HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 10.07.2008, C-54/07 - Fe­ryn

   
Schlagworte: Diskriminierung: Ethnische Herkunft, Diskriminierung: Beweiserleichterung
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-54/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.07.2008
   
Leitsätze:

1. Die öffentliche Äußerung eines Arbeitgebers, er werde keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse einstellen, begründet eine unmittelbare Diskriminierung bei der Einstellung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, da solche Äußerungen bestimmte Bewerber ernsthaft davon abhalten können, ihre Bewerbungen einzureichen, und damit ihren Zugang zum Arbeitsmarkt behindern.

2. Öffentliche Äußerungen, durch die ein Arbeitgeber kundtut, dass er im Rahmen seiner Einstellungspolitik keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse beschäftigen werde, reichen aus, um eine Vermutung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43 für das Vorliegen einer unmittelbar diskriminierenden Einstellungspolitik zu begründen. Es obliegt dann diesem Arbeitgeber, zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Er kann dies dadurch tun, dass er nachweist, dass die tatsächliche Einstellungspraxis des Unternehmens diesen Äußerungen nicht entspricht. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die gerügten Tatsachen glaubhaft sind, und zu beurteilen, ob die Beweise zur Stützung des Vorbringens des Arbeitgebers, dass er den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt habe, ausreichend sind.

3. Nach Art. 15 der Richtlinie 2000/43 müssen auch dann, wenn es kein identifizierbares Opfer gibt, die Sanktionen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Vorinstanzen: Vorabentscheidungsersuchen des Arbeidshof te Brussel, Belgien
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Zwei­te Kam­mer)

10. Ju­li 2008(*)

„Richt­li­nie 2000/43/EG – Dis­kri­mi­nie­ren­de Kri­te­ri­en für die Aus­wahl des Per­so­nals – Be­weis­last – Sank­tio­nen“

In der Rechts­sa­che C‑54/07

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 234 EG, ein­ge­reicht vom Ar­beids­hof te Brus­sel (Bel­gi­en) mit Ent­schei­dung vom 24. Ja­nu­ar 2007, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 6. Fe­bru­ar 2007, in dem Ver­fah­ren

Cen­trum voor ge­li­jk­heid van kan­sen en voor ra­cis­me­be­stri­j­ding

ge­gen

Fir­ma Fe­ryn NV

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Zwei­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten C. W. A. Tim­mer­m­ans so­wie der Rich­ter L. Bay Lar­sen, K. Schie­mann, J. Ma­k­arc­zyk und J.‑C. Bo­ni­chot (Be­richt­er­stat­ter),

Ge­ne­ral­an­walt: M. Poia­res Ma­du­ro,

Kanz­ler: B. Fülöp, Ver­wal­tungs­rat,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 28. No­vem­ber 2007,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

– des Cen­trum voor ge­li­jk­heid van kan­sen en voor ra­cis­me­be­stri­j­ding, ver­tre­ten durch C. Ba­yart, ad­vo­caat,

– der bel­gi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch L. Van den Bro­eck und C. Po­chet als Be­vollmäch­tig­te,

– von Ir­land, ver­tre­ten durch D. O’Ha­gan und P. McGar­ry als Be­vollmäch­tig­te,

– der Re­gie­rung des Ver­ei­nig­ten König­reichs, ver­tre­ten durch T. Har­ris als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von T. Ward, Bar­ris­ter, und J. Ea­dy, So­li­ci­tor,

– der Kom­mis­si­on der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten, ver­tre­ten durch M. van Beek und J. En­e­gren als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 12. März 2008

fol­gen­des

Ur­teil

1. Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung der Richt­li­nie 2000/43/EG des Ra­tes vom 29. Ju­ni 2000 zur An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes oh­ne Un­ter­schied der Ras­se oder der eth­ni­schen Her­kunft (ABl. L 180, S. 22).
2 Die­ses Er­su­chen er­geht in ei­nem Rechts­streit zwi­schen dem Cen­trum voor ge­li­jk­heid van kan­sen en voor ra­cis­me­be­stri­j­ding (Zen­trum für Chan­cen­gleich­heit und für die Bekämp­fung des Ras­sis­mus), dem Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens, und der Fir­ma Fe­ryn NV (im Fol­gen­den: Fe­ryn), der Be­klag­ten des Aus­gangs­ver­fah­rens, we­gen der Äußerun­gen ei­nes ih­rer Di­rek­to­ren, der öffent­lich sag­te, dass sei­ne Ge­sell­schaft kei­ne Men­schen frem­der Her­kunft ein­stel­len wol­le.

Recht­li­cher Rah­men

Ge­mein­schafts­recht
3 Zweck der Richt­li­nie 2000/43 ist gemäß ih­rem Art. 1 „die Schaf­fung ei­nes Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der Ras­se oder der eth­ni­schen Her­kunft im Hin­blick auf die Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung in den Mit­glied­staa­ten“.
4

Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie be­stimmt:

„… ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung [liegt] vor, wenn ei­ne Per­son auf­grund ih­rer Ras­se oder eth­ni­schen Her­kunft in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde“.

5 Nach ih­rem Art. 3 Abs. 1 Buchst. a gilt die Richt­li­nie für: „die Be­din­gun­gen – ein­sch­ließlich Aus­wahl­kri­te­ri­en und Ein­stel­lungs­be­din­gun­gen - für den Zu­gang zu un­selbständi­ger und selbständi­ger Er­werbstätig­keit, un­abhängig von Tätig­keits­feld und be­ruf­li­cher Po­si­ti­on, so­wie für den be­ruf­li­chen Auf­stieg“. Da­ge­gen be­trifft die Richt­li­nie nach ih­rem Art. 3 Abs. 2 nicht „un­ter­schied­li­che Be­hand­lun­gen aus Gründen der Staats­an­gehörig­keit“.
6

Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43 lau­tet:

„Es bleibt den Mit­glied­staa­ten un­be­nom­men, Vor­schrif­ten ein­zuführen oder bei­zu­be­hal­ten, die im Hin­blick auf die Wah­rung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes güns­ti­ger als die in die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Vor­schrif­ten sind.“

7

Art. 7 der Richt­li­nie sieht vor:

„(1) Die Mit­glied­staa­ten stel­len si­cher, dass al­le Per­so­nen, die sich durch die Nicht­an­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes in ih­ren Rech­ten für ver­letzt hal­ten, ih­re Ansprüche aus die­ser Richt­li­nie auf dem Ge­richts- und/oder Ver­wal­tungs­weg so­wie, wenn die Mit­glied­staa­ten es für an­ge­zeigt hal­ten, in Sch­lich­tungs­ver­fah­ren gel­tend ma­chen können, selbst wenn das Verhält­nis, während des­sen die Dis­kri­mi­nie­rung vor­ge­kom­men sein soll, be­reits be­en­det ist.

(2) Die Mit­glied­staa­ten stel­len si­cher, dass Verbände, Or­ga­ni­sa­tio­nen oder an­de­re ju­ris­ti­sche Per­so­nen, die gemäß den in ih­rem ein­zel­staat­li­chen Recht fest­ge­leg­ten Kri­te­ri­en ein rechtmäßiges In­ter­es­se dar­an ha­ben, für die Ein­hal­tung der Be­stim­mun­gen die­ser Richt­li­nie zu sor­gen, sich ent­we­der im Na­men der be­schwer­ten Per­son oder zu de­ren Un­terstützung und mit de­ren Ein­wil­li­gung an den in die­ser Richt­li­nie zur Durch­set­zung der Ansprüche vor­ge­se­he­nen Ge­richts- und/oder Ver­wal­tungs­ver­fah­ren be­tei­li­gen können.

…“

8

Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie sieht im Übri­gen vor:

„Die Mit­glied­staa­ten er­grei­fen im Ein­klang mit ih­rem na­tio­na­len Ge­richts­we­sen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, um zu gewähr­leis­ten, dass im­mer dann, wenn Per­so­nen, die sich durch die Nicht­an­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes für ver­letzt hal­ten und bei ei­nem Ge­richt oder ei­ner an­de­ren zuständi­gen Stel­le Tat­sa­chen glaub­haft ma­chen, die das Vor­lie­gen ei­ner un­mit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen, es dem Be­klag­ten ob­liegt zu be­wei­sen, dass kei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes vor­ge­le­gen hat.“

9

Art. 13 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43 ver­langt von den Mit­glied­staa­ten, dass sie ei­ne oder meh­re­re Stel­len be­zeich­nen, de­ren Auf­ga­be dar­in be­steht, die Gleich­be­hand­lung zu fördern. Art. 13 Abs. 2 der Richt­li­nie be­stimmt:

„Die Mit­glied­staa­ten stel­len si­cher, dass es zu den Zuständig­kei­ten die­ser Stel­len gehört,

– un­be­scha­det der Rech­te der Op­fer und der Verbände, der Or­ga­ni­sa­tio­nen oder an­de­rer ju­ris­ti­scher Per­so­nen nach Ar­ti­kel 7 Ab­satz 2 die Op­fer von Dis­kri­mi­nie­run­gen auf un­abhängi­ge Wei­se da­bei zu un­terstützen, ih­rer Be­schwer­de we­gen Dis­kri­mi­nie­rung nach­zu­ge­hen;

…“

10 Art. 15 der Richt­li­nie schließlich überträgt den Mit­glied­staa­ten die Auf­ga­be, die zu verhängen­den Sank­tio­nen fest­zu­le­gen, und stellt klar, dass die­se Sank­tio­nen auch Scha­dens­er­satz­leis­tun­gen an die Op­fer um­fas­sen können und dass die Sank­tio­nen „wirk­sam, verhält­nismäßig und ab­schre­ckend“ sein müssen.

Na­tio­na­les Recht
11 Das Ge­setz vom 25. Fe­bru­ar 2003 zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung und zur Ände­rung des Ge­set­zes vom 15. Fe­bru­ar 1993 über die Er­rich­tung ei­nes Cen­trum voor ge­li­jk­heid van kan­sen en voor ra­cis­me­be­stri­j­ding (Mo­ni­teur bel­ge vom 17. März 2003, S. 12844) in der Fas­sung des Ge­set­zes vom 20. Ju­li 2006 über ver­schie­de­ne Rechts­vor­schrif­ten (Mo­ni­teur bel­ge vom 28. Ju­li 2006, S. 36940) (im Fol­gen­den: Ge­setz vom 25. Fe­bru­ar 2003) setzt die Richt­li­nie 2000/43 in bel­gi­sches Recht um.
12 Art. 2 des Ge­set­zes vom 25. Fe­bru­ar 2003 ver­bie­tet je­de un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung hin­sicht­lich der Be­din­gun­gen des Zu­gangs zur Beschäfti­gung. Art. 19 des Ge­set­zes setzt Art. 8 der Richt­li­nie 2000/43 über die Be­weis­last um.
13 Das Ge­setz vom 25. Fe­bru­ar 2003 ermöglicht auch ei­ne straf­recht­li­che oder zi­vil­recht­li­che Ver­fol­gung der Dis­kri­mi­nie­run­gen. Der Rich­ter kann nach Art. 19 des Ge­set­zes die Ein­stel­lung der dis­kri­mi­nie­ren­den Hand­lung (§ 1) und die Veröffent­li­chung sei­ner Ent­schei­dung (§ 2) an­ord­nen oder nach Art. 20 des Ge­set­zes ein Zwangs­geld fest­set­zen.
14 Der bel­gi­sche Ge­setz­ge­ber hat dem Cen­trum voor ge­li­jk­heid van kan­sen en voor ra­cis­me­be­stri­j­ding die Möglich­keit eröff­net, vor Ge­richt auf­zu­tre­ten, wenn ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung vor­liegt oder vor­lie­gen könn­te, oh­ne dass in­so­weit ei­ne vor­he­ri­ge Be­schwer­de er­for­der­lich wäre.

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­gen
15 Das Cen­trum voor ge­li­jk­heid van kan­sen en voor ra­cis­me­be­stri­j­ding, das die nach Art. 13 der Richt­li­nie 2000/43 be­zeich­ne­te bel­gi­sche Stel­le zur Förde­rung der Gleich­be­hand­lung ist, be­an­trag­te bei den bel­gi­schen Ar­beits­ge­rich­ten, fest­zu­stel­len, dass Fe­ryn, ein auf Ver­kauf und Ein­bau von Schwing- und Sek­tio­nal­to­ren spe­zia­li­sier­tes Un­ter­neh­men, ei­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Ein­stel­lungs­po­li­tik be­trei­be.
16 Das Cen­trum voor ge­li­jk­heid van kan­sen en voor ra­cis­me­be­stri­j­ding stützt sich auf die öffent­li­chen Äußerun­gen des Di­rek­tors die­ses Un­ter­neh­mens, wo­nach sein Be­trieb grundsätz­lich Mon­teu­re ein­stel­len wol­le, aber kei­ne Men­schen frem­der Her­kunft beschäfti­gen könne, da die Kun­den Be­den­ken hätten, ih­nen für die Dau­er der Ar­bei­ten Zu­gang zu ih­ren pri­va­ten Woh­nun­gen zu gewähren.
17 Mit Be­schluss vom 26. Ju­ni 2006 hat der Präsi­dent der Ar­beids­recht­bank te Brus­sel (Ar­beits­ge­richt Brüssel) die Kla­ge des Cen­trum voor ge­li­jk­heid van kan­sen en voor ra­cis­me­be­stri­j­ding u. a. mit der Be­gründung ab­ge­wie­sen, dass es we­der ei­nen Be­weis noch ei­ne Ver­mu­tung dafür ge­be, dass sich ei­ne Per­son für ei­ne Stel­le be­wor­ben ha­be und sie auf­grund ih­rer eth­ni­schen Her­kunft nicht ein­ge­stellt wor­den sei.
18

Vor die­sem Hin­ter­grund hat der Ar­beids­hof te Brus­sel (Ar­beits­ge­richts­hof Brüssel), bei dem das Cen­trum voor ge­li­jk­heid en voor ra­cis­me­be­stri­j­ding Be­ru­fung ein­ge­legt hat, das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof die fol­gen­den Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

  1. Han­delt es sich um ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie 2000/43, wenn ein Ar­beit­ge­ber, nach­dem er ein auf­fal­len­des An­ge­bot für ei­ne Ar­beit aus­ge­schrie­ben hat, öffent­lich erklärt:

„Ich muss mich nach den For­de­run­gen mei­ner Kun­den rich­ten. Wenn Sie sa­gen, ‚ich will die­ses be­stimm­te Pro­dukt oder ich will es so oder so aus­geführt ha­ben‘, und wenn ich dann sa­ge, ‚das ma­che ich nicht, ich schi­cke die­se Leu­te doch vor­bei‘, dann wer­den Sie mir sa­gen, ‚ich brau­che die­se Tür nicht un­be­dingt von Ih­nen‘. Dann kann ich mein ei­ge­nes Geschäft schließen. Wir müssen den For­de­run­gen un­se­rer Kun­den nach­kom­men. Es ist nicht mein Pro­blem, ich ha­be die­ses Pro­blem in Bel­gi­en nicht ver­ur­sacht. Ich will, dass die Fir­ma läuft und dass wir am Jah­res­en­de un­se­ren Um­satz er­rei­chen, und wie schaf­fe ich das? In­dem ich es so ma­che, wie der Kun­de es will!“?

  1. Reicht es für die Be­ja­hung ei­ner un­mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung hin­sicht­lich der Vor­aus­set­zun­gen für den Zu­gang zu ei­ner abhängi­gen Beschäfti­gung aus, fest­zu­stel­len, dass der Ar­beit­ge­ber un­mit­tel­bar dis­kri­mi­nie­ren­de Aus­wahl­kri­te­ri­en an­wen­det?
  2. Kann, wenn der dis­kri­mi­nie­ren­de Cha­rak­ter der Ein­stel­lungs­po­li­tik ei­nes Ar­beit­ge­bers un­ter­sucht wird, für die Be­ja­hung ei­ner un­mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie 2000/43 berück­sich­tigt wer­den, dass ei­ne mit dem Ar­beit­ge­ber ver­bun­de­ne Ge­sell­schaft aus­sch­ließlich ein­hei­mi­sche Mon­teu­re ein­stellt?
  3. Was ist un­ter „Tat­sa­chen …, die das Vor­lie­gen ei­ner un­mit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen“ nach Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43 zu ver­ste­hen? Wel­che Stren­ge muss ein na­tio­na­les Ge­richt bei der Be­ur­tei­lung von Tat­sa­chen, die ei­ne Ver­mu­tung für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung be­gründen können, wal­ten las­sen?
    1. In wel­chem Maße stel­len frühe­re Tat­sa­chen ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung (öffent­li­che Äußerung un­mit­tel­bar dis­kri­mi­nie­ren­der Aus­wahl­kri­te­ri­en im April 2005) „Tat­sa­chen …, die das Vor­lie­gen ei­ner un­mit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen“, nach Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43 dar?
    2. Be­gründet ei­ne im April 2005 fest­ge­stell­te Dis­kri­mi­nie­rung (öffent­li­che Äußerung im April 2005) später ei­ne Ver­mu­tung für das Fort­dau­ern ei­ner un­mit­tel­bar dis­kri­mi­nie­ren­den Ein­stel­lungs­po­li­tik? Genügt es - un­ter Berück­sich­ti­gung der Tat­sa­chen des Aus­gangs­ver­fah­rens - für die Be­gründung ei­ner Ver­mu­tung (dass der Ar­beit­neh­mer ei­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Ein­stel­lungs­po­li­tik be­treibt und fort­setzt), dass er im April 2005 auf die Fra­ge, ob er als Ar­beit­ge­ber Men­schen frem­der Her­kunft und Ein­hei­mi­sche nicht gleich be­han­de­le und ob er da­her nicht ei­gent­lich ein we­nig ras­sis­tisch sei, öffent­lich ant­wor­tet: „Ich muss mich nach den For­de­run­gen mei­ner Kun­den rich­ten. Wenn Sie sa­gen, ‚ich will die­ses be­stimm­te Pro­dukt oder ich will es so oder so aus­geführt ha­ben‘, und wenn ich dann sa­ge, ‚das ma­che ich nicht, ich schi­cke die­se Leu­te doch vor­bei‘, dann wer­den Sie mir sa­gen, ‚ich brau­che die­se Tür nicht un­be­dingt von Ih­nen‘. Dann kann ich mein ei­ge­nes Geschäft schließen. Wir müssen den For­de­run­gen un­se­rer Kun­den nach­kom­men. Es ist nicht mein Pro­blem, ich ha­be die­ses Pro­blem in Bel­gi­en nicht ver­ur­sacht. Ich will, dass die Fir­ma läuft und dass wir am Jah­res­en­de un­se­ren Um­satz er­rei­chen, und wie schaf­fe ich das? In­dem ich es so ma­che, wie der Kun­de es will!“?
    3. Kann - un­ter Berück­sich­ti­gung der Tat­sa­chen des Aus­gangs­ver­fah­rens - ei­ne ge­mein­sa­me Pres­se­erklärung ei­nes Ar­beit­ge­bers und der na­tio­na­len Ein­rich­tung zur Bekämp­fung von Dis­kri­mi­nie­rung, in der dis­kri­mi­nie­ren­de Tat­sa­chen vom Ar­beit­ge­ber zu­min­dest im­pli­zit ein­geräumt wer­den, ei­ne sol­che Ver­mu­tung be­gründen?
    4. Be­gründet die Tat­sa­che, dass ein Ar­beit­ge­ber kei­ne Mon­teu­re frem­der Her­kunft beschäftigt, ei­ne Ver­mu­tung für ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung, wenn die­ser Ar­beit­ge­ber vor ei­ni­ger Zeit große Schwie­rig­kei­ten hat­te, Mon­teu­re ein­zu­stel­len, und in die­sem Zu­sam­men­hang auch öffent­lich erklärte, dass sei­ne Kun­den nicht ger­ne mit Mon­teu­ren frem­der Her­kunft zu­sam­men­ar­bei­te­ten?
    5. Genügt ei­ne ein­zi­ge Tat­sa­che, um ei­ne Ver­mu­tung für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung zu be­gründen?
    6. Kann - un­ter Berück­sich­ti­gung der Tat­sa­chen des Aus­gangs­ver­fah­rens - ei­ne Ver­mu­tung für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung durch den Ar­beit­ge­ber dar­aus ab­ge­lei­tet wer­den, dass ei­ne mit die­sem Ar­beit­ge­ber ver­bun­de­ne Ge­sell­schaft aus­sch­ließlich ein­hei­mi­sche Ar­beit­neh­mer ein­ge­stellt hat?
  4. Wel­che Stren­ge muss das na­tio­na­le Ge­richt bei der Be­ur­tei­lung des Ge­gen­be­wei­ses, der zu er­brin­gen ist, wenn ei­ne Ver­mu­tung für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43 vor­liegt, wal­ten las­sen? Kann ei­ne Ver­mu­tung für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43 wi­der­legt wer­den: durch ei­ne ein­fa­che und ein­sei­ti­ge Erklärung des Ar­beit­ge­bers in der Pres­se, dass er nicht oder nicht mehr dis­kri­mi­nie­rend han­de­le und dass Mon­teu­re frem­der Her­kunft will­kom­men sei­en; und/oder durch die ein­fa­che Erklärung des Ar­beit­ge­bers, dass bei ihm mit Aus­nah­me des Schwes­ter­un­ter­neh­mens al­le frei­en Stel­len für Mon­teu­re be­setzt sei­en, und/oder durch die Mit­tei­lung, dass ei­ne tu­ne­si­sche Putz­frau ein­ge­stellt wor­den sei; und/oder kann die Ver­mu­tung un­ter Berück­sich­ti­gung der Tat­sa­chen des Aus­gangs­ver­fah­rens aus­sch­ließlich durch die tatsächli­che Beschäfti­gung von Mon­teu­ren frem­der Her­kunft wi­der­legt wer­den oder/und da­durch, dass die in der ge­mein­sa­men Pres­se­erklärung ent­hal­te­nen Ver­pflich­tun­gen ein­ge­hal­ten wer­den?
  5. Was ist un­ter ei­ner Sank­ti­on, die im Sin­ne von Art. 15 der Richt­li­nie 2000/43 „wirk­sam, verhält­nismäßig und ab­schre­ckend“ ist, zu ver­ste­hen? Er­laubt es die in Art. 15 der Richt­li­nie 2000/43 ge­nann­te Be­din­gung dem na­tio­na­len Ge­richt, dass es sich un­ter Berück­sich­ti­gung der Tat­sa­chen des Aus­gangs­ver­fah­rens auf die Fest­stel­lung be­schränkt, dass ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor­ge­le­gen hat? Oder muss da­nach das na­tio­na­le Ge­richt auch der Un­ter­las­sungs­kla­ge statt­ge­ben, wie dies im na­tio­na­len Recht vor­ge­se­hen ist? In wel­chem Maß ist es darüber hin­aus er­for­der­lich, dass das na­tio­na­le Ge­richt un­ter Berück­sich­ti­gung der Tat­sa­chen des Aus­gangs­ver­fah­rens die Veröffent­li­chung des zu er­las­sen­den Ur­teils als ei­ne wirk­sa­me, verhält­nismäßige und ab­schre­cken­de Sank­ti­on an­ord­net?

Zu den Vor­la­ge­fra­gen
19 Zunächst ist dar­an zu er­in­nern, dass Art. 234 EG dem Ge­richts­hof nicht die Be­fug­nis gibt, die Nor­men des Ge­mein­schafts­rechts auf ei­nen Ein­zel­fall an­zu­wen­den, son­dern nur die, sich zur Aus­le­gung des EG-Ver­trags und der Rechts­ak­te der Ge­mein­schafts­or­ga­ne zu äußern (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 15. Ju­li 1964, Van der Veen, 100/63, Slg. 1964, 1215, 1230, und vom 10. Mai 2001, Veed­fald, C-203/99, Slg. 2001, I-3569, Rand­nr. 31). Der Ge­richts­hof kann aber das Ge­mein­schafts­recht im Rah­men der durch die­sen Ar­ti­kel be­gründe­ten Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen den Ge­rich­ten un­ter Berück­sich­ti­gung der Ak­ten aus­le­gen, so­weit dies dem in­ner­staat­li­chen Ge­richt bei der Be­ur­tei­lung der Wir­kun­gen die­ser Be­stim­mung dien­lich sein könn­te (Ur­tei­le vom 8. De­zem­ber 1987, Gau­chard, 20/87, Slg. 1987, 4879, Rand­nr. 5, und vom 5. März 2002, Reisch u. a., C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, I-2157, Rand­nr. 22).
20 Das vor­le­gen­de Ge­richt er­sucht den Ge­richts­hof um die Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen der Richt­li­nie 2000/43, um so den Um­fang des Be­griffs der un­mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung in Be­zug auf die öffent­li­chen Äußerun­gen ei­nes Ar­beit­ge­bers im Rah­men ei­nes Ein­stel­lungs­ver­fah­rens (ers­te und zwei­te Fra­ge), die Be­din­gun­gen, un­ter de­nen die in der Richt­li­nie vor­ge­se­he­ne Re­gel der Be­weis­last­um­kehr an­ge­wen­det wer­den kann (drit­te bis fünf­te Fra­ge), und die Na­tur der Sank­tio­nen, die in ei­nem Fall wie dem des Aus­gangs­ver­fah­rens als an­ge­mes­sen an­ge­se­hen wer­den könn­ten (sechs­te Fra­ge), be­ur­tei­len zu können.

Zur ers­ten und zur zwei­ten Fra­ge
21 Hin­sicht­lich der ers­ten und der zwei­ten Fra­ge ma­chen Ir­land so­wie das Ver­ei­nig­te König­reich Großbri­tan­ni­en und Nord­ir­land gel­tend, dass von un­mit­tel­ba­rer Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/43 kei­ne Re­de sein könne und die Richt­li­nie so­mit nicht an­wend­bar sei, wenn sich die be­haup­te­te Dis­kri­mi­nie­rung aus öffent­li­chen Äußerun­gen ei­nes Ar­beit­ge­bers über sei­ne Ein­stel­lungs­po­li­tik er­ge­be, es aber kei­ne iden­ti­fi­zier­ba­re be­schwer­te Per­son ge­be, die be­haup­te, sie sei Op­fer die­ser Dis­kri­mi­nie­rung ge­wor­den.
22 Zwar de­fi­niert, wie die bei­den Mit­glied­staa­ten gel­tend ma­chen, Art. 2 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/43 die un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung als ei­ne Si­tua­ti­on, in der ei­ne Per­son auf­grund ih­rer Ras­se oder eth­ni­schen Her­kunft in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge „Be­hand­lung“ als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde. Auch ver­langt Art. 7 der Richt­li­nie von den Mit­glied­staa­ten, si­cher­zu­stel­len, dass „al­le[n] Per­so­nen, die sich durch die Nicht­an­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes in ih­ren Rech­ten für ver­letzt hal­ten“, und Ein­rich­tun­gen des öffent­li­chen In­ter­es­ses, die vor Ge­richt „im Na­men der be­schwer­ten Per­son oder zu de­ren Un­terstützung“ auf­tre­ten, der Ge­richts­weg of­fen­steht.
23 Das be­deu­tet je­doch nicht, dass aus dem Feh­len ei­ner iden­ti­fi­zier­ba­ren be­schwer­ten Per­son auf das Feh­len ei­ner un­mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/43 ge­schlos­sen wer­den kann. Ziel die­ser Richt­li­nie ist nämlich laut ih­rem ach­ten Erwägungs­grund, „güns­ti­ge­re Be­din­gun­gen für die Ent­ste­hung ei­nes Ar­beits­markts zu schaf­fen, der die so­zia­le In­te­gra­ti­on fördert“. Zu die­sem Zweck be­stimmt Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richt­li­nie, dass sie sich ins­be­son­de­re auf die Aus­wahl­kri­te­ri­en und die Ein­stel­lungs­be­din­gun­gen be­zieht.
24 Das Ziel, güns­ti­ge­re Be­din­gun­gen für die Ent­ste­hung ei­nes Ar­beits­markts zu schaf­fen, der die so­zia­le In­te­gra­ti­on fördert, würde schwer­lich er­reicht, wenn der An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie 2000/43 nur auf die­je­ni­gen Fälle be­schränkt wäre, in de­nen ein Be­wer­ber um ei­ne Stel­le, der er­folg­los ge­blie­ben ist und sich als Op­fer ei­ner un­mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung sieht, ge­richt­li­che Schrit­te ge­gen den Ar­beit­ge­ber ein­ge­lei­tet hätte.
25 Die öffent­li­che Äußerung ei­nes Ar­beit­ge­bers, er wer­de kei­ne Ar­beit­neh­mer ei­ner be­stimm­ten eth­ni­schen Her­kunft oder Ras­se ein­stel­len, die of­fen­kun­dig be­stimm­te Be­wer­ber ernst­haft da­von ab­hal­ten kann, ih­re Be­wer­bun­gen ein­zu­rei­chen, und da­mit ih­ren Zu­gang zum Ar­beits­markt be­hin­dert, be­gründet nämlich ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung bei der Ein­stel­lung im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/43. Ei­ne sol­che Dis­kri­mi­nie­rung setzt nicht vor­aus, dass ei­ne be­schwer­te Per­son, die be­haup­tet, Op­fer ei­ner der­ar­ti­gen Dis­kri­mi­nie­rung ge­wor­den zu sein, iden­ti­fi­zier­bar ist.
26 Die Fra­ge, was ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/43 ist, ist zu un­ter­schei­den von der Fra­ge, wel­che Rechts­be­hel­fe in Art. 7 der Richt­li­nie zur Fest­stel­lung und Sank­tio­nie­rung der Nicht­an­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes vor­ge­se­hen wer­den. Die­se Rechts­be­hel­fe müssen nach den Be­stim­mun­gen die­ses Ar­ti­kels den Per­so­nen of­fen­ste­hen, die sich für durch ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung ver­letzt hal­ten. Die An­for­de­run­gen des Art. 7 der Richt­li­nie 2000/43 sind je­doch nur, wie in Art. 6 der Richt­li­nie fest­ge­stellt wird, Min­dest­an­for­de­run­gen, und die Richt­li­nie ver­bie­tet den Mit­glied­staa­ten nicht, Vor­schrif­ten ein­zuführen oder bei­zu­be­hal­ten, die im Hin­blick auf die Wah­rung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes güns­ti­ger sind.
27 Art. 7 der Richt­li­nie 2000/43 ver­wehrt den Mit­glied­staa­ten folg­lich nicht, in ih­ren na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten Ver­ei­ni­gun­gen, die ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an ha­ben, für die Ein­hal­tung die­ser Richt­li­nie zu sor­gen, oder der (den) gemäß Art. 13 der Richt­li­nie be­zeich­ne­ten Stel­le(n) das Recht ein­zuräum­en, Ge­richts- oder Ver­wal­tungs­ver­fah­ren zur Durch­set­zung der Ver­pflich­tun­gen aus die­ser Richt­li­nie ein­zu­lei­ten, auch wenn sie nicht im Na­men ei­ner be­stimm­ten be­schwer­ten Per­son han­deln oder sich kei­ne be­schwer­te Per­son fest­stel­len lässt. Es ist je­doch al­lein Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts, zu be­ur­tei­len, ob sein Recht ei­ne sol­che Möglich­keit eröff­net.
28 An­ge­sichts des Vor­ste­hen­den ist auf die ers­te und die zwei­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass die öffent­li­che Äußerung ei­nes Ar­beit­ge­bers, er wer­de kei­ne Ar­beit­neh­mer ei­ner be­stimm­ten eth­ni­schen Her­kunft oder Ras­se ein­stel­len, ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung bei der Ein­stel­lung im Sin­ne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie 2000/43 be­gründet, da sol­che Äußerun­gen be­stimm­te Be­wer­ber ernst­haft da­von ab­hal­ten können, ih­re Be­wer­bun­gen ein­zu­rei­chen, und da­mit ih­ren Zu­gang zum Ar­beits­markt be­hin­dern.

Zur drit­ten bis fünf­ten Fra­ge
29 Bei der drit­ten bis fünf­ten Fra­ge geht es dar­um, wie die in Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43 vor­ge­se­he­ne Re­gel der Be­weis­last­um­kehr an­zu­wen­den ist, wenn un­ter Hin­weis auf öffent­li­che Äußerun­gen ei­nes Ar­beit­ge­bers über sei­ne Ein­stel­lungs­po­li­tik das Vor­lie­gen ei­ner dis­kri­mi­nie­ren­den Ein­stel­lungs­po­li­tik be­haup­tet wird.
30 Nach Art. 8 der Richt­li­nie 2000/43 ob­liegt dem Be­klag­ten der Be­weis, dass kei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes vor­ge­le­gen hat, wenn Tat­sa­chen das Vor­lie­gen ei­ner un­mit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen. Die Ver­pflich­tung zur Führung des Ge­gen­be­wei­ses, die so­mit den­je­ni­gen trifft, dem die Dis­kri­mi­nie­rung an­ge­las­tet wird, hängt nur von der Fest­stel­lung ab, dass auf­grund glaub­haf­ter Tat­sa­chen das Vor­lie­gen ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung zu ver­mu­ten ist.
31 Sol­che Tat­sa­chen, die ge­eig­net sind, ei­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Ein­stel­lungs­po­li­tik ver­mu­ten zu las­sen, können Äußerun­gen sein, durch die ein Ar­beit­ge­ber öffent­lich kund­tut, dass er im Rah­men sei­ner Ein­stel­lungs­po­li­tik kei­ne Ar­beit­neh­mer ei­ner be­stimm­ten eth­ni­schen Her­kunft oder Ras­se beschäfti­gen wer­de.
32 Es ob­liegt da­her die­sem Ar­beit­ge­ber, den Be­weis zu er­brin­gen, dass er den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht ver­letzt hat, was er u. a. da­durch tun kann, dass er nach­weist, dass die tatsächli­che Ein­stel­lungs­pra­xis des Un­ter­neh­mens die­sen Äußerun­gen nicht ent­spricht.
33 Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, zum ei­nen zu prüfen, ob die die­sem Ar­beit­ge­ber vor­ge­wor­fe­nen Tat­sa­chen glaub­haft sind, und zum an­de­ren zu be­ur­tei­len, ob die Be­wei­se, die er zur Stützung sei­nes Vor­brin­gens, dass er den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht ver­letzt ha­be, aus­rei­chend sind.
34 Folg­lich ist auf die drit­te bis fünf­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass öffent­li­che Äußerun­gen, durch die ein Ar­beit­ge­ber kund­tut, dass er im Rah­men sei­ner Ein­stel­lungs­po­li­tik kei­ne Ar­beit­neh­mer ei­ner be­stimm­ten eth­ni­schen Her­kunft oder Ras­se beschäfti­gen wer­de, aus­rei­chen, um ei­ne Ver­mu­tung im Sin­ne des Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43 für das Vor­lie­gen ei­ner un­mit­tel­bar dis­kri­mi­nie­ren­den Ein­stel­lungs­po­li­tik zu be­gründen. Es ob­liegt dann die­sem Ar­beit­ge­ber, zu be­wei­sen, dass kei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes vor­ge­le­gen hat. Er kann dies da­durch tun, dass er nach­weist, dass die tatsächli­che Ein­stel­lungs­pra­xis des Un­ter­neh­mens die­sen Äußerun­gen nicht ent­spricht. Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, zu prüfen, ob die gerügten Tat­sa­chen glaub­haft sind, und zu be­ur­tei­len, ob die Be­weis­mit­tel zur Stützung des Vor­brin­gens des Ar­beit­ge­bers, dass er den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht ver­letzt ha­be, aus­rei­chend sind.

Zur sechs­ten Fra­ge
35 Bei der sechs­ten Fra­ge geht es dar­um, wel­che Sank­tio­nen für ei­ne auf der Grund­la­ge von öffent­li­chen Äußerun­gen des Ar­beit­ge­bers glaub­haft ge­mach­te Dis­kri­mi­nie­rung bei der Ein­stel­lung als an­ge­mes­sen an­ge­se­hen wer­den könn­ten.
36 Art. 15 der Richt­li­nie 2000/43 überträgt den Mit­glied­staa­ten die Auf­ga­be, die Sank­tio­nen fest­zu­le­gen, die bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen die ein­zel­staat­li­chen Vor­schrif­ten zur An­wen­dung die­ser Richt­li­nie zu verhängen sind. Nach die­sem Ar­ti­kel müssen die Sank­tio­nen wirk­sam, verhält­nismäßig und ab­schre­ckend sein und können Scha­dens­er­satz­leis­tun­gen an die Op­fer um­fas­sen.
37 Art. 15 der Richt­li­nie 2000/43 er­legt den Mit­glied­staa­ten so­mit die Ver­pflich­tung auf, in ih­re in­ner­staat­li­che Rechts­ord­nung Maßnah­men auf­zu­neh­men, die hin­rei­chend wirk­sam sind, um das Ziel die­ser Richt­li­nie zu er­rei­chen, und dafür Sor­ge zu tra­gen, dass die­se Maßnah­men vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten tatsächlich gel­tend ge­macht wer­den können, da­mit der ge­richt­li­che Rechts­schutz ef­fek­tiv und wirk­sam ist. Die Richt­li­nie 2000/43 ver­pflich­tet je­doch nicht zu be­stimm­ten Sank­tio­nen, son­dern belässt den Mit­glied­staa­ten die Frei­heit der Wahl un­ter den ver­schie­de­nen Lösun­gen, die zur Ver­wirk­li­chung des Ziels, das sie fest­legt, ge­eig­net sind.
38 In ei­nem Fall wie dem, der dem Ge­richts­hof vom vor­le­gen­den Ge­richt un­ter­brei­tet wor­den ist, in dem es kein un­mit­tel­ba­res Op­fer ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung gibt, son­dern in dem ei­ne Ein­rich­tung, die da­zu kraft Ge­set­zes ermäch­tigt ist, die Fest­stel­lung und Ahn­dung ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung be­an­tragt, müssen die Sank­tio­nen, die nach Art. 15 der Richt­li­nie 2000/43 im na­tio­na­len Recht vor­zu­se­hen sind, eben­falls wirk­sam, verhält­nismäßig und ab­schre­ckend sein.
39 Sie können ge­ge­be­nen­falls, wenn dies in Be­zug auf den Sach­ver­halt des Aus­gangs­ver­fah­rens an­ge­mes­sen er­scheint, dar­in be­ste­hen, dass das Ge­richt oder die zuständi­ge Ver­wal­tungs­behörde die Dis­kri­mi­nie­rung fest­stellt, ver­bun­den mit der An­ord­nung ei­ner adäqua­ten Veröffent­li­chung, de­ren Kos­ten dann zu­las­ten des Be­klag­ten ge­hen. Sie können auch dar­in be­ste­hen, dass dem Ar­beit­ge­ber nach den ent­spre­chen­den Vor­schrif­ten im na­tio­na­len Recht auf­ge­ge­ben wird, die fest­ge­stell­te dis­kri­mi­nie­ren­de Pra­xis zu un­ter­las­sen, ge­ge­be­nen­falls ver­bun­den mit ei­nem Zwangs­geld. Sie können außer­dem dar­in be­ste­hen, dass der Ein­rich­tung, die das Ver­fah­ren be­strit­ten hat, Scha­dens­er­satz zu­ge­spro­chen wird.
40 Da­her ist auf die sechs­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass nach Art. 15 der Richt­li­nie 2000/43 auch dann, wenn es kein iden­ti­fi­zier­ba­res Op­fer gibt, die Sank­tio­nen, die bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen die ein­zel­staat­li­chen Vor­schrif­ten zur Um­set­zung die­ser Richt­li­nie zu verhängen sind, wirk­sam, verhält­nismäßig und ab­schre­ckend sein müssen.

Kos­ten
41 Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.
 

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Zwei­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

1. Die öffent­li­che Äußerung ei­nes Ar­beit­ge­bers, er wer­de kei­ne Ar­beit­neh­mer ei­ner be­stimm­ten eth­ni­schen Her­kunft oder Ras­se ein­stel­len, be­gründet ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung bei der Ein­stel­lung im Sin­ne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie 2000/43/EG des Ra­tes vom 29. Ju­ni 2000 zur An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes oh­ne Un­ter­schied der Ras­se oder der eth­ni­schen Her­kunft, da sol­che Äußerun­gen be­stimm­te Be­wer­ber ernst­haft da­von ab­hal­ten können, ih­re Be­wer­bun­gen ein­zu­rei­chen, und da­mit ih­ren Zu­gang zum Ar­beits­markt be­hin­dern.

2. Öffent­li­che Äußerun­gen, durch die ein Ar­beit­ge­ber kund­tut, dass er im Rah­men sei­ner Ein­stel­lungs­po­li­tik kei­ne Ar­beit­neh­mer ei­ner be­stimm­ten eth­ni­schen Her­kunft oder Ras­se beschäfti­gen wer­de, rei­chen aus, um ei­ne Ver­mu­tung im Sin­ne des Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43 für das Vor­lie­gen ei­ner un­mit­tel­bar dis­kri­mi­nie­ren­den Ein­stel­lungs­po­li­tik zu be­gründen. Es ob­liegt dann die­sem Ar­beit­ge­ber, zu be­wei­sen, dass kei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes vor­ge­le­gen hat. Er kann dies da­durch tun, dass er nach­weist, dass die tatsächli­che Ein­stel­lungs­pra­xis des Un­ter­neh­mens die­sen Äußerun­gen nicht ent­spricht. Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, zu prüfen, ob die gerügten Tat­sa­chen glaub­haft sind, und zu be­ur­tei­len, ob die Be­wei­se zur Stützung des Vor­brin­gens des Ar­beit­ge­bers, dass er den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht ver­letzt ha­be, aus­rei­chend sind.

3. Nach Art. 15 der Richt­li­nie 2000/43 müssen auch dann, wenn es kein iden­ti­fi­zier­ba­res Op­fer gibt, die Sank­tio­nen, die bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen die ein­zel­staat­li­chen Vor­schrif­ten zur Um­set­zung die­ser Richt­li­nie zu verhängen sind, wirk­sam, verhält­nismäßig und ab­schre­ckend sein.

* Ver­fah­rens­spra­che: Nie­derländisch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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