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Gleiche Bezahlung für Leiharbeitnehmer in der Stahlindustrie
Ungewöhnlich an diesem Tarifvertrag ist, dass er auch Regelungen über die Gleichbehandlung von Leiharbeitern in der Stahlbranche enthält. Ob er, wie von gewerkschaftlicher Seite erhofft, eine "Musterlösung" für die tarifliche und/oder politische Regulierung der Leiharbeit sein wird, ist aber zweifelhaft. So oder so offenbart dieser Vorstoß auf tarifpolitisches Neuland rechtliche und politische Probleme.
- Innovative Einigung in der Stahlbranche
- Leiharbeitsbranche reagiert verhalten bis ablehnend
- Ist die Sonderregelung für Leiharbeiter tarifpolitisch überhaupt sinnvoll?
- Fazit: Tarifvertrag ist eher symbolisch als richtungsweisend
Innovative Einigung in der Stahlbranche
Am 30.09.2010 einigten sich die IG Metall mit dem Arbeitgeberverband Stahl e.V. auf einen neuen Tarifvertrag für die ca. 85.000 Beschäftigten der Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen, Bremen und in Niedersachsen. Vor dem Hintergrund glaubhafter Streikdrohungen kam ein erstaunliches Ergebnis heraus, das von der IG Metall ungewöhnlich positiv kommentiert, vom zuständigen Arbeitgeberverband Stahl e.V. dagegen recht einsilbig kommuniziert wurde. Eckpunkte der tariflichen Einigung sind:
- Erhöhung der Löhne und Gehälter ab dem 01.10.2010 um 3,6 %
- Einmalzahlung für September 2010 in Höhe von 150,00 EUR
- Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 40,00 EUR pro Monat
- Gesamtlaufzeit der Entgeltabkommen 14 Monate
- Abschluss eines Tarifvertrags zur Bezahlung der Leiharbeitnehmern in den Mitgliedsfirmen
Das Ungewöhnliche der Tarifeinigung ist der letzte Punkt, nämlich die Einbeziehung der ungefähr 3.500 Leiharbeitnehmer, die in den vom Tarif erfassten Stahlunternehmen Nordwestdeutschlands arbeiten. Sie sollen angesichts der derzeit blendenden wirtschaftlichen Lage der Stahlunternehmen vom wirtschaftlichen Aufschwung der Branche profitieren. Und zwar in der Weise, dass sie ab dem 01.01.2011 den gleichen Lohn wie vergleichbare Arbeitnehmer der Stammbelegschaft erhalten sollen.
Eine solche tarifliche Regelung kann man vom Ansatz her verstehen angesichts des dürftigen Schutzgehaltes, den der aktuelle Gesetzesvorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Leiharbeit hat (Gesetz zur Verhinderung von Missbrauch in der Arbeitnehmerüberlassung, Entwurf des BMAS vom 02.09.2010 – wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/199 Gesetzeswurf des BMAS zur Leiharbeit). Sieht man aber genauer hin, zeigen sich einige handfeste rechtliche und tarifpolitische Probleme. Sie dürften letztlich schwerer wiegen als die Vorteile dieses neuartigen Tarifexperiments.
Leiharbeitsbranche reagiert verhalten bis ablehnend
Als einer der ersten hat sich der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) zu Wort gemeldet und erklärt, dass die Einbeziehung der Leiharbeitnehmer in den erzielten Tarifabschluss ein Vertrag zu Lasten Dritter sei. Man bezweifle, ob dies einer rechtlichen Prüfung standhalten würde (Pressemitteilung vom 30.09.2010: Tarifabschluss in der Stahlbranche. Tarifvertrag ist für Zeitarbeit nicht akzeptabel).
Nun sind natürlich die Zeitarbeitsunternehmen, die ihre Arbeitnehmer den Unternehmen der nordwestdeutschen Stahlindustrie zur Verfügung stellen, nicht an die Tarifeinigung gebunden, die zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband Stahl e.V. getroffen wurde. Das haben die Tarifparteien aber auch berücksichtigt und in dem Tarifvertrag zur Bezahlung der Leiharbeitnehmern die Pflicht der tarifgebundenen Stahlunternehmen festgeschrieben, auf die von ihnen beauftragten Zeitarbeitsfirmen einzuwirken mit dem Ziel, dass diese den bei den Zeitarbeitsfirmen beschäftigten Leiharbeitnehmern höhere Löhne bezahlen. Die finanziellen Mehraufwendungen, die mit einer Umsetzung dieser Lohnerhöhung in den Leiharbeitsfirmen verbunden sind, würden dabei den Stahlunternehmen zur Last fallen. Von daher werden die Zeitarbeitsunternehmen, deren Arbeitnehmern in Betrieben der nordwestdeutschen Stahlindustrie eingesetzt werden, von dem hier abgeschlossenen Tarifvertrag zu nichts verpflichtet, so dass dieser auch nicht als (unwirksamer) „Vertrag zulasten Dritter“ bezeichnet werden kann.
Aber obwohl die der Stahlindustrie zuarbeitenden Zeitarbeitsunternehmen durch den hier geschlossenen Tarifvertrag unmittelbar nicht betroffen sind, bleibt doch der rechtliche Kritikpunkt, dass die IG Metall Arbeitnehmer einer anderen Branche, eben der Zeitarbeitsbranche, in ihre Tarifpolitik einbinden möchte. Ob das tarifrechtlich zulässig ist, werden die weiteren Diskussionen zeigen. Der Münchener Rechtsprofessor Volker Rieble hat hier jedenfalls schon Bedenken gegen einen solchen „verdrängenden Übergriff fremder Regulatoren“ angemeldet (F.A.Z. vom 09./10.10.2010, Beilage „Beruf und Chance“, C 2).
Ist die Sonderregelung für Leiharbeiter tarifpolitisch überhaupt sinnvoll?
Aber auch dann, wenn die von den Stahltarifparteien vereinbarte Einbeziehung von Leiharbeitnehmern rechtlich nicht zu beanstanden sein sollte, kann man ihren tarifpolitischen Sinn bezweifeln: Immerhin ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) selbst Partei eines für die Zeitarbeitsbranche geltenden Tarifvertrags, der mit dem BZA am 09.03.2010 ausgehandelt und mit einer Laufzeit vom 01.07.2010 bis zum 31.10.2013 versehen wurde.
Vor diesem Hintergrund fragt sich, in welche Richtung die DGB-Gewerkschaften beim Thema Zeitarbeit gehen wollen: Akzeptiert man die Zeitarbeitsunternehmen überhaupt als eine „Branche“ im Tarifsinn (dem entspricht der vom DGB mit dem BZA ausgehandelte Zeitarbeitstarif) - oder behandelt man die Zeitarbeitsunternehmen als ein Anhängsel der Unternehmen, die Leiharbeitnehmer einsetzen (das ist die Logik des jetzt von der IG Metall mit dem Arbeitgeberverband Stahl e.V. vereinbarten Leiharbeitstarifvertrags)? Hier wird man sich entscheiden müssen, denn der DGB-BZA-Zeitarbeitstarif wird - jedenfalls in der Stahlbranche Nordwestdeutschlands - durch den jetzt abgeschlossenen Sondertarif der IG Metall so behandelt, als sei er keine akzeptable Grundlage für die Entlohnung von Leiharbeitnehmern. Damit wird seine Legitimität faktisch in Abrede gestellt, d.h. der DGB-BZA- Zeitarbeitstarif wird schlicht beiseitegeschoben.
Tarifpolitisch fragwürdig ist auch die Hoffnung, der Leiharbeitstarif für die Stahlindustrie könnte Vorbild für andere Branchen sein. Die Vorbedingungen für den Leiharbeitstarif waren in der Stahlindustrie günstiger als in anderen Branchen: Die IG Metall ist hier mit einem Organisationsgrund von 90 Prozent sehr stark, der Einsatz von Leiharbeit hat angesichts von etwa 3.500 Leiharbeitnehmern nur geringe Bedeutung, die Stahlbranche boomt und sie hat vergleichsweise geringe Probleme mit den Lohnkosten, die nur etwa 10 Prozent ihrer Gesamtkosten ausmachen. Schließlich werden die meisten der in der Stahlindustrie beschäftigten (wenigen) Leiharbeiter bereits jetzt annähernd gleich wie Stammkräfte bezahlt (Frankfurter Rundschau online, 30.09.2010: Durchbruch bei Leiharbeit).
Fazit: Tarifvertrag ist eher symbolisch als richtungsweisend
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass wichtige Arbeitgeberverbände rasch signalisiert haben, dass der für die Stahlindustrie vereinbarte Leiharbeitstarifvertrag ihrer Meinung nach nicht auf andere Branchen übertragen werden könne.
So äußerte bereits Martin Kannegießer vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall, dass der Stahlabschluss für die Metall- und Elektro-Industrie in keiner Weise ein Modell sein könne (Gesamtmetall-Informationen für die Presse 28/2010 - 04.10.2010). Und auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ließ verlauten, die Zeitarbeitsregelung im Tarifvertrag der Stahlindustrie sei „höchst problematisch“ und „in keinem Fall auf andere Branchen übertragbar“ (BDA, Presse-Information Nr. 048/2010, 30.09.2010).
Fazit: Angesichts der Unentschlossenheit des Gesetzgebers, Leiharbeitnehmer vor Ausbeutung zu schützen und einem missbräuchlichen Einsatz der Leiharbeit einen Riegel vorzuschieben, ist der tarifpolitische Ansatz der IG Metall verständlich. Ob der jetzt vereinbarte Zeitarbeitstarifvertrag für die Stahlindustrie aber ein Modell für andere Tarifverträge sein wird, ist zweifelhaft. Eher handelt es sich um einen einmaligen symbolischen Tarifabschluss, mit dem vor allem die Politik beeinflusst werden soll.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Frankfurter Rundschau online, 30.09.2010: Durchbruch bei Leiharbeit
- Gesamtmetall-Informationen für die Presse 28/2010 - 04.10.2010
- IG Metall, Pressemitteilung: Stahltarifrunde 2010: dritte Verhandlung für Nordwestdeutschland bringt Ergebnis
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit, Zeitarbeit)
- Arbeitsrecht aktuell: 11/182 Mindestlohn für Leiharbeit - noch immer nicht umgesetzt
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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