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BAG, Urteil vom 22.07.2010, 6 AZR 480/09
Schlagworte: | Befristung, Kündigung: Klagefrist, Kündigungsfrist, Kündigungsschutzklage | |
Gericht: | Bundesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 6 AZR 480/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 22.07.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 2.09.2008, 3 Ca 1132/08 Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.02.2009, 11 Sa 616/08 |
|
BUNDESARBEITSGERICHT 6 AZR 480/09 11 Sa 616/08 Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz |
|
Im Namen des Volkes!
Verkündet am 22. Juli 2010
URTEIL
Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In Sachen
Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger,
pp.
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,
hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom 22. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Brühler, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Spelge sowie die ehrenamtlichen Richter Spiekermann und Sieberts für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Januar 2009
- 11 Sa 616/08 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage auf Annahmeverzugslohn
darüber, ob die Klagefrist des § 4 KSchG auch auf die nicht vorbehaltene ordentliche Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses Anwendung findet.
Der Kläger war seit dem 2. November 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 30. April 2008 befristet. Eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit sah der Arbeitsvertrag nicht vor. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gleichwohl mit der Frist des § 12 Nr. 1.1 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV-Bau) von sechs Werktagen durch Schreiben vom 19. März 2008 zum 29. März 2008. Kündigungsschutzklage erhob der Kläger nicht. Er bot lediglich seine Arbeitskraft bis zum 30. April 2008 an.
Nach außergerichtlicher schriftlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 6. Mai bzw. 19. Mai 2008 begehrt der Kläger zuletzt mit seiner am 20. Juni 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 30. März bis 30. April 2008 in rechnerisch unstreitiger Höhe. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis sei frühestens zum 30. April 2008 beendet worden. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist könne er auch außerhalb der Frist des § 4 KSchG geltend machen. Er wehre sich nicht gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst, sondern nur gegen deren Zeitpunkt. Dies sei vergleichbar mit der Klage auf Einhaltung der Kündigungsfrist. Darum seien die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht
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dazu in der Entscheidung vom 15. Dezember 2005 (- 2 AZR 148/05 -) aufgestellt habe, auf die vorliegende Konstellation übertragbar.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.300,00 Euro
brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juni 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass dem Kläger für die Zeit nach dem 29. März 2008 kein Entgelt mehr zustehe, weil er die Kündigung nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG angegriffen habe.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 25. Juni 2009 zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis hat aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG mit dem 29. März 2008 geendet, weil der Kläger nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG Klage gegen die Kündigung vom 19. März 2008 erhoben hat. Ihm stehen deshalb keine Entgeltansprüche für die Zeit seit dem 30. März 2008 zu. Die Vorinstanzen haben darum zu Recht die Klage abgewiesen.
1. Die Klagefrist des § 4 KSchG ist auch einzuhalten, wenn die ordentliche Kündigung gegen das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 TzBfG verstößt, weil der befristete Vertrag weder die Möglichkeit vorsieht, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen noch die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags vereinbart ist, der ein solches Kündigungsrecht enthält (KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 15; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 4; BBDK/Kriebel KSchG Stand April 2010 § 4 Rn. 20; Fornasier/Werner NJW 2007, 2729, 2733; vgl. für den tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung allgemein BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 17, BAGE 124, 367).
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Das folgt aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Der Gesetzgeber wollte im Interesse einer raschen Klärung der Frage, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat oder nicht, für die Geltendmachung aller Unwirksamkeitsgründe eine einheitliche Klagefrist von drei Wochen vorsehen. Dadurch sollte die Ungewissheit, wann das Recht zur Erhebung der Kündigungsschutzklage im Einzelfall verwirkt ist, beendet werden (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 9 f.).
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Geltendmachung des Fortbestands des gekündigten Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der vereinbarten Befristung in den Fällen des § 15 Abs. 3 TzBfG mit der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, die der Arbeitnehmer auch außerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG geltend machen kann, nicht vergleichbar.
a) Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist kann auch außerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 KSchG noch geltend gemacht werden. Der Arbeitnehmer, der lediglich die Einhaltung der Kündigungsfrist verlangt, stellt nicht in Frage, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung als solche aufgelöst wird. Er strebt nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Zeitpunkt als der Arbeitgeber an (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 15 ff., BAGE 116, 336; bestätigt durch BAG 6. Juli 2006 - 2 AZR 215/05 - Rn. 12 ff., AP KSchG 1969 § 4 Nr. 57).
b) Diese Erwägungen greifen bei einer Klage auf Annahmeverzugslohn, mit der die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 15 Abs. 3 TzBfG geltend gemacht wird, nicht. In diesem Fall akzeptiert der Arbeitnehmer gerade nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die erklärte Kündigung. Er hält im Gegenteil die Kündigung unter Berufung auf § 15 Abs. 3 TzBfG für unwirksam. Er nimmt lediglich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die vereinbarte Befristung als nachfolgenden Beendigungstatbestand zu einem späteren Zeitpunkt hin. Im Unterschied zur Geltendmachung einer zu kurzen Kündigungsfrist ist also nicht nur ein einziger Beendigungstatbestand gegeben, der das Arbeitsverhältnis auch nach dem Willen des Arbeitnehmers tatsächlich beenden soll, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt als vom Arbeitgeber
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gewollt. Ist die Kündigung unwirksam, weil das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 TzBfG missachtet worden ist, und macht der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Befristung geltend, liegen vielmehr zwei unterschiedliche Beendigungstatbestände vor, wobei die Kündigung als erster Tatbestand das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitnehmers gerade nicht beenden kann und soll. Erst der Auslauf der Befristung soll als zweiter, nachgeschalteter Beendigungstatbestand zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Es geht also nicht bloß um die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, sondern um den Ausschluss der ordentlichen Kündigung im befristeten Arbeitsverhältnis. Auf diesen Fall ist § 4 KSchG anwendbar (KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 15).
II. Auch der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfiel, entband den Kläger nicht von der Verpflichtung, die Klagefrist des § 4 KSchG einzuhalten (Senat 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - Rn. 17 f., BAGE 117, 68).
III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtlich zutreffend ausgeführt, dass der Ausspruch einer nach § 15 Abs. 3 TzBfG ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung mit einer mündlichen Kündigung nicht vergleichbar ist, dass auch eine etwaige Treuwidrigkeit der Kündigung in der Frist des § 4 KSchG hätte geltend gemacht werden müssen und die Kündigungserklärung nicht in eine Kündigung zum 30. April 2008 umgedeutet werden kann. Gegen diese Ausführungen erhebt die Revision keine Angriffe.
IV. Da wegen der Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG die Kündigung der Beklagten vom 19. März 2008 aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG als wirksam gilt und das Arbeitsverhältnis zum 29. März 2008 als beendet anzusehen ist, fehlt es an dem für den begehrten Annahmeverzug erforderlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses für den streitgegenständlichen Vergütungszeitraum (vgl. APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 7 KSchG Rn. 10).
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fischermeier Brühler Spelge
Sieberts Spiekermann
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