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BAG, Ur­teil vom 11.12.2012, 9 AZR 227/11

   
Schlagworte: Zeugnis, Zeugnis: Bedauernsformel, Zeugnis: Geheimcode
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 227/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 11.12.2012
   
Leitsätze:

1. Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers in einer Schlussformel, zB Dank für die Zusammenarbeit, gehören nicht zum erforderlichen Inhalt eines Arbeitszeugnisses.


2. Ist der Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden, hat er keinen Anspruch auf Ergänzung oder Umformulierung der Schlussformel, sondern nur Anspruch auf die Erteilung eines Zeugnisses ohne Schlussformel.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart Kammern Aalen, Urteil vom 18.6.2010 - 13 Ca 308/09
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 3.2.2011 - 21 Sa 74/10
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


9 AZR 227/11
21 Sa 74/10
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
11. De­zem­ber 2012

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 11. De­zem­ber 2012 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Suckow und Klo­se so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Spie­ker­mann und Ro­pertz für Recht er­kannt:
 


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1. Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg vom 3. Fe­bru­ar 2011 - 21 Sa 74/10 - wird zurück­ge­wie­sen.


2. Der Kläger hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über den In­halt ei­nes Ar­beits­zeug­nis­ses


Die Be­klag­te be­treibt Baumärk­te. Der Kläger war bei ihr vom 1. Ju­li 1998 bis zum 28. Fe­bru­ar 2009 beschäftigt, zu­letzt als Markt­lei­ter mit ei­ner Brut­to­mo­nats­vergütung iHv. 5.000,00 Eu­ro.


Die Be­klag­te er­teil­te dem Kläger un­ter dem Da­tum des 28. Fe­bru­ar 2009 ein Zeug­nis mit ei­ner über­durch­schnitt­li­chen Be­ur­tei­lung. Die­ses en­det mit den Sätzen:


„Herr J schei­det zum 28.02.2009 aus be­triebs­be­ding­ten Gründen aus un­se­rem Un­ter­neh­men aus.

Wir wünschen ihm für die Zu­kunft al­les Gu­te.“

Der Kläger ist der Auf­fas­sung, der ver­wen­de­te Schluss­satz sei un­zu­rei­chend. Er ent­wer­te sein gu­tes Zeug­nis. Dies ge­sche­he je­den­falls da­durch, dass der Schluss­satz kei­nen Dank für die bis­he­ri­ge Zu­sam­men­ar­beit be­inhal­te. Bei ei­ner gu­ten Leis­tungs- und Führungs­be­ur­tei­lung ent­spre­che es der Üblich­keit und auch der Er­war­tung ei­nes po­ten­zi­el­len neu­en Ar­beit­ge­bers, dass dem Ar­beit­neh­mer am En­de des Zeug­nis­tex­tes für die Zu­sam­men­ar­beit ge­dankt und ihm für die Zu­kunft - und zwar so­wohl pri­vat als auch be­ruf­lich - al­les Gu­te gewünscht wer­de.

Der Kläger hat, so­weit für die Re­vi­si­on von In­ter­es­se, be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm ein neu­es Ar­beits­zeug­nis zu er­tei­len, wel­ches sich von dem un­ter dem 28. Fe­bru­ar 2009 er­teil­ten Zeug­nis le­dig­lich da­hin ge­hend un­ter­sch­ei-


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det, dass der letz­te Satz des Zeug­nis­tex­tes wie folgt um­for­mu­liert wird:

„Wir be­dan­ken uns für die langjähri­ge Zu­sam­men­ar­beit und wünschen ihm für sei­ne pri­va­te und be­ruf­li­che Zu­kunft al­les Gu­te.“

Zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag hat die Be­klag­te die Auf­fas­sung ver­tre­ten, es feh­le an ei­ner An­spruchs­grund­la­ge für die vom Kläger be­gehr­te Zeug­nis­be­rich­ti­gung. Ei­ne Üblich­keit, die vom Kläger ver­lang­te Schluss­for­mu­lie­rung in Zeug­nis­se auf­zu­neh­men, sei nicht er­kenn­bar. So­weit der Kläger in den gu­ten Wünschen für die Zu­kunft ei­nen Wi­der­spruch zum übri­gen Zeug­nis­in­halt se­he, ge­bie­te der Verhält­nismäßig­keits­grund­satz je­den­falls, den be­haup­te­ten Wi­der­spruch da­durch auf­zulösen, dass der Kläger ein Zeug­nis oh­ne Dank und gu­te Wünsche er­hal­te.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ab­geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Der Kläger be­gehrt mit sei­ner Re­vi­si­on die Wie­der­her­stel­lung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses mit dem be­gehr­ten Schluss­satz.


I. Ein An­spruch auf die be­gehr­te Schluss­for­mel folgt nicht aus § 109 Abs. 1 Ge­wO. Das von der Be­klag­ten er­teil­te Zeug­nis enthält die nach die­ser Vor­schrift er­for­der­li­chen An­ga­ben.


1. Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Ge­wO ist der Ar­beit­ge­ber nur ver­pflich­tet, An­ga­ben zu Art und Dau­er der Tätig­keit in das Zeug­nis auf­zu­neh­men und die­se auf Wunsch des Ar­beit­neh­mers um An­ga­ben zu Leis­tung und Ver­hal­ten im Ar­beits­verhält­nis zu ergänzen (qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis).
 


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a) So­weit der Kläger gel­tend macht, in der Pra­xis wie­sen Zeug­nis­se darüber hin­aus ne­ben gu­ten Wünschen für die Zu­kunft auch Dan­kes­for­meln auf, wo­bei die gu­ten Wünsche aus­drück­lich auf die pri­va­te und be­ruf­li­che Zu­kunft be­zo­gen würden, fehlt rechts­me­tho­disch ein An­satz­punkt, den Aus­druck sol­cher persönli­cher Emp­fin­dun­gen durch den Ar­beit­ge­ber de le­ge la­ta zum In­halt des ge­setz­li­chen Zeug­nis­an­spruchs zu ma­chen.

b) Der Se­nat ver­kennt nicht, dass po­si­ti­ve Schlusssätze ge­eig­net sein können, die Be­wer­bungs­chan­cen des Ar­beit­neh­mers zu erhöhen (vgl. be­reits BAG 20. Fe­bru­ar 2001 - 9 AZR 44/00 - zu B I 2 b bb (3) der Gründe, BA­GE 97, 57). Ein Zeug­nis, in dem der Ar­beit­ge­ber sei­nen Dank für die gu­ten Leis­tun­gen zum Aus­druck bringt und dem Ar­beit­neh­mer für die be­ruf­li­che Zu­kunft wei­ter­hin al­les Gu­te wünscht, wird auf­ge­wer­tet. Frei­lich be­steht die Be­deu­tung von Schlusssätzen ge­ra­de dar­in, dass der Ar­beit­ge­ber Erklärun­gen ab­gibt, die über den von ihm ge­schul­de­ten Zeug­nis­in­halt hin­aus­ge­hen.


2. Aus § 109 Abs. 1 Ge­wO lässt sich kei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers ab­lei­ten, auf die Ge­samt­no­te ab­ge­stimm­te Schlusssätze zu for­mu­lie­ren. Ei­ne sol­che Ver­pflich­tung würde im Er­geb­nis auch nur be­deu­ten, dass der Ar­beit­ge­ber die be­reits ab­ge­ge­be­ne Leis­tungs- und Ver­hal­tens­be­ur­tei­lung mit an­de­ren Wor­ten noch­mals for­mel­haft wie­der­holt (BAG 20. Fe­bru­ar 2001 - 9 AZR 44/00 - zu B I 2 b bb (3) der Gründe, BA­GE 97, 57). § 109 Abs. 1 Ge­wO ver­langt ei­ne sol­che Ver­pflich­tung zur „dop­pel­ten“ Leis­tungs- und Ver­hal­tens­be­ur­tei­lung nicht. Dies bestätigt die Ge­set­zes­ge­schich­te. Die Vor­schrift wur­de durch das Drit­te Ge­setz zur Ände­rung der Ge­wer­be­ord­nung und sons­ti­ger ge­wer­be­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 24. Au­gust 2002 (BGBl. I S. 3412) ein­geführt. Dem Ge­setz­ge­ber war zu die­sem Zeit­punkt die zu § 630 BGB er­gan­ge­ne Recht­spre­chung des Se­nats be­kannt, der­zu­fol­ge ein An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf ei­nen Dank und gu­te Wünsche aus­drücken­den Schluss­satz nicht be­steht. Den­noch wur­de in das Ge­setz kei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers auf­ge­nom­men, im Ar­beits­zeug­nis persönli­che Emp­fin­dun­gen, wie Be­dau­ern über das Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers, Dank für die ge­leis­te­te Ar­beit oder gu­te Wünsche für die Zu­kunft, zum Aus­druck zu brin­gen.

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3. Ei­ne ver­trag­li­che Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses mit Aus­druck des Dan­kes für die Zu­sam­men­ar­beit wur­de we­der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt noch vom Kläger be­haup­tet.


II. Ent­ge­gen der Rechts­an­sicht der Re­vi­si­on folgt auch aus dem in § 109 Abs. 2 Ge­wO nor­mier­ten Grund­satz der Zeug­nis­klar­heit kein An­spruch des Klägers auf den ver­lang­ten Schluss­satz: „Wir be­dan­ken uns für die langjähri­ge Zu­sam­men­ar­beit und wünschen ihm für sei­ne pri­va­te und be­ruf­li­che Zu­kunft al­les Gu­te.“

1. Nach § 109 Abs. 2 Satz 1 Ge­wO muss das Zeug­nis klar und verständ­lich for­mu­liert sein. Die­se Vor­aus­set­zun­gen erfüllt die For­mu­lie­rung im Zeug­nis:


„Wir wünschen ihm für die Zu­kunft al­les Gu­te.“

2. Es kann of­fen­blei­ben, ob der von der Be­klag­ten ver­wen­de­te Schluss­satz ent­spre­chend der Rechts­auf­fas­sung des Klägers auf­grund der über­durch­schnitt­li­che Leis­tungs- und Ver­hal­tens­be­ur­tei­lung im Zeug­nis ein Ge­heim­zei­chen iSd. § 109 Abs. 2 Satz 2 Ge­wO enthält. Nach die­ser Vor­schrift darf ein Zeug­nis kei­ne Merk­ma­le oder For­mu­lie­run­gen ent­hal­ten, die den Zweck ha­ben, ei­ne an­de­re als aus der äußeren Form oder aus dem Wort­laut er­sicht­li­che Aus­sa­ge über den Ar­beit­neh­mer zu tref­fen. Selbst wenn in der For­mu­lie­rung „Wir wünschen ihm für die Zu­kunft al­les Gu­te“ auf­grund des feh­len­den Dan­kes für die langjähri­ge Zu­sam­men­ar­beit ein Ge­heim­zei­chen in die­sem Sin­ne zu se­hen wäre, führ­te dies nicht zu ei­nem Ergänzungs­an­spruch. Ist der Ar­beit­neh­mer mit ei­ner vom Ar­beit­ge­ber in das Zeug­nis auf­ge­nom­me­nen Schluss­for­mel nicht ein­ver­stan­den, kann er nur die Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses oh­ne die­se For­mu­lie­rung ver­lan­gen. Ein An­spruch auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses mit ei­nem vom Ar­beit­neh­mer for­mu­lier­ten Schluss­satz be­steht nicht (aA LAG Düssel­dorf 3. No­vem­ber 2010 - 12 Sa 974/10 - zu II der Gründe, NZA-RR 2011, 123; LAG Köln 29. Fe­bru­ar 2008 - 4 Sa 1315/07 - zu B der Gründe).


a) Ge­gen ei­nen An­spruch auf Auf­nah­me ei­ner zusätz­li­chen Dan­kes­for­mel spricht schon der Wort­laut des § 109 Abs. 2 Satz 2 Ge­wO, wo­nach das Zeug­nis kei­ne Merk­ma­le oder For­mu­lie­run­gen ent­hal­ten darf, die den Zweck ha­ben,
 


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ei­ne an­de­re als aus der äußeren Form oder aus dem Wort­laut er­sicht­li­che Aus­sa­ge über den Ar­beit­neh­mer zu tref­fen. Sei­ner For­mu­lie­rung nach enthält das Ge­setz da­mit le­dig­lich ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch. Die­sem wird genüge ge­tan, wenn der Ar­beit­ge­ber auf Ver­lan­gen des Ar­beit­neh­mers ein Zeug­nis oh­ne je­de Schluss­for­mel zu er­tei­len hat.


b) Wünscht der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer - wie die Be­klag­te dem Kläger - im Zeug­nis „für die Zu­kunft al­les Gu­te“, er­gibt sich auch un­ter dem Ge­sichts­punkt der Selbst­bin­dung kein An­spruch auf die vom Kläger be­gehr­te For­mu­lie­rung. Der Ar­beit­ge­ber ist zwar an den In­halt ei­nes er­teil­ten Zeug­nis­ses grundsätz­lich ge­bun­den (vgl. hier­zu BAG 21. Ju­ni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu I 2 der Gründe mwN, BA­GE 115, 130). Die Bin­dung an den Aus­druck persönli­cher Emp­fin­dun­gen, wie Dank, Be­dau­ern oder gu­te Wünsche für die Zu­kunft, ist je­doch auf den Aus­druck der je­wei­li­gen Emp­fin­dung be­schränkt und führt des­halb nicht zu ei­ner Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, an­de­re Emp­fin­dun­gen im Zeug­nis zu for­mu­lie­ren, von de­nen der Ar­beit­neh­mer meint, dass sie sein Ar­beit­ge­ber ha­ben müsse. Oh­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge kann der Ar­beit­ge­ber nicht ver­ur­teilt wer­den, das Be­ste­hen von persönli­chen Emp­fin­dun­gen, wie zB Dank­bar­keit, dem Ar­beit­neh­mer ge­genüber schrift­lich zu be­schei­ni­gen (vgl. BAG 20. Fe­bru­ar 2001 - 9 AZR 44/00 - zu B I 2 b bb (4) der Gründe, BA­GE 97, 57). Da­bei ist zu berück­sich­ti­gen, dass sich ein Zeug­nis nicht in ers­ter Li­nie an den Ar­beit­neh­mer persönlich rich­tet. Das Zeug­nis dient dem Ar­beit­neh­mer vor al­lem als Be­wer­bungs­un­ter­la­ge und ist in­so­weit Drit­ten, ins­be­son­de­re mögli­chen künf­ti­gen Ar­beit­ge­bern, Grund­la­ge für ih­re Per­so­nal­aus­wahl (BAG 14. Ok­to­ber 2003 - 9 AZR 12/03 - zu III 2 der Gründe, BA­GE 108, 86; vgl. auch be­reits BAG 8. Fe­bru­ar 1972 - 1 AZR 189/71 - BA­GE 24, 112, 115). Ob der Ar­beit­ge­ber sei­ne Emp­fin­dun­gen in ei­nem primär an ei­nen ihm un­be­kann­ten Drit­ten ge­rich­te­ten Zeug­nis zum Aus­druck bringt, ist zu­vor­derst ei­ne Fra­ge des persönli­chen Stils. In­so­fern lässt das Feh­len des Dan­kes eher Rück­schlüsse auf den Zeug­nis­ver­fas­ser als auf den Be­ur­teil­ten zu.

c) Ein An­spruch auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses mit dem vom Kläger be­gehr­ten Schluss­satz folgt auch nicht aus der von ihm be­haup­te­ten Üblich­keit
 


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ei­ner sol­chen Schluss­for­mel. Des­halb kann da­hin­ste­hen, ob der Kläger die Üblich­keit des ver­lang­ten Schluss­sat­zes im Zu­sam­men­hang mit der von der Be­klag­ten er­teil­ten Leis­tungs- und Ver­hal­tens­be­ur­tei­lung aus­rei­chend dar­ge­tan hat. Un­abhängig von dem tatsächli­chen Ge­brauch von Schluss­for­meln in der Pra­xis lässt sich die Recht­spre­chung zum be­red­ten Schwei­gen in Zeug­nis­sen nicht auf das Feh­len von Schlusssätzen über­tra­gen (vgl. BAG 20. Fe­bru­ar 2001 - 9 AZR 44/00 - zu B I 2 b bb (1) der Gründe, BA­GE 97, 57). Dies gilt auch für den Fall, dass ein vor­han­de­ner Schluss­satz ei­nen ver­meint­lich übli­chen Teil nicht enthält. Zwar trifft es zu, dass ein Zeug­nis grundsätz­lich dort kei­ne Aus­las­sun­gen ent­hal­ten darf, wo der verständi­ge Le­ser ei­ne po­si­ti­ve Her­vor­he­bung er­war­tet. An­spruch auf aus­drück­li­che Be­schei­ni­gung be­stimm­ter Merk­ma­le hat da­her der Ar­beit­neh­mer, in des­sen Be­rufs­kreis dies üblich ist und bei dem das Feh­len ei­ner ent­spre­chen­den Aus­sa­ge im Zeug­nis sein be­ruf­li­ches Fort­kom­men be­hin­dern könn­te (BAG 12. Au­gust 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 21 mwN, BA­GE 127, 232). Die­se Recht­spre­chung zur un­zulässi­gen Aus­las­sung be­trifft je­doch nur den ge­setz­lich ge­schul­de­ten Zeug­nis­in­halt (BAG 20. Fe­bru­ar 2001 - 9 AZR 44/00 - aaO). Hier­zu gehört die Schluss­for­mel nicht. Der kun­di­ge Zeug­nis­le­ser weiß, dass sich aus dem Ge­setz kein An­spruch auf den Aus­druck persönli­cher Emp­fin­dun­gen in ei­ner Schluss­for­mel er­gibt und des­halb die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ei­nen sol­chen An­spruch ver­neint hat. Dem­ent­spre­chend lässt sich aus ei­nem Ar­beits­zeug­nis oh­ne Schluss­for­mel nicht der Schluss zie­hen, der Ver­fas­ser ha­be hier­mit ei­ne be­son­de­re Aus­sa­ge tref­fen und sei­ne Leis­tungs- und Ver­hal­tens­be­ur­tei­lung re­la­ti­vie­ren wol­len.


d) Auch aus dem „Wohl­wol­lens­grund­satz“ er­gibt sich kein An­spruch auf Ergänzung des Zeug­nis­ses um die vom Kläger be­gehr­te For­mu­lie­rung (aA LAG Düssel­dorf 3. No­vem­ber 2010 - 12 Sa 974/10 - zu II 2 der Gründe, NZA-RR 2011, 123). Ein Zeug­nis soll zwar von verständi­gem Wohl­wol­len ge­genüber dem Ar­beit­neh­mer ge­tra­gen sein und ihm das wei­te­re Fort­kom­men nicht un­ge­recht­fer­tigt er­schwe­ren (vgl. BAG 8. Fe­bru­ar 1972 - 1 AZR 189/71 - BA­GE 24, 112, 114 f. mwN). Die­ser Grund­satz ist je­doch nicht ge­eig­net, über die in § 109 Ge­wO vom Ge­setz­ge­ber fest­ge­leg­ten Ansprüche bezüglich des In­halts von Zeug­nis­sen hin­aus wei­te­re Ansprüche von Ar­beit­neh­mern zu be­gründen. Ein
 


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Zeug­nis muss nur im Rah­men der Wahr­heit verständig wohl­wol­lend sein (st. Rspr., vgl. BAG 9. Sep­tem­ber 1992 - 5 AZR 509/91 - zu III der Gründe, AP BGB § 630 Nr. 19 = EzA BGB § 630 Nr. 15; 8. Fe­bru­ar 1972 - 1 AZR 189/71 - aaO). Da­mit ver­pflich­tet der „Wohl­wol­lens­grund­satz“ den Ar­beit­ge­ber nur, bei der Erfüllung der durch § 109 Ge­wO be­gründe­ten Pflich­ten Wohl­wol­len wal­ten zu las­sen. Der Grund­satz be­schreibt nur das „Wie“ der Leis­tungs­er­brin­gung und setzt in­so­fern das Be­ste­hen ei­nes An­spruchs vor­aus.


e) Grundsätz­lich kor­re­spon­diert mit der feh­len­den Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, persönli­che Emp­fin­dun­gen, wie Be­dau­ern, Dank oder gu­te Wünsche, im Ar­beits­zeug­nis zum Aus­druck zu brin­gen, der An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses oh­ne ei­nen ent­spre­chen­den Schluss­satz. Da ei­ne Schluss­for­mel nach dem Ge­setz nicht zum er­for­der­li­chen Zeug­nis­in­halt gehört, hat der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf die Ent­fer­nung ei­ner vom Ar­beit­ge­ber ver­wand­ten Schluss­for­mel un­abhängig da­von, ob in die­ser tatsächlich ein Ge­heim­zei­chen iSd. § 109 Abs. 2 Satz 2 Ge­wO zu se­hen ist. Die Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses oh­ne je­den Schluss­satz hat der Kläger nicht ver­langt. Dies hat er in der Re­vi­si­ons­ver­hand­lung noch­mals klar­ge­stellt, als er das An­ge­bot der Be­klag­ten ab­ge­lehnt hat, den Schluss­satz im Zeug­nis „Wir wünschen ihm für die Zu­kunft al­les Gu­te“ zu strei­chen.


III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. 


Brühler 

Suckow 

Klo­se

Ro­pertz 

Spie­ker­mann

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