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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/165

Rechts­la­ge bei Som­mer­hit­ze im Bü­ro

Hit­ze­frei!: Ar­beits­schutz mal an­ders
Urlaub am Meer, Palme, Luftmatratze, Sonnenhut und Badestrand Som­mer­hit­ze: Bi­ki­ni ge­gen den Bü­ro­dreh­stuhl tau­schen
25.08.2010. Im Ju­li war es heiß, sehr heiß. Grund ge­nug, bei et­was an­ge­neh­me­ren Tem­pe­ra­tu­ren ei­nen Blick auf die ar­beits­recht­li­chen Kon­se­quen­zen zu wer­fen: Gibt es viel­leicht ei­nen An­spruch auf Hit­ze­frei im Bü­ro?

Die Hit­ze­wel­le im Ju­li brach­te Tem­pe­ra­tu­ren von teil­wei­se mehr als 40 Grad und tro­pisch an­mu­ten­den Näch­te - und da­mit manch ei­nen an sei­ne per­sön­li­che Schmerz­gren­ze. Das men­sch­li­che Tem­pe­ra­tur­emp­fin­den ist zwar un­ter­schied­lich, doch liegt das obe­re En­de des be­hag­li­chen Be­reichs meist bei 26 Grad. Und „schon“ ab 32 Grad ist die in­ter­ne Hitz­re­gu­lie­rung des men­sch­li­chen Kör­pers der Tem­pe­ra­tur nicht mehr ge­wach­sen und die Küh­lung er­folgt haupt­säch­lich über Tran­spi­ra­ti­on.

Was al­so tun bei ei­ner län­ge­ren Hit­ze­wel­le? Kön­nen Ar­beit­neh­mer ver­lan­gen, dass der Ar­beit­ge­ber Hit­ze­frei ge­währt? Und wenn schon nicht bei 30 Grad im Schat­ten, dann we­nigs­tens bei mehr als 35 Grad oder doch zu­min­dest bei 40 Grad?

Fra­gen, die bei den ak­tu­el­len Tem­pe­ra­tu­ren vor­erst un­be­ant­wor­tet blei­ben kön­nen. Doch wird die glo­ba­le Er­wär­mung auch künf­tig für ex­tre­me Wet­ter­la­gen sor­gen, so dass wir das The­ma Ar­beits­recht und Som­mer­hit­ze im fol­gen­den kurz strei­fen wol­len.

Ein An­satz­punkt ist § 618 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB), ei­ne ty­pi­sche „Ge­ne­ral­klau­sel“. Da­nach hat der Ar­beit­ge­ber Räu­me, Vor­rich­tun­gen oder Ge­rät­schaf­ten, die er zur Ver­rich­tung der Diens­te zu be­schaf­fen hat, so ein­zu­rich­ten und zu un­ter­hal­ten und Dienst­leis­tun­gen, die un­ter sei­ner An­ord­nung oder sei­ner Lei­tung vor­zu­neh­men sind, so zu re­geln, dass der Ar­beit­neh­mer ge­gen Ge­fahr für Le­ben und Ge­sund­heit ge­schützt ist. Dies al­les al­ler­dings nur „so­weit, als die Na­tur der Dienst­leis­tung es ge­stat­tet“.

Wer mit die­sem Pa­ra­gra­phen in der Hand sei­nen Chef über­zeu­gen möch­te, dass für heu­te Schluss sein soll­te mit der Schwit­ze­rei im Bü­ro, hat ei­nen lan­gen Be­grün­dungs­weg vor sich. Im­mer­hin ist an­er­kannt, dass über­gro­ße Hit­ze am Ar­beits­platz zu ei­ner Ge­fah­ren­la­ge im Sin­ne von § 618 BGB füh­ren kann, die der Ar­beit­ge­ber zu be­ur­tei­len und so­dann ggf. ab­zu­stel­len hat. Mit schie­rer Un­tä­tig­keit kann sich der Ar­beit­ge­ber da­her ins Un­recht set­zen.

Aber was ist denn nun ei­ne „über­gro­ße Hit­ze“? Hier hel­fen die Vor­schrif­ten des Ar­beits­schutz­rechts, d.h. das Ar­beits­schutz­ge­setz (Ar­bSchG) so­wie die auf sei­ner Grund­la­ge er­las­se­ne Ar­beits­stät­ten­ver­ord­nung (Ar­bStättV). Zwar heißt es auch in der Ar­bStättV nur sehr all­ge­mein, dass der Ar­beit­ge­ber Schutz­maß­nah­men u.a. nach dem Stand der Tech­nik, Ar­beits­me­di­zin und Hy­gie­ne fest­zu­le­gen und ge­si­cher­te ar­beits­wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se zu be­rück­sich­ti­gen hat (§ 3 Ar­bStättV); au­ßer­dem muss er in Ar­beits­räu­men wäh­rend der Ar­beits­zeit für „ei­ne ge­sund­heit­lich zu­träg­li­che Raum­tem­pe­ra­tur“ sor­gen (Ar­bStättV, An­hang, Punkt 3.5). Doch bil­den die­se sehr all­ge­mei­nen Aus­sa­gen der Ar­bStättV im­mer­hin die Grund­la­ge für wei­te­re Kon­kre­ti­sie­run­gen.

Die­se wie­der­um sind in den Tech­ni­schen Re­geln für Ar­beits­stät­ten (ASR) ent­hal­ten. Die ASR ge­ben den Stand der Tech­nik, Ar­beits­me­di­zin und Ar­beits­hy­gie­ne so­wie sons­ti­ge ge­si­cher­te ar­beits­wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se für das Ein­rich­ten und Be­trei­ben von Ar­beits­stät­ten wie­der. Sie wer­den vom „Aus­schuss für Ar­beits­stät­ten (AS­TA)“ er­stellt und bei Be­darf an­ge­passt und vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les (BMAS) nach § 7 Ar­bStättV be­kannt ge­ge­ben.

Die ASR A3.5 (Stand Ju­ni 2010) kon­kre­ti­siert die An­for­de­run­gen der Ar­bStättV für die Raum­tem­pe­ra­tur. Sie legt kon­kre­te Ober­gren­zen der Tem­pe­ra­tu­ren fest, die Ar­beit­neh­mern am Ar­beits­platz zu­zu­mu­ten sind.

Da­nach „soll“ die Luft­tem­pe­ra­tur in Ar­beits­räu­men 26 Grad nicht über­schrei­ten. Tut sie das aber doch und liegt auch die Au­ßen­luft­tem­pe­ra­tur über 26 Grad, so „sol­len“ be­stimm­te, in der ASR A3.5 bei­spiel­haft auf­ge­führ­te Maß­nah­men er­grif­fen wer­den. So „sol­len“ bei­spiels­wei­se Ja­lou­si­en auch nach der Ar­beits­zeit ge­schlos­sen blei­ben, es „sol­len“ elek­tri­sche Ge­rä­te nur bei Be­darf be­trie­ben wer­den, es „sol­len“ die Räu­me in den frü­hen Mor­gen­stun­den ge­lüf­tet wer­den, es „sol­len“ Be­klei­dungs­re­ge­lun­gen „ge­lo­ckert“ wer­den und es „sol­len“ ge­eig­ne­te Ge­trän­ke wie et­wa Trink­was­ser be­reit­ge­stellt wer­den.

Über­schrei­tet die Luft­tem­pe­ra­tur im Raum die Gren­ze von 30 Grad, so wird aus dem „sol­len“ ein „müs­sen“, d.h. der Ar­beit­ge­ber muss die oben auf­ge­zähl­ten Maß­nah­men - oder ähn­lich ef­fek­ti­ve Maß­nah­men - er­grei­fen, um die Be­an­spru­chung der Be­schäf­tig­ten zu re­du­zie­ren.

Ei­ne letz­te Gren­ze liegt bei ei­ner Luft­tem­pe­ra­tur im Raum von mehr als 35 Grad. Wird die­se Gren­ze über­schrit­ten, so ist der Raum für die Zeit der Über­schrei­tung (!) nicht als Ar­beits­raum ge­eig­net - es sei denn, der Ar­beit­ge­ber er­greift tech­ni­sche Maß­nah­men (z. B. Luft­du­schen, Was­ser­schlei­er) oder or­ga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men (z. B. Ent­wär­mungs­pha­sen).

Fa­zit: Auch bei mehr als 35 Grad im Bü­ro bzw. am Ar­beits­platz (nicht: drau­ßen!) hat der Ar­beit­ge­ber nicht die Pflicht, Hit­ze­frei zu er­tei­len: Viel­mehr muss er tech­ni­sche Maß­nah­men er­grei­fen, um die Tem­pe­ra­tur zu re­du­zie­ren, wo­zu auch das Auf­stel­len von Ven­ti­la­to­ren ge­hö­ren kann. Die­se wer­den zwar in der ASR A3.5 nicht ge­nannt, doch zählt die ASR A3.5 oh­ne­hin nur bei­spiel­haf­te Maß­nah­men auf. Un­ter­nimmt der Ar­beit­ge­ber al­ler­dings trotz ei­ner am Ar­beits­platz ge­mes­se­nen Tem­pe­ra­tur von 36 Grad oder mehr nichts, kann der Ar­beit­neh­mer vom Zu­rück­be­hal­tungs­recht Ge­brauch ma­chen, d.h. die Ar­beit ein­stel­len.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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