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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/182

Ein­stel­lung als Pi­lot auch mit 38 Jah­ren

Höchst­al­ter für Ein­stel­lung als Pi­lot?: Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 17.03.2009, 4 TaBV 168/08
Fluggast und Pilot auf dem Rollfeld Zu alt für den Flug­ver­kehr?

06.10.2009. Ei­ne kürz­li­che Ent­schei­dung des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) be­fasst sich mit der Fra­ge der Zu­läs­sig­keit ei­nes Höchst­al­ter von un­ter 38 Jah­ren für die Ein­stel­lung von Pi­lo­ten als Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung.

Das All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) schützt Ar­beit­neh­mer in Deutsch­land auch vor ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Al­ters. Da­her gibt es Strei­tig­kei­ten über das Pro­blem, ob ein Stel­len­be­wer­ber auf­grund sei­nes zu ho­hen Al­ters un­zu­läs­sig be­nach­tei­ligt wer­den kann: Hes­si­sches LAG, Be­schluss vom 17.03.2009, 4 TaBV 168/08.

Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung durch ei­ne Höch­stein­stiegs­al­ters­gren­ze

Beschäftig­te wer­den vor un­ge­recht­fer­tig­ten Dis­kri­mi­nie­run­gen auf­grund des Al­ters bei der Ein­stel­lung und beim be­ruf­li­chen Fort­kom­men durch das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) geschützt. Auf der an­de­ren Sei­te ist im Be­rufs­le­ben seit lan­gem in be­stimm­ten Be­rei­chen ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung auf­grund des Al­ters ak­zep­tiert. Des­we­gen er­laubt § 10 AGG Be­nach­tei­li­gun­gen auf­grund des Al­ters in Fällen, in de­nen sie „ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt“ und die Mit­tel zur Ziel­er­rei­chung „an­ge­mes­sen und er­for­der­lich“ sind.

Seit es das AGG gibt, durch das Ar­beit­neh­mer in Deutsch­land erst­mals auch vor ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Al­ters geschützt wer­den, gab es im­mer wie­der ge­richt­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen über die Fra­ge, ob ein Stel­len­be­wer­ber auf­grund sei­nes –tatsächlich oder ver­meint­lich – zu ho­hen Al­ters un­zulässig be­nach­tei­ligt wur­de. Der­zeit ist die Recht­spre­chung dies­bezüglich eher streng und nimmt ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung von Be­wer­bern nur bei star­ken und über­zeu­gend nach­ge­wie­se­nen Gründen an.

Über ei­nen sol­chen Fall hat­te vor Kur­zem das Hes­si­sche LAG zu ent­schei­den (Be­schluss vom 17.03.2009, 4 TaBV 168/08).

Zulässi­ges Ein­stel­lungshöchst­al­ter nur für ex­ter­ne Be­wer­ber?

Der Ar­beit­ge­ber im zu­grun­de lie­gen­den Fall war ein Luft­fracht­un­ter­neh­men, dass zum Luft­hansa­kon­zern gehörte. Dort galt ein Ta­rif­ver­trag zur Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung mit ei­genständi­gen Re­ge­lun­gen über die be­trieb­li­che Mit­be­stim­mung der im Flug­be­trieb beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer, was nach § 117 Abs. 2 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) möglich ist.

Un­ter an­de­rem war dort ge­re­gelt, dass die bei dem Ar­beit­ge­ber ge­bil­de­te Per­so­nal­ver­tre­tung von je­der ge­plan­ten Ein­stel­lung in­for­miert wer­den und ihr zu­stim­men muss­te, ähn­lich wie in § 99 Be­trVG für den Be­triebs­rat ge­re­gelt. Ver­wei­ger­te die Per­so­nal­ver­tre­tung die Zu­stim­mung, muss­te der Ar­beit­ge­ber die ar­beits­ge­richt­li­che Er­set­zung der Ein­stel­lung be­an­tra­gen.

Bei dem Ar­beit­ge­ber galt zu­dem ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung für die Ein­stel­lung von Flug­zeugführern, die ih­re Aus­bil­dung bei ei­nem an­dern Luft­fahrt­un­ter­neh­men ab­ge­schlos­sen hat­ten (sog „Re­a­dy Ent­ry“ bzw. RE-Pi­lo­ten). Sie durf­ten laut der Be­triebs­ver­ein­ba­rung nur ein­ge­stellt wer­den, wenn ihr Ein­stiegs­al­ter zum vor­aus­sicht­li­chen Da­tum des Ar­beits­ver­tra­ges höchs­tens „32 Jah­re und 364 Ta­ge“ be­trug. Auf­grund von Schwie­rig­kei­ten, den Be­darf an Pi­lo­ten durch beim Ar­beit­ge­ber aus­ge­bil­de­te Pi­lo­ten zu de­cken, wur­de die­se Al­ters­gren­ze später ta­rif­lich auf 37 Jah­re und 364 Ta­ge erhöht.

Der Ar­beit­ge­ber war der An­sicht, die Al­ters­gren­zen zur Ein­stel­lung von Pi­lo­ten sei­en ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung. Er in­for­mier­te die Per­so­nal­ver­tre­tung An­fang 2008 darüber, dass er ei­nen 38jähri­gen „Re­a­dy Ent­ry“-Pi­lo­ten ein­stel­len wol­le. Die Per­so­nal­ver­tre­tung ver­wei­ger­te die Zu­stim­mung zu die­ser Ein­stel­lung, da sie schließlich der Be­triebs­ver­ein­ba­rung und da­mit ei­ner Aus­wahl­richt­li­nie wi­der­spre­che.

Der Ar­beit­ge­ber be­an­trag­te des­halb die ge­richt­li­che Er­set­zung der Zu­stim­mung und ge­wann vor dem Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main (Be­schluss vom 30.04.2008, 14 BV 36/08). Hier­ge­gen leg­te die Per­so­nal­ver­tre­tung Be­schwer­de zum Hes­si­schen LAG ein.

Hes­si­sches LAG: Ein­stel­lungshöchst­al­ter für „Re­a­dy Ent­ry“ Pi­lo­ten ist al­ters­dis­kri­mi­nie­rend

Das LAG teilt die An­sicht des Ar­beits­ge­richts. Es sah in dem Ein­stel­lungshöchst­al­ter für „Re­a­dy Ent­ry“ Pi­lo­ten von 32 bzw. 37 Jah­ren ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung, so dass die Al­ters­gren­ze für Ein­stel­lun­gen un­wirk­sam ist.

Das LAG be­fasst sich da­bei ausführ­lich mit den von der Per­so­nal­ver­wal­tung als sach­li­che Recht­fer­ti­gung der Al­ters­gren­ze an­geführ­ten Ar­gu­men­ten, hält sämt­li­che Ar­gu­men­te je­doch nicht für tragfähig. Dass die Al­ters­gren­ze ei­ne be­triebs­wirt­schaft­lich wünschens­wer­te Ge­samt­dau­er der Beschäfti­gung si­chern sol­le, hält das LAG für zu pau­schal. Für nicht be­legt hält das LAG auch die von der Per­so­nal­ver­tre­tung an­geführ­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me älte­rer RE-Pi­lo­ten auf­grund ih­rer lan­gen Tätig­keit bei ei­nem an­de­ren Un­ter­neh­men mit an­de­ren Ge­pflo­gen­hei­ten.

Fa­zit: Der Ent­schei­dung ist zu­zu­stim­men. Sie passt auch in den Rah­men der bis­her er­gan­ge­nen Ur­tei­le zum The­ma Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung. Et­was selt­sam ist vor­lie­gend je­doch, dass hier die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung, nicht wie sonst die Ar­beit­ge­ber­sei­te, die Un­gleich­be­hand­lung zu recht­fer­ti­gen ver­such­te, während der Ar­beit­ge­ber ge­gen die Dis­kri­mi­nie­rung zu Fel­de zog.

Die der­zei­ti­ge Ten­denz der Ge­rich­te, sich sehr ge­nau mit der Recht­fer­ti­gung von Al­ters­dis­kri­mi­nie­run­gen zu be­fas­sen und das Pro­blem ernst zu neh­men, wird vor­aus­sicht­lich an­hal­ten. Denn die in die an­de­re Rich­tung ge­hen­den Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts beim Eu­ropäischen Ge­richts­hof (EuGH) Yves Bot vom 03.09.2009 (Rs. C-229/08 - Co­lin Wolf), der die Ein­stel­lungs­gren­ze von 30 Jah­ren für die Feu­er­wehr für zulässig hält, be­trifft ei­ne auf an­de­re Be­ru­fe nicht oh­ne wei­ters über­trag­ba­re Son­der­si­tua­ti­on.

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Letzte Überarbeitung: 18. Dezember 2017

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