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BAG, Be­schluss vom 20.04.2016, 7 ABR 50/14

   
Schlagworte: Internetanschluss, Betriebsrat
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 ABR 50/14
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 20.04.2016
   
Leitsätze: Der Betriebsrat darf einen separaten, vom Proxy-Server des Arbeitgebers unabhängigen Internetzugang nicht allein deshalb für erforderlich halten, weil über den zentral vermittelten Internetzugang technisch die Möglichkeit besteht, die Internetnutzung und den E-Mail-Verkehr zu überwachen. Der Betriebsrat hat grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Einrichtung eines eigenen, von der Telefonanlage des Arbeitgebers unabhängigen Telefonanschlusses. Der Arbeitgeber kann seine Verpflichtung nach § 40 Abs. 2 BetrVG vielmehr dadurch erfüllen, dass er dem Betriebsrat über einen Nebenstellenanschluss eine uneingeschränkte Telekommunikation ermöglicht.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Oldenburg, Beschluss vom 27.6.2013 - 5 BV 5/13
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 30.7.2014 - 16 TaBV 92/13
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

7 ABR 50/14
16 TaBV 92/13
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nie­der­sach­sen

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
20. April 2016

BESCHLUSS

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter
der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

2.

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Be­ra­tung vom 20. April 2016 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Kiel und die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Renn­pferdt so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kley und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Gmo­ser für Recht er­kannt:

 

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Die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats ge­gen den Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 30. Ju­li 2014 - 16 TaBV 92/13 - wird zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob die Ar­beit­ge­be­rin ver­pflich­tet ist, dem Be­triebs­rat ei­nen se­pa­ra­ten Te­le­fon- und In­ter­net­an­schluss ein­sch­ließlich ei­nes un­kon­trol­lier­ba­ren E-Mail-Ver­kehrs zur Verfügung zu stel­len.

Die zu 2. be­tei­lig­te Ar­beit­ge­be­rin gehört zum Kon­zern der M AG, W. Sie un­terhält ei­nen Be­trieb in D mit et­wa 65 Ar­beit­neh­mern, für den der an­trag­stel­len­de, aus fünf Mit­glie­dern be­ste­hen­de Be­triebs­rat ge­bil­det ist.

Das Büro des Be­triebs­rats ist mit ei­nem PC so­wie mit ei­nem Lap­top aus­ge­stat­tet. Wie für al­le an­de­ren dem Be­trieb an­gehören­den Per­so­nen mit Zu­griffs­be­rech­ti­gung zum In­ter­net wird auch der In­ter­net­zu­gang für den Be­triebs­rat über den sog. Pro­xy-Ser­ver bei der M AG (Kon­zern­mut­ter) ver­mit­telt. Über den Pro­xy-Ser­ver ist es tech­nisch möglich, User- und IP-Adres­sen so­wie die Uni­form Re­sour­ce Lo­ca­tors (URLs) der Brow­ser­zu­grif­fe zu pro­to­kol­lie­ren und per­so­nen- bzw. be­triebs­rats­be­zo­gen aus­zu­wer­ten. Im Kon­zern nicht für not­wen­dig er­ach­te­te In­ter­net­adres­sen, zu de­nen auch „youtube“ und „eRecht24“ gehören, wer­den dort über ei­nen Fil­ter ge­sperrt. Die E-Mail-Post­spei­cher ein­sch­ließlich der gelöschten E-Mails können von Ad­mi­nis­tra­to­ren ge­le­sen wer­den. Es kom­men E-Mail-Fil­ter zum Ein­satz, die Spams dem Fach „Junk­mail“ zu­ord­nen. Der Zu­gang zum In­ter­net und In­tra­net er­folgt für al­le Mit­glie­der des Be­triebs­rats über ein ein­heit­li­ches Pass­wort.

Die in den Kon­zern­ge­sell­schaf­ten ein­ge­setz­ten, zen­tral ver­wal­te­ten Te­le­fon­an­la­gen des Typs H las­sen tech­nisch die Ein­stel­lung zu, dass die Ver­kehrs­da­ten mit vollständi­gen Ziel­num­mern ge­spei­chert und per­so­nen­be­zo­gen

 

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aus­ge­wer­tet wer­den können. Das Be­triebs­ratsbüro in D ist mit ei­nem Ne­ben­stel­len­an­schluss aus­ge­stat­tet. Zu­dem steht dem Be­triebs­rat ein mo­bi­les Te­le­fon­gerät zur Verfügung, das auf die­se Ne­ben­stel­le ge­schal­tet ist.

Der Be­triebs­rat hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihm ste­he ein se­pa­ra­ter In­ter­net­zu­gang ein­sch­ließlich ei­nes un­kon­trol­lier­ba­ren E-Mail-Ver­kehrs zu, der nicht über den Pro­xy-Ser­ver der Kon­zern­mut­ter ver­mit­telt wer­de. Außer­dem ha­be er An­spruch auf ei­nen Te­le­fon­an­schluss, der von der Te­le­fon­an­la­ge der Ar­beit­ge­be­rin un­abhängig sei. Auf­grund der abs­trak­ten Möglich­keit ei­ner Kon­trol­le der In­ter­net­nut­zung, des E-Mail-Ver­kehrs so­wie der Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on durch die Ar­beit­ge­be­rin dürfe er ei­nen se­pa­ra­ten Zu­gang zum In­ter­net und ei­nen ei­ge­nen Te­le­fon­an­schluss für er­for­der­lich hal­ten. Er könne nicht dar­auf ver­wie­sen wer­den, ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung zur Re­ge­lung von Kon­troll­rech­ten ab­zu­sch­ließen.

Der Be­triebs­rat hat zu­letzt - so­weit für die Rechts­be­schwer­de von In­ter­es­se - be­an­tragt,

1. die Ar­beit­ge­be­rin zu ver­pflich­ten, ihm ei­nen se­pa­ra­ten In­ter­net­zu­gang zur Verfügung zu stel­len, der nicht über den Pro­xy-Ser­ver der M AG, W, ver­mit­telt wird und ihm und sei­nen Mit­glie­dern ei­nen un­ein­ge­schränk­ten und un­kon­trol­lier­ba­ren In­ter­net­zu­gang ein­sch­ließlich ei­nes un­kon­trol­lier­ba­ren E-Mail-Ver­kehrs ermöglicht,

2. die Ar­beit­ge­be­rin zu ver­pflich­ten, ihm ei­nen se­pa­ra­ten Te­le­fon­an­schluss zur un­kon­trol­lier­ba­ren Nut­zung zur Verfügung zu stel­len, der un­abhängig von der Te­le­fon­an­la­ge der Ar­beit­ge­be­rin ist.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat be­an­tragt, die Anträge ab­zu­wei­sen. 

Das Ar­beits­ge­richt hat die Anträge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­schwer­de des Be­triebs­rats zurück­ge­wie­sen. Mit der Rechts­be­schwer­de ver­folgt der Be­triebs­rat sei­ne Anträge wei­ter. Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Rechts­be­schwer­de.

 

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B. Die Rechts­be­schwer­de ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Anträge zu Recht ab­ge­wie­sen. Die Anträge sind zulässig, aber nicht be­gründet.

I. Die Anträge des Be­triebs­rats sind nach ge­bo­te­ner Aus­le­gung zulässig. 

1. Der An­trag zu 1. ist sei­nem Wort­laut nach dar­auf ge­rich­tet, die Ar­beit­ge­be­rin zu ver­pflich­ten, dem Be­triebs­rat ei­nen se­pa­ra­ten In­ter­net­zu­gang zur Verfügung zu stel­len, der nicht über den Pro­xy-Ser­ver der Kon­zern­mut­ter ver­mit­telt wird und ihm und sei­nen Mit­glie­dern ei­nen un­ein­ge­schränk­ten und un­kon­trol­lier­ba­ren In­ter­net­zu­gang ein­sch­ließlich ei­nes un­kon­trol­lier­ba­ren E-Mail-Ver­kehrs ermöglicht. Der An­trag ist nicht da­hin zu ver­ste­hen, dass je­de theo­re­tisch denk­ba­re Kon­trollmöglich­keit des In­ter­net­zu­gangs und sei­ner Nut­zung ein­sch­ließlich des E-Mail-Ver­kehrs durch Drit­te aus­ge­schlos­sen sein soll. Die­ses Ziel ließe sich tech­nisch nicht er­rei­chen. Der Be­triebs­rat be­gehrt viel­mehr die Ein­rich­tung ei­nes Zu­gangs zum In­ter­net un­abhängig von ei­nem ge­mein­sam mit der Ar­beit­ge­be­rin ge­nutz­ten Pro­xy-Ser­ver. Da­mit will er er­rei­chen, dass die Ar­beit­ge­be­rin we­der über den Pro­xy-Ser­ver der Kon­zern­mut­ter noch auf an­de­re Wei­se über ei­ne tech­ni­sche Möglich­keit verfügt, die In­ter­net­nut­zung so­wie den E-Mail-Ver­kehr zu kon­trol­lie­ren und ein­zel­ne In­ter­net­sei­ten zu sper­ren.

2. Mit dem An­trag zu 2. geht es dem Be­triebs­rat dar­um, dass ihm die Ar­beit­ge­be­rin ei­nen von der in ih­rem Un­ter­neh­men ver­wen­de­ten Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­an­la­ge H un­abhängi­gen Te­le­fon­an­schluss zur Verfügung stellt. So­weit der An­schluss „zur un­kon­trol­lier­ba­ren Nut­zung“ über­las­sen wer­den soll, will der Be­triebs­rat er­rei­chen, dass je­de tech­ni­sche Möglich­keit ei­ner Er­fas­sung und Aus­wer­tung von Ver­bin­dungs­da­ten durch die Ar­beit­ge­be­rin aus­ge­schlos­sen ist.

3. Die so ver­stan­de­nen Anträge sind hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Für die Ar­beit­ge­be­rin ist er­kenn­bar, was von ihr ver­langt wird.

 

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II. Die Anträge des Be­triebs­rats sind un­be­gründet. Die Ar­beit­ge­be­rin ist we­der ver­pflich­tet, dem Be­triebs­rat ei­nen se­pa­ra­ten In­ter­net­zu­gang ein­zu­rich­ten, noch ist sie ge­hal­ten, ihm statt des Ne­ben­stel­len­an­schlus­ses ei­nen von der im Be­trieb ge­nutz­ten Te­le­fon­an­la­ge un­abhängi­gen Te­le­fon­an­schluss zur Verfügung zu stel­len.

1. Nach § 40 Abs. 2 Be­trVG hat der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat für die lau­fen­de Geschäftsführung in er­for­der­li­chem Um­fang ua. sach­li­che Mit­tel so­wie In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik zur Verfügung zu stel­len. Zur In­for­ma­ti­ons­tech­nik iSv. § 40 Abs. 2 Be­trVG gehört auch das In­ter­net (vgl. et­wa BAG 20. Ja­nu­ar 2010 - 7 ABR 79/08 - Rn. 10 mwN, BA­GE 133, 129).

a) Die Prüfung, ob ein Sach­mit­tel zur Er­le­di­gung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben er­for­der­lich und vom Ar­beit­ge­ber zur Verfügung zu stel­len ist, ob­liegt nach ständi­ger Recht­spre­chung des Se­nats dem Be­triebs­rat. Die Ent­schei­dung hierüber darf er nicht al­lein an sei­nen sub­jek­ti­ven Bedürf­nis­sen aus­rich­ten. Von ihm wird viel­mehr ver­langt, dass er die be­trieb­li­chen Verhält­nis­se und die sich ihm stel­len­den Auf­ga­ben berück­sich­tigt. Da­bei hat der Be­triebs­rat die In­ter­es­sen der Be­leg­schaft an ei­ner sach­ge­rech­ten Ausübung des Be­triebs­rats­amts und be­rech­tig­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers, auch so­weit sie auf ei­ne Be­gren­zung der Kos­ten­tra­gungs­pflicht ge­rich­tet sind, ge­gen­ein­an­der ab­zuwägen. Auch nach der am 28. Ju­li 2001 in Kraft ge­tre­te­nen Neu­fas­sung des § 40 Abs. 2 Be­trVG, mit der der Ge­setz­ge­ber klar­ge­stellt hat, dass der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik in er­for­der­li­chem Um­fang zur Verfügung zu stel­len hat (BT-Drs. 14/5741 S. 41), kann bei der Nut­zung die­ser Tech­nik von der Prüfung der Er­for­der­lich­keit nicht ab­ge­se­hen wer­den (BAG 18. Ju­li 2012 - 7 ABR 23/11 - Rn. 20; 14. Ju­li 2010 - 7 ABR 80/08 - Rn. 17 f., BA­GE 135, 154; 17. Fe­bru­ar 2010 - 7 ABR 103/09 - Rn. 11 ff.).

b) Die Ent­schei­dung des Be­triebs­rats über die Er­for­der­lich­keit des ver­lang­ten Sach­mit­tels un­ter­liegt der ar­beits­ge­richt­li­chen Kon­trol­le. Die­se ist auf die Prüfung be­schränkt, ob das ver­lang­te Sach­mit­tel auf­grund der kon­kre­ten be­trieb­li­chen Si­tua­ti­on der Er­le­di­gung der ge­setz­li­chen Auf­ga­ben des Be­triebs­rats dient und der Be­triebs­rat bei sei­ner Ent­schei­dung nicht nur die In­ter­es­sen

 

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der Be­leg­schaft berück­sich­tigt, son­dern auch be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers Rech­nung ge­tra­gen hat. Dient das je­wei­li­ge Sach­mit­tel der Er­le­di­gung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Auf­ga­ben und hält sich die In­ter­es­sen­abwägung des Be­triebs­rats im Rah­men sei­nes Be­ur­tei­lungs­spiel­raums, kann das Ge­richt die Ent­schei­dung des Be­triebs­rats nicht durch sei­ne ei­ge­ne er­set­zen (BAG 18. Ju­li 2012 - 7 ABR 23/11 - Rn. 20; 14. Ju­li 2010 - 7 ABR 80/08 - Rn. 19 mwN, BA­GE 135, 154).

c) Die im Rah­men der ar­beits­ge­richt­li­chen Kon­trol­le er­ge­hen­de Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, ob der Be­triebs­rat ein Sach­mit­tel zur Er­le­di­gung der ihm ob­lie­gen­den Auf­ga­ben für er­for­der­lich hal­ten durf­te und die­ses des­halb vom Ar­beit­ge­ber zur Verfügung zu stel­len ist, kann im Rechts­be­schwer­de­ver­fah­ren eben­falls nur ein­ge­schränkt dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob Rechts­be­grif­fe ver­kannt, Denk­ge­set­ze oder all­ge­mei­ne Er­fah­rungssätze ver­letzt oder we­sent­li­che Umstände bei der Würdi­gung über­se­hen wor­den sind (BAG 14. Ju­li 2010 - 7 ABR 80/08 - Rn. 20 mwN, BA­GE 135, 154; 17. Fe­bru­ar 2010 - 7 ABR 103/09 - Rn. 14).

2. Die­sem ein­ge­schränk­ten Über­prüfungs­maßstab hält die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung stand.

a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu Recht er­kannt, dass der Be­triebs­rat kei­nen Zu­gang zum In­ter­net ver­lan­gen durf­te, der von ei­nem ge­mein­sam mit der Ar­beit­ge­be­rin ge­nutz­ten Pro­xy-Ser­ver un­abhängig ist.

aa) Nach der Recht­spre­chung des Se­nats kann der Be­triebs­rat ei­nen In­ter­net­zu­gang so­wie die Teil­ha­be am E-Mail-Ver­kehr ver­lan­gen, so­weit dies zur ord­nungs­gemäßen Wahr­neh­mung der ihm nach dem Ge­setz ob­lie­gen­den Auf­ga­ben er­for­der­lich ist. Er muss da­zu kei­ne kon­kret an­ste­hen­den be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Auf­ga­ben dar­le­gen, zu de­ren Er­le­di­gung In­for­ma­tio­nen aus dem In­ter­net benötigt wer­den (BAG 18. Ju­li 2012 - 7 ABR 23/11 - Rn. 23; 14. Ju­li 2010 - 7 ABR 80/08 - Rn. 24, BA­GE 135, 154; 20. Ja­nu­ar 2010 - 7 ABR 79/08 - Rn. 19, BA­GE 133, 129). Die vom Be­triebs­rat zu be­ur­tei­len­de Dien­lich­keit ei­nes Sach­mit­tels zur Auf­ga­ben­wahr­neh­mung ist nicht erst dann ge­ge­ben,

 

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wenn der Be­triebs­rat oh­ne den Ein­satz des Sach­mit­tels sei­ne ge­setz­li­chen Pflich­ten ver­nachlässi­gen müss­te. Ver­ant­wort­li­che Be­triebs­rats­ar­beit setzt vor­aus, dass sich je­des Be­triebs­rats­mit­glied - ins­be­son­de­re bei der Vor­be­rei­tung auf Be­triebs­rats­sit­zun­gen - über an­ste­hen­de Be­triebs­rats­auf­ga­ben in­for­mie­ren und hier­zu re­cher­chie­ren kann (BAG 18. Ju­li 2012 - 7 ABR 23/11 - Rn. 23).

bb) Die­sen An­spruch des Be­triebs­rats hat die Ar­beit­ge­be­rin erfüllt, in­dem sie ihm ei­nen In­ter­net­zu­gang und E-Mail-Ver­kehr über das im Un­ter­neh­men ge­nutz­te Netz­werk ver­mit­telt hat. Ei­nen da­von un­abhängi­gen In­ter­net­zu­gang und E-Mail-Ver­kehr darf der Be­triebs­rat nicht für er­for­der­lich hal­ten. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt rechts­feh­ler­frei er­kannt.

(1) Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts ste­hen im Be­triebs­ratsbüro ein zen­tra­ler Rech­ner und ein Lap­top mit nicht per­so­na­li­sier­tem In­ter­net­zu­gang zur Verfügung. Darüber ha­ben al­le Mit­glie­der des Be­triebs­rats nach Ein­ga­be ei­nes ein­heit­li­chen Pass­worts Zu­griff auf das In­ter­net und können re­cher­chie­ren so­wie per E-Mail kom­mu­ni­zie­ren. So­weit der Zu­gang zu ein­zel­nen In­ter­net­sei­ten über den bei der Kon­zern­mut­ter der Ar­beit­ge­be­rin ein­ge­rich­te­ten Pro­xy-Ser­ver ge­sperrt ist, führt die­se Be­schränkung nicht zu ei­ner un­zulässi­gen Be­ein­träch­ti­gung der Be­triebs­rats­ar­beit. Durch die Zwi­schen­schal­tung des Pro­xy-Ser­vers wer­den schädi­gen­de Pro­gram­me aus­ge­fil­tert und Web­sei­ten mit un­er­laub­ten In­hal­ten ge­sperrt. Ein Zu­griff­s­in­ter­es­se des Be­triebs­rats auf Web­sei­ten mit straf­ba­ren und/oder sit­ten­wid­ri­gen In­hal­ten be­steht nicht. Soll­te der Be­triebs­rat be­stimm­te an­de­re nicht verfügba­re In­ter­net­sei­ten wie „eRecht24“ oder „youtube“ un­ter Berück­sich­ti­gung der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen der Ar­beit­ge­be­rin zur Er­le­di­gung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Auf­ga­ben für er­for­der­lich er­ach­ten, könn­te er ggf. de­ren Frei­schal­tung nach § 40 Abs. 2 Be­trVG ver­lan­gen.

(2) Die An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts, der Be­triebs­rat dürfe ei­nen 24 se­pa­ra­ten, vom Pro­xy-Ser­ver der Ar­beit­ge­be­rin bzw. de­ren Kon­zern­mut­ter un­abhängi­gen In­ter­net­zu­gang nicht des­halb für er­for­der­lich hal­ten, weil über den zen­tral ver­mit­tel­ten In­ter­net­zu­gang tech­nisch die Möglich­keit be­steht, die In­ter-

 

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net­nut­zung und den E-Mail-Ver­kehr zu über­wa­chen, ist rechts­be­schwer­de­recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

(a) Oh­ne das Vor­lie­gen kon­kre­ter An­halts­punk­te, die im vor­lie­gen­den Fall we­der vom Be­triebs­rat vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich sind, kann nicht un­ter­stellt wer­den, dass ein Ar­beit­ge­ber von den tech­ni­schen Über­wa­chungsmöglich­kei­ten der In­ter­net­nut­zung in un­zulässi­ger Wei­se Ge­brauch macht und er ins­be­son­de­re In­hal­te der vom Be­triebs­rat ver­sand­ten oder an den Be­triebs­rat ge­rich­te­ten E-Mails zur Kennt­nis nimmt und ggf. aus­wer­tet. Der Grund­satz der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit (§ 2 Abs. 1 Be­trVG) steht ei­ner Ver­mu­tung ent­ge­gen, dass die Be­triebs­par­tei­en das In­ter­net miss­bräuch­lich nut­zen. Eben­so we­nig wie die rein theo­re­ti­sche Möglich­keit der sach­frem­den Nut­zung des In­ter­net­an­schlus­ses durch Be­triebs­rats­mit­glie­der dem An­spruch des Be­triebs­rats auf ei­nen In­ter­net­zu­gang von vorn­her­ein ent­ge­gen­steht (BAG 20. Ja­nu­ar 2010 - 7 ABR 79/08 - Rn. 24, BA­GE 133, 129), kann dem Ar­beit­ge­ber oh­ne Wei­te­res un­ter­stellt wer­den, dass er die In­ter­net­ak­ti­vitäten des Be­triebs­rats ein-schließlich des E-Mail-Ver­kehrs un­zulässi­ger­wei­se kon­trol­liert und da­mit den Grund­satz der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit miss­ach­tet. Ei­ne Kon­trol­le der Be­triebs­ratstätig­keit durch Aus­wer­tung der Auf­zeich­nun­gen über In­ter­net­ak­ti­vitäten des Be­triebs­rats könn­te zu­dem als un­zulässi­ge Be­hin­de­rung der Be­triebs­ratstätig­keit nach § 78 Satz 1 Be­trVG an­zu­se­hen und nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG straf­bar sein. Sie könn­te außer­dem ge­eig­net sein, ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch nach § 23 Abs. 3 Be­trVG zu be­gründen. Der Be­triebs­rat hat da­her, so­lan­ge kei­ne durch ob­jek­ti­ve Tat­sa­chen be­gründe­te Ver­mu­tung ei­ner miss­bräuch­li­chen Aus­nut­zung abs­trak­ter Kon­trollmöglich­kei­ten durch den Ar­beit­ge­ber be­steht, da­von aus­zu­ge­hen, dass der Ar­beit­ge­ber kei­ne Über­wa­chung sei­ner In­ter­net­ak­ti­vitäten vor­nimmt. Der Se­nat hat zwar ent­schie­den, dass es ein Be­triebs­rat als er­for­der­lich er­ach­ten durf­te, ei­ne über ei­nen Pro­xy-Ser­ver mögli­che, auf je­des Mit­glied des Be­triebs­rats be­zo­ge­ne Kon­trollmöglich­keit der In­ter­net­nut­zung durch die Ein­rich­tung ei­nes Grup­pe­nac­counts aus­zu­sch­ließen, weil bei ei­nem per­so­na­li­sier­ten In­ter­net­zu­gang über den Rech­ner des Be­triebs­rats we­gen der tech­ni­schen Kon­trollmöglich­keit der Be­triebs­rat ei­ne Ge­fahr der Be­hin­de­rung sei­ner Ar­beit ha­be befürch­ten können (vgl. BAG

 

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18. Ju­li 2012 - 7 ABR 23/11 - Rn. 25). Im vor­lie­gen­den Fall steht dem Be­triebs-rat je­doch ein nicht per­so­na­li­sier­ter In­ter­net­zu­gang zur Verfügung, bei dem für Außen­ste­hen­de nicht er­kenn­bar ist, wel­ches Be­triebs­rats­mit­glied ei­ne kon­kre­te Re­cher­che durch­geführt hat.

(b) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auch zu Recht an­ge­nom­men, dass der Be­triebs­rat Si­cher­heits­in­ter­es­sen der Ar­beit­ge­be­rin nicht hin­rei­chend berück­sich­tigt hat. Es liegt im be­rech­tig­ten In­ter­es­se der Ar­beit­ge­be­rin, dass der Be­triebs­rat In­ter­net­re­cher­chen und sei­nen E-Mail-Ver­kehr über das von ihr geschütz­te tech­ni­sche Netz­werk durchführt, um den von ihr für er­for­der­lich ge­hal­te­nen Si­cher­heits­stan­dard der IT-Sys­te­me zu gewähr­leis­ten. Die­se be­rech­tig­ten Be­lan­ge der Ar­beit­ge­be­rin über­wie­gen das In­ter­es­se des Be­triebs­rats an ei­nem von dem IT-Sys­tem der Ar­beit­ge­be­rin un­abhängi­gen In­ter­net­an­schluss je­den­falls dann, wenn - wie hier - kei­ne An­halts­punk­te für ei­ne Kon­trol­le der In­ter­net­nut­zung oder des E-Mail-Ver­kehrs durch die Ar­beit­ge­be­rin be­ste­hen. Nicht zu­letzt im Hin­blick auf die E-Mail-Kor­re­spon­denz der Be­triebs­par­tei­en, die nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts über das In­tra­net er­folgt, liegt es da­bei im be­rech­tig­ten In­ter­es­se bei­der Be­tei­lig­ten, ver­trau­li­che In­for­ma­tio­nen und persönli­che Da­ten, die et­wa im Rah­men ei­ner Un­ter­rich­tung nach § 99 Abs. 1 Be­trVG über E-Mail mit­ge­teilt wer­den können (da­zu BAG 14. Au­gust 2013 - 7 ABR 56/11 - Rn. 33), in­ner­halb des geschütz­ten ge­mein­sa­men Netz­werks zu kom­mu­ni­zie­ren. Bei ei­ner Über­mitt­lung der Da­ten per E-Mail an ei­nen se­pa­ra­ten In­ter­net­an­schluss des Be­triebs­rats entstünde - wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat - ei­ne nicht not­wen­di­ge Si­cher­heitslücke. Die­se braucht die Ar­beit­ge­be­rin nicht hin­zu­neh­men.

c) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auch zu Recht er­kannt, dass der Be­triebs­rat ei­nen von der Te­le­fon­an­la­ge der Ar­beit­ge­be­rin un­abhängi­gen Te­le­fon­an­schluss nicht als er­for­der­lich an­se­hen darf, weil er über ei­nen Ne­ben­stel­len­an­schluss die Möglich­keit ei­ner un­ein­ge­schränk­ten Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on hat.

Die Te­le­fon­an­la­ge des Typs H lässt sich zwar nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts tech­nisch so ein­stel­len, dass die Ver­kehrs­da­ten mit vollständi­gen Ziel­num­mern ge­spei­chert und ne­ben­stel­len­be­zo­gen aus­ge­wer­tet

 

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wer­den können. Es be­ste­hen je­doch kei­ne kon­kre­ten An­halts­punk­te für der­ar­ti­ge Über­wa­chungs­ak­ti­vitäten der Ar­beit­ge­be­rin. Viel­mehr hat die Ar­beit­ge­be­rin erklärt, es würden we­der vollständi­ge Ver­bin­dungs­da­ten ge­spei­chert noch aus­ge­wer­tet. Sie hat sich außer­dem be­reit erklärt, sich im Rah­men ei­ner Ver­ein­ba­rung mit dem Be­triebs­rat zu ver­pflich­ten, die Auf­zeich­nung der Ver­kehrs­da­ten des Ne­ben­stel­len­an­schlus­ses des Be­triebs­rats zu un­ter­drücken. Mit dem Ab­schluss ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung wäre dem Ver­lan­gen des Be­triebs­rats ent­spro­chen (vgl. BAG 1. Au­gust 1990 - 7 ABR 99/88 - zu B II 3 der Gründe zur Re­gis­trie­rung von Te­le­fon­ver­bin­dungs­da­ten im Nah­be­reich).

Gräfl 

M. Renn­pferdt 

Kiel

R. Gmo­ser 

Kley

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