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Maßstab für Schwellenwert nach § 111 BetrVG ist Gesamtbelegschaft
Bisher nicht deutlich genug wurde in der Rechtsprechung die Frage thematisiert, ob die Belegschaft des gesamten Betriebes oder (nur) der betroffenen Abteilung Maßstab für die Frage der Erheblichkeit ist. Eine schon etwas ältere Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg sorgt für Klarheit: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.09.2009, 4 Sa 41/08.
- Betriebsbedingte Kündigung bei Betriebsänderung leicht gemacht?
- Der Fall: Genügt ein wesentlicher Personalabbau in einem wesentlichen Betriebsteil für eine Betriebsänderung?
- LAG Baden-Württemberg: Nein! Der Personalabbau muss für den Gesamtbetrieb wesentlich sein.
Betriebsbedingte Kündigung bei Betriebsänderung leicht gemacht?
Kündigt der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis, das dem Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) unterfällt, ist die Kündigung unwirksam, wenn sie „sozial ungerechtfertigt“ ist (§ 1 Abs. 1 KSchG). Das wiederum ist sie, wenn sie nicht durch drei mögliche Kündigungsgründe bedingt und damit gerechtfertigt ist, nämlich durch Gründe in der Person und/oder durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers und/oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 KSchG).
Eine an sich durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingte („betriebsbedingte“) Kündigung kann trotzdem sozial ungerechtfertigt sein, wenn die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden (§ 1 Abs.3 KSchG). Eine solche Sozialauswahl ist immer dann vorzunehmen, wenn die Anzahl der vom Arbeitgeber geplanten Kündigungen geringer ist als die Anzahl der „Kündigungskandidaten“, die zur Umsetzung des geplanten Personalabbaus gekündigt werden könnten.
Bei einer Kündigungsschutzklage wegen einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber also in der Regel nachweisen, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist und dass die gekündigten Arbeitnehmer unter Beachtung der gesetzlich genannten sozialen Kriterien ausgewählt wurden. Beide Nachweise zu führen, ist nicht leicht, insbesondere bei größeren Kündigungswellen, da dann die in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer schwer zu überblicken sind.
Beruhen betriebsbedingte Kündigungen allerdings auf einer vom Arbeitgeber geplanten Betriebsänderung im Sinne von § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), kann der Arbeitgeber die mit einer Sozialauswahl verbundenen Probleme umschiffen, falls der Betriebsrat dabei mitwirkt Wird nämlich der infolge einer Betriebsänderung gekündigte Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich mit Namensliste genannt, wird nicht nur vermutet, dass die Kündigung durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist, sondern es kann auch die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs.5 KSchG).
Gibt es eine von Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarte Namensliste, muss der Arbeitnehmer beweisen, dass die Kündigung nicht durch betrieblichen Erfordernisse bedingt ist (während im Normfall der Arbeitgeber hie beweisbelastet ist), und der hat nur sehr geringe Chancen, die Sozialauswahl anzugreifen. Eine Namensliste nimmt dem Arbeitnehmer somit einen wesentlichen Teil seines ansonsten bestehenden Kündigungsschutzes.
Auf der Grundlage einer Namensliste gekündigte Arbeitnehmer sind daher gut beraten, im Kündigungsschutzprozess die gesetzlichen Voraussetzungen einer wirksamen Namensliste sehr kritisch zu hinterfragen. Ein Ansatzpunkt liegt darin, das Vorliegen einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG zu bestreiten, denn eine solche Betriebsänderung muss vom Arbeitgeber geplant sein, soll der daraufhin mit dem Betriebsrat vereinbarte Interessenausgleich mit Namensliste die Rechtsfolgen des § 1 Abs.5 KSchG haben.
Das Gesetz zählt eine Reihe von grundlegenden Maßnahmen des Arbeitgebers auf, die als Betriebsänderung anzusehen sind. Ein praktisch besonders wichtiger Fall ist in § 111 Satz 3 Nr.1 BetrVG geregelt. Danach gilt als Betriebsänderung die Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen. Für die Frage, was in diesem Sinne „wesentlich“ ist, greift die Rechtsprechung auf die in § 17 Abs.1 KSchG enthaltene zahlenmäßige Definition einer Massenentlassung zurück: Immer dann, wenn die in § 17 Abs.1 KSchG genannten Zahlen- bzw. Prozentverhältnisse erreicht sind, so dass eine der Arbeitsagentur anzuzeigende Massenentlassung vorliegt, ist die Stilllegung eines Betriebsteils auch als Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr.1 BetrVG anzusehen.
So müssen zum Beispiel gemäß § 17 Abs.1 KSchG bei einer Betriebsgröße von 21 bis 59 Arbeitnehmern mindestens sechs Arbeitnehmer entlassen werden, damit eine Massenentlassung (und folglich eine Betriebsänderung) vorliegt. Sind 60 bis 499 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt, müssen 10 Prozent der Arbeitnehmer, mindestens aber 26 Arbeitnehmer entlassen werden usw. In jedem Fall müssen nach der Rechtsprechung fünf Prozent der Gesamtbelegschaft entlassen werden, damit eine reine Entlassungswelle als Betriebsänderung anzusehen ist.
Während § 17 KSchG auf den gesamten Betrieb Bezug nimmt, ist in § 111 BetrVG auch von Betriebsteilen die Rede. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Betriebsänderung in Form der Einschränkung eines wesentlichen Betriebsteils auch dann vorliegt, wenn innerhalb eines genügend großen (und damit „wesentlichen“) Betriebsteils genügend viele Arbeitnehmer entlassen werden sollen, die aber gemessen an der Gesamtstärke des Betriebs nicht so sehr ins Gewicht fallen und daher unterhalb der Schwellenwerte des § 17 KSchG bleiben können.
So läge es z.B. bei einem Betrieb mit 400 Arbeitnehmern, dessen Versandabteilung (mit 80 Arbeitnehmern) sicherlich als „wesentlicher Betriebsteil“ anzusehen ist: Wird diese Abteilung geschlossen, liegt eine Betriebsänderung vor, aber wie steht es bei einer bloßen Einschränkung dieser Abteilung, d.h. wenn von den 80 Versandmitarbeitern 20 Prozent (= 16 Arbeitnehmer) entlassen werden sollen?
Diese 16 Arbeitnehmer sind bezogen auf den Gesamtbetrieb zu wenig, um von einer Massenentlassung auszugehen. Aber könnte man in solchen Fällen dennoch von einer Betriebsänderung ausgehen, nämlich in Form einer „Einschränkung“ eines „wesentlichen Betriebsteils“?
Mit dieser bislang in Rechtsprechung und Kommentarliteratur nicht eindeutig beantworteten Frage befasst sich ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württembergs (Urteil vom 21.09.2009, 4 Sa 41/08).
Der Fall: Genügt ein wesentlicher Personalabbau in einem wesentlichen Betriebsteil für eine Betriebsänderung?
Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen, das Bestecke, Kochgeschirr und Kaffeemaschinen produziert. Bis Herbst 2007 wurden insgesamt 2.390 Mitarbeiter beschäftigt, davon 683 im Bereich Technik Tisch und Küche/Hotel.
Wegen Nachfragerückgangs beschloss der Arbeitgeber, die Hotelfertigung nach Tschechien zu verlagern, die Produktion teilweise einzustellen und die Mitarbeiterzahl in der Besteck- und Kochgeschirrfertigung dem Produktionsmengenrückgang anzupassen. Hiervon waren 112 gewerbliche Arbeitsplätze betroffen, unter anderem auch der des Klägers.
Der Arbeitgeber handelte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich aus. Dort wurden in einer Namenliste im Sinne des § 1 Abs.5 KSchG die vom Personalabbau betroffenen Mitarbeiter namentlich genannt.
Am 23.11.2007 zeigte der Beklagte eine geplante Massenentlassung bei der Bundesagentur für Arbeit und kündigte später im Verlauf des Tages dem Kläger ordentlich zum 30.06.2008.
Der Arbeitgeber rechnet so: Das Unternehmen hat insgesamt 2.390 Beschäftigte. Davon arbeiten 683, also über 28 Prozent, im Betriebsteil „Technik Tisch und Küche/Hotel“. Der Betriebsteil ist daher wesentlich. Innerhalb dieses Betriebsteils sind 112 Arbeitsplätze vom Personalabbau betroffen. Das sind über 16 Prozent des Betriebsteils. Es liegt damit auch ein wesentlicher Personalabbau vor.
Diese Berechnung überzeugte den gekündigten Arbeitnehmer nicht, der daher Kündigungsschutzklage erhob und vor Gericht unter anderem bestritt, dass eine Betriebsänderung vorlag. Das in erster Instanz zuständige Arbeitsgericht Stuttgart wies die Klage ab (Urteil vom 29.07.2008, 27 Ca 485/07). Daraufhin legte der Kläger Berufung zum LAG Baden-Württemberg ein.
LAG Baden-Württemberg: Nein! Der Personalabbau muss für den Gesamtbetrieb wesentlich sein.
Vor dem LAG Baden-Württemberg hatte der Kläger Erfolg: Das LAG stellte fest, dass keine Betriebsänderung vorlag und Namensliste daher nicht die für den Kläger nachteiligen Rechtsfolgen des § 1 Abs. 5 KSchG hatte. Im Ergebnis war die Kündigung daher aufgrund fehlerhafter Sozialauswahl als sozial nicht gerechtfertigt anzusehen und somit unwirksam.
In seiner Begründung meint das LAG, die vom Arbeitgeber vorgeschlagene „doppelte Wesentlichkeitsprüfung“ würde zu unrichtigen Ergebnissen führen. Denn im gleichen Betrieb könnten dann je nach Größe des betroffenen Betriebsteils völlig unterschiedliche Schwellenwerte zu einer Betriebsänderung führen. Das ist nach Ansicht des LAG mit § 111 BetrVG unvereinbar. Unter dem Aspekt einer „Betriebsänderung“ geht es letztlich immer um die Frage, ob sich die Leistungsfähigkeit des Betriebes insgesamt deutlich verringert. Bei einem insgesamt nur sehr geringen Personalabbau (unter 5 Prozent) kann das wohl kaum der Fall sein.
Im vorliegenden Streitfall waren nur 112 Arbeitnehmer und daher nur 4,68 Prozent aller Beschäftigten von dem Personalabbau betroffen. Damit war die von der Rechtsprechung des BAG für reine Personalabbaumaßnahmen geforderte Fünfprozent-Grenze nicht überschritten.
Fazit: Der - rechtskräftigen - Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ist zuzustimmen. Ansonsten könnten nämlich je nach der Struktur des Betriebes sehr kleine „Entlassungswellen“ schon zu einer Betriebsänderung führen. Dies wiederum würde dem - ohnehin mit Namenslisten oft verbundenen - „Gemauschel“ von Arbeitgeber und Betriebsrat weiteren Spielraum eröffnen.
Die Kehrseite der Entscheidung liegt allerdings auf der Hand: Betriebsräte müssen in Fällen einer Betriebsänderung einem Interessenausgleich mit Namensliste ja nicht unbedingt zustimmen, sondern können sich darauf beschränken, vom Arbeitgeber die Aufstellung eines Sozialplans zu fordern. Diese rechtliche Möglichkeit haben sie nach der hier besprochenen Entscheidung des LAG Baden-Württemberg nicht.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.09.2009, 4 Sa 41/08
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Interessenausgleich
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialauswahl
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialplan
Letzte Überarbeitung: 15. Dezember 2017
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