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BAG, Ur­teil vom 03.03.1993, 5 AZR 182/92

   
Schlagworte: Zeugnis, Zeugnis: Geschäftspapier
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZR 182/92
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 03.03.1993
   
Leitsätze: Werden im Geschäftszweig des Arbeitgebers für schriftliche Äußerungen üblicherweise Firmenbögen verwendet und verwendet auch der Arbeitgeber solches Geschäftspapier, so ist ein Zeugnis nur dann ordnungsmäßig, wenn es auf Firmenpapier geschrieben ist.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Siegburg
Landesarbeitsgericht Köln
   

5 AZR 182/92
7 Sa 1017/91 Köln

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

3. März 1993

Ur­teil


Clo­bes,
Amts­in­spek­tor
als Ur­kunds­be­am­ter
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen


pp.

hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 3. März 1993 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter Prof Dr. Tho­mas, die Rich­ter Dr. Geh­ring und Dr. Rost so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Arnt­zen und Heel für Recht er­kannt:


1. Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln vom 26. Fe­bru­ar 1992 - 7 Sa 1017/91 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Der Be­klag­te hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob der Kläger be­an­spru­chen kann, daß sein Ar­beits­zeug­nis auf dem Fir­men­bo­gen des Be­klag­ten und in ein­heit­li­cher Ma­schi­nen­schrift nie­der­ge­legt wird.


Der Kläger war vom 1. Sep­tem­ber 1990 bis zum 31. Ju­li 1991 bei dem Be­klag­ten, ei­nem Steu­er­be­ra­ter, als Steu­er­fach­kraft beschäftigt. Als das Ar­beits­verhält­nis en­de­te, hat der Be­klag­te den Kläger auf den Wunsch nach ei­nem Zeug­nis hin auf­ge­for­dert, ihm ei­nen Zeug­nis­ent­wurf vor­zu­le­gen. Den auf weißem Schreib­ma­schi­nen­pa­pier ge­fer­tig­ten Ent­wurf hat der Be­klag­te mit ei­ner an­de­ren Schreib­ma­schi­nen­schrift um Ort und Da­tum ergänzt, un­ter­schrie­ben und mit ei­nem Stem­pel ver­se­hen. Der Kläger hat dar­auf von dem Be­klag­ten ge­for­dert, das Zeug­nis in ein­heit­li­cher Ma­schi­nen­schrift auf ei­nem Geschäfts­bo­gen zu er­stel­len. Das hat der Be­klag­te ab­ge­lehnt, ob­gleich er übli­cher­wei­se Geschäfts­pa­pier ver­wen­det, das sei­nen aka­de­mi­schen Grad als Di­plom-Volks­wirt eben­so aus­weist wie sei­ne Tätig­keit als Steu­er­be­ra­ter.


Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das bis­lang er­teil­te Zeug­nis ver­mitt­le ei­nen un­se­riösen Ein­druck. Die Ver­kehrs­sit­te er­war­te bei ei­nem Steu­er­be­ra­ter die Be­nut­zung ei­nes ent­spre­chen­den Brief­bo­gens. Wenn dann aber das Zeug­nis des Ar­beit­neh­mers auf ei­nem weißen Schreib­ma­schi­nen­pa­pier er­stellt wer­de, müsse dies

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bei späte­ren Be­wer­bun­gen zwangsläufig Mißtrau­en er­re­gen. Der Arg­wohn wer­de zusätz­lich ge­stei­gert, da die Orts­an­ga­be und das Da­tum mit ei­ner an­de­ren Schreib­ma­schi­nen­schrift hin­zu­gefügt sei­en. Dar­in kom­me ei­ne Dis­tan­zie­rung des Ar­beit­ge­bers von dem Zeug­nis­in­halt zum Aus­druck.

Der Kläger hat be­an­tragt,

den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, dem Kläger das in Ko­pie bei­gefügte Zeug­nis vom 15. Au­gust 1991 neu zu er­tei­len und hier­bei sei­nen Brief­bo­gen zu ver­wen­den so­wie das Zeug­nis in ei­ner ein­heit­li­chen Ma­schi­nen­schrift an­zu­fer­ti­gen.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, er ha­be dem Kläger ein ord­nungs­gemäßes Zeug­nis er­teilt. Es genüge, daß das Zeug­nis auf ei­nem weißen Bo­gen er­stellt sei und durch die Beifügung des Stem­pels und der Un­ter­schrift der Aus­stel­ler deut­lich wer­de. Im übri­gen hätte das Zeug­nis ei­nen an­de­ren In­halt ge­habt, wenn er es selbst auf sei­nem Brief­bo­gen ge­schrie­ben hätte.


Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt der Be­klag­te wei­ter­hin sei­nen An­trag auf Kla­ge­ab­wei­sung.

Ent­schei­dungs­gründe:

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er­tei­len, er­gibt sich aus § 630 BGB in Ver­bin­dung mit § 242 BGB.

1. Das Ar­beits­zeug­nis spielt bei ei­ner Be­wer­bung des Ar­beit­neh­mers ei­ne ers­te we­sent­li­che Rol­le. Es be­schei­nigt dem Ar­beit­neh­mer die bei dem Ar­beit­ge­ber aus­geübte Tätig­keit und enthält als qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis (S 630 Satz 2 BGB) ei­ne Leis­tungs­be­ur­tei­lung, die für den Ar­beit­neh­mer von ho­hem persönli­chen Wert ist. Das Zeug­nis dient vor al­lem als Un­ter­la­ge für ei­ne Be­wer­bung um ei­nen neu­en Ar­beits­platz und stellt des­halb ei­nen wich­ti­gen Fak­tor im Ar­beits­le­ben dar. Vor al­lem bei der Vor­aus­wahl der Be­wer­ber und der Fra­ge, wer zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch zu­ge­las­sen wird, spielt das Zeug­nis ei­ne we­sent­li­che Rol­le, da es zu die­sem Zeit­punkt die ein­zi­ge In­for­ma­ti­ons­quel­le dar­stellt, die nicht vom Be­wer­ber selbst, son­dern von ei­nem Drit­ten stammt. Für den Ar­beit­neh­mer ist das Zeug­nis gleich­sam die "Vi­si­ten­kar­te" für wei­te­re Be­wer­bun­gen. Für den künf­ti­gen Ar­beit­ge­ber schafft es ei­ne Un­ter­la­ge für sei­ne Ent­schei­dung (vgl. BA­GE 9, 289, 292 = AP Nr. 1 zu § 73 HGB; BAG Ur­teil vom 5. Au­gust 1976 - 3 AZR 491/75 - AP Nr. 10 zu § 630 BGB; BGH Ur­teil vom 26. No­vem­ber 1963 - VI ZR 221/62 - AP Nr. 10 zu § 826 BGB; BGH Ur­teil vom 15. Mai 1979 - VI ZR 230/76 - BB 1980, 779; Sch­leßmann, Das Ar­beits­zeug­nis, 12. Aufl. 1992, S. 16 f.).


Das Zeug­nis muß al­so ei­ner zwei­sei­ti­gen Ziel­set­zung ge­recht wer­den. Hin­sicht­lich des In­halts hat sich da­her der ge­fes­tig­te Grund­satz ent­wi­ckelt, daß das Zeug­nis der Wahr­heit ent­spre­chen (BA­GE 9, 289, 292 = AP, aaO; BAG Ur­teil vom 5. Au­gust 1976 - 3 AZR 491/75 - AP Nr. 10 zu § 630 BGB; BA­GE 24, 112, 114 =

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AP Nr. 7 zu § 630 BGB), gleich­wohl aber von verständi­gem Wohl­wol­len ge­genüber dem Ar­beit­neh­mer ge­tra­gen sein muß und ihm das wei­te­re Fort­kom­men nicht un­ge­recht­fer­tigt er­schwe­ren darf (BA­GE 24, 112, 114 = AP Nr. 7 zu § 630 BGB; BGH Ur­teil vom 26. No­vem­ber 1963 - VI ZR 221/62 - AP Nr. 10 zu § 826 BGB; Stau­din­ger/Neu­mann, BGB, 12. Aufl., § 630 Rz 25).

2. Sei­nem Zweck ent­spre­chend, dem Ar­beit­neh­mer als ver­bind­li­che Erklärung und Teil sei­ner Ar­beits­pa­pie­re für künf­ti­ge Be­wer­bun­gen zu die­nen und sein Fort­kom­men nicht unnötig zu er­schwe­ren, muß das Ar­beits­zeug­nis auch sei­ner äußeren Form nach gehörig sein. Hier­zu wird im Schrift­tum auf fol­gen­des ver­wie­sen: Es ist halt­ba­res Pa­pier von gu­ter Qua­lität zu be­nut­zen, das Zeug­nis muß sau­ber und or­dent­lich ge­schrie­ben sein und darf kei­ne Fle­cken, Ra­die­run­gen, Ver­bes­se­run­gen, Durch­strei­chun­gen oder ähn­li­ches ent­hal­ten (Sch­leßmann, Das Ar­beits­zeug­nis, 12. Aufl. 1992, S. 79; Schaub, Ar­beits­rechts-Hand­buch, 7. Aufl., § 146 II, S. 1141; Schulz, Al­les über Ar­beits­zeug­nis­se, 2. Aufl. 1990, S. 49 f.; Mon­jau, Das Zeug­nis im Ar­beits­recht, 2. Aufl. 1969, S. 21; Stahl­ha­cke, HzA, Stand Fe­bru­ar 1993, Rz 2114). Die äußere Form des Zeug­nis­ses muß außer­dem so ge­stal­tet sein, daß es nicht ei­nen sei­nem Wort­laut nach sinn­ent­stel­len­den In­halt ge­winnt. Durch die äußere Form darf nicht der Ein­druck er­weckt wer­den, der aus­stel­len­de Ar­beit­ge­ber dis­tan­zie­re sich vom buchstäbli­chen Wort­laut sei­ner Erklärung (Stau­din­ger/Neu­mann, BGB, 12. Aufl., § 630 Rz 23; Münch­Komm-Schwerdt­ner, 2. Aufl., § 630 Rz 18; Stahl­ha­cke, HzA, Stand Fe­bru­ar 1993, Rz 2114). Hier­bei han­delt es sich um ei­nen in § 113 Abs. 3 Ge­wO zum Aus­druck kom­men­den all­ge­mei­nen Grund­satz des

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Zeug­nis­rechts (Stahl­ha­cke, HzA, Stand Fe­bru­ar 1993, Rz 2116). Die­sem Er­for­der­nis wi­der­spricht auch das Weg­las­sen ei­nes in der Bran­che oder dem Ge­wer­be übli­chen Merk­mals oder Zu­sat­zes eben­so wie die Be­nut­zung sonst nicht übli­cher For­mu­la­re.

3.a) Dar­aus folgt zunächst, daß ein Ar­beits­zeug­nis in for­mel­ler Hin­sicht die im Geschäfts­le­ben übli­chen Min­dest­an­for­de­run­gen erfüllen muß. Da­zu zählt je­den­falls, daß das Ar­beits­zeug­nis mit ei­nem ord­nungs­gemäßen Brief­kopf aus­ge­stal­tet sein muß, aus dem der Na­me und die An­schrift des Aus­stel­lers er­kenn­bar sind. Da­bei be­ste­hen im Grund­satz kei­ne Be­den­ken, wenn der Brief­kopf mit Schreib­ma­schi­ne oder Per­so­nal­com­pu­ter selbst ge­stal­tet ist. Vor­lie­gend hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt, daß im Be­rufs­zweig des Be­klag­ten übli­cher­wei­se im geschäft­li­chen Ver­kehr Fir­menbögen ver­wandt wer­den und daß auch der Be­klag­te sol­che be­sitzt und be­nutzt. Un­ter die­sen Umständen ist ein Zeug­nis nicht ord­nungs­gemäß im vor­be­zeich­ne­ten Sin­ne aus­ge­stellt, wenn es nur mit ei­nem der Un­ter­schrift bei­gefügten Fir­mens­tem­pel ver­se­hen ist.


Ein so ge­stal­te­tes Zeug­nis ist ge­eig­net, bei ei­nem Drit­ten den Ein­druck zu er­we­cken, der Ar­beit­ge­ber ha­be le­dig­lich ei­nen Zeug­nis­ent­wurf des Ar­beit­neh­mers un­ter­zeich­net, oh­ne sich wirk­lich mit dem In­halt der Erklärung zu iden­ti­fi­zie­ren. Es kann ge­ra­de bei Be­wer­bun­gen in­ner­halb der Bran­che nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, daß sich der Ar­beit­neh­mer bei ei­nem Ar­beit­ge­ber be­wirbt, der die Ge­pflo­gen­hei­ten des aus­stel­len­den Ar­beit­ge­bers kennt. Ein Ab­wei­chen von der Übung ent­spricht da­her nicht der Ver­kehrs­sit­te und so­mit nicht Treu und Glau­ben (§ 242 BGB).

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Da außer­dem kei­ne schützens­wer­ten In­ter­es­sen des Be­klag­ten er­sicht­lich sind, kann der Kläger ver­lan­gen, daß sein Zeug­nis auf ei­nem Fir­men­bo­gen er­stellt wird. Der Be­klag­te kann da­ge­gen nicht er­folg­reich gel­tend ma­chen, wenn er das Zeug­nis auf ei­nem Geschäfts­bo­gen ge­schrie­ben hätte, wäre es mit ei­nem an­de­ren In­halt ver­faßt wor­den. An den Wort­laut der Erklärung muß sich der Be­klag­te fest­hal­ten las­sen. Als Wis­sens­erklärung hätte er die­se al­len­falls wi­der­ru­fen können, wenn er ei­ne mögli­che Un­rich­tig­keit zum Zeit­punkt der Un­ter­zeich­nung nicht ge­kannt hätte (vgl. Schaub, Ar­beits­rechts-Hand­buch, 7. Aufl., § 146 V, S. 1144). Die ver­bind­lich ab­ge­ge­be­ne Wis­sens­erklärung darf dann je­doch ih­rer äußeren Form nach nicht in ei­ner dem In­halt der Erklärung wi­der­spre­chen­den Wei­se dar­ge­stellt wer­den.


b) Der Kläger kann auch be­an­spru­chen, daß das Zeug­nis in ein­heit­li­cher Ma­schi­nen­schrift ab­ge­faßt wird. So­fern Da­tum und Orts­an­ga­be nicht ein ein­heit­li­ches Gan­zes mit der Ge­stal­tung des Brief­kop­fes bil­den, muß die Be­nut­zung von zwei­er­lei Ma­schi­nen­schrif­ten auf ei­nen Drit­ten be­fremd­lich wir­ken und zusätz­lich den Ein­druck er­we­cken, es han­de­le sich um ein vom Ar­beit­neh­mer vor­for­mu­lier­tes Zeug­nis, dem der Ar­beit­ge­ber nur äußer­lich als Aus­stel­ler bei­tritt.

Dr. Tho­mas 

Dr. Geh­ring 

Dr. Rost

Heel 

Arnt­zen

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