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ArbG Her­ford, Ur­teil vom 01.04.2009, 2 Ca 1502/08

   
Schlagworte: Zeugnis
   
Gericht: Arbeitsgericht Herford
Aktenzeichen: 2 Ca 1502/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 01.04.2009
   
Leitsätze: Das Angebot des Arbeitgebers in einem Arbeitszeugnis, für Nachfragen der Arbeitsqualität des Arbeitnehmers zur Verfügung zu stehen, verstößt gegen § 109 Abs. 2 S. 2 GewO und ist ersatzlos zu streichen.
Vorinstanzen:
   

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Fra­ge, ob die Be­klag­te be­rech­tig­ter­wei­se im Zeug­nis vom 03.De­zem­ber 2008 den Satz auf­neh­men darf:

Ger­ne ste­hen wir je­dem zukünf­ti­gen Ar­beit­ge­ber von Frau S1 hin­sicht­lich Nach­fra­gen über die Qua­lität der von ihr für uns ge­leis­te­ten Ar­beit zur Verfügung.

Die Be­klag­te beschäftig­te die Kläge­rin im Zeit­raum vom 01.07.2008 bis zum 03.12.2008 als kaufmänni­sche Mit­ar­bei­te­rin mit ei­nem Brut­to­ver­dienst von 2.315,02 € mo­nat­lich.

Die Be­klag­te er­teilt der Kläge­rin un­ter dem 03.12.2008 ein Ar­beits­zeug­nis (Bl. 24 d.A.). Die­ses enthält den oben be­schrie­be­nen Satz, de­ren Strei­chung die Kläge­rin be­gehrt.

Die Kläge­rin be­an­tragt, 

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, das der Kläge­rin mit Da­tum vom 03. De­zem­ber er­teil­te Zeug­nis da­hin­ge­hend zu ändern, dass der vor­letz­te Ab­satz "Ger­ne ste­hen wir je­dem zukünf­ti­gen Ar­beit­ge­ber von Frau S1 hin­sicht­lich Nach­fra­gen über die Qua­lität der von ihr ge­leis­te­ten Ar­bei­ten zur Verfügung" ge­stri­chen wird.

Die Be­klag­te be­an­tragt, 

die Kla­ge ab­zu­wei­sen. 

Die Be­klag­te meint, dass die be­an­trag­te Strei­chung nicht hin­rei­chend sub­stan­ti­iert be­gründet sei und in­so­fern der An­trag zurück­zu­wei­sen sei. Im Übri­gen sei das Zeug­nis vom 03.12.2008 kor­rekt er­stellt.

In der Ge­samt­kon­zep­ti­on des Zeug­nis­ses könne "der Hin­weis des Ar­beit­ge­bers, hin­sicht­lich Nach­fra­gen über die Qua­lität der von der Kläge­rin ge­leis­te­ten Ar­beit zur Verfügung zu ste­hen, nur ein po­si­ti­ves Si­gnal auf zukünf­ti­ge Ar­beit­ge­ber be­wir­ken, wenn der "al­te" Ar­beit­ge­ber be­reit ist, je­der­zeit die­ses po­si­ti­ve Bild, dass er von der Kläge­rin in dem Zeug­nis zeich­net, auch te­le­fo­nisch wie­der­zu­ge­ben".

Nicht an­ders könne ei­ne der­ar­ti­ge For­mu­lie­rung ver­stan­den wer­den. 

We­gen des ge­sam­ten Vor­trags der Par­tei­en wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen und Pro­to­kol­le ver­wie­sen, die sämt­li­che Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung wa­ren.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Kla­ge ist zulässig und be­gründet. 

Die Kläge­rin hat An­spruch auf Strei­chung des be­nann­ten Sat­zes aus dem Zeug­nis vom 03.12.2008 nach § 109 Abs. 2 Satz 2 Ge­wO.

Dass ein Zeug­nis klar und verständ­lich for­mu­liert sein muss, ist den Par­tei­en be­wusst. Es darf je­doch nach § 109 Abs. 2 Satz 2 Ge­wO kei­ne Merk­ma­le oder For­mu­lie­run­gen ent­hal­ten, die den Zweck ha­ben, ei­ne an­de­re als aus der äußeren Form oder aus dem Wort­laut er­sicht­li­che Aus­sa­gen über den Ar­beit­neh­mer zu tref­fen.

Hier­zu hat sich ei­ne zahl­rei­che Ka­su­is­tik in der ar­beits­recht­li­chen Recht­spre­chung ent­wi­ckelt. Der streit­ge­genständ­li­che Satz war da­bei bis­her – so­weit für das Ge­richt er­kenn­bar – noch nicht Ge­gen­stand ge­richt­li­cher Aus­ein­an­der­set­zun­gen; dies wohl auch vor dem Hin­ter­grund, dass die Be­klag­te in­so­weit ei­ne Vor­rei­ter­rol­le ein­nimmt bzw. nach Aus­sa­ge im Kam­mer­ter­min vom 01.04.2009 ein­neh­men will.

Selbst wenn die Be­klag­te meint, es mit dem streit­ge­genständ­li­chen Satz im Zeug­nis vom 03.12.2008 nur gut ge­genüber der Kläge­rin ge­meint zu ha­ben, so ist der ob­jek­ti­ve Zweck und die ob­jek­ti­ve Aus­sa­ge die­ses Sat­zes je­doch an­ders zu wer­ten. Ein Drit­ter, ob­jek­ti­ver und be­son­ne­ner Le­ser des Zeug­nis­ses kann das An­ge­bot der Be­klag­ten, für Nach­fra­gen über die Qua­lität der von der Kläge­rin für die Be­klag­te ge­leis­te­ten Ar­beit zur Verfügung zu ste­hen, nur als ver­schlüssel­te Auf­for­de­rung ver­ste­hen, dass die im Zeug­nis wie­der­ge­ge­be­ne Leis­tungs­be­ur­tei­lung tatsächlich nicht den wirk­li­chen Leis­tun­gen ent­spre­chen soll. § 109 Abs. 2 Satz 2 Ge­wO stellt ge­ra­de das Ver­bot von (ob­jek­ti­ven) Ver­schlüsse­lun­gen in der Zeug­nis­spra­che auf, die im Zwei­fel als ne­ga­ti­ve Be­ur­tei­lung auf­ge­fasst wer­den können. Das aus­drück­li­che An­ge­bot der Ar­beit­ge­ber­sei­te im Zeug­nis, für Leis­tungs­nach­fra­gen be­tref­fend der Ar­beit­neh­me­rin zur Verfügung zu ste­hen, ist der­art un­gewöhn­lich und über­ra­schend, dass da­mit dem Le­ser des Zeug­nis­ses tatsächlich ei­ne an­de­re Aus­sa­ge über die Leis­tungs­qua­lität der Kläge­rin sug­ge­riert wird, als sich aus der äußeren Form und dem Wort­laut des Zeug­nis­ses tatsächlich er­gibt. Das mag die Be­klag­te sub­jek­tiv an­ders se­hen, ob­jek­tiv ist aber der ent­spre­chen­den Pas­sa­ge im Zeug­nis kein an­de­rer Wer­tungs­in­halt bei­zu­mes­sen.

Die Be­klag­te irrt auch, wenn sie meint, die Kläge­rin ha­be die Strei­chung des vor­letz­ten Ab­sat­zes nicht hin­rei­chend sub­stan­ti­iert be­gründet. Die al­te römi­sche Rechts­re­gel "da mihi fac­tum, dabo ti­bi ius" hat in § 138 ZPO ih­ren Nie­der­schlag ge­fun­den: Die Par­tei­en müssen sich über die tatsächli­chen Umstände vollständig und wahr­heits­gemäß erklären, nicht über die recht­li­che Ein­ord­nung. Denn auch hier gilt der al­te römi­sche Rechts­satz "iura no­vit ku­ria" (dt.: das Ge­richt kennt das Recht). Im Zi­vil­pro­zess genügt es, vor Ge­richt den Sach­ver­halt dar­zu­le­gen; Erläute­run­gen zu ju­ris­ti­schen Aus­le­gun­gen, der Mit­tei­lung von Rechts­an­sich­ten oder Hin­wei­se zur Rechts­an­wen­dung be­darf es nicht zwin­gend. Das Ge­richt hat an­hand des dar­ge­leg­ten und fest­ge­stell­ten Sach­ver­halts ei­genständig das ent­spre­chen­de Recht auf die­sen Sach­ver­halt an­zu­wen­den. Es gilt der sog. Grund­satz der rich­ter­li­chen Rechts­an­wen­dung.

Vor die­sem Hin­ter­grund muss­te die Kläger­sei­te nicht mehr vor­tra­gen als ge­sche­hen: nämlich die ent­spre­chen­de Zeug­nis­er­tei­lung ver­bun­den mit dem An­trag, den be­nann­ten Satz zu strei­chen. Die recht­li­che Be­gründung für die Strei­chung des be­sag­ten Sat­zes muss­te die Kläge­rin nicht zwin­gend lie­fern.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. 

Die un­ter­lie­gen­de Par­tei trägt die Kos­ten des Rechts­streits. 

Die Streit­wert­fest­set­zung be­ruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO un­ter An­satz ei­nes Brut­to­mo­nats­ent­gel­tes der Kläge­rin.

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