­le noch auch nur ei­nes spe­zi­el­len Schul­typs als Ein­satz­ort vor­neh­me und auf das ihm nach der gel­ten­den Rechts­ord­nung und der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­dess­ar­beits­ge­richts zu­ste­hen­de Di­rek­ti­ons­recht nicht ver­zich­te. Da kein Be­wer­ber ei­nen Rechts­an­spruch auf ei­nen Ar­beits­ver­trag als Lehr­kraft aus­sch­ließlich an ei­ner Grund­schu­le des Lan­des Ber­lin ha­be, schei­de ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung der Kläge­rin aus ei­nem der in § 1 AGG Gründe vor­lie­gend be­reits tat­be­stand­lich aus.

Das be­klag­te Land ist fer­ner der An­sicht, es lie­ge nicht ein­mal ein In­diz im Sin­ne des § 22 AGG für ei­ne un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin aus ei­nem der der § 1 AGG ge­nann­ten Gründe vor.

Sch­ließlich ist das be­klag­te Land der An­sicht, dass dann, wenn der Kläge­rin ei­ne Entschädi­gung zu­zu­spre­chen sei, die­se al­len­falls drei Mo­nats­ver­diens­te be­tra­gen könne.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­ten Schriftsätze vom 23. Au­gust 2016, vom 14. No­vem­ber 2016, vom 17. Ja­nu­ar 2017 und vom 8. Fe­bru­ar 2017 so­wie auf das Sit­zungs­pro­to­koll vom 9. Fe­bru­ar 2017 Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

A

Die Be­ru­fung ist zulässig.

 

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Sie ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statt­haft und frist- und form­ge­recht im Sin­ne der §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

B

Die Be­ru­fung hat auch in der Sa­che über­wie­gend Er­folg.

I.

Die Kla­ge ist zulässig.

Der auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung ge­rich­te­te Kla­ge­an­trag ist zulässig, ins­be­son­de­re ist er hin­rei­chend be­stimmt im Sin­ne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Kläge­rin durf­te die Höhe der von ihr be­gehr­ten Entschädi­gung in das Er­mes­sen des Ge­richts stel­len. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Ge­richt bei der Höhe der Entschädi­gung ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ein, wes­halb ei­ne Be­zif­fe­rung des Zah­lungs­an­trags nicht not­wen­dig ist. Die Kläge­rin hat auch Tat­sa­chen be­nannt, die das Ge­richt bei der Be­stim­mung des Be­trags her­an­zie­hen soll und die Größen­ord­nung der gel­tend ge­mach­ten For­de­rung an­ge­ge­ben (vgl. hier­zu z. B. BAG, 17.12.2015, 8 AZR 421/14, NZA 2016, 888 m.w.N.).

Die Kläge­rin nennt als Grund­la­ge für die Entschädi­gung das mo­nat­li­che Brut­to­ge­halt gemäß Ent­gelt­grup­pe E 11 Stu­fe 5 TV-L (4.340,00 EUR) und ist der An­sicht, die Entschädi­gung soll­te nicht un­ter drei Mo­nats­ver­diens­ten lie­gen. Dies er­gibt 13.020,00 EUR.

II.

Die Kla­ge ist über­wie­gend be­gründet, im Übri­gen ist sie un­be­gründet.

Die Kläge­rin hat ge­gen das be­klag­te Land ei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 8.680,00 EUR.

1.) Die Kläge­rin ist als Be­wer­be­rin für ei­ne Stel­le als Lehr­kraft „Beschäftig­te“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2, 1. Al­ter­na­ti­ve AGG und fällt da­her un­ter den persönli­chen An­wen­dungs­be­reich des AGG.

 

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2.) Das be­klag­te Land ist als „Ar­beit­ge­ber“ pas­siv­le­gi­ti­miert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Ar­beit­ge­ber im Sin­ne des Ge­set­zes, wer „Per­so­nen nach Abs. 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Ar­beit­ge­ber ist mit­hin auch der­je­ni­ge, der um Be­wer­bun­gen für ein von ihm an­ge­streb­tes Beschäfti­gungs­verhält­nis bit­tet (vgl. z. B. BAG, 14.11.2013, 8 AZR 997/12, NZA 2014, 489 m.w.N.).

3.) Die Kläge­rin hat ih­ren Entschädi­gungs­an­spruch in­ner­halb der Fris­ten des § 15 Abs. 4 AGG, § 61 b Abs. 1 ArbGG gel­tend ge­macht.

a) Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein An­spruch aus § 15 Abs. 2 AGG in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den. Im Fal­le ei­ner Be­wer­bung be­ginnt die Frist mit dem Zu­gang der Ab­leh­nung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG), nicht je­doch vor dem Zeit­punkt, in dem der Be­wer­ber von sei­ner Be­nach­tei­li­gung Kennt­nis er­langt.

Die Ab­leh­nung der Be­wer­bung durch das be­klag­te Land – be­zo­gen auf das vor­ge­zo­ge­ne Aus­wahl­ver­fah­ren – mit E-Mail vom 6. Mai 2015 ist der Kläge­rin am sel­ben Ta­ge zu­ge­gan­gen.

Die Kläge­rin mach­te mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 26. Ju­ni 2015, das sie vor­ab per Te­le­fax an das be­klag­te Land ge­sen­det hat­te, ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG außer­ge­richt­lich gel­tend und gab an, die Höhe sol­le sich an drei Mo­nats­ver­diens­ten ori­en­tie­ren, wel­che in die­sem Be­reich üblich sei­en.

b) Die am Mon­tag, dem 28. Sep­tem­ber 2015 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­ne Kla­ge, die dem be­klag­ten Land am 6. Ok­to­ber 2015 zu­ge­stellt wor­den ist, hat die Frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG ge­wahrt. Die Kla­ge wur­de in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs er­ho­ben.

Für die Frist­wah­rung genügte gemäß § 167 ZPO der Ein­gang der Kla­ge beim Ar­beits­ge­richt, weil de­ren Zu­stel­lung „demnächst“ er­folg­te (vgl. ent­spre­chend z. B. BAG, 16.02.2012, 8 AZR 697/10, NZA 2012, 667 und BAG 22.05.2014, 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924).

4.) Das be­klag­te Land hat ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 AGG ver­s­toßen.

 

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a) Der An­spruch auf Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt ei­nen Ver­s­toß ge­gen das in § 7 Abs. 1 AGG ge­re­gel­te Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot vor­aus (§ 15 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG) und ist ver­schul­dens­un­abhängig (vgl. z. B. BAG, 17.12.2015, 8 AZR 421/14, NZA 2016, 888).

b) Nach dem in § 7 Abs. 1 AGG be­stimm­ten Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot ist ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des, u.a. we­gen der Re­li­gi­on, un­ter­sagt. § 7 AGG ver­bie­tet so­wohl un­mit­tel­ba­re als auch mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung (vgl. z. B. BAG a.a.O.).

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des, u.a. we­gen der Re­li­gi­on, ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung vor, wenn dem An­schein nach neu­tra­le Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren Per­so­nen we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ge­genüber an­de­ren Per­so­nen be­nach­tei­li­gen können, es sei denn, die be­tref­fen­den Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel sind zur Er­rei­chung die Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich.

c) Im Hin­blick auf ei­ne – ins­be­son­de­re bei ei­ner Ein­stel­lung zu tref­fen­de – Aus­wah­l­ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers be­fin­den sich Per­so­nen grundsätz­lich be­reits dann in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on, wenn sie sich für die­sel­be be­wor­ben ha­ben (vgl. z. B. BAG, 17.12.2015, 8 AZR 421/14, NZA 2016, 888 m.w.N.).

d) Das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 Abs. 1 AGG er­fasst nicht je­de Un­gleich­be­hand­lung, son­dern nur ei­ne Un­gleich­be­hand­lung „we­gen“ ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des. Zwi­schen der be­nach­tei­li­gen­den Be­hand­lung und ei­nem in § 1 AGG ge­nann­ten Grund muss dem­nach ein Kau­sal­zu­sam­men­hang be­ste­hen. Dafür ist es nicht er­for­der­lich, dass der be­tref­fen­de Grund iSv. § 1 AGG das aus­sch­ließli­che oder auch nur ein we­sent­li­ches Mo­tiv für das Han­deln des Be­nach­tei­li­gen­den ist; er muss nicht - ge­wis­ser­maßen als vor­herr­schen­der Be­weg­grund, Haupt­mo­tiv oder „Trieb­fe­der“ des Ver­hal­tens - hand­lungs­lei­tend oder be­wusst­seins­do­mi­nant ge­we­sen sein; viel­mehr ist der Kau­sal­zu­sam­men­hang be­reits dann ge­ge­ben, wenn die Be­nach­tei­li­gung an ei­nen Grund iSv. § 1 AGG an­knüpft oder durch die­sen mo­ti­viert ist, wo­bei bloße Mit­ursächlich­keit genügt. Bei der Prüfung des Kau­sal­zu­sam­men­hangs sind al­le Umstände des Rechts­streits im Sin­ne

 

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ei­ner Ge­samt­be­trach­tung und -würdi­gung des Sach­ver­halts zu berück­sich­ti­gen (vgl. BAG, 19.05.2016, 8 AZR 470/14, NZA 2016, 1394 und BAG, 17.12.2015, 8 AZR 421/14, NZA 2016, 888, je­weils mwN).

e) Für den Rechts­schutz bei Dis­kri­mi­nie­run­gen sieht § 22 AGG ei­ne Er­leich­te­rung der Dar­le­gungs­last, ei­ne Ab­sen­kung des Be­weis­maßes und ei­ne Um­kehr der Be­weis­last vor. Wenn im Streit­fall die ei­ne Par­tei In­di­zi­en be­weist, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ver­mu­ten las­sen, trägt nach § 22 AGG die an­de­re Par­tei die Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gung vor­ge­le­gen hat (BAG aaO).

Da­nach genügt ei­ne Per­son, die sich durch ei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes für be­schwert hält, ih­rer Dar­le­gungs­last be­reits dann, wenn sie In­di­zi­en vorträgt, die mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit dar­auf schließen las­sen, dass ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des er­folgt ist. Dies gilt nicht nur im Hin­blick auf § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG, son­dern eben­so im Hin­blick auf das Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen von § 7 Abs. 1 Halbs. 2 AGG, al­so be­zo­gen auf die Fra­ge, ob der Be­nach­tei­li­gen­de das Vor­lie­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des bei der Be­nach­tei­li­gung nur an­ge­nom­men hat (BAG aaO).

Be­steht die Ver­mu­tung ei­ner Be­nach­tei­li­gung, trägt die an­de­re Par­tei die Dar­le­gungs- und Be­weis­last dafür, dass der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht ver­letzt wor­den ist. Hierfür gilt je­doch das Be­weis­maß des sog. Voll­be­wei­ses. Der Ar­beit­ge­ber muss dem­nach Tat­sa­chen vor­tra­gen und ggf. be­wei­sen, aus de­nen sich er­gibt, dass aus­sch­ließlich an­de­re als die in § 1 AGG ge­nann­ten Gründe zu ei­ner ungüns­ti­ge­ren Be­hand­lung geführt ha­ben. Die Be­weiswürdi­gung er­folgt nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO un­ter Zu­grun­de­le­gung der Vor­ga­ben von § 22 AGG (vgl. BAG aaO mwN).

f) Im vor­lie­gen­den Fall hat das be­klag­te Land die Kläge­rin un­mit­tel­bar we­gen ih­rer Re­li­gi­on be­nach­tei­ligt, denn es ver­sag­te der Kläge­rin die Beschäfti­gung an ei­ner all­ge­mein­bil­den­den Schu­le im Land Ber­lin in der Pri­mar­stu­fe (Grund­schu­le), weil die Kläge­rin als gläubi­ge Mus­li­ma auch im Dienst ein is­la­mi­sches Kopf­tuch tra­gen möch­te.

Ent­ge­gen der An­sicht des be­klag­ten Lan­des entfällt ei­ne Be­nach­tei­li­gung nicht des­halb, weil das be­klag­te Land die Kläge­rin je­der­zeit ein­stel­len würde und kei­ne der im Land Ber­lin beschäftig­ten Lehr­kräfte ei­nen An­spruch auf ei­ne Beschäfti­gung an ei­nem be­stimm­ten

 

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Schul­typ hat. Je­de neu ein­ge­stell­te Lehr­kraft mit der Qua­li­fi­ka­ti­on der Kläge­rin hat die Chan­ce, auch an ei­ner all­ge­mein­bil­den­den Schu­le in der Pri­mar­stu­fe und in der Se­kun­dar­stu­fe I beschäftigt zu wer­den. Da­ge­gen ist die Kläge­rin von die­ser Möglich­keit von vor­ne­her­ein und nur des­halb aus­ge­nom­men, weil sie im Dienst ein is­la­mi­sches Kopf­tuch tra­gen möch­te.

Be­zo­gen auf das „Cas­ting“ vom 29. April 2015 be­stand kei­ne Möglich­keit, dass die Kläge­rin ein­ge­stellt würde. Denn un­strei­tig wur­den bei die­sem „Cas­ting“ nur Lehr­kräfte für Grund­schu­len ge­sucht. Un­strei­tig ist auch, dass das be­klag­te Land drin­gend Grund­schul­leh­rer benötig­te und benötigt und man­gels aus­rei­chen­der Be­wer­ber­zah­len so­gar sog. Quer­ein­stei­ger oh­ne pädago­gi­sche Aus­bil­dung sucht. Fer­ner ist un­strei­tig, dass die Kläge­rin bei dem „Cas­ting“ auf ihr Kopf­tuch an­ge­spro­chen und ge­fragt wur­de, ob sie be­ab­sich­ti­ge, die­ses auch im Dienst zu tra­gen. Als die Kläge­rin die­se Fra­ge be­jah­te, wur­de sie un­strei­tig auf § 2 Neu­trG hin­ge­wie­sen.

Die Kläge­rin hat im vor­lie­gen­den Fall nicht nur In­di­zi­en vor­ge­tra­gen, die auf ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der is­la­mi­schen Re­li­gi­on schließen las­sen, son­dern die von der Kläge­rin vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen sind in­so­weit un­strei­tig.

Das be­klag­te Land hat im vor­lie­gen­den Rechts­streit kei­ne Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, aus de­nen sich er­ge­ben könn­te, dass aus­sch­ließlich an­de­re Gründe als die Äußerung der Kläge­rin, im Dienst ein is­la­mi­sches Kopf­tuch tra­gen zu wol­len, zur Ab­sa­ge vom 6. Mai 2015 geführt hätten.

In der Kla­ge­er­wi­de­rung führ­te das be­klag­te Land aus­drück­lich aus, die Nicht­beschäfti­gung der Kläge­rin an ei­ner Grund­schu­le be­ru­he „im Übri­gen“ auf der ein­deu­ti­gen Re­ge­lung in § 2 Neu­trG, an das die Ber­li­ner Ver­wal­tung nach Maßga­be von Art. 20 Abs. 3 GG ge­bun­den sei, so­lan­ge be­sag­te Re­ge­lung nicht vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auf­ge­ho­ben wor­den sei.

Das be­klag­te Land hat auch nicht et­wa be­haup­tet, die Kläge­rin hätte we­gen ih­res No­ten­durch­schnitts die Ab­sa­ge vom 6. Mai 2015 er­hal­ten. Erst­mals in der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung führ­te das be­klag­te Land aus, von den 26 am 29. April 2015 er­schie­ne­nen Be­wer­bern sei­en 23 aus­gewählt wor­den und al­le nicht aus­gewähl­ten Be­wer­ber mit der glei­chen Lauf­bahn der Kläge­rin hätten die No­te 3 ge­habt. Die­ser Vor­trag er­folg­te al­ler­dings nicht zur Be­gründung der Ab­leh­nung vom 6. Mai 2015, son­dern zur

 

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Be­gründung, dass die - even­tu­el­le - Entschädi­gung nicht mehr als drei Mo­nats­ver­diens­te be­tra­gen sol­le.

Ent­ge­gen der An­sicht des be­klag­ten Lan­des war von ei­ner ernst­haf­ten Be­wer­bung der Kläge­rin aus­zu­ge­hen. Die Kläge­rin, die als Grund­schul­leh­re­rin ar­bei­ten möch­te und wuss­te, dass sie vom Land Ber­lin mit ei­nem is­la­mi­schen Kopf­tuch nicht in ei­ner Grund­schu­le beschäftigt wer­den würde, hat­te nach Ab­schluss der Zwei­ten Staats­prüfung mit der i. F. in Ber­lin e.V. ei­nen Ar­beits­ver­trag als Re­li­gi­ons­leh­re­rin ge­schlos­sen, um in Ber­lin an Grund­schu­len un­ter­rich­ten zu können. Erst nach der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27. Ja­nu­ar 2015 be­warb sich die Kläge­rin beim be­klag­ten Land als Lehr­kraft in der Hoff­nung, das be­klag­te Land wer­de die­se Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts bei der Ein­stel­lung berück­sich­ti­gen. Dies wird auch auf­grund der un­strei­ti­gen Tat­sa­che deut­lich, dass die Kläge­rin bei dem „Cas­ting“ vom 29. April 2015 nach dem Hin­weis des be­klag­ten Lan­des auf das Neu­tra­litäts­ge­setz ver­such­te, über die da­mals neue Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu dis­ku­tie­ren.

Un­er­heb­lich ist, ob die Kläge­rin das Gespräch am 29. April 2015 von sich aus ab­brach, wie das be­klag­te Land be­haup­tet. Denn die Kläge­rin war – wie oben be­reits aus­geführt wur­de – während des „Cas­tings“ auf ihr Kopf­tuch an­ge­spro­chen und auf das Ber­li­ner Neu­tra­litäts­ge­setz hin­ge­wie­sen wor­den und un­strei­tig wur­den bei die­sem „Cas­ting“ aus­sch­ließlich Grund­schul­leh­rer ge­sucht. Als ei­ne sol­che Grund­schul­leh­re­rin wäre die Kläge­rin we­gen ih­res is­la­mi­schen Kopf­tuchs und der Äußerung, sie wol­le die­ses auch im Dienst tra­gen, oh­ne­hin nicht aus­gewählt wor­den.

g) Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der Kläge­rin im Ver­gleich zu den an­de­ren Be­wer­ber/in­nen war nicht gemäß § 8 Abs. 1 AGG zulässig.

aa) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen ei­nes in § 1 AGG Grun­des zulässig, wenn die­ser Grund we­gen der Art der aus­zuüben­den Tätig­keit oder der Be­din­gun­gen ih­rer Ausübung ei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt, so­fern der Zweck rechtmäßig und die An­for­de­rung an­ge­mes­sen ist. § 8 Abs. 1 AGG dient der Um­set­zung von Art. 4 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG in das na­tio­na­le Recht. § 8 Abs. 1 AGG ist uni­ons­rechts­kon­form in Übe­rein­stim­mung mit der Richt­li­nie un­ter Berück­sich­ti­gung der Recht­spre­chung des EUGH eng aus­zu­le­gen (vgl. z. B. BAG, 19.05.2016, 8 AZR 470/14, NZA 216, 1394).

 

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Bei der An­wen­dung von § 8 Abs. 1 AGG ist zu be­ach­ten, dass nicht der Grund, auf den die Un­gleich­be­hand­lung gestützt ist, son­dern nur ein mit die­sem Grund im Zu­sam­men­hang ste­hen­des Merk­mal ei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stel­len kann und dass ein sol­ches Merk­mal – oder sein Feh­len – nur dann ei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung im Sin­ne des § 8 Abs. 1 AGG ist, wenn da­von die ord­nungs­gemäße Durchführung der Tätig­keit abhängt (vgl. BAG a.a.O. m.w.N. aus der Recht­spre­chung des EuGH und des BAG).

bb) Das Un­ter­las­sen des Tra­gens ei­nes is­la­mi­schen Kopf­tu­ches ist kei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung für die Tätig­keit ei­ner Leh­re­rin an ei­ner all­ge­mein­bil­den­den Schu­le in der Pri­mar­stu­fe oder der Se­kun­dar­stu­fe I in Ber­lin, denn die ord­nungs­gemäße Durchführung die­ser Tätig­keit hängt nicht da­von ab, ob die Leh­re­rin ein is­la­mi­sches Kopf­tuch trägt oder nicht, son­dern da­von, ob die Leh­re­rin die Zwei­te Staats­prüfung für das Lehr­amt für die Bil­dungsgänge der Se­kun­dar­stu­fe I und der Pri­mar­stu­fe an all­ge­mein­bil­den­den Schu­len be­stan­den hat. Mit die­sem Ab­schluss ist ei­ne Leh­re­rin, die ein is­la­mi­sches Kopf­tuch trägt, oh­ne wei­te­res da­zu in der La­ge, Kin­der zu un­ter­rich­ten.

cc) Al­ler­dings dürfen Lehr­kräfte im Land Ber­lin gem. § 2 Satz 1 Neu­trG in den öffent­li­chen Schu­len nach dem Schul­ge­setz in­ner­halb des Diens­tes u. a. kei­ne auf­fal­lend re­li­giös ge­prägten Klei­dungsstücke tra­gen, wor­un­ter auch das is­la­mi­sche Kopf­tuch fällt. Aus­ge­nom­men sind von die­ser Re­ge­lung gem. § 3 Satz 1 Neu­trG nur die be­ruf­li­chen Schu­len im Sin­ne des § 17 Abs. 1 Satz 3 Satz 1 Nr. 3 des Schul­ge­set­zes so­wie Ein­rich­tun­gen des Zwei­ten Bil­dungs­we­ges im Sin­ne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 des Schul­ge­set­zes. Fer­ner kann die obers­te Dienst­behörde gem. § 3 Satz 2 Neu­trG für wei­te­re Schul­ar­ten un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen Aus­nah­men zu­las­sen.

Nach der Recht­spre­chung des Ers­ten Se­nats des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, der sich die er­ken­nen­de Kam­mer an­ge­schlos­sen hat, ver­letzt ein pau­scha­les Kopf­tuch­ver­bot für Lehr­kräfte an öffent­li­chen Schu­len de­ren Grund­recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG auf Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit (BVerfG, 27.01.2015, 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10 BVerfGE 138, 296; vgl. auch BVerfG, 18.10.2016, 1 BvR 354/11, NZA 2016, 1522 zum Kopf­tuch­ver­bot für Er­zie­he­rin­nen an öffent­li­chen Kin­der­ta­gesstätten).

Nach die­ser Recht­spre­chung ist ein Ver­bot re­li­giöser Be­kun­dun­gen durch das äußere Er­schei­nungs­bild, das be­reits die abs­trak­te Ge­fahr ei­ner Be­ein­träch­ti­gung des Schul­frie­dens

 

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oder der staat­li­chen Neu­tra­lität aus­rei­chen lässt, im Hin­blick auf die Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit der Pädago­gen je­den­falls un­an­ge­mes­sen und da­mit un­verhält­nismäßig, wenn die Be­kun­dung nach­voll­zieh­bar auf ein als ver­pflich­tend emp­fun­de­nes re­li­giöses Ge­bot zurückführ­bar ist. Er­for­der­lich ist viel­mehr ei­ne hin­rei­chend kon­kre­te Ge­fahr. Ei­ne ent­spre­chen­de ge­biets­be­zo­ge­ne, mögli­cher­wei­se auch lan­des­wei­te Un­ter­sa­gung kommt von Ver­fas­sungs we­gen für öffent­li­che be­kennt­nis­of­fe­ne Schu­len nur dann in Be­tracht, wenn ei­ne hin­rei­chend kon­kre­te Ge­fahr für die ge­nann­ten Schutzgüter im ge­sam­ten Gel­tungs­be­reich der Un­ter­sa­gung be­steht (BVerfG, 27.01.2015, 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10 a. a. O.).

Al­lein das Tra­gen ei­nes „is­la­mi­schen Kopf­tu­ches“ be­gründet ei­ne hin­rei­chend kon­kre­te Ge­fahr im Re­gel­fall nicht. Denn vom Tra­gen ei­ner sol­chen Kopf­be­de­ckung geht für sich ge­nom­men noch kein wer­ben­der oder gar mis­sio­nie­ren­der Ef­fekt aus. Ein „is­la­mi­sches Kopf­tuch“ ist in Deutsch­land nicht unüblich, son­dern spie­gelt sich im ge­sell­schaft­li­chen All­tag viel­fach wi­der (vgl. BVerfG, 18.10.2016, 1 BvR 354/11, NZA 2016, 1522).

§ 2 Satz 1 Neu­trG ver­bie­tet nach sei­nem Wort­laut das Tra­gen von auf­fal­lend re­li­giös ge­prägten Klei­dungsstücken, oh­ne dies von wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen, wie z. B. vom Vor­lie­gen ei­ner kon­kre­ten Ge­fahr, abhängig zu ma­chen und stellt da­mit je­den­falls nach sei­nem Wort­laut ein pau­scha­les Kopf­tuch­ver­bot dar.

Die­ses pau­scha­le Kopf­tuch­ver­bot ver­letzt die Kläge­rin in ih­rem Grund­recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.

(1) Der Schutz des Grund­rechts auf Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit (Art. 1 Abs. 1 und 2 GG) gewähr­leis­tet auch den Pädago­gin­nen und Pädago­gen in der öffent­li­chen be­kennt­nis­of­fe­nen Schu­le die Frei­heit, den Re­geln ih­res Glau­bens gemäß ei­nem re­li­giösen Be­de­ckungs­ge­bot zu genügen, wie dies et­wa durch das Tra­gen ei­nes is­la­mi­schen Kopf­tuchs der Fall sein kann, wenn dies hin­rei­chend plau­si­bel be­gründet wird (BVerfG, 27.01.2015, 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10 a. a. O.).

(a) Auch An­ge­stell­te im öffent­li­chen Dienst können sich auf ihr Grund­recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG be­ru­fen. Die Grund­rechts­be­rech­ti­gung der An­ge­stell­ten wird durch ih­re Ein­glie­de­rung in den staat­li­chen Auf­ga­ben­be­reich der Schu­le nicht von vor­ne­her­ein oder grundsätz­lich in Fra­ge ge­stellt. Der Staat bleibt zu­dem auch dann an die Grund­rech­te ge­bun­den, wenn er sich zur Auf­ga­ben­erfüllung zi­vil­recht­li­cher In­stru­men­te be­dient, wie das

 

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hier durch den Ab­schluss pri­vat­recht­li­cher Ar­beits­verträge mit den zur Erfüllung sei­nes Er­zie­hungs­auf­trags von ihm an­ge­stell­ten Pädago­gin­nen der Fall ist, Art. 1 Abs. 3 GG (BVerfG a. a. O.).

(b) Art. 4 GG ga­ran­tiert in Ab­satz 1 die Frei­heit des Glau­bens, des Ge­wis­sens und des re­li­giösen und welt­an­schau­li­chen Be­kennt­nis­ses, in Ab­satz 2 das Recht der un­gestörten Re­li­gi­ons­ausübung. Bei­de Absätze des Art. 4 GG ent­hal­ten ein um­fas­send zu ver­ste­hen­des ein­heit­li­ches Grund­recht. Es er­streckt sich nicht nur auf die in­ne­re Frei­heit, zu glau­ben oder nicht zu glau­ben, das heißt ei­nen Glau­ben zu ha­ben, zu ver­schwei­gen, sich vom bis­he­ri­gen Glau­ben los­zu­sa­gen und ei­nem an­de­ren Glau­ben zu­zu­wen­den, son­dern auch auf die äußere Frei­heit, den Glau­ben zu be­kun­den und zu ver­brei­ten, für sei­nen Glau­ben zu wer­ben und an­de­re von ih­rem Glau­ben ab­zu­wer­ben. Um­fasst sind da­mit nicht al­lein kul­ti­sche Hand­lun­gen und die Ausübung und Be­ach­tung re­li­giöser Gebräuche, son­dern auch die re­li­giöse Er­zie­hung so­wie an­de­re Äußerungs­for­men des re­li­giösen und welt­an­schau­li­chen Le­bens. Da­zu gehört auch das Recht der Ein­zel­nen, ihr ge­sam­tes Ver­hal­ten an den Leh­ren ih­res Glau­bens aus­zu­rich­ten und die­ser Über­zeu­gung gemäß zu han­deln, al­so glau­bens­ge­lei­tet zu le­ben; dies be­trifft nicht nur im­pe­ra­ti­ve Glau­benssätze (vgl. BVerfG, 27.01.2015, 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, BVerfGE 138, 296).

Bei der Würdi­gung des­sen, was im Ein­zel­fall als Ausübung von Re­li­gi­on und Welt­an­schau­ung zu be­trach­ten ist, darf das Selbst­verständ­nis der je­weils be­trof­fe­nen Re­li­gi­ons- und Welt­an­schau­ungs­ge­mein­schaf­ten und des ein­zel­nen Grund­recht­strägers nicht außer Be­tracht blei­ben. Dies be­deu­tet je­doch nicht, dass jeg­li­ches Ver­hal­ten ei­ner Per­son al­lein nach de­ren sub­jek­ti­ver Be­stim­mung als Aus­druck der Glau­bens­frei­heit an­ge­se­hen wer­den muss. Die staat­li­chen Or­ga­ne dürfen prüfen und ent­schei­den, ob hin­rei­chend sub­stan­ti­iert dar­ge­legt ist, dass sich das Ver­hal­ten tatsächlich nach geis­ti­gem Ge­halt und äußerer Er­schei­nung in plau­si­bler Wei­se dem Schutz­be­reich des Art. 4 GG zu­ord­nen lässt, al­so tatsächlich ei­ne als re­li­giös an­zu­se­hen­de Mo­ti­va­ti­on hat. Dem Staat ist es in­des ver­wehrt, der­ar­ti­ge Glau­bensüber­zeu­gun­gen sei­ner Bürger zu be­wer­ten oder gar als "rich­tig" oder "falsch" zu be­zeich­nen; dies gilt ins­be­son­de­re dann, wenn hier­zu in­ner­halb ei­ner Re­li­gi­on di­ver­gie­ren­de An­sich­ten ver­tre­ten wer­den (vgl. BVerfG a. a. O.).

(c) Die Mus­li­min­nen, die ein in der für ih­ren Glau­ben ty­pi­schen Wei­se ge­bun­de­nes Kopf­tuch tra­gen, können sich dafür auch bei der Ausübung ih­res Be­rufs in der öffent­li­chen be­kennt­nis­of­fe­nen Schu­le, aber auch für das Tra­gen ei­ner sons­ti­gen Be­klei­dung, durch die

 

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Haa­re und Hals nach­voll­zieh­bar aus re­li­giösen Gründen be­deckt wer­den, auf den Schutz der Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG be­ru­fen (vgl. BVerfG a. a. O.).
Im vor­lie­gen­den Fall macht die Kläge­rin ei­ne re­li­giöse Mo­ti­va­ti­on für das Tra­gen ih­rer Kopf­be­de­ckun­gen gel­tend. Sie be­zeich­net de­ren Tra­gen als un­be­ding­te re­li­giöse Pflicht und als ele­men­ta­ren Be­stand­teil ei­ner am Is­lam ori­en­tier­ten Le­bens­wei­se.
Die­se re­li­giöse Fun­die­rung der Be­klei­dungs­wahl ist auch mit Rück­sicht auf die im Is­lam ver­tre­te­nen un­ter­schied­li­chen Auf­fas­sun­gen zum so­ge­nann­ten Be­de­ckungs­ge­bot nach geis­ti­gem Ge­halt und äußerer Er­schei­nung hin­rei­chend plau­si­bel. Da­bei kommt es nicht dar­auf an, dass der ge­naue In­halt der Be­klei­dungs­vor­schrif­ten für Frau­en un­ter is­la­mi­schen Ge­lehr­ten durch­aus um­strit­ten ist. Es genügt, dass die­se Be­trach­tung un­ter den ver­schie­de­nen Rich­tun­gen des Is­lam ver­brei­tet ist und ins­be­son­de­re auf zwei Stel­len im Ko­ran (Su­re 24, Vers 31; Su­re 33, Vers 59) zurück­geführt wird. Ein Be­de­ckungs­ge­bot wird im Is­lam teil­wei­se auch als un­be­ding­te Pflicht ein­ge­ord­net. Un­ter die­sen Umständen kommt es nicht dar­auf an, dass an­de­re Rich­tun­gen des Is­lam ein als ver­pflich­tend gel­ten­des Be­de­ckungs­ge­bot für Frau­en nicht ken­nen (vgl. BVerfG a. a. O. m. w. N.; vgl. auch BVerfG, 18.10. 2016, 1 BvR 354/11, NZA 2016, 1522).

(2) Die auf § 2 Neu­trG gestütz­te Un­ter­sa­gung des Tra­gens ei­nes is­la­mi­schen Kopf­tu­ches im Dienst an ei­ner all­ge­mein­bil­den­den Schu­le in der Pri­mar­stu­fe (und in der Se­kun­dar­stu­fe I) stellt ei­nen schwer­wie­gen­den Ein­griff in das Grund­recht der Kläge­rin aus Art 4 Abs. 1 und 2 GG dar.

(a) Das is­la­mi­sche Kopf­tuch ist ein auf­fal­lend re­li­giös ge­prägtes Klei­dungsstück im Sin­ne des § 2 Neu­trG. Dies er­gibt sich auch aus der Ge­set­zes­be­gründung (Druck­sa­che des Ab­ge­ord­ne­ten­hau­ses Ber­lin 15/3249 vom 08.10.2004), in der aus­drück­lich zum Ver­bot für Lehr­kräfte, im Schul­un­ter­richt ein Kopf­tuch zu tra­gen, aus­geführt wird. Hierüber be­steht zwi­schen den Par­tei­en auch kein Streit.

Auch wenn ein is­la­mi­sches Kopf­tuch nur der Erfüllung ei­nes re­li­giösen Ge­bots dient und ihm von der Träge­rin kein sym­bo­li­scher Cha­rak­ter bei­ge­mes­sen wird, son­dern es le­dig­lich als Klei­dungsstück an­ge­se­hen wird, das die Re­li­gi­on vor­schreibt, ändert dies nichts dar­an, dass es in Abhängig­keit vom so­zia­len Kon­text ver­brei­tet als Hin­weis auf die mus­li­mi­sche Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit der Träge­rin ge­deu­tet wird. In die­sem Sin­ne ist es ein re­li­giös kon­no­tier­tes Klei­dungsstück. Wird es als äußeres An­zei­chen re­li­giöser Iden­tität ver­stan­den, so be­wirkt es das Be­kennt­nis ei­ner re­li­giösen Über­zeu­gung, oh­ne dass es hierfür ei­ner be­son­de­ren Kund­ga­be­ab­sicht oder ei­nes zusätz­li­chen wir­kungs­verstärken­den Ver­hal­tens

 

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be­darf. Des­sen wird sich die Träge­rin ei­nes in ty­pi­scher Wei­se ge­bun­de­nen Kopf­tuchs re­gelmäßig auch be­wusst sein. Die­se Wir­kung kann sich - je nach den Umständen des Ein­zel­falls - auch für an­de­re For­men der Kopf- und Hals­be­de­ckung er­ge­ben (vgl. BVerfG a. a. O.).

(b) Der Ein­griff, der mit der Un­ter­sa­gung des Tra­gens ei­nes is­la­mi­schen Kopf­tuchs oder ei­ner an­de­ren Kopf- und Hals­be­de­ckung in Erfüllung ei­nes re­li­giösen Ge­bots ver­bun­den ist, wiegt schwer. Zwar ver­stellt das Ver­bot die­ser Kopf­be­de­ckung der Kläge­rin nicht den Zu­gang zum Be­ruf als Leh­re­rin (Art. 12 Abs. 1 GG), weil das Ver­bot nicht für die be­ruf­li­chen Schu­len und die Ein­rich­tun­gen des Zwei­ten Bil­dungs­we­ges gilt.

Durch § 2 Satz 1 Neu­trG ist die Kläge­rin aber aus­nahms­los von der Möglich­keit aus­ge­nom­men, an al­len Schu­len in der Pri­mar­stu­fe und an wei­terführen­den all­ge­mein­bil­den­den Schu­len in der Se­kun­dar­stu­fe I zu un­ter­rich­ten.

Dass auf die­se Wei­se fak­tisch vor al­lem strenggläubi­ge mus­li­mi­sche Frau­en von der qua­li­fi­zier­ten be­ruf­li­chen Tätig­keit als Lehr­kräfte an all­ge­mein­bil­den­den Schu­len fern­ge­hal­ten wer­den, steht zu­gleich in ei­nem recht­fer­ti­gungs­bedürf­ti­gen Span­nungs­verhält­nis zum Ge­bot der tatsächli­chen Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en (Art. 3 Abs. 2 GG). Vor die­sem Hin­ter­grund greift das ge­setz­li­che Be­kun­dungs­ver­bot in ihr Grund­recht auf Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit trotz sei­ner zeit­li­chen und ört­li­chen Be­gren­zung auf den schu­li­schen Be­reich mit er­heb­lich größerem Ge­wicht ein, als dies bei ei­ner re­li­giösen Übung oh­ne plau­si­blen Ver­bind­lich­keits­an­spruch der Fall wäre (vgl. BVerfG a. a. O.).

(3) Der Ein­griff in die Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit der Kläge­rin durch das pau­scha­le Kopf­tuch­ver­bot ist un­verhält­nismäßig und des­halb nicht ge­recht­fer­tigt.

(a) Ein­schränkun­gen des Grund­rechts aus Art. 4 Satz 1 und 2 GG müssen sich aus der Ver­fas­sung selbst er­ge­ben, weil Art. 4 Abs. 1 und 2 GG kei­nen Ge­set­zes­vor­be­halt enthält. Zu sol­chen ver­fas­sungs­im­ma­nen­ten Schran­ken zählen die Grund­rech­te Drit­ter so­wie Ge­mein­schafts­wer­te von Ver­fas­sungs­rang Als mit der Glau­bens­frei­heit in Wi­der­streit tre­ten­de Ver­fas­sungsgüter kom­men hier ne­ben dem staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag (Art. 7 Abs. 1 GG), der un­ter Wah­rung der Pflicht zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität zu erfüllen ist, das el­ter­li­che Er­zie­hungs­recht (Art. 6 Abs. 2 GG) und die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Schüler (Art. 4 Abs. 1 GG) in Be­tracht. Das nor­ma­ti­ve Span­nungs­verhält­nis zwi­schen die­sen Ver­fas­sungsgütern un­ter Berück­sich­ti­gung des

 

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To­le­ranz­ge­bots zu lösen, ob­liegt dem de­mo­kra­ti­schen Ge­setz­ge­ber, der im öffent­li­chen Wil­lens­bil­dungs­pro­zess ei­nen für al­le zu­mut­ba­ren Kom­pro­miss zu su­chen hat. Die ge­nann­ten Grund­ge­setz-Nor­men sind zu­sam­men zu se­hen, ih­re In­ter­pre­ta­ti­on und ihr Wir­kungs­be­reich sind auf­ein­an­der ab­zu­stim­men (vgl. BVerfG a. a. O.).

(b) Der Ber­li­ner Ge­setz­ge­ber ver­folgt mit § 2 Satz 1 Neu­trG le­gi­ti­me Zie­le. Sein An­lie­gen ist es, den Schul­frie­den und die staat­li­che Neu­tra­lität zu wah­ren, so den staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag ab­zu­si­chern, ge­genläufi­ge Grund­rech­te von Schülern und El­tern zu schützen und da­mit mögli­che Kon­flik­te im Be­reich der in § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 des Ber­li­ner Schul­ge­set­zes ge­nann­ten Schu­len zu ver­hin­dern (vgl. Druck­sa­che des Ber­li­ner Ab­ge­ord­ne­ten­hau­ses 15/3249, 08.10.2004).

(c) Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ist ein lan­des­wei­tes Ver­bot re­li­giöser Be­kun­dun­gen durch das äußere Er­schei­nungs­bild, na­ment­lich das Tra­gen re­li­giös kon­no­tier­ter Klei­dung, schon we­gen der bloß abs­trak­ten Eig­nung zu ei­ner Gefähr­dung des Schul­frie­dens oder der staat­li­chen Neu­tra­lität in ei­ner be­kennt­nis­of­fe­nen Schu­le un­verhält­nismäßig im en­ge­ren Sin­ne, wenn die­ses Ver­hal­ten nach­voll­zieh­bar auf ein als ver­pflich­tend ver­stan­de­nes re­li­giöses Ge­bot zurück­zuführen ist. Zwar kann das Ein­brin­gen re­li­giöser oder welt­an­schau­li­cher Bezüge in Schu­le und Un­ter­richt durch pädago­gi­sches Per­so­nal den in Neu­tra­lität zu erfüllen­den staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag, das el­ter­li­che Er­zie­hungs­recht und die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Schüler be­ein­träch­ti­gen. Es eröff­net zu­min­dest die Möglich­keit ei­ner Be­ein­flus­sung der Schul­kin­der so­wie von Kon­flik­ten mit El­tern, was zu ei­ner Störung des Schul­frie­dens führen und die Erfüllung des Er­zie­hungs­auf­trags der Schu­le gefähr­den kann. Auch die re­li­giös mo­ti­vier­te und als Kund­ga­be ei­ner Glau­bensüber­zeu­gung in­ter­pre­tier­ba­re Be­klei­dung von Lehr­kräften kann die­se Wir­kun­gen ha­ben. Al­ler­dings kommt kei­ner der ge­genläufi­gen ver­fas­sungs­recht­lich ver­an­ker­ten Po­si­tio­nen ein sol­ches Ge­wicht zu, als dass be­reits die abs­trak­te Ge­fahr ih­rer Be­ein­träch­ti­gung ein Ver­bot zu recht­fer­ti­gen vermöch­te, wenn auf der an­de­ren Sei­te das Tra­gen re­li­giös kon­no­tier­ter Be­klei­dung oder Sym­bo­le nach­voll­zieh­bar auf ein als im­pe­ra­tiv ver­stan­de­nes re­li­giöses Ge­bot zurück­zuführen ist (vgl. BVerfG a. a. O.).

(1) Das Ein­brin­gen re­li­giöser oder welt­an­schau­li­cher Bezüge in Schu­le und Un­ter­richt durch pädago­gi­sches Per­so­nal kann den in Neu­tra­lität zu erfüllen­den staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag, das el­ter­li­che Er­zie­hungs­recht und die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Schüler be­ein­träch­ti­gen. Es eröff­net zu­min­dest die Möglich­keit ei­ner Be­ein­flus­sung der Schul­kin­der so­wie von Kon­flik­ten mit El­tern, was zu ei­ner Störung des Schul­frie­dens führen

 

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und die Erfüllung des Er­zie­hungs­auf­trags der Schu­le gefähr­den kann. Auch die re­li­giös mo­ti­vier­te und als Kund­ga­be ei­ner Glau­bensüber­zeu­gung in­ter­pre­tier­ba­re Be­klei­dung von Lehr­kräften kann die­se Wir­kun­gen ha­ben. Al­ler­dings kommt kei­ner der ge­genläufi­gen ver­fas­sungs­recht­lich ver­an­ker­ten Po­si­tio­nen ein sol­ches Ge­wicht zu, als dass be­reits die abs­trak­te Ge­fahr ih­rer Be­ein­träch­ti­gung ein Ver­bot zu recht­fer­ti­gen vermöch­te, wenn auf der an­de­ren Sei­te das Tra­gen re­li­giös kon­no­tier­ter Be­klei­dung oder Sym­bo­le nach­voll­zieh­bar auf ein als im­pe­ra­tiv ver­stan­de­nes re­li­giöses Ge­bot zurück­zuführen ist (vgl. BVerfG, 27.01.2015, 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, BVerfGE 138, 296 m. w. N.).

(aa) Die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Schüle­rin­nen und Schüler (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) gewähr­leis­tet die Frei­heit, kul­ti­schen Hand­lun­gen ei­nes nicht ge­teil­ten Glau­bens fern­zu­blei­ben; das be­zieht sich auch auf Ri­ten und Sym­bo­le, in de­nen ein Glau­be oder ei­ne Re­li­gi­on sich dar­stel­len. Die Ein­zel­nen ha­ben in ei­ner Ge­sell­schaft, die un­ter­schied­li­chen Glau­bensüber­zeu­gun­gen Raum gibt, al­ler­dings kein Recht dar­auf, von der Kon­fron­ta­ti­on mit ih­nen frem­den Glau­bens­be­kun­dun­gen, kul­ti­schen Hand­lun­gen und re­li­giösen Sym­bo­len ver­schont zu blei­ben. Da­von zu un­ter­schei­den ist aber ei­ne vom Staat ge­schaf­fe­ne La­ge, in wel­cher der Ein­zel­ne oh­ne Aus­weichmöglich­kei­ten dem Ein­fluss ei­nes be­stimm­ten Glau­bens, den Hand­lun­gen, in de­nen sich die­ser ma­ni­fes­tiert, und den Sym­bo­len, in de­nen er sich dar­stellt, aus­ge­setzt ist. In ei­ner un­aus­weich­li­chen Si­tua­ti­on be­fin­den sich Schüle­rin­nen und Schüler zwar auch dann, wenn sie sich in­fol­ge der all­ge­mei­nen Schul­pflicht während des Un­ter­richts oh­ne Aus­weichmöglich­keit ei­ner vom Staat an­ge­stell­ten Leh­re­rin ge­genüber se­hen, die ein is­la­mi­sches Kopf­tuch trägt. Im Blick auf die Wir­kung re­li­giöser Aus­drucks­mit­tel ist al­ler­dings da­nach zu un­ter­schei­den, ob das in Fra­ge ste­hen­de Zei­chen auf Ver­an­las­sung der Schul­behörde oder auf­grund ei­ner ei­ge­nen Ent­schei­dung von ein­zel­nen Pädago­gin­nen und Pädago­gen ver­wen­det wird, die hierfür das in­di­vi­du­el­le Frei­heits­recht des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in An­spruch neh­men können. Der Staat, der ei­ne mit dem Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs ver­bun­de­ne re­li­giöse Aus­sa­ge ei­ner ein­zel­nen Leh­re­rin oder ei­ner pädago­gi­schen Mit­ar­bei­te­rin hin­nimmt, macht die­se Aus­sa­ge nicht schon da­durch zu sei­ner ei­ge­nen und muss sie sich auch nicht als von ihm be­ab­sich­tigt zu­rech­nen las­sen (vgl. BVerfG a. a. O. m. w. N.).

Zwar trifft die für das Tra­gen ei­nes is­la­mi­schen Kopf­tuchs in der Schu­le in An­spruch ge­nom­me­ne Glau­bens­frei­heit der Leh­re­rin auf die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Schüle­rin­nen und Schüler. Doch ist das Tra­gen ei­nes is­la­mi­schen Kopf­tuchs, ei­ner ver­gleich­ba­ren Kopf- und Hals­be­de­ckung oder sonst re­li­giös kon­no­tier­ten Be­klei­dung nicht von vorn­her­ein da­zu an­ge­tan, die ne­ga­ti­ve Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit der

 

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Schüle­rin­nen und Schüler zu be­ein­träch­ti­gen. So­lan­ge die Lehr­kräfte, die nur ein sol­ches äußeres Er­schei­nungs­bild an den Tag le­gen, nicht ver­bal für ih­re Po­si­ti­on oder für ih­ren Glau­ben wer­ben und die Schüle­rin­nen und Schüler über ihr Auf­tre­ten hin­aus­ge­hend zu be­ein­flus­sen ver­su­chen, wird de­ren ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit grundsätz­lich nicht be­ein­träch­tigt. Die Schüle­rin­nen und Schüler wer­den le­dig­lich mit der aus­geübten po­si­ti­ven Glau­bens­frei­heit der Lehr­kräfte in Form ei­ner glau­bens­gemäßen Be­klei­dung kon­fron­tiert, was im Übri­gen durch das Auf­tre­ten an­de­rer Lehr­kräfte mit an­de­rem Glau­ben oder an­de­rer Welt­an­schau­ung in al­ler Re­gel re­la­ti­viert und aus­ge­gli­chen wird. In­so­fern spie­gelt sich in der be­kennt­nis­of­fe­nen Schu­le die re­li­giös-plu­ra­lis­ti­sche Ge­sell­schaft wi­der (vgl. BVerfG a. a. O. m. w. N.).

(bb) Aus dem El­tern­grund­recht er­gibt sich nichts an­de­res. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ga­ran­tiert den El­tern die Pfle­ge und Er­zie­hung ih­rer Kin­der als natürli­ches Recht und um­fasst zu­sam­men mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG auch das Recht zur Kin­der­er­zie­hung in re­li­giöser und welt­an­schau­li­cher Hin­sicht; da­her ist es zuvörderst Sa­che der El­tern, ih­ren Kin­dern die­je­ni­gen Über­zeu­gun­gen in Glau­bens- und Welt­an­schau­ungs­fra­gen zu ver­mit­teln, die sie für rich­tig hal­ten. Dem ent­spricht das Recht, die Kin­der von Glau­bensüber­zeu­gun­gen fern­zu­hal­ten, die den El­tern als falsch oder schädlich er­schei­nen. Je­doch enthält Art. 6 Abs. 2 GG kei­nen aus­sch­ließli­chen Er­zie­hungs­an­spruch der El­tern. Ei­genständig und in sei­nem Be­reich gleich­ge­ord­net ne­ben den El­tern übt der Staat, dem nach Art. 7 Abs. 1 GG die Auf­sicht über das ge­sam­te Schul­we­sen über­tra­gen ist, in der Schu­le ei­nen ei­ge­nen Er­zie­hungs­auf­trag aus (vgl. BVerfG a. a. O. m. w. N.).

Ein et­wai­ger An­spruch, die Schul­kin­der vom Ein­fluss sol­cher Lehr­kräfte fern­zu­hal­ten, die ei­ner ver­brei­te­ten re­li­giösen Be­de­ckungs­re­gel fol­gen, lässt sich aus dem El­tern­grund­recht da­nach nicht her­lei­ten, so­weit da­durch die ne­ga­ti­ve Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit der Schüle­rin­nen und Schüler nicht be­ein­träch­tigt ist. Auch die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der El­tern, die hier im Ver­bund mit dem el­ter­li­chen Er­zie­hungs­recht ih­re Wir­kung ent­fal­ten kann, ga­ran­tiert kei­ne Ver­scho­nung von der Kon­fron­ta­ti­on mit re­li­giös kon­no­tier­ter Be­klei­dung von Lehr­kräften, die nur den Schluss auf die Zu­gehörig­keit zu ei­ner an­de­ren Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung zulässt, von der aber sonst kein ge­ziel­ter be­ein­flus­sen­der Ef­fekt aus­geht. Das gilt in Fällen der vor­lie­gen­den Art ge­ra­de des­halb, weil nicht ein dem Staat zu­re­chen­ba­res glau­bens­ge­lei­te­tes Ver­hal­ten in Re­de steht, son­dern ei­ne er­kenn­bar in­di­vi­du­el­le Grund­rechts­ausübung (vgl. BVerfG a. a. O.).

 

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(cc) Darüber hin­aus steht auch der staat­li­che Er­zie­hungs­auf­trag (Art. 7 Abs. 1 GG), der un­ter Wah­rung der Pflicht zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität zu erfüllen ist, der Betäti­gung der po­si­ti­ven Glau­bens­frei­heit der Pädago­gin­nen durch das Tra­gen ei­nes is­la­mi­schen Kopf­tuchs nicht ge­ne­rell ent­ge­gen. Er ver­mag ein Ver­bot sol­chen äußeren Ver­hal­tens, das auf ein nach­voll­zieh­bar als im­pe­ra­tiv ver­stan­de­nes Glau­bens­ge­bot zurück­geht, erst dann zu recht­fer­ti­gen, wenn ei­ne hin­rei­chend kon­kre­te Ge­fahr für den zur Erfüllung des Er­zie­hungs­auf­trags not­wen­di­gen Schul­frie­den oder die staat­li­che Neu­tra­lität fest­stell­bar ist (vgl. BVerfG a. a. O.).

Das Grund­ge­setz be­gründet für den Staat als Heim­statt al­ler Staatsbürger in Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 GG so­wie durch Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV in Ver­bin­dung mit Art. 140 GG die Pflicht zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität. Es ver­wehrt die Einführung staats­kirch­li­cher Rechts­for­men und un­ter­sagt die Pri­vi­le­gie­rung be­stimm­ter Be­kennt­nis­se eben­so wie die Aus­gren­zung An­dersgläubi­ger. Der Staat hat auf ei­ne am Gleich­heits­satz ori­en­tier­te Be­hand­lung der ver­schie­de­nen Re­li­gi­ons- und Welt­an­schau­ungs­ge­mein­schaf­ten zu ach­ten und darf sich nicht mit ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft iden­ti­fi­zie­ren. Der frei­heit­li­che Staat des Grund­ge­set­zes ist ge­kenn­zeich­net von Of­fen­heit ge­genüber der Viel­falt welt­an­schau­lich-re­li­giöser Über­zeu­gun­gen und gründet dies auf ein Men­schen­bild, das von der Würde des Men­schen und der frei­en Ent­fal­tung der Persönlich­keit in Selbst­be­stim­mung und Ei­gen­ver­ant­wor­tung ge­prägt ist (vgl. BVerfG a. a. O. m. w. N.).

Die dem Staat ge­bo­te­ne welt­an­schau­lich-re­li­giöse Neu­tra­lität ist in­des­sen nicht als ei­ne dis­tan­zie­ren­de im Sin­ne ei­ner strik­ten Tren­nung von Staat und Kir­che zu ver­ste­hen, son­dern als ei­ne of­fe­ne und überg­rei­fen­de, die Glau­bens­frei­heit für al­le Be­kennt­nis­se glei­cher­maßen fördern­de Hal­tung. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ge­bie­tet auch im po­si­ti­ven Sinn, den Raum für die ak­ti­ve Betäti­gung der Glau­bensüber­zeu­gung und die Ver­wirk­li­chung der au­to­no­men Persönlich­keit auf welt­an­schau­lich-re­li­giösem Ge­biet zu si­chern. Der Staat darf le­dig­lich kei­ne ge­ziel­te Be­ein­flus­sung im Diens­te ei­ner be­stimm­ten po­li­ti­schen, ideo­lo­gi­schen oder welt­an­schau­li­chen Rich­tung be­trei­ben oder sich durch von ihm aus­ge­hen­de oder ihm zu­zu­rech­nen­de Maßnah­men aus­drück­lich oder kon­klu­dent mit ei­nem be­stimm­ten Glau­ben oder ei­ner be­stimm­ten Welt­an­schau­ung iden­ti­fi­zie­ren und da­durch den re­li­giösen Frie­den in ei­ner Ge­sell­schaft von sich aus gefähr­den. Auch ver­wehrt es der Grund­satz welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität dem Staat, Glau­ben und Leh­re ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft als sol­che zu be­wer­ten (vgl. BVerfG a. a. O. m. w. N.).

 

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Dies gilt auch für den vom Staat in Vor­sor­ge ge­nom­me­nen Be­reich der Schu­le, für den sei­ner Na­tur nach re­li­giöse und welt­an­schau­li­che Vor­stel­lun­gen von je­her re­le­vant wa­ren. Da­nach sind et­wa christ­li­che Bezüge bei der Ge­stal­tung der öffent­li­chen Schu­le nicht aus­ge­schlos­sen; die Schu­le muss aber auch für an­de­re welt­an­schau­li­che und re­li­giöse In­hal­te und Wer­te of­fen sein. Weil Bezüge zu ver­schie­de­nen Re­li­gio­nen und Welt­an­schau­un­gen bei der Ge­stal­tung der öffent­li­chen Schu­le möglich sind, ist für sich ge­nom­men auch die bloß am äußeren Er­schei­nungs­bild her­vor­tre­ten­de Sicht­bar­keit re­li­giöser oder welt­an­schau­li­cher Zu­gehörig­keit ein­zel­ner Lehr­kräfte - un­abhängig da­von, wel­che Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung im Ein­zel­fall be­trof­fen ist - durch die dem Staat ge­bo­te­ne welt­an­schau­lich-re­li­giöse Neu­tra­lität nicht oh­ne Wei­te­res aus­ge­schlos­sen. In die­ser Of­fen­heit be­wahrt der frei­heit­li­che Staat des Grund­ge­set­zes sei­ne re­li­giöse und welt­an­schau­li­che Neu­tra­lität (vgl. BVerfG a. a. O. m. w. N.).

(d) Im vor­lie­gen­den Fall ver­drängt § 2 Satz 1 Neu­trG in un­an­ge­mes­se­ner Wei­se das Grund­recht der Kläge­rin aus Art. 4 Satz 1 und 2 GG. Wie oben un­ter (c) aus­geführt wur­de, ist mit dem Tra­gen ei­nes Kopf­tu­ches durch ein­zel­ne Leh­re­rin­nen - an­ders als dies beim staat­lich ver­ant­wor­te­ten Kreuz oder Kru­zi­fix im Schul­zim­mer der Fall ist - kei­ne Iden­ti­fi­zie­rung des Staa­tes mit ei­nem be­stimm­ten Glau­ben ver­bun­den. Auch ei­ne Wer­tung in dem Sin­ne, dass das glau­bens­ge­lei­te­te Ver­hal­ten der Leh­re­rin­nen schul­seits als vor­bild­haft an­ge­se­hen und schon des­halb der Schul­frie­den oder die staat­li­che Neu­tra­lität gefähr­det oder gestört wer­den könn­te, ist ei­ner ent­spre­chen­den Dul­dung durch den Dienst­herrn nicht bei­zu­le­gen. Hin­zu kommt, dass die Kläge­rin ei­nem nach­voll­zieh­bar als ver­pflich­tend emp­fun­de­nen Glau­bens­ge­bot Fol­ge leis­tet. Da­durch enthält ih­re Glau­bens­frei­heit in der Abwägung mit dem Grund­rech­ten der Schüle­rin­nen und Schüler so­wie der El­tern, die der welt­an­schau­lich-re­li­giös neu­tra­le Staat auch im schu­li­schen Be­reich schützen muss, ein er­heb­lich größeres Ge­wicht als dies bei ei­ner dis­po­ni­blen Glau­bens­re­gel der Fall wäre (vgl. ent­spre­chend BVerfG a. a. O.).

dd) Auf­grund der Recht­spre­chung des Ers­ten Se­nats des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu den Kopf­tuch­ver­bo­ten in öffent­li­chen Schu­len und öffent­li­chen Kin­der­ta­gesstätten und auf­grund der Ausführun­gen oben un­ter cc) be­ste­hen er­heb­li­che Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit der Re­ge­lung in § 2 Satz 1 Neu­trG.

Ei­ner Vor­la­ge an das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt gem. § 100 Abs. 1 GG durch die er­ken­nen­de Kam­mer be­durf­te es je­doch nicht, weil die Re­ge­lung in § 2 Satz 1 Neu­trG ver­fas­sungs­kon­form aus­ge­legt wer­den kann.

 

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Ei­ne ein­schränken­de Aus­le­gung des § 2 Satz 1 Neu­trG ist möglich und von Ver­fas­sungs we­gen ge­bo­ten.

(1) Ei­ne ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung von Ge­set­zen dient der Ver­mei­dung ei­ner Norm­ver­wer­fung und ist da­mit dem Ge­sichts­punkt der größtmögli­chen Scho­nung der Ge­setz­ge­bung ge­schul­det. Sie nimmt Rück­sicht dar­auf, dass die Norm auch an­de­re An­wen­dungs­be­rei­che hat, die sich von der je­wei­li­gen Fall­ge­stal­tung un­ter­schei­den. Der ein­schränken­den Aus­le­gung ei­nes pau­scha­len Kopf­tuch­ver­bots steht nicht ent­ge­gen, dass dem Ge­setz­ge­ber ent­ste­hungs­ge­schicht­lich ein Kopf­tuch­ver­bot als ty­pi­scher An­wen­dungs­fall der Vor­schrift vor­ge­schwebt hat. Der Norm kann den­noch ein we­ni­ger weit­rei­chen­der An­wen­dungs­be­reich zu­er­kannt wer­den. Die ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung fin­det ih­re Gren­zen dort, wo sie zum Wort­laut und dem klar er­kenn­ba­ren Wil­len des Ge­setz­ge­bers in Wi­der­spruch tre­ten würde. Der Re­spekt vor dem de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­ten Ge­setz­ge­ber ver­bie­tet es, im We­ge der Aus­le­gung ei­nem nach Sinn und Wort­laut ein­deu­ti­gen Ge­setz ei­nen ent­ge­gen­ge­setz­ten Sinn bei­zu­le­gen oder den nor­ma­ti­ven Ge­halt ei­ner Vor­schrift grund­le­gend neu zu be­stim­men (vgl. BVerfG, 27.01.2015, 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10 a. a. O. und BVerfG, 18.10.2016, 1 BvR 354/11 a. a. O.).

(2) § 2 Satz 1 Neu­trG war da­hin aus­zu­le­gen, dass Vor­aus­set­zung für das Ver­bot des Tra­gens von auf­fal­lend re­li­giös ge­prägten Klei­dungsstücken nicht nur das Vor­lie­gen ei­ner abs­trak­ten, son­dern ei­ne hin­rei­chend kon­kre­te Ge­fahr für die re­li­giöse Neu­tra­lität der öffent­li­chen Schu­len ge­genüber den Schülern und/oder für den Schul­frie­den aus­ge­hen muss.

(a) Von je­her geht das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt da­von aus, dass es für die Aus­le­gung ei­ner Norm auf den in die­ser zum Aus­druck kom­men­den ob­jek­ti­vier­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers an­kommt, so wie er sich aus dem Wort­laut der Vor­schrift und dem Sinn­zu­sam­men­hang er­gibt, in den sie hin­ein­ge­stellt ist. Nicht ent­schei­dend ist da­ge­gen die sub­jek­ti­ve Vor­stel­lung der am Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren be­tei­lig­ten Or­ga­ne oder ein­zel­ner ih­rer Mit­glie­der. Der Ent­ste­hungs­ge­schich­te kommt für die Aus­le­gung zwar grundsätz­lich nur in­so­fern Be­deu­tung zu, als sie die Rich­tig­keit ei­ner nach den an­ge­ge­be­nen Grundsätzen er­mit­tel­ten Aus­le­gung bestätigt oder Zwei­fel be­hebt, die auf dem an­ge­ge­be­nen Weg al­lein nicht aus­geräumt wer­den können. Vor­ar­bei­ten für ein Ge­setz können da­her in der Re­gel bloß un­terstützend ver­wer­tet, die in den Ge­setz­ge­bungs­ma­te­ria­li­en do­ku­men­tier­ten

 

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Vor­stel­lun­gen der ge­setz­ge­ben­den In­stan­zen nicht mit dem ob­jek­ti­ven Ge­set­zes­in­halt gleich­ge­setzt wer­den. Für die Er­fas­sung des ob­jek­ti­ven Wil­lens des Ge­setz­ge­bers sind viel­mehr al­le an­er­kann­ten Aus­le­gungs­me­tho­den her­an­zu­zie­hen, das heißt die gram­ma­ti­ka­li­sche, sys­te­ma­ti­sche, te­leo­lo­gi­sche und his­to­ri­sche Aus­le­gung. Die­se Me­tho­den ergänzen sich ge­gen­sei­tig, wo­bei kei­ne ei­nen un­be­ding­ten Vor­rang vor ei­ner an­de­ren hat (vgl. z.B. BVerfG, 31.03.2016, 2 BvR 1576/13, NVwZ-RR 2016, 521 m. w. N.).

(b) Nach dem Wort­laut des § 2 Satz 1 Neu­trG han­delt es sich zwar um ein pau­scha­les - und da­mit an sich ver­fas­sungs­wid­ri­ges - Ver­bot. Die sys­te­ma­ti­sche und die te­leo­lo­gi­sche Aus­le­gung lässt je­doch ei­ne ein­schränken­de Aus­le­gung da­hin zu, dass das Ver­bot nur bei Vor­lie­gen ei­ner kon­kre­ten Ge­fahr gilt. § 3 Satz 2 Neu­trG lässt nämlich Aus­nah­men vom Ver­bot des § 2 Satz 1 Neu­trG zu. Da­nach kann die obers­te Dienst­behörde Aus­nah­men zu­las­sen, wenn da­durch die welt­an­schau­lich-re­li­giöse Neu­tra­lität der öffent­li­chen Schu­len ge­genüber Schüle­rin­nen und Schülern nicht in­fra­ge ge­stellt und der Schul­frie­den nicht gefähr­det oder gestört wird. Aus der Ge­set­zes­be­gründung er­gibt sich, dass es dem Ge­setz­ge­ber dar­um ging, die ge­setz­li­che Grund­la­ge für ein Kopf­tuch­ver­bot zur Ge­fah­ren­ab­wehr zu schaf­fen, nach­dem der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts in der Ent­schei­dung vom 24. Sep­tem­ber 2003 (2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282) ent­schie­den hat­te, ein Kopf­tuch­ver­bot an öffent­li­chen Schu­len oh­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge sei ver­fas­sungs­wid­rig.

So­mit kann § 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Satz 2 Neu­trG da­hin aus­ge­legt wer­den, dass das be­klag­te Land Lehr­kräften das Tra­gen re­li­giös ge­prägter Klei­dungsstücke dann un­ter­sa­gen kann, wenn da­durch die welt­an­schau­lich-re­li­giöse Neu­tra­lität ei­ner öffent­li­chen Schu­le oder sämt­li­cher öffent­li­cher Schu­len in ei­nem be­stimm­ten Be­zirk ge­genüber Schüle­rin­nen und Schülern gefähr­det oder gestört wird.

Un­ter Zu­grun­de­le­gung der Ausführun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts in der Ent­schei­dung vom 27. Ja­nu­ar 2015 (1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10) kann dies bei­spiels­wei­se in Si­tua­tio­nen denk­bar sein, in de­nen - ins­be­son­de­re von älte­ren Schülern oder El­tern - über die Fra­ge des rich­ti­gen re­li­giösen Ver­hal­tens sehr kon­tro­ver­se Po­si­tio­nen mit Nach­druck ver­tre­ten und in ei­ner Wei­se in die Schu­le hin­ein­ge­tra­gen würden, wel­che die schu­li­schen Abläufe und die Erfüllung des staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­tra­ges ernst­haft be­ein­träch­tig­ten, so­fern die Sicht­bar­keit re­li­giöser Über­zeu­gun­gen und Be­klei­dungs­prak­ti­ken die­sen Kon­flikt er­zeug­te oder schürte.

 

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Fer­ner kann ein ver­fas­sungs­recht­lich an­zu­er­ken­nen­des Bedürf­nis be­ste­hen, äußere re­li­giöse Be­kun­dun­gen nicht erst in ei­nem kon­kre­ten Ein­zel­fall, son­dern et­wa für be­stimm­te Schu­len oder Schul­be­zir­ke über ei­ne ge­wis­se Zeit auch all­ge­mei­ner zu un­ter­bin­den. Dies kann dann der Fall sein, wenn in be­stimm­ten Schu­len oder Schul­be­zir­ken auf­grund sub­stan­zi­el­ler Kon­flikt­la­gen über das rich­ti­ge re­li­giöse Ver­hal­ten be­reich­spe­zi­fisch die Schwel­le zu ei­ner hin­rei­chend kon­kre­ten Gefähr­dung oder Störung des Schul­frie­dens oder der staat­li­chen Neu­tra­lität in ei­ner be­acht­li­chen Zahl von Fällen er­reicht ist (vgl. BVerfG a. a. O.).

ee) Das be­klag­te Land hat im vor­lie­gen­den Fall nicht be­haup­tet, dass das äußere Er­schei­nungs­bild ge­ra­de der Kläge­rin zu ei­ner hin­rei­chend kon­kre­ten Gefähr­dung oder Störung des Schul­frie­dens oder der staat­li­chen Neu­tra­lität führe oder we­sent­lich da­zu bei­tra­ge.

Das be­klag­te Land hat auch nicht be­haup­tet, dass in den Schu­len al­ler Ber­li­ner Be­zir­ke auf­grund sub­stan­ti­el­ler Kon­flikt­la­gen über das rich­ti­ge re­li­giöse Ver­hal­ten be­reich­spe­zi­fisch die Schwel­le zu ei­ner hin­rei­chend kon­kre­ten Gefähr­dung oder Störung des Schul­frie­dens oder der staat­li­chen Neu­tra­lität in ei­ner be­acht­li­chen Zahl von Fällen er­reicht wur­de. Die vom Ar­beits­ge­richt in der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung zi­tier­te Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg zu ei­nem Ber­li­ner Gym­na­si­um schil­dert an­schau­lich ein sol­ches Bei­spiel. Es ist je­doch nicht er­kenn­bar, dass sol­che Zustände in sämt­li­chen Ber­li­ner Schu­len herr­schen. Dies mag in Be­zir­ken wie z. B. Kreuz­berg, Neukölln oder im Wed­ding der Fall sein, in de­nen mögli­cher­wei­se die Mehr­zahl der Schüler ei­nen Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund hat und mögli­cher­wei­se in der Über­zahl dem is­la­mi­schen Glau­ben an­gehört. Auf­grund wel­cher Tat­sa­chen aber sol­che sub­stan­ti­el­len Kon­flikt­la­gen bei­spiels­wei­se auch in Froh­nau, Dah­lem, Gru­ne­wald oder Sch­mar­gen­dorf be­ste­hen könn­ten, ist nicht er­sicht­lich.

Sch­ließlich hat das be­klag­te Land auch nicht be­haup­tet, das von der Kläge­rin zusätz­lich zu dem Tra­gen des is­la­mi­schen Kopf­tu­ches durch ein be­stimm­tes Ver­hal­ten oder an­de­re Umstände ei­ne kon­kre­te Ge­fahr aus­ge­hen könn­te, wie z. B. ge­wich­ti­ge ver­ba­le Äußerun­gen oder ein of­fe­nes wer­ben­des Ver­hal­ten (vgl. hier­zu z. B. BVerfG, 27.01.2015, 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10 und BVerfG, 18.10.2016, 1 BvR 354/11, jew. a. a. O.).

 

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Das be­klag­te Land hat sich - nach sei­ner Rechts­auf­fas­sung kon­se­quent - auf die Re­ge­lung in § 2 Satz 1 Neu­trG be­ru­fen, die nach ih­rem Wort­laut das Vor­lie­gen ei­ner kon­kre­ten Ge­fahr nicht ver­langt.

Auch in der münd­li­chen Ver­hand­lung über die Be­ru­fung hat das be­klag­te Land nicht be­haup­tet, von der Kläge­rin ge­he - ab­ge­se­hen von ih­rem Kopf­tuch - ei­ne kon­kre­te Ge­fahr aus und das be­klag­te Land hat auch in der münd­li­chen Ver­hand­lung nicht et­wa be­haup­tet, in sämt­li­chen Ber­li­ner Schu­len bestünden dau­er­haft sub­stan­ti­el­le re­li­giöse Kon­flikt­la­gen.

5.) Gem. § 15 Abs. 2 AGG war der Kläge­rin ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung zu­zu­spre­chen.

a) Bei der Be­ur­tei­lung der an­ge­mes­se­nen Höhe der fest­zu­set­zen­den Entschädi­gung gem. § 15 Abs. 2 AGG sind al­le Umstände des Ein­zel­fal­les, wie et­wa die Art und Schwe­re der Be­nach­tei­li­gung, ih­re Dau­er und Fol­gen, der An­lass und der Be­weg­grund des Han­delns und der Sank­ti­ons­zweck der Entschädi­gungs­norm zu berück­sich­ti­gen. Die Entschädi­gung muss ei­nen tatsächli­chen und wirk­sa­men recht­li­chen Schutz gewähr­leis­ten. Die Härte der Sank­tio­nen muss der Schwe­re des Ver­s­toßes ent­spre­chen, in­dem sie ins­be­son­de­re ei­ne wirk­lich ab­schre­cken­de Wir­kung ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber gewähr­leis­tet, zu­gleich aber den all­ge­mei­nen Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit wahrt (vgl. z. B. BAG, 19.05.2016, 8 AZR 470/14, NZA 2016, 1395; BAG, 17.12.2015, 8 AZR 421/14, NZA 2016, 888 und BAG, 22.01.2009, 8 AZR 906/07, NZA 2009, 945, jew. m. w. N.).

b) Im vor­lie­gen­den Fall war zunächst zu berück­sich­ti­gen, dass die Kläge­rin ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ih­rer aus­geübten Re­li­gi­on er­lit­ten hat, in­dem ihr das be­klag­te Land die Beschäfti­gung als Leh­re­rin an ei­ner all­ge­mein­bil­den­den Schu­le der Pri­mar­stu­fe ver­wehrt hat, ob­wohl in die­sem Be­reich ein er­heb­li­cher Ein­stel­lungs­be­darf be­stand. Zu berück­sich­ti­gen war aber auch, dass die Kläge­rin zwar nicht auf­grund des „Cas­tings“ vom 29. April 2015, aber auf­grund des „Cas­tings“ vom 27. Mai 2015 hätte ein­ge­stellt wer­den können. Bei die­sem zwei­ten „Cas­ting“ such­te das be­klag­te Land un­strei­tig nicht nur Grund­schul­leh­rer, son­dern auch Leh­rer für Be­rufs­schu­len, in de­nen die Kläge­rin gem. § 3 Satz 1 Neu­trG oh­ne wei­te­res mit Kopf­tuch hätte un­ter­rich­ten können. Um die­se Ein­stel­lungsmöglich­keit brach­te sich die Kläge­rin selbst, in­dem sie trotz der Ein­la­dung nicht er­schien. Zu­dem hätte die Kläge­rin nach ih­rem ei­ge­nen Vor­trag die El­tern­zeit nur für die Beschäfti­gung an ei­ner Grund­schu­le vor­zei­tig be­en­det. Die Kläge­rin nahm auch nicht den im Kam­mer­ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt am 14. April 2016 an­ge­bo­te­nen Ar­beits­ver­trag an,

 

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eben­so we­nig wie den in der münd­li­chen Ver­hand­lung über die Be­ru­fung vom 9. Fe­bru­ar 2017 an­ge­bo­te­nen Ar­beits­ver­trag. Zwi­schen den Par­tei­en ist aber un­strei­tig, dass die Kläge­rin bei der An­nah­me ei­nes der An­ge­bo­te vom Un­ter­richt in der Pri­mar­stu­fe und der Se­kun­dar­stu­fe I an all­ge­mein­bil­den­den Schu­len al­lein auf­grund ih­res is­la­mi­schen Kopf­tu­ches aus­ge­schlos­sen wor­den wäre.

Des Wei­te­ren war zu berück­sich­ti­gen, dass sich das be­klag­te Land bei der Ab­leh­nung der Beschäfti­gung der Kläge­rin in ei­ner Grund­schu­le le­dig­lich an das gel­ten­de Neu­tra­litäts­ge­setz hal­ten woll­te und aus sei­ner Sicht ge­hal­ten hat, denn das Neu­tra­litäts­ge­setz sieht nach dem Wort­laut des § 2 Satz 1 ein pau­scha­les Kopf­tuch­ver­bot u. a. an Grund­schu­len vor. Die­ses Ge­setz war auf­grund der Ent­schei­dung des Zwei­ten Se­nats des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 24. Sep­tem­ber 2003 (2 BvR 1436/02) ver­ab­schie­det wor­den. Das be­klag­te Land hat­te aber auf­grund der Ent­schei­dung des Ers­ten Se­nats des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27. Ja­nu­ar 2015 (1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10) Ver­an­las­sung, das Neu­tra­litäts­ge­setz auf sei­ne Ver­fas­sungsmäßig­keit zu über­prüfen, denn der Ers­te Se­nat des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts hat­te ein im Bun­des­land Nord­rhein-West­fa­len lan­des­weit gel­ten­des ge­setz­li­ches Ver­bot re­li­giöser Be­kun­dun­gen durch das äußere Er­schei­nungs­bild schon we­gen ei­ner bloß abs­trak­ten Ge­fahr für den Schul­frie­den oder die staat­li­che Neu­tra­lität für un­verhält­nismäßig ge­hal­ten und ei­ne ein­schränken­de Aus­le­gung der Ver­bots­norm vor­ge­nom­men. Die­se Ent­schei­dung war zum Zeit­punkt des „Cas­tings“ vom 29. April 2015 je­den­falls im Er­geb­nis be­kannt und die Kläge­rin be­rief sich während des „Cas­tings“ so­gar aus­drück­lich auf die­se Ent­schei­dung. Dar­auf­hin wur­de der Kläge­rin nicht et­wa bei­spiels­wei­se erklärt, man wer­de recht­lich prüfen las­sen, ob sie nun­mehr trotz des Kopf­tuchs ei­ne der zu be­set­zen­den Stel­len als Grund­schul­leh­re­rin er­hal­ten könne. Statt­des­sen ver­trat und ver­tritt das be­klag­te Land die An­sicht, die Kläge­rin dürfe mit ei­nem is­la­mi­schen Kopf­tuch nicht an ei­ner Grund­schu­le un­ter­rich­ten, ob­wohl der wis­sen­schaft­li­che Par­la­ments­dienst des Ber­li­ner Ab­ge­ord­ne­ten­hau­ses in sei­nem Gut­ach­ten vom 25. Ju­li 2015 so­gar zu dem Er­geb­nis ge­kom­men war, § 2 Satz 1 Neu­trG könne nicht ver­fas­sungs­kon­form aus­ge­legt und müsse geändert wer­den. Ei­ne sol­che Ände­rung hat­te das be­klag­te Land auch zum Zeit­punkt der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 9. Fe­bru­ar 2017 noch nicht vor­ge­nom­men.

Un­ter Berück­sich­ti­gung der oben näher aus­geführ­ten Tat­sa­chen, dass der Kläge­rin nicht die Ein­stel­lung als Leh­re­rin, son­dern nur die gewünsch­te und mögli­che Beschäfti­gung an ei­ner Grund­schu­le ver­sagt wur­de, ob­wohl die ers­te Kopf­tuch­ent­schei­dung des Ers­ten Se­nats des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts schon be­kannt war und weil die Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin we­gen ih­res Kopf­tuchs an­dau­ert, hielt die Kam­mer ei­ne Entschädi­gung in Höhe von zwei

 

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Mo­nats­ver­diens­ten für an­ge­mes­sen, aber auch für aus­rei­chend. Un­strei­tig wäre die Kläge­rin als Grund­schul­leh­re­rin mit ei­ner Vergütung gemäß Ent­gelt­grup­pe E11 Stu­fe 5 TV-L ein­ge­stellt wor­den, was ei­nem mo­nat­li­chen Brut­to­ge­halt von 4.340,-- € ent­sprach.

C

I.

Die Kos­ten­ent­schei­dung er­gibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO.

II.

Die Re­vi­si­on wur­de für das be­klag­te Land gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­ge­las­sen.

III.

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on für die Kläge­rin kam gem. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht in Be­tracht. Hin­sicht­lich der Höhe der Entschädi­gung han­delt es sich um ei­ne am Ein­zel­fall ori­en­tier­te Ent­schei­dung oh­ne grundsätz­li­che recht­li­che Be­deu­tung. Ei­ne Di­ver­genz zu an­de­ren ober­ge­richt­li­chen Ent­schei­dun­gen ist nicht er­kenn­bar.

Sch. L. B.

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