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ARBEITSRECHT AKTUELL // 06/21

Ar­beits­ge­richt Ham­burg: Kei­ne Kün­di­gung "i.A."

Kün­di­gun­gen, die mit dem Zu­satz "im Auf­trag" bzw. "i.A." un­ter­schrie­ben wer­den, sind in der Re­gel un­wirk­sam: Ar­beits­ge­richt Ham­burg, Ur­teil vom 08.12.2006, 27 Ca 21/06
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller Bei Kün­di­gun­gen muss man auf ei­ni­ge For­ma­li­tä­ten ach­ten

21.12.2006. Die Kün­di­gung ei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses muss ge­mäß § 623 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) schrift­lich er­klärt wer­den.

Das be­deu­tet, dass der­je­ni­ge, der die Er­klä­rung ab­gibt, die Kün­di­gung zu Pa­pier brin­gen und mit sei­nem Na­men ei­gen­hän­dig un­ter­schrei­ben muss.

Setzt er da­bei vor sei­nen Na­men den Zu­satz "im Auf­trag" bzw. "i.A.", macht der da­mit deut­lich, dass er gar kei­ne ei­ge­ne Wil­lens­er­klä­rung ab­ge­ben möch­te, son­dern als Bo­te ei­nes an­de­ren han­delt, näm­lich des­je­ni­gen, der die Kün­di­gung ei­gent­lich er­klä­ren möch­te. 

Da­mit ist die ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­ne Schrift­form nicht ein­ge­hal­ten, denn der Un­ter­zeich­nen­de ist dann nicht der­je­ni­ge, der die Kün­di­gung er­klärt: Ar­beits­ge­richt Ham­burg, Ur­teil vom 08.12.2006, 27 Ca 21/06.

Wel­che For­ma­litäten sind bei ei­ner schrift­li­chen Kündi­gung zu be­ach­ten?

Nach § 164 Abs.1 Satz 1 BGB gilt die "Wil­lens­erklärung" (z.B. ei­ne Kündi­gung) ei­nes Ver­tre­ters recht­lich als Wil­lens­erklärung des Ver­tre­te­nen, wenn fol­gen­de Be­din­gun­gen erfüllt sind:

  • Es muß ei­ne ei­ge­ne Wil­lens­erklärung des Ver­tre­ters vor­lie­gen.
  • Die­se Wil­lens­erklärung muß oh­ne Zwei­fel bzw. "of­fen­kun­dig" im Na­men ei­nes an­de­ren, nämlich des Ver­tre­te­nen ab­ge­ge­ben wer­den.
  • Der Ver­tre­ter muß hier­zu ermäch­tigt sein, d.h. er muß mit ent­spre­chen­der Be­vollmäch­ti­gung han­deln. Fehlt ei­ne sol­che zum Zeit­punkt der Ab­ga­be der Wil­lens­erklärung, kann der Ver­tre­te­ne die Wil­lens­erklärung im All­ge­mei­nen auch nachträglich ge­neh­mi­gen.

Frag­lich ist, ob ei­ne "ei­ge­ne Wil­lens­erklärung" des Stell­ver­tre­ters vor­liegt, wenn je­mand ei­ne Kündi­gung aus­spricht und da­bei im Kündi­gungs­schrei­ben vor sei­ner Un­ter­schrift den Zu­satz "i.A." bzw. "im Auf­trag" ver­wen­det.

Wenn man die­se Fra­ge mit "nein" be­ant­wor­tet, han­delt es sich um die bloße Über­mitt­lung der Erklärung ei­nes an­de­ren; der Über­mitt­ler ei­ner sol­chen (frem­den) Erklärung ist kein Stell­ver­tre­ter, son­dern (nur) "Bo­te".

BEISPIEL: Ein sechsjähri­ges Kind geht zum Bäcker­la­den und holt die von sei­ner Mut­ter be­stell­ten Ku­chenstücke ab, wo­bei es das Geld für den Ku­chen über­bringt. Bei der Übe­reig­nung der Ku­chenstücke so­wie der Geld­schei­ne und Münzen han­delt das Kind nur als Bo­te bzw. "im Auf­trag" sei­ner Mut­ter: Das Kind gibt kei­ne ei­ge­nen Wil­lens­erklärun­gen ab, son­dern über­mit­telt nur die Wil­lens­erklärun­gen sei­ner Mut­ter.

Ver­steht man ei­ne Kündi­gungs­erklärung, die mit dem Zu­satz "im Auf­trag" bzw. "i.A." ab­ge­ge­ben wird, nach die­sem Mus­ter, dann hält die Erklärung nicht die ge­setz­li­che Schrift­form ein und ist da­mit nich­tig (§ 623 BGB in Verb. mit § 125 BGB). Denn das Schrift­for­mer­for­der­nis be­deu­tet, daß die Kündi­gungs­erklärung selbst - und nicht et­wa nur ih­re Über­mitt­lung durch ei­nen Bo­ten - schrift­lich er­folgt.

Zu die­ser Fra­ge hat das Ar­beits­ge­richt Ham­burg mi Ur­teil vom 08.12.2006 (27 Ca 21/06) Stel­lung ge­nom­men.

Der Streit­fall: As­sis­tent der Geschäfts­lei­tung un­ter­schreibt ei­ne frist­lo­se Kündi­gung mit dem Zu­satz "i.A."

In dem vom Ar­beits­ge­richt Ham­burg ent­schie­de­nen Fall war der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer bei der Be­klag­ten seit dem 01.08.2000 als Koch zu ei­ner mo­nat­li­chen Brut­to­vergütung von 1.200,00 EUR an­ge­stellt. Am 15.12.2005 er­hielt der Kläger ein Schrei­ben auf den 09.12.2005 da­tier­tes Schrei­ben, in wel­chem ihm mit­ge­teilt wur­de, daß sei­ne mo­nat­li­che Ar­beits­zeit "aus be­trieb­li­cher Not­wen­dig­keit" auf 86,5 St­un­den verkürzt wer­de, und zwar be­gin­nend ab dem 15.12.2005.

Am 20.02.2006 er­hielt der Kläger ei­ne frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten. Die­se wur­de durch den As­sis­ten­ten der Geschäftsführung und Be­triebs­lei­ter, ei­nen Herrn K., un­ter­schrie­ben. Die­ser war zum Zeit­punkt der Kündi­gung un­strei­tig nicht Geschäftsführer der Be­klag­ten. Zu­dem un­ter­schrieb Herr K. mit dem Zu­satz "i.A.".

Der Kläger ging mit ar­beits­ge­richt­li­cher Kla­ge so­wohl ge­gen das Schrei­ben vom 09.12.2006 als auch ge­gen die frist­lo­se Kündi­gung vom 20.02.2006 vor, wo­bei er bei­de­ma­le die Fest­stel­lung be­gehr­te, daß die Erklärun­gen das Ar­beits­verhält­nis nicht be­en­det hätten.

Ar­beits­ge­richt Ham­burg: Der Zu­satz "im Auf­trag" macht ei­ne Bo­ten­stel­lung des Un­ter­zeich­nen­den deut­lich und kei­ne Stell­ver­tre­tung

Das Ar­beits­ge­richt Ham­burg hat im Sin­ne des Ar­beit­neh­mers ent­schie­den, d.h. es hat fest­ge­stellt, daß das Ar­beits­verhält­nis we­der durch das Schrei­ben vom 09.12.2006 noch durch die frist­lo­se Kündi­gung vom 20.02.2006 be­en­det wor­den ist. In­ter­es­sant ist vor al­lem die Be­gründung der Un­wirk­sam­keit der frist­lo­sen Kündi­gung. Hier­zu heißt es in dem Ur­teil:

"Ver­steht man das Zeich­nen >im Auf­trag< als Kenn­zeich­nung nicht ei­ner Ver­tre­ter-, son­dern ei­ner Bo­ten­hand­lung, so genügt ei­ne sol­che Un­ter­zeich­nung nicht für die Erfüllung der Schrift­form. Der Bo­te über­mit­telt nur als Werk­zeug sei­nes Geschäfts­herrn des­sen Wil­lens­erklärung (...). Er gibt im Ge­gen­satz zum Ver­tre­ter nicht ei­ne ei­ge­ne, son­dern ei­ne frem­de Wil­lens­erklärung im frem­den Na­men ab. Da er kei­ne ei­ge­ne Erklärung in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung ab­gibt, kann sein Han­deln die Schrift­form nicht erfüllen. Denn er ist nicht Aus­stel­ler der Ur­kun­de. Aus­stel­ler ist we­der der­je­ni­ge, der nur als Schreib­ge­hil­fe die Erklärung me­cha­nisch her­stellt, noch ihr Über­brin­ger. Ist die Erklärung nicht schon durch das Han­deln des Geschäfts­herrn oder sei­nes Ver­tre­ters form­wirk­sam er­folgt, kann die Un­ter­schrift des Bo­ten die­sen Man­gel nicht mehr hei­len. Die al­lein vom Bo­ten un­ter­zeich­ne­te Kündi­gung ist von vorn­her­ein nich­tig."

Im wei­te­ren führt das Ar­beits­ge­richt Ham­burg Ar­gu­men­te dafür an, daß die Ver­wen­dung des Zu­sat­zes "i.A." im vor­lie­gen­den Fall auf ei­ne bloße Bo­ten­stel­lung des Herrn K. bei der Ab­ga­be der frist­lo­sen Kündi­gung hin­deu­tet. Da­zu nimmt das Ge­richt ei­ne Aus­le­gung des Kündi­gungs­schrei­bens vor.

"Bei der Aus­le­gung ist ei­ner­seits zu berück­sich­ti­gen, dass im All­ge­mei­nen, nicht­ju­ris­ti­schen Sprach­ge­brauch mögli­cher­wei­se nicht im­mer hin­rei­chend zwi­schen >Auf­trag< und >Ver­tre­tung< un­ter­schie­den wird. An­de­rer­seits ist auch dem Nicht­ju­ris­ten schon we­gen des kla­ren Wort­lauts be­wusst, dass das Han­deln >in Ver­tre­tung< al­lein den Stell­ver­tre­ter kenn­zeich­net. Wird dem­ge­genüber ein Han­deln als >im Auf­trag< ge­kenn­zeich­net, kommt dem auch in der Lai­en­sphäre re­gelmäßig ei­ne Ab­stu­fung und Dis­tan­zie­rung zu. Der >i.A.< Un­ter­zeich­nen­de tut kund, dass ge­ra­de nicht er selbst die Erklärung ver­fasst hat, son­dern die­se von sei­nem Geschäfts­herrn stammt, in des­sen >Auf­trag< er han­delt und sie über­mit­telt. Die Un­ter­zeich­nung >i.A.< ist in großen Be­trie­ben zu­dem oft kenn­zeich­nend für nied­ri­ge­re Hier­ar­chie­ebe­nen. Nach außen wird dem­ent­spre­chend re­gelmäßig die Fremd­be­stim­mung ge­ra­de in der Ver­wen­dung des Kürzels >i.A.< zum Aus­druck ge­bracht. Da­her ist es fol­ge­rich­tig, in der Ver­wen­dung die­ses Kürzels ein In­diz für Bo­ten­han­deln zu se­hen. Der Ver­tre­ter hätte ein an­de­res Kürzel, nämlich >i.V.< ver­wen­det. Je­ner In­dizwir­kung ste­hen vor­lie­gend auch kei­ne an­de­ren Umstände ent­ge­gen. Ins­be­son­de­re für die bloße Bo­ten­stel­lung von Herrn K. spricht, dass er un­ter­halb des Un­ter­schrif­ten­fel­des, wel­ches mit >Geschäftsführer< un­ter­schrie­ben war, ge­zeich­net hat. Dies ließ für Drit­te den Schluss zu, dass nicht der über­brin­gen­de Herr K., son­dern der Geschäftsführer Aus­stel­ler der Kündi­gung war. Des­sen Un­ter­schrift fehlt aber."

Fa­zit: Bei der Ab­ga­be von Kündi­gungs­erklärun­gen im Na­men des da­bei ver­tre­te­nen Ar­beit­ge­bers soll­te der Stell­ver­tre­ter dar­auf ach­ten, daß er sei­ne Funk­ti­on - wenn über­haupt - durch das Kürzel "in Ver­tret­zung" bzw. "i.V." zum Aus­druck bringt.

Im Hin­blick auf den Wil­len, ei­ne Wil­lens­erklärung für den Ver­tre­te­nen ab­zu­ge­ben, ist es im All­ge­mei­nen aus­rei­chend, wenn der Stell­ver­tre­ter den Brief­bo­gen des ver­tre­te­nen Ar­beit­ge­bers ver­wen­det, weil sich dar­aus be­reits er­gibt, das er - der Stell­ver­tre­ter - nicht im ei­ge­nen Na­men, son­dern im Na­men des Ar­beit­ge­bers han­deln möch­te. Bes­ser ist es aber im­mer, die Kündi­gung aus­drück­lich "na­mens und in Voll­macht des / der XY" zu erklären.

We­gen der Möglich­keit, ei­ne in Stell­ver­tre­tung erklärte Kündi­gung gemäß § 174 Satz 1 BGB zurück­zu­wei­sen, wenn ihr kei­ne Voll­machts­ur­kun­de bei­gefügt ist, soll­te man ei­ner Ver­tre­terkündi­gung im All­ge­mei­nen ei­ne auf den Ver­tre­ter lau­ten­de, von der kündi­gen­den Ar­beits­ver­trags­par­tei aus­ge­stell­te Voll­machts­ur­kun­de beifügen.

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Letzte Überarbeitung: 6. Oktober 2016

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