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BAG, Urteil vom 19.04.2007, 2 AZR 208/06
Schlagworte: | Abwicklungsvertrag | |
Gericht: | Bundesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 2 AZR 208/06 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 19.04.2007 | |
Leitsätze: | Klageverzichtsvereinbarungen, die im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung getroffen werden, sind Auflösungsverträge iSd. § 623 BGB und bedürfen daher der Schriftform. | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 16.12.2004, 3 Ca 3233/04 Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.08.2005, 9 Sa 300/05 |
|
BUNDESARBEITSGERICHT
2 AZR 208/06
9 Sa 300/05
Landesarbeitsgericht
Düsseldorf
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
19. April 2007
URTEIL
Freitag, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,
pp.
Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter,
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Rost, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Eylert und Schmitz-Scholemann sowie die ehrenamtlichen Richter Schierle und Gans für Recht erkannt:
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. August 2005 - 9 Sa 300/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Klageverzichtsvereinbarung und einer von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten ordentlichen Kündigung.
Der Kläger ist Aussiedler aus Polen und trat im Januar 1992 als Schleifer in die Dienste der Beklagten. Bis zum Frühjahr/Frühsommer 2004 waren im Betrieb der Beklagten etwa 35 Arbeitnehmer tätig. Anfang Mai 2004 verlor die Beklagte ihren größten Kunden und kündigte daraufhin die Arbeitsverhältnisse von zehn Mitarbeitern. Eine ursprünglich geplante Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger vom 30. Juni 2004 zum 30. November 2004 wurde von der Beklagten nicht vollzogen, da der Kläger vorübergehend krankheitsbedingt fehlte und ihm das Kündigungsschreiben daher nicht ausgehändigt werden konnte.
Am 14. Juli 2004 fand zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn K, in dessen Büro ein Gespräch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien statt. In dessen Verlauf übergab der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger ein Schreiben vom selben Tag, in dem die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2005, hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Termin, erklärt wird. Das Kündigungsschreiben ist vom Geschäftsführer K und dem Prokuristen H unterzeichnet. Unter diesen beiden Unterschriften befindet sich der Zusatz: „Hiermit bestätige ich den Erhalt der obigen Kündigung und verzichte auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage“. Diesen Zusatz unterschrieb der Kläger gegen Ende des Gesprächs vom 14. Juli 2004.
Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2004, der am 21. Juli 2004 bei dem Arbeitsgericht Essen einging und der Beklagten am 27. Juli 2004 zugestellt wurde, hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und die Auffassung vertreten, die von ihm abgegebene Willenserklärung sei nichtig. Hierzu hat er ausgeführt, er sei aufgefordert worden,
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den Empfang der Kündigung mit seiner Unterschrift zu bestätigen. Er habe nicht den Willen gehabt, eine Verzichtserklärung hinsichtlich der Erhebung der Kündigungs-schutzklage abzugeben und hätte sie auch nicht abgegeben, wenn er nicht durch psychischen Druck zur Unterschriftsleistung gezwungen worden wäre. Er habe den Inhalt des Kündigungsschreibens auch sprachlich nicht richtig erfassen können. Im Verlauf des Rechtsstreits hat der Kläger weiter behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe ihm erklärt, er müsse den Erhalt des Kündigungsschreibens unterschreiben, andernfalls „fliege er sofort“. Falls er unterschreibe, werde ihm nicht die Kündigung vom 30. Juni 2004 übergeben, sondern ein neues Kündigungsschreiben vom 14. Juli 2004, und die Kündigungsfrist werde um sechs Monate bis zum 31. Januar 2005 verlängert. Möglicherweise erhalte er im Verlaufe der sechs Monate seine alte Stelle wieder zu-rück. Dann sei der Geschäftsführer ins Nebenzimmer gegangen, mit einem Kündigungsschreiben zurückgekommen und habe ihn aufgefordert, sofort zu unterschreiben. Im Glauben, lediglich den Erhalt der Kündigung zu quittieren, habe er unterschrieben. Zu keinem Zeitpunkt sei von einem Kündigungsschutzverzicht die Rede gewesen. Die Kündigung sei im Übrigen sozial ungerechtfertigt.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei durch die schriftliche Kündigung der beklagten Partei vom 14. Juli 2004, zugegangen am 14. Juli 2004, zum 31. Januar 2005 nicht aufgelöst worden ist;
2. die beklagte Partei zu verurteilen, die klägerische Partei für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu den im Arbeitsvertrag vom 8. Januar 1992 bis heute geregelten Arbeitsbedingungen als Arbeiter bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, allerdings habe ihr Geschäftsführer dem Kläger zunächst die Kündigung vom 30. Juni 2004 gezeigt. Er habe ihm dann erklärt, er werde nun eine neue Kündigung ausstellen und sie aus organisatorischen Gründen zum 31. Januar 2005 aussprechen. Dabei seien dem Kläger die Kündigungsgründe ausführlich dargelegt worden. Ihr Geschäftsführer habe an den Kläger appelliert, im Hinblick auf das jahrelang gute Verhältnis und die schwierige Situation der Firma die Angelegenheit endgültig und ohne gerichtliche Auseinandersetzung zu klären und aus diesem Grund auf Kündigungsschutz zu verzichten und dies auf dem Kündigungsschreiben zu bestätigen. Er habe ferner erklärt, es könne ja sein, dass der Kläger bis zum 31. Januar 2005 bei einer anderen Firma eine Stelle
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finde. Zum Abschluss des Gesprächs habe sich der Kläger bereit erklärt, auf Kündigungsschutz zu verzichten. Der Kläger habe genau gewusst, was er unterschrieben habe. Der Geschäftsführer habe nach dem mündlichen Einverständnis des Klägers gesagt, er werde die Verzichtserklärung auf das Kündigungsschreiben setzen, damit der Kläger sie unterzeichnen könne. Das sei geschehen. Der Kläger habe die Erklärung durchgelesen und unterschrieben. Eine Einwirkung auf den Kläger habe nicht stattgefunden.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten nach Parteivernehmung des Klägers und des Geschäftsführers der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klage sei zulässig. Zwar hätten die Parteien einen Klageverzichtsvertrag abgeschlossen. Ob dieser der Schriftform nach § 623 BGB bedürfe, könne offenbleiben, weil der Kläger diesen Vertrag erfolgreich angefochten habe. Der Kläger habe sich über den Inhalt seiner Erklärung geirrt. Er habe geglaubt, einen Aufhebungsvertrag, nicht aber einen Verzichtsvertrag zu schließen. Durch die in der Klageschrift enthaltene Erklärung, der Verzicht sei nichtig, habe er seine Erklärung angefochten. Das sei unverzüglich geschehen, da die Klageschrift innerhalb von 14 Tagen nach dem 14. Juli 2004, nämlich am 27. Juli 2004, der Beklagten zugestellt worden sei. Die Kündigung sei nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt habe. Davon sei auszugehen, weil die Beklagte auf das Auskunftsverlangen des Klägers (§ 1 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. KSchG) nicht erwidert habe.
B. Dem stimmt der Senat im Ergebnis und in Teilen der Begründung zu.
I. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass die Parteien einen rechtlich an sich zulässigen Klageverzichtsvertrag hinsichtlich der Kündigung der Beklagten vom 14. Juli 2004 abgeschlossen haben.
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1. Zu Recht geht das Landesarbeitsgericht davon aus, eine Erklärung, auf Kündigungsschutz zu verzichten, könne je nach Lage des Falles einen Aufhebungsvertrag, einen Vergleich, einen Klageverzicht oder ein Klagerücknahmeversprechen darstellen (BAG 3. Mai 1979 - 2 AZR 679/77 - BAGE 32, 6). Welche der Gestaltungsmöglichkeiten die Parteien gewählt haben, ist durch Auslegung zu ermitteln.
a) Die Auslegung von atypischen Willenserklärungen ist Sache des Tatsachengerichts und vom Revisionsgericht nur in Grenzen nachprüfbar. Solange das Berufungsgericht bei einer Auslegung die richtigen Rechtsvorschriften, also insbesondere §§ 133, 157 BGB, richtig angewandt, den Tatsachenstoff vollständig berücksichtigt und des Weiteren nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat, ist das Auslegungsergebnis nicht zu beanstanden.
b) Diesem Maßstab wird die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung gerecht. Nach übereinstimmendem Vortrag beider Parteien hatte die Beklagte dem Kläger vorgeschlagen, auf die Kündigungsschutzklage zu verzichten. Sie hatte diesen Vorschlag mit dem Angebot eines über den Ablauf der Kündigungsfrist hinausreichenden Kündigungstermins verbunden. Der von der Beklagten vorformulierte und vom Kläger unterzeichnete Wortlaut - sowohl des Kündigungsschreibens selbst, das den Kündigungstermin 31. Januar 2005 enthielt, als auch der eigentlichen Klageverzichtserklärung - entsprach diesem Angebot. Das gilt auch dann, wenn man, wie das Landesarbeitsgericht, annimmt, der Kläger habe sich vorgestellt, keinen Klageverzichtsvertrag, sondern einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Denn diese Vorstellung war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gerade vom Irrtum beeinflusst und konnte folglich nichts daran ändern, dass objektiv ein Klageverzichtsvertrag geschlossen wurde.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend 3. Mai 1979 - 2 AZR 679/77 - BAGE 32, 6, zu II 2 a der Gründe mwN) und der herrschenden Meinung in der Literatur (KR-Friedrich 8. Aufl. § 4 KSchG Rn. 297; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1253; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 15) kann der Arbeitnehmer auf die Erhebung oder Durchführung der Kündigungsschutzklage nach erklärter Kündigung verzichten.
a) Die Zulässigkeit eines solchen Verzichts ergibt sich bereits daraus, dass das Kündigungsschutzgesetz im Gegensatz zu anderen Gesetzen, die einen Verzicht auf
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bestimmte Rechte für unzulässig erklären (vgl. § 4 Abs. 4 TVG, § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG, § 12 EFZG, § 77 Abs. 4 BetrVG), keine Regelung getroffen hat, die dem Arbeitnehmer den Verzicht auf den Kündigungsschutz untersagt. Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer aus Rechtsgründen nicht gehalten ist, eine ihm ausgesprochene Kündigung mit der Kündigungsschutzklage anzugreifen, sondern untätig bleiben und die Kündigung hinnehmen kann mit der Folge, dass diese wirksam wird (§ 7 KSchG). Vor allem aber ist der Arbeitnehmer berechtigt, sein Arbeitsverhältnis jederzeit durch Auf-hebungsvertrag zu beenden (BAG 3. Mai 1979 - 2 AZR 679/77 - BAGE 32, 6, zu II 2 a der Gründe).
b) Der Arbeitnehmer kann nach erfolgter Kündigung auch vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichten (BAG 3. Mai 1979 - 2 AZR 679/77 - BAGE 32, 6, zu II 2 a der Gründe; zu-stimmend HaKo-Fiebig 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 14; KR-Friedrich aaO; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 1 Rn. 16). Zum Teil wird in der Literatur vertreten, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG auf den Kündigungsschutz nicht verzichten könne (vgl. etwa MünchKommBGB/Schwerdtner 3. Aufl. § 622 Anh. Rn. 162; s. auch Stahlhacke/Preis/Vossen aaO), weil das Kündigungsschutzgesetz den Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen sichere, weshalb der Arbeitnehmer nicht über sein Klagerecht disponieren könne. Der Senat hält jedoch an seiner bisherigen Auffassung fest. Er hat sich bereits in der Entscheidung vom 3. Mai 1979 (- 2 AZR 679/77 - BAGE 32, 6, zu II 2 a der Gründe) mit den Argumenten dieser Literaturmeinung auseinandergesetzt; es gibt keinen vom Gesetz angeordneten oder sonst als zwingend anzuerkennenden Grund, den Arbeitnehmer durch Beschränkung seiner Entscheidungsfreiheit auch während des Ablaufs der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG über das gesetzliche Maß hinaus zu schützen.
3. Ob der von den Parteien geschlossene Klageverzichtsvertrag deshalb nach § 142 Abs. 1 BGB unwirksam ist, weil, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger sich bei Abgabe der Annahmeerklärung in einem nach § 119 Abs. 1 BGB beachtlichen Inhaltsirrtum befand, seine Erklärung angefochten hat (§ 143 Abs. 1 BGB) und ob dies, wie § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB vorschreibt, unverzüglich geschah, kann dahinstehen. Allerdings liegen im Hinblick darauf, dass der Kläger zur Übermittlung seiner etwa in der Klageschrift liegenden Anfechtungserklärung ersichtlich nicht den schnellstmöglichen, sondern einen mit erkennbarem Verzögerungsrisiko behafteten
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Weg gewählt hat (vgl. BGH 11. Oktober 1974 - V ZR 25/73 - NJW 1975, 39), Zweifel an der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts nahe.
4. Jedenfalls war der Klageverzichtsvertrag nach §§ 623, 125 BGB mangels Einhaltung der gesetzlichen Schriftform nichtig und konnte deshalb das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beenden.
a) Nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB muss bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Nur wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden, genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Unterschrift muss den Urkundentext räumlich abschließen (BGH 20. November 1990 - XI ZR 107/89 - BGHZ 113, 48), Nachträge müssen erneut unterschrieben werden (BGH 24. Januar 1990 - VIII ZR 296/88 - NJW-RR 1990, 518). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Unstreitig ist die Klageverzichtserklärung allein vom Kläger unterzeichnet, nicht aber, wie es erforderlich gewesen wäre, auch von der Beklagten.
b) Die Parteien mussten bei Abschluss der Klageverzichtsvereinbarung die Schriftform der §§ 623, 126 BGB einhalten, weil es sich um einen Auflösungsvertrag iSd. § 623 BGB handelte.
aa) Die Frage, welche Vertragsgestaltungen als „Auflösungsverträge“ iSd. § 623 BGB anzusehen sind, wird in Schrifttum und Rechtsprechung der Instanzgerichte in der Regel im Zusammenhang mit sog. Abwicklungsverträgen behandelt, also Verträgen, die nach Ausspruch einer Kündigung die Folgen und das weitere Vorgehen der Parteien regeln.
(1) Überwiegend wird vertreten, dass für die Anwendung des § 623 BGB die von den Arbeitsvertragsparteien angestrebte Rechtsfolge der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses maßgeblich sei und es auf die Wortwahl nicht entscheidend ankomme (ErfK/Müller-Glöge 7. Aufl. § 623 BGB Rn. 12; Lakies BB 2000, 667). Soll die vom Arbeitnehmer zu akzeptierende Kündigung das Arbeitsverhältnis auflösen und schließen die Arbeitsvertragsparteien lediglich einen Vertrag über ihr zukünftiges Verhalten nach Ausspruch einer bevorstehenden Kündigung (sog. Abwicklungsvertrag), so sei dieser Vertrag nicht ohne Weiteres formbedürftig nach § 623 BGB (vgl. LAG Hamm 25. Oktober 2001 - 8 Sa 956/01 -, zu I 2 a der Gründe; ErfK/Müller-Glöge § 623 BGB Rn. 14; KR-Spilger 8. Aufl. § 623 BGB Rn. 49; APS/Preis 2. Aufl. § 623 BGB Rn. 9;
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Staudinger/Oetker § 623 BGB Rn. 35; Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler KSchR 6. Aufl. § 623 BGB Rn. 42; HaKo-Fiebig § 623 BGB Rn. 12; Schaub/Linck Arbeitsrechts-Handbuch 11. Aufl. § 122 Rn. 2; Appel/Kaiser AuR 2000, 281, 285; Müller-Glöge/v. Senden AuA 2000, 199, 200; Preis/Gotthardt NZA 2000, 348, 354; Däubler AiB 2000, 188, 191; Rolfs NJW 2000, 1227, 1228; Hümmerich NZA 2001, 1280, 1281; Bauer NZA 2002, 169, 170; Krabbenhöft DB 2000, 1562, 1567; Kleinebrink FA 2000, 174, 176; Mankowski JZ 2001, 357). Wenn allerdings die Kündigung unwirksam sei und erst der „Abwicklungsvertrag“ die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführe, komme dem Abwicklungsvertrag auflösende Wirkung zu, so dass er in diesem Fall formbedürftig iSd. § 623 BGB sei (ErfK/Müller-Glöge aaO; Müller-Glöge/v. Senden AuA aaO; Staudinger/Oetker § 623 BGB Rn. 36; Mankowski JZ aaO; APS/Preis aaO). Daraus dürfe aber nicht auf die grundsätzliche Formbedürftigkeit des Abwicklungsvertrages geschlossen werden (Mankowski JZ aaO).
(2) Zum Teil wird in der Literatur auch vertreten, ein Abwicklungsvertrag sei in den Anwendungsbereich des § 623 BGB und seinen Formzwang einzubeziehen (Schaub NZA 2000, 344, 347; Berscheid ZInsO 2000, 208, 209; Sander/Siebert BuW 2000, 424, 425; dies. AuR 2000, 330, 335; Richardi NZA 2001, 57, 61). Nur so könne das Gesetzesziel erreicht werden, weil der Arbeitnehmer erst durch die Folgenregelung im Abwicklungsvertrag auf den Kündigungsschutz verzichte (Berscheid ZInsO aaO; Schaub NZA aaO; Sander/Siebert BuW aaO) und erst durch den Abwicklungsvertrag die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Rechtsstreit entzogen werde (San-der/Siebert AuR aaO). Der Abwicklungsvertrag sei ein Unterfall des Aufhebungsvertrages (Schaub NZA aaO; Sander/Siebert BuW aaO). Allein dadurch, dass man den Auf-hebungsvertrag in eine Kündigung mit Abwicklungsvertrag aufspalte, könne man das Schriftformerfordernis nicht umgehen (Richardi NZA aaO).
bb) Die besseren Gründe sprechen für die Annahme der Formbedürftigkeit jedenfalls auch solcher Klageverzichtsvereinbarungen, die im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung getroffen werden. Solche Vereinbarungen sind Auflösungsverträge iSd. § 623 BGB.
(1) Das zeigt zunächst der Wortlaut des § 623 BGB. Er sah die Schriftform zunächst für „Kündigungen“, „Befristungen“ und „Auflösungsverträge“ vor. Während er also im Falle der Kündigung und der Befristung Begriffe mit einem fest umrissenen rechtlichen Inhalt benutzte, bediente er sich durch die Verwendung des Begriffs „Auflö-
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sungsvertrag“ einer Bezeichnung, die der Gesetzgeber im Arbeitsrecht bis dahin nicht verwendet hatte. Daraus ist zu folgern, dass es nicht um die Begrenzung des Schriftformerfordernisses auf bestimmte Vertragstypen ging, sondern um die Erfassung einer in der Arbeitswelt häufigen Erscheinung, nämlich des Einvernehmens der Parteien dahin, die Lösung der vertraglichen Bindung zu bewirken. Die nähere rechtsdogmatische Einordnung dieses Einvernehmens ist durch den Begriff „Auflösungsvertrag“ nicht angesprochen. Es können also unterschiedliche Vertragstypen als „Auflösungsverträge“ eingeordnet werden. Die Annahme, der Gesetzgeber habe die Formbedürftigkeit an das Vorliegen gewisser „juristischer Kausalitätskriterien“ knüpfen wollen, findet weder im Wortlaut noch im erkennbaren Sinn und Zweck der Norm Anklang (aA KR-Spilger aaO). Entscheidend ist, ob auf Grund des Vertrages die Auflösung des Arbeitsverhältnisses unausweichlich eintritt.
(2) Auch eine Klageverzichtsvereinbarung wie die hier vorliegende ist danach ein Auflösungsvertrag. Die Auflösung zu erreichen ist ihr einziger Sinn. Der Verzichtsvertrag wird gerade deshalb geschlossen, weil bei seinem Abschluss noch unsicher ist, ob die bereits ausgesprochene und noch angreifbare Kündigung ihr Ziel herbeiführen wird. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die Kündigung habe zu diesem Zeitpunkt bereits zu wirken begonnen, so dass nicht der Verzichtsvertrag, sondern die Kündigung das Arbeitsverhältnis beende. Aus Sicht der Parteien und insbesondere des Arbeitgebers ist die Wirkung der Kündigung gerade unsicher. Sonst bräuchte er den Verzicht nicht. Die nach Aussprache der Kündigung einzige dem Arbeitnehmer verbliebene rechtliche Handhabe, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verhindern - nämlich die Möglichkeit der Klageerhebung -, soll beseitigt werden. Das wird dadurch erreicht, dass der Arbeitnehmer sich vertraglich zum Verzicht auf die Klageerhebung verpflichtet. Bei etwa dann doch erhobener Klage soll der Arbeitgeber in die Lage versetzt werden, der Klage die Verzichtsvereinbarung entgegenzuhalten und dadurch den gewöhnlichen Wirkungen der Klageerhebung - nämlich der Vermeidung der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG - zu entgehen. Er muss sich also, damit die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festgestellt werden kann, auf den Verzichtsvertrag berufen. Die Lage ist im Wesentlichen dieselbe wie im Fall eines Vertrages, mit dem nicht der Verzicht auf die Kla-ge gegen eine ausgesprochene Kündigung erklärt wird, sondern nach Kündigung ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird.
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(3) Das Zustandekommen der Vereinbarung im vorliegenden Fall zeigt, dass es dem Sinn des Vertragsgeschehens widerspräche, den abgeschlossenen Klageverzichtsvertrag nicht als Auflösungsvertrag anzusehen. Weder aus Sicht des Arbeitgebers, der im einen wie im anderen Fall die sichere Auflösung des Arbeitsvertrages durch einverständliche Regelung anstrebt, noch aus Sicht des Arbeitnehmers, der durch eine vertragliche Erklärung das Schicksal seines Arbeitsverhältnisses „besiegeln“ und sich seiner Rechte begeben soll, macht es im praktischen Sinn des Geschehens und im angestrebten rechtlichen Ergebnis einen Unterschied, ob ein Aufhebungsvertrag geschlossen oder eine Kündigung entgegengenommen und gleichzeitig darüber hinaus ein Vertrag geschlossen werden soll. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Arten einvernehmlicher Beendigung bestünde demnach in der Formbedürftigkeit der einen und Formfreiheit der anderen Vertragsgestaltung.
(4) Dass die Parteien die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Klageverzichtsvereinbarung nicht ausdrücklich erwähnt haben, ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts. Es ist anerkannt, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch dann - konkludent - vereinbart sein kann, wenn die Parteien eine anderweitige Vereinbarung schließen, deren Inhalt den Willen, den Arbeitsvertrag fortzusetzen, regelmäßig ausschließt (BAG 14. Juni 2006 - 5 AZR 592/05 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 62 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 40; vgl. dazu Haase GmbHR 2006, 1104).
(5) Für dieses Ergebnis spricht außerdem, dass der mit § 623 BGB bezweckte Schutz vor Übereilung bei Klageverzichtsvereinbarungen jedenfalls dann, wenn sie im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Kündigung geschlossen werden, nicht weniger notwendig ist als bei anderen Auflösungsverträgen. Denn auch der Klageverzicht führt dazu, dass der Arbeitnehmer sich mit Vertragsschluss seiner Rechte und damit in vielen Fällen seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage begibt, bzw. sie zumindest - auch mit Blick auf die sozialrechtlichen Folgen eines Klageverzichts - schmälert.
(6) Der vom Gesetzgeber ebenfalls angestrebte Zweck der Beweissicherung spricht ebenfalls für die Formbedürftigkeit von derartigen Klageverzichtserklärungen. Gerade der vorliegende Fall zeigt dies. Da die Unterschiede zwischen einer Kündigung mit anschließendem Klageverzichtsvertrag und einem „unverblümten“ Aufhebungsvertrag - mit oder ohne vorhergegangene Kündigung - allein in der rechtlichen Konstruktion liegen, die noch dazu eines Verständnisses der für den rechtlichen Laien schwer
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zugänglichen Wirkungsweise einer Vorschrift wie des § 7 KSchG bedarf, dürften diese Unterschiede in aller Regel kaum wesentlichen Raum in den inneren Vorstellungen der Vertragschließenden einnehmen. Eine Auslegung in der einen oder anderen Richtung kann deshalb allenfalls am meist wohl eher zufälligen Wortlaut ansetzen oder sie muss spekulativen Charakter annehmen, noch dazu, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine der Parteien der deutschen Sprache nicht in ganz befriedigendem Umfange mächtig ist. Sinn der Einführung von § 623 BGB war es aber gerade, die Frage der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses nicht von der Erweislichkeit dieser oder jener möglicherweise nur halbverstandenen Äußerung abhängig zu machen, die ohnehin regelmäßig in einer Situation zustande kommt, in der nicht die korrekte Wortwahl im Mittelpunkt des Interesses der Parteien steht, sondern die Beendigung einer für beide Parteien wirtschaftlich bedeutsamen Vertragsbeziehung (BAG 16. September 2004 - 2 AZR 659/03 - AP BGB § 623 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 1). Ist dagegen die in § 623 BGB vorgeschriebene Schriftform gewahrt, so steht jedenfalls der Auslegungsstoff eindeutig fest.
(7) Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Anwendung von § 623 BGB führe zu einer Einschränkung der Vertragsfreiheit. Die Parteien sind genauso wenig wie bei anderen formbedürftigen Verträgen gehindert, die vom Gesetz vorgeschriebene einfache Form einzuhalten. Wenn der Arbeitnehmer Klage nicht erheben und damit die Wirksamkeit der Kündigung durch keiner Form bedürftiges Verhalten herbeiführen will, ist er frei, dies zu tun.
(8) Der Vorschlag, Vereinbarungen der vorliegenden Art stets nur dann als nicht formbedürftig anzusehen, wenn die ihm zugrundeliegende Kündigung wirksam ist, erscheint nicht zweckmäßig. Formvorschriften sollen, da sie gerade der Rechtssicherheit dienen, leicht anzuwenden sein. Im vorliegenden Fall würde, da die Beklagte jedenfalls im Revisionsverfahren selbst nicht mehr geltend macht, die Kündigung sei nach §§ 1, 2 KSchG wirksam, der Klageverzicht auch nach dieser Meinung unwirksam sein.
5. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, nach der die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG ist, wird von der Revision nicht beanstandet. Sie enthält auch keinen revisiblen Rechtsfehler.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Rost
Rost für den durch Erkrankung an der Unterschrift verhinderten Richter Dr. Eylert
Schmitz-Scholemann
K. Schierle
Th. Gans
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