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ArbG Würzburg, Urteil vom 24.06.2010, 10 Ca 592/10
Schlagworte: | Meinungsfreiheit | |
Gericht: | Arbeitsgericht Würzburg | |
Aktenzeichen: | 10 Ca 592/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 24.06.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
10 Ca 592/10
Verkündet am: 24.06.2010
, ROS
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Arbeitsgericht
Im Namen des Volkes
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
Herr R.
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwalt
gegen
Herr M.
- Beklagter -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwälte
hat die 10. Kammer des Arbeitsgerichts
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2010
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durch den Richter am Arbeitsgericht
und die ehrenamtlichen Richter und
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf € 9.549,-- festgesetzt.
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Tatbestand:
Die Parteien streiten im Wesentlichen um Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten auf Untersagung und Widerruf bestimmter Behauptungen, auf Schmerzensgeld und auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten.
Der Kläger ist seit 1995 bei der C.- gGmbH, einem gemeinnützigen Unternehmen mit ca. 850 Mitarbeitern in derzeit 15 Einrichtungen an neun Standorten im Raum Unterfranken, als Personalleiter und in anderen Bereichen tätig. Der Beklagte, Heilerziehungspfleger in einer externen Gruppe des St.-J. -Stifts , ist Vorsitzender der Mitarbeiter-Vertretung (MAV) des St.-J. -Stifts in ... und erster Vorsitzender der Di. Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen in -Einrichtungen (DiAG MAV B). Die DiAG MAV B vertritt über 160 Mitarbeitervertretungen und darüber 12.000 hauptamtlich Beschäftigte in Einrichtungen der im Bereich der... . Die Di. Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretung im Bereich des ... der ... ist ein Organ gemäß der Mitarbeitervertretungsordnung für die ... . Nach § 25 dieser Ordnung wählt die Mitgliederversammlung
der DiAG MAV einen Vorstand. Die Mitarbeitervertretungen der C.- gGmbH sind auch Mitglieder der Mitgliederversammlung und wählen als solche den Vorstand der Di-arbeitsgemeinschaft mit.
Am 09.03.2009 fand in den Räumen des ... in ... ein Abstimmungsgespräch zwischen dem Vorstand des DiAG MAV B und Vertretern und Vertreterinnen der Dienstgeber statt. An diesem Gespräch nahmen neben dem Beklagten u. a. Herr ... Pf. für den ... teil, nicht jedoch der Kläger.
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Das von Frau R , Geschäftsführerin der und Mitglied der MAV beim geführte und von ihr sowie von Herrn Pf. unterzeichnete Protokoll dieser Sitzung enthält u. a. folgende Textpassage:
„Herr M. stellt fest, dass bei C.- gGmbH von einzelnen Verantwortlichen ein menschenverachtender Umgang gepflegt würde. Das Thema sei an Dramatik nicht zu überbieten. Hier sei ein Hinderungsgrund gegeben, der die Dinge massiv beeinträchtige.
Das in diesem Zusammenhang angesprochene Verhalten von Herrn R. will Herr Pf. in dieser Gesprächsrunde ausklammern, jedoch mit der DiAG MAV zu einem anderen Zeitpunkt besprechen.”
(Auf die Kopie des Sitzungsprotokolls in BI. 5 ff. der beigezogenen Strafakte der Staatsanwaltschaft wird Bezug genommen).
Von dieser Äußerung erhielt der Kläger im Rahmen eines Personalgesprächs am 24.04.2009 Kenntnis, das der Geschäftsführer der C.- gGmbH aufgrund der zitierten Textpassage an diesem Tag mit dem Kläger führte.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 07.05.2009 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung zum 15.05.2009 zur Unterzeichnung einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungs- und Widerrufserklärung auf (hinsichtlich des genauen Inhaltes wird auf Seite 4 der Klageschrift vom 12.06.2009, BI. 4 d. A. Bezug genommen). Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 18.05.2009 erstattete der Kläger bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht wegen des Verdachts einer Straftat nach den §§ 185 ff. StGB gegen den Beklagten Strafanzeige und stellte Strafantrag aus allen rechtlichen Gründen (auf BI. 1 der zum vorliegenden Verfahren beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte wird Bezug genommen). Mit Verfügung vom 21.08.2009 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO im Wesentlichen mit der Begründung ein, dass kein hin-reichender Tatverdacht einer Straftat nach den §§ 185 ff. StGB bestehe; zwar möge der
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Anzeigeerstatter Gründe für die Annahme haben, dass diese Äußerung auf ihn bezogen war. Rein objektiv sei die getätigte Äußerung jedoch nicht individualisierbar, so dass eine Beleidigung des Anzeigeerstatters ausscheide (auf BI. 33 der Strafakte wird Bezug genommen).
Der gegen die Einstellung gerichteten Beschwerde des Klägers vom 04.09.2009 (BI. 35 ff. der Strafakte) gab der Generalstaatsanwalt mit Bescheid vom 14.10.2009 keine Folge (BI. 53 f. d. A.). In den Gründen des Bescheides schloss sich der Generalstaatsanwalt der Begründung der Staatsanwaltschaft vom 21.08.2009 an und wies darüber hinaus darauf hin, dass der Beschuldigte durch die Äußerungen erkennbar eine bloße Meinungsäußerung getätigt habe, welche zudem auf einen Zustand und nicht auf Personen bezogen gewesen sei. Die — auch drastische — Kritik an Zuständen, Maßnahmen oder Verhaltensweisen unterfalle aber nicht dem Schutzbereich des § 185 StGB (auf Seite 2 des Bescheides vom 14.10.2009, BI. 54 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte, wird Bezug genommen).
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12.06.2009 reichte der Kläger die vorliegende Klage beim Landgericht ein. Mit Beschluss vom 25.02.2010 erklärte das angerufene Landgericht den Rechtsweg vor den Zivilgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht (BI. 91 ff. d. A.).
Der Kläger ist der Auffassung,
der Beklagte habe ihn durch dessen Äußerungen vom 09.03.2009 in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und schulde ihm im Wesentlichen Unterlassung sowie Widerruf der Äußerungen und Schmerzensgeld.
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Die in dem Sitzungsprotokoll wiedergegebenen Äußerungen des Beklagten vom 09.03.2009 bezüglich des menschenverachtenden Umganges bei der C - gGmbH und auch bezüglich der angeblichen Dramatik bezögen sich konkret auf den Kläger, was sich auch aus der Nennung des Namens des Klägers im Protokoll „in diesem Zusammenhang" zwanglos erschließe. Dass der Beklagte die entsprechende Erklärung in Bezug auf den Kläger abgegeben habe, ergebe sich des Weiteren aus einem Schreiben des Klägers vom 06.02.2007 an den ... vor allem aus der einleitenden Passage, wonach „seit mittlerweile zehn Jahren das unakzeptable Verhalten
und Agieren von Herrn R. beobachtet werde (auf das in den Schriftsatz des Klägervertreters vom 07.06.2010 hinein gescannte Schreiben vom 06.02.2007, BI. 118 f. d. A., wird Bezug genommen).
Der Bezug auf den Kläger ergebe sich des Weiteren insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagte schon in einem — in dem Anschreiben an den Bischof vom 06.02.2007 zitierten — Gespräch mit dem ... am 22.10.1001 in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der DIAG MAV B konkret gegen den Kläger zu Felde gezogen sei und dessen Verhalten gegenüber Mitarbeiter, Vertretern und Vertreterinnen und Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu sanktionieren versucht habe (auf den in den Schriftsatz der Klägervertreter vom 07.06.2010 eingescannten Protokollauszug über das Gespräch vom 22.10.2001, BI. 120 f. d. A. wird Bezug genommen).
Aus alldem resultiere, dass der Beklagte seit geraumer Zeit ständig steigernde Angriffe und pauschale Verurteilungen gegen den Kläger vornehme, ohne konkrete Sachverhalte zu benennen und zu belegen. Für diese pauschalen Diffamierungen gebe es weder Grund noch Anlass. Zwar sei der Beklagte Mitglied des Organs einer Mitarbeiter-Arbeitsgemeinschaft, jedoch habe er als solches im Rahmen des streitgegenständlichen Sachverhaltes mangels entsprechender Kompetenzen keinerlei Möglichkeit, sich befugt auf arbeitsrechtlichem Gebiet zu bewegen. Vor allem könne er sich nicht hinter irgendeinem kollektivrechtlichen Beschwerderecht verstecken.
Die Aussage des Beklagten stellten den Kläger als Mitarbeiter der C.-
gGmbH unter einen Generalverdacht, der in keiner Form mit Fakten unterlegt sei und einer Überprüfung auch nicht standhalte.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass die protokollierten Äußerungen des Beklagten vom 09.03.2009 als Tatsachenbehauptung zu würdigen seien. Der Inhalt der protokollierten Aussagen des Beklagten lasse nur das Verständnis zu, dass hier eine eigene — vom Beklagten inhaltlich bewusst formulierte — Erklärung abgegeben worden sei, die das Verhalten des Klägers im Rahmen der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit und dessen Auswirkungen auf die Arbeit des Gremiums, dem der Beklagte vorstehe, eindringlich und nachhaltig beschreiben solle.
Dies gelte insbesondere für die Bezeichnung des Verhaltens des Klägers als umenschenverachtend". Dieser Begriff werde, im deutschen Sprachraum vor allem im Zusammenhang mit der Behandlung der Juden durch die Nationalsozialisten verwendet. Die Aussage des Beklagten stelle eine Tatsachenbehauptung dar, die das Verhalten des Klägers qualitativ derartigen Gräueltaten gleichstelle, obwohl dem Beklagten bekannt sei, dass ein solcher Vergleich unter keinen Umständen und aus keinem Blickwinkel gerechtfertigt sei.
Die Äußerungen des Beklagten stellten eine formale Beleidigung dar und verletzten den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
Hieraus resultiere ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung der Äußerungen vom 09.03.2009. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei ein sonstiges Recht im Sinn des § 823 Abs. 1 BGB. Die §§ 185 ff. StGB seien Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Der Beklagte habe sich eine unerlaubte Handlung geleistet, möchte sie jedoch durch eine arbeitsrechtliche Interessenswahrnehmung kaschieren; er verdecke dadurch seine private Lust an der Beleidigung, Verleumdung und Verächtlichmachung des Klägers.
Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht durch ein berechtigtes Interesse des Beklagten an den streitgegenständlichen Behauptungen im Sinne des § 193 StGB gerechtfertigt, weil er den Wahrheitsgehalt vor Abgabe der entsprechenden Erklärungen gezielt überprüft habe und — wäre eine solche Überprüfung erfolgt — diese zu dem Ergebnis geführt hätte, dass die beanstandeten Äußerungen unwahr seien.
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Zudem sei auch die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben, wie bereits aus der Weigerung des Klägers zur Unterzeichnung der Unterlassungserklärung resultiere. Weiter könne sich der Beklagte auch nicht auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung berufen. Dieses Grundrecht gelte nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht vorbehalts— und grenzenlos. Vielmehr finde es nach Art. 5 Abs. 3 GG seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, wozu auch der Beleidigungsparagraph des § 185 StGB gehöre. Bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeieidigung oder Schmähung erweisen, trete die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück. Eine derart herabsetzende Äußerung sei insbesondere gegeben, wenn es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache gehe, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe. Insbesondere durch die Bezeichnung des klägerischen Verhaltens als menschenverachtend habe der Beklagte den Kläger aus niederen Motiven in seinen Grundrechten beeinträchtigt und in strafrechtlich relevanter Weise angegriffen; hierbei habe er unter dem Deckmantel seiner arbeitsrechtlichen Stellung gehandelt.
Über die Unterlassung hinaus begehrt der Kläger auch den Widerruf der Äußerungen vom 09.03.2009 gegenüber den Empfängern des Protokolls.
Der Kläger ist insoweit der Auffassung, dass er den Widerruf der beanstandeten Erklärungen fordern könne, weil ihre Unwahrheit feststehe und im Übrigen der Kläger wiederum in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sei. Dies gelte umso mehr, als die beanstandeten Äußerungen ausschließlich diffamierenden Charakter hätten und damit unzulässig seien.
Weiter begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, an wen das Gesprächsprotokoll vom 09.03.2009 versandt wurde. Es sei zu berücksichtigen, dass dieses Protokoll einem Empfängerkreis zugänglich gemacht worden sei, der — angesichts der Stellung der DiAG MAV B — vermutlich alle Organisationsgliederungen des ... umfasse. Hieraus ergebe sich die Folge, dass die vom Beklagten aufgestellten Behauptungen eine Verbreitung erfahren, durch die die allgemeinen Persönlichkeitsrechte des Klägers umfänglich beschädigt wor-
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den seien. Insbesondere zur Umsetzung seines Anspruches auf Widerruf dieser Äußerungen bedürfe der Kläger der eingeklagten Auskunft.
Die Klage auf Auskunftserteilung sei auch nicht auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Dem Beklagten sei bekannt, an welche Organisationsgliederungen das Protokoll seitens der DiAG MAV B versandt worden sei. Zudem habe die Geschäftsführerin der DiAG MAV B, Frau R. , das Protokoll geführt und auch im Computer der DiAG MAV B, abgespeichert. Die DiAG MAV B besitze daher auch das Originalprotokoll, wenn es mit rechten Dingen zugehe.
Höchstvorsorglich begehrt der Kläger statt einer Auskunftserteilung und des Widerrufs zusammenfassend nur den Widerruf in Schriftform und die Aushändigung der Widerrufserklärung im Original an den Kläger.
Darüber hinaus ist der Kläger der Auffassung, dass ihm aufgrund des massiven Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schmerzensgeld zustehe.
Die Höhe des Schmerzengeldes werde in das Ermessen des Gerichtes gestellt. In Anbetracht der vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Schädigung müsse das Schmerzensgeld jedoch in einem Rahmen zwischen 1.000,-- € und 3.000,-- € angesiedelt sein. Die Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers sei insbesondere angesichts der Breitenwirkung, die die Äußerung des Beklagten durch den Versand des Protokolls erfahren habe, sehr nachhaltig, besonders hinsichtlich der Assoziationen, die mit dem vom Beklagten gewählten Ausdruck „menschenverachtend" verbunden sind.
Schließlich begehrt der Kläger die Erstattung der außergerichtlichen Kosten, die durch die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten entstanden seien und beziffert diese in Höhe von 546,69 €.
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Der Kläger stellt zuletzt folgende Anträge:
1. Dem Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR ersatzweise Ordnungshaft bis zu höchstens zwei Jahren oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten
1.1 der Kläger pflege einen menschenverachtenden Umgang;
1.2 das Thema, nämlich das Verhalten des Klägers, sei an Dramatik nicht zu überbieten;
1.3 durch dieses Verhalten des Klägers sei ein Hinderungsgrund gegeben, der die Dinge — gemeint die Erörterung und Behandlung von Sachfragen im Rahmen des DiAG MAV — massiv beeinträchtige.
2. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird eine Ordnungsstrafe in Höhe von 5.000,00 EUR ersatzweise 50 Tage Ordnungshaft angedroht.
3. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen, an wen das Gesprächsprotokoll des Abstimmungsgespräches zwischen dem Vorstand der der Mitarbeitervertretungen in (DiAG MAV B) und den Vertreter/innen der Dienstgeber vom 09.03.2009 versandt wurde.
4. Der Beklagte wird — nach Auskunftserteilung — verurteilt, den Empfängern des unter Ziffer 2 bezeichneten Protokolls gegenüber die unter Ziffer 1 bezeichneten Erklärungen in Schriftform zu widerrufen.
Hilfsweise zu den Klageanträgen zu 3) und zu 4):
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger gegenüber in Schriftform die unter Klageantrag Ziffer 1 bezeichneten Erklärungen zu widerrufen und die Widerrufserklärung im Original an den Kläger auszuhändigen.
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5. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird.
6. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten i. H. v. 549,69 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 13.05.2009 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält einen Unterlassungsanspruch bereits aus dem Grunde für ausgeschlossen, weil das Klagevorbringen unsubstantiiert sei.
So trage die Klägerseite nicht einmal selbst vor, dass der Beklagte wörtlich oder nur sinngemäß behauptet habe, der Kläger pflege einen menschenverachtenden Umgang, das Thema, nämlich das Verhalten des Klägers, sei an Dramatik nicht zu überbieten und durch dieses Verhalten des Klägers sei ein Hinderungsgrund gegeben, der die Dinge massiv beeinträchtige.
Nach dem Protokoll soll der Beklagte lediglich festgestellt haben, dass von einzelnen Verantwortlichen ein menschenverachtender Umgang gepflegt werde. Der Beklagte trägt vor, dass allenfalls auffallend sei, dass der Kläger sich angesprochen fühle. Die Textpassage beinhalte aber gerade nicht die Aussage: „Herr R. pflege einen menschenverachtenden Umgang".
Auch hinsichtlich der zweiten begehrten Unterlassung finde sich nirgendwo im Protokoll, dass der Beklagte geäußert habe, das Verhalten des Herrn R. sei an Dramatik nicht zu überbieten.
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Auch aus der folgenden Passage „das in diesem Zusammenhang angesprochene Verhalten von Herrn R. will Herr Pf. in dieser Gesprächsrunde ausklammern lasse nicht erkennen, wer in diesem Zusammenhang welches Verhalten des Herrn R angesprochen habe. Es stehe dort nicht ausdrücklich „das in diesem Zusammenhang von
Herrn M. angesprochene Verhalten''. Es könnte also genauso gut auch von anderen Teilnehmern der Runde angesprochen worden sein.
Schon aus diesem Grund besitze die Protokollpassage keinerlei „strafrechtlich relevanten Inhalt". Es sei nirgendwo der Zusammenhang hergestellt, dass das Verhalten von Herrn R. der menschenverachtende Umgang sei.
Im Übrigen wäre ein Unterlassungsanspruch auch schon aus dem Grunde ausgeschlossen, weil es völlig legitim wäre, wenn ein gewählter Mandatsträger der Mitarbeitervertretungen ein Verhalten eines Personalleiters einer Einrichtung, die dem Verband angehört, als unakzeptabel kritisiert oder in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der DiAG das Verhalten eines Personalleiters gegenüber den dortigen Mitarbeitervertretern und —Vertreterinnen als nicht akzeptabel bewerten würde.
Des Weiteren scheide ein persönlicher rechtswidriger Angriff auf den Kläger von vornherein aus, weil der Kläger dem Begriff „menschenverachtend" eine zu enge Bedeutung beimesse, indem er diesen auf Nazigräuel zu reduzieren versuche.
„Menschenverachtend" werde regelmäßig im Zusammenhang mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Menschenwürde verwendet. Es handele sich um ein wertendes Adjektiv, das in vielerlei Zusammenhang verwendet würde. Es handele sich quasi um eine Routineformel für Vulgär-Moralisten jeglicher Couleur. Dem Begriff „menschen-verachtend" komme eine in der Arbeitswelt gebräuchliche Bedeutung vor. Sie sei weit entfernt von Nazigräueltaten, sondern erfasse Verhaltensweisen von Arbeitgebervertretern, die die Verletzung von Arbeitnehmerrechten und Persönlichkeitsrechten von Arbeitnehmern darstellten.
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In diesem Zusammenhang seien insbesondere die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu beachten. Wegen der überragenden Bedeutung des Grundrechtes auf Meinungsfreiheit sei seine Berücksichtigung im Rahmen des Möglichen geboten. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Formulierung sich aus einem Protokoll über ein Gespräch zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern ergebe und dass es Aufgabe der Mitarbeitervertretung sei, Beschwerden von Arbeitnehmern aufzunehmen, weiterzugeben und für Abhilfe zu sorgen. Dass hierbei auch wertende Einschätzungen der Arbeitnehmervertreter gegenüber der Arbeitgeberseite geäußert werden dürften, sei Sinn und Zweck der kollektiv-rechtlichen Vertretung von Beschäftigten.
Das BAG habe mit Urteil vom 12.01.2006 betont, dass bei der Konkretisierung vertraglicher Rücksichtnahmepflichten die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten seien. Es sei daher unschädlich, wenn selbst in Veröffentlichungen Kritik teilweise polemisch und überspitzt formuliert werde. Eine allgemeine Kritik an allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen sei —auch wenn sie überspitzt und polemisch ausfalle — jederzeit vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt — umso mehr, wenn die Meinungsäußerung im Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung erfolge. Diese Entscheidung habe das Bundesarbeitsgericht zu der Formulierung gefällt, dass eine „menschenverachtende Jagd auf Kranke in dem Unternehmen" stattfinden würde.
Aus diesem Grund liege in keiner Weise ein persönlicher rechtswidriger Angriff auf den Kläger vor.
Mangels einer Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers durch den Beklagten seien weder Unterlassungsansprüche noch Ansprüche auf Widerruf, Schmerzensgeld oder Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten gegeben.
Im Übrigen sei der Anspruch auf Auskunftserteilung bereits auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Der Beklagte sei nicht derjenige, der das Originalprotokoll besitze. Er könne daher gar keine Auskunft erteilen, an wen der Arbeitgeber des Klägers oder der Verband,
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dessen Mitglied der Arbeitgeber des Klägers ist, welche Protokolle versandt habe. Der Auskunftsantrag richte sich schlicht gegen den falschen Beklagten. Auf wessen PC ein Protokoll abgespeichert sei, sei insoweit nicht maßgeblich. Für die Herausgabe von Protokollen und den Nachweis, an wen welche Protokolle versendet worden sind, sei einzig und allein die Geschäftsstelle des ... für die ... zuständig; der Beklagte sei gar nicht passivlegitimiert.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die beigezogene staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch vollumfänglich unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig.
Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen steht aufgrund der bindenden Wirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts vom 25.02.2010 nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG fest.
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 13 ZPO.
Das von dem Beklagten behauptete Fehlen seiner Passivlegitimation hinsichtlich des Auskunftsanspruches zu 3) gehört nicht in die Zulässigkeit der Klage, sondern ggf. deren Begründetheit.
B.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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I.
Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ist nicht gegeben.
1. Herabsetzende, falsche oder rufschädigende Aussagen können die persönliche Integrität und die soziale Achtung des Angegriffenen in Frage stellen und insbesondere sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen. Die Zivilrechtsordnung stellt bei rechtswidrigen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts Ansprüche des Angegriffenen auf Unterlassung sowie auf Beseitigung, vornehmlich auf Widerruf der Äußerungen und bei schuldhaften Verletzungen auch zusätzlich Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zur Verfügung (Palandt/Sprau, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., § 823 Rn. 123).
2. Das BGB enthält keine eigene Anspruchsgrundlage für einen Unterlassungsanspruch gegen ehrverletzende Äußerungen. Der Anspruch wird vielmehr als „quasinegatorischer Anspruch in Analogie zu den negatorischen Ansprüchen des BGB auf eine entsprechende Anwendung der §§ 12, 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit der jeweiligen Schutznorm gestützt. Als Schutznorm der Ehre kommt in erster Linie § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 185 ff. StGB in Betracht (Palandt/Sprau, a. a. 0., Einf. v. § 823 Rn. 18).
a) Der Unterlassungsanspruch setzt zunächst eine „ehrverletzende Äußerung" voraus (Palandt/Sprau, a. a. 0., § 823 Rn. 94; Einf. v. § 823 Rn. 19). Hierbei darf bei der Prüfung, ob eine Äußerung ehrverletzend ist, der Begriff der Ehrverletzung nicht so weit ausgedehnt werden, dass für die Berücksichtigung der Meinungsfreiheit kein Raum mehr bleibt (BVerfG NJW 1977, 799; NJW 1986, 1533).
- 17 -
b) Des Weiteren setzt ein Unterlassungsanspruch voraus, dass der Eingriff in das geschützte Rechtsgut durch die beanstandete Äußerung künftig mit einer hin-reichend großen und konkreten Wahrscheinlichkeit droht (sog. Erstbegehungs-oder Wiederholungsgefahr, PalandtlSprau, Einf. v. § 823 Rn. 20 mit vielen Hinweisen auf die Rechtsprechung). In der Regel wird nach der obergerichtlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte eine Wiederholungsgefahr schon dann vermutet, wenn ein rechtswidriger Eingriff in die Rechtssphäre des Angegriffenen bereits einmal geschehen ist; die Vermutung kann jedoch widerlegt werden (PalandtlSprau, a. a. 0., Einf. v. § 823 Rn. 20 und 21).
c) Der Unterlassungsanspruch setzt kein Verschulden voraus. Bereits das Reichsgericht hat es als ein „Gebot der Gerechtigkeit" angesehen, gegen die Wiederholung eines nur objektiv widerrechtlichen Eingriffs Schutz zu gewähren (RGZ 60, 6; Palandt/Sprau, a. a. 0., Einf. v. § 823 Rn. 19 a. E.).
3. Vorliegend ist zwischen den Parteien bereits streitig, ob überhaupt objektiv ein Eingriff des Beklagten in das Persönlichkeitsrecht des Klägers gegeben ist. So zieht der Beklagte bereits in Zweifel, dass sich aus dem Protokoll über die Sitzung vom 09.03.2009 ergebe, dass er die dortigen Äußerungen hinsichtlich des Klägers gemacht habe und ob konkret er das Verhalten des Klägers angesprochen habe.
Hierauf kommt es nach Überzeugung des Gerichtes jedoch ebenso wenig an wie auf die Frage, ob bereits wegen des etwaigen Vorliegens einer Erstbegehung durch den Beklagten oder wegen dessen Weigerung zur Unterzeichnung der strafbewehrten Unterlassungserklärung eine Wiederholungsgefahr gegeben ist.
Selbst wenn man unterstellt, der Beklagte habe am 09.03.2009 seine Äußerungen mit konkretem Bezug auf den Kläger gemacht, sowie des Weiteren unterstellt, diese Äußerungen seien ehrverletzend und begründeten eine Wiederholungsgefahr, wäre nach Auffassung des Gerichtes ein Unterlassungsanspruch des Klägers je-
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denfalls mangels Widerrechtlichkeit einer derartigen Äußerung ausgeschlossen.
4. a)
Ein Unterlassungsanspruch besteht nämlich nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die künftige Wiederholung der umstrittenen Äußerung rechtswidrig wäre. Als Rechtsfertigungsgrund kommt in erster Linie das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in Betracht (Palandt/Sprau, a. a. 0., § 823 Rn. 95, 101 ff.).
Die Rechtfertigung setzt voraus, dass der Schutzbereich des Grundrechts berührt ist. Art. 5 Abs. 1 GG schützt die Äußerungsfreiheit (BVerfG, NJW 1996, 1529).b)
Äußerungen lassen sich in Werturteile und Tatsachenbehauptungen unterscheiden (Palandt/Sprau, a. a. 0., § 823 BGB Rn. 101; BVerfG, NJW 2003, 1856). Werturteile unterfallen stets dem Schutzbereich des Grundrechtes, Tatsachenbehauptungen jedenfalls dann, wenn sie Grundlage für die Bildung von Meinungen oder in anderer Weise meinungsbezogen sind (BVerfG, NJW 1983, 1415; BGH NJW 1998, 3047).Genießt eine Äußerung den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG, sind das auf Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG beruhende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verletzten und das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG des Äußernden gegeneinander abzuwägen. Die Meinungsfreiheit findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranke u. a. in dem Schutz der persönlichen Ehre und in den allgemeinen Gesetzen. Bei dieser Prüfung ist im Wesentlichen darauf abzustellen, ob die Äußerung als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung einzustufen ist (Palandt/Sprau, a. a. 0., § 823 BGB Rn. 95 sowie Rn. 101).
aa)
Handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, ist der Wahrheitsgehalt der Aussage zu prüfen. Ist der Wahrheitsgehalt der Tatsache in Streit, hat der Äußernde den Wahrheitsbeweis zu führen. Der BGH geht dann von einer erweiterten Darle-
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gungslast desjenigen aus, der eine ehrenrührige Tatsache über einen anderen behauptet und behandelt die umstrittenen Äußerungen, kommt der sich Äußernde dieser Darlegungslast nicht nach, als wahr (BGH, NJW 1974, 1710; Pa-landt/Sprau, a. a. 0., § 823 Rn. 101 a).
bb)
Handelt es sich bei der Äußerung um ein Werturteil, ist zwischen den Belangen des Ehrenschutzes und der Meinungsfreiheit abzuwägen. Hierbei hat die Meinungsfreiheit im Grundsatz Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz. Ihre Einschränkung bedarf der Rechtfertigung durch hinreichend gewichtige Gemeinwohl-belange oder schutzwürdige Rechte und Interessen Dritter. Hierbei stellt insbesondere die Intensität der Grundrechtsbelastung einen wesentlichen Abwägungsgesichtspunkt dar. Je schwerer der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht wiegt, desto eher hat die Unterlassungsklage Erfolg. Meinungsfreiheit hat zurückzutreten, wenn eine Schmähkritik oder eine reine Formalbeleidigung vorliegt. Dies setzt voraus, dass die Äußerung sich jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der angegriffenen Person erschöpft (BGH, NJW 1974, 1762; BVerfG, NJW 1991, 95; allgemein hierzu Palandt/Sprau, a. a. 0., § 823 BGB Rn. 102 mit vielen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).
II.
Die Anwendung der vorstehenden Grundsätze der obergerichtlichen Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall ergibt, dass eine evtl. objektive Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers durch den Beklagten jedenfalls der Widerrechtlichkeit ermangelt.
1. Die Äußerungen des Klägers vom 09.03.2009, selbst wenn sie tatsächlich ausschließlich oder wenigstens unter anderem auch den Kläger betroffen haben sollten, stellen nach Überzeugung des Gerichts keine Tatsachenbehauptungen, sondern lediglich wertende Meinungskundgaben dar.
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a) Ein Werturteil ist durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage gekennzeichnet, während für die Tatsachenbehauptung die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakteristisch ist. Das Werturteil ist durch Elemente des Meinens und der Stellungnahme geprägt, während die Tatsachenbehauptung etwas als objektiv gegeben hinstellen will (Palandt/Sprau, a. a. 0., § 824 BGB Rn. 2 ff. mit vielen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur). Entscheidend ist, ob eine Äußerung insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, weil ihr Tatsachengehalt so substanzarm ist, dass er gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt, oder ob die Äußerung überwiegend durch den Bericht über tatsächliche Vorgänge geprägt ist und bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (Palandt/Sprau, a. a. 0., § 824 BGB Rn. 4; BVerfG NJW 1983, 1415 zur Meinungsäußerung; BGH NJW 2006, 830 zur Tatsachenbehauptung). Dabei ist der Begriff der Meinung weit zu verstehen. Insbesondere wenn eine Trennung des wertenden vom tatsächlichen Gehalt den Sinn der Äußerung aufheben oder verfälschen würde, ist diese insgesamt als Meinungsäußerung anzusehen (BVerfG NJW 1993, 1845). Die Tatsachenbehauptung ist einer Beweisführung im Grundsatz zugänglich, die Meinungsäußerung ist es nicht.
b) Die in dem Sitzungsprotokoll wiedergegebenen streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten behaupten keinerlei Tatsachen, sondern stellen lediglich eine subjektive Bewertung im Detail nicht benannter Verhaltens-weisen als menschenverachtend dar. Diese Äußerung besteht allein aus Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens, sie entbehrt jeglicher Benennung irgendwelcher Tatsachen. Der Äußernde stellt erkennbar nicht irgendwelche Tatsachen als objektiv gegeben hin, sondern beschränkt sich allein auf die Kundgabe einer subjektiven Wertung.
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Auch die weiteren Äußerungen, wonach „das Thema an Dramatik nicht zu überbieten" sei und hier ein „Hinderungsgrund" gegeben sei, „der die Dinge massiv beeinträchtige", beinhalten keinerlei Tatsachenbehauptungen, die einer objektiven Beweisführung zugänglich wären. Auch diese Äußerungen beschränken sich eindeutig auf die bloße Kundgabe subjektiver Einschätzungen und Wertungen.
2. Die hinsichtlich dieser Meinungsäußerungen durchzuführende Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers mit dem Grundrecht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung ergibt in Anbetracht der vorliegenden Einzelfallumstände, dass die Meinungsfreiheit des Beklagten überwiegt und eine evtl. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers jedenfalls nicht widerrechtlich wäre.
Insbesondere die Äußerung des Beklagten, von einzelnen Verantwortlichen würde ein menschenverachtender Umgang gepflegt, stellt — wenn sie tatsächlich hinsichtlich des Klägers abgegeben ist — nach Auffassung des Gerichtes in der Tat eine harte scharfe und auch abwertende Form der Meinungsäußerung dar. Zwar teilt die Kammer nicht uneingeschränkt die Auffassung des Klägers, dass der Ausdruck „menschenverachtend" im deutschen Sprachraum vor allem im Zusammenhang mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten verwendet werde. Vielmehr ist — wie die von der Beklagtenseite angeführten vielfältigen Beispiele deutlich machen — bedauerlicherweise ein eher inflationärer Gebrauch dieses Adjektivs zu beobachten. Dennoch ist nach Auffassung des Gerichtes nicht außer Blick zu verlieren, dass der Ausdruck „menschenverachtend" seinem Wortsinn nach eine höchst negative Einschätzung eines Menschen, eines Verhaltens oder eines Zustandes zum Ausdruck bringt. Das Gewicht dieser negativen Einschätzung wäre vorliegend zudem noch durch den Umstand erhöht, dass sowohl der Kläger als auch der Beklagte vor dem Hintergrund der besonders hohen moralischen und ethischen Ansprüche ihres beruflichen Tätigkeitsfeldes im Bereich der christlichen Nächstenliebe die Einschätzung als menschenverachtend als besonders hart und scharf empfinden müssen.
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In Anbetracht des bereits aufgezeigten grundsätzlichen Vorranges der Meinungsfreiheit vor dem Persönlichkeitsschutz (BVerfG, NJW 98, 2889) sind die Grenzen der Meinungsfreiheit noch nicht überschritten, wenn die subjektive Meinung hart, scharf und überspitzt, provokant, abwertend, übersteigert, polemisch und ironisch geäußert wird. Vielmehr erlangt der Schutz des Persönlichkeitsrechtes erst dann Vorrang, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde des Kritisierten, als Schmähkritik oder als reine Formalbeleidigung darstellt (BVerfG, NJW 99, 1322; Palandt/Sprau, a. a. 0., § 823 BGB Rn. 102).
Vorliegend ist den Äußerungen des Beklagten — wenn sie auf den Kläger bezogen sein sollten — nach Auffassung des erkennenden Gerichts noch nicht zu entnehmen, dass es dem Beklagten allein um eine Diffamierung des Klägers oder darum gegangen sei, ihn in seiner Person herabzusetzen. Im Übrigen schließt sich das erkennende Gericht der strafrechtlichen Einschätzung der Staatsanwaltschaft sowie der Generalstaatsanwaltschaft an, wonach eine Straftat der Beleidigung nicht gegeben ist.
In diesem Zusammenhang kommt es entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht darauf an, ob Äußerungen richtig oder falsch, wertvoll oder wertlos, emotional oder rational sind. Werturteile stehen einer Richtigkeitskontrolle nicht offen. Daher ist eine Wertung der kritischen Äußerungen in inhaltlicher Absicht kein zulässiger Gesichtspunkt im Rahmen der Abwägung zwischen Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit (BVerfG, NJW 1983, 1415).
Nach alledem steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichtes fest, dass hin-sichtlich der Äußerungen des Beklagten vom 09.03.2009 das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung des Beklagten den Persönlichkeitsschutz des Klägers überwiegt. Somit fehlt es zumindest an der Widerrechtlichkeit einer evtl. Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers durch den Beklagten.
Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ist aus diesem Grunde ausgeschlossen.
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III.
Mangels des Vorliegens einer Straftat ist der Unterlassungsanspruch des Klägers auch nicht auf die Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 185 StGB zu stützen.
IV.
Auch die weiteren, vom Kläger geltend gemachten Ansprüche, insbesondere auf Widerruf, auf Schmerzensgeld sowie auf Kostenerstattung scheitern allesamt bereits am Fehlen einer objektiven und rechtswidrigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Klägers (Palandt/Sprau, a. a. 0., Einf. v. § 823 Rn. 32; § 823 Rn. 123) bzw. an einer Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB
Der Klage musste daher auch hinsichtlich aller anderen Klageforderungen von vornherein der Anspruch versagt bleiben.
- 24 -
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.
II.
Der Streitwert bemisst sich hinsichtlich des Unterlassungsanspruches in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG in Höhe von € 4.000,--. Der Anspruch auf Auskunftserteilung und Widerruf war demgegenüber wegen teilweiser Identität mit dem Untersagungsanspruch lediglich in Höhe des Hälftewertes mit 2.000,-- anzusetzen. Hinsichtlich des Schmerzensgeldes war von dem Klägerseits als Mindestrahmen angegeben Betrag von 3.000,-- auszugehen. Der Kostenerstattungsanspruch war in der konkret bezifferten Höhe festzusetzen. Der Streitwert beläuft sich mithin auf € 4.000,-- + 2.000,-- + 3.000,-- + 549,-- = 9.549,--.
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Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann der Kläger Berufung einlegen.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat ab Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
Landesarbeitsgericht Nürnberg
Roonstraße 20
90429 Nürnberg
eingelegt werden.
Die Berufung muss innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich begründet werden.
Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift müssen jeweils von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können auch von dem Bevollmächtigten einer Gewerkschaft, eines Arbeitgeberverbandes oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet werden, wenn sie für ein Mitglied eines solchen Verbandes oder Zusammenschlusses oder für den Verband oder den Zusammenschluss selbst eingelegt wird.
Mitglieder der genannten Verbände können sich auch durch den Bevollmächtigten eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen.
Der Vorsitzende:
Richter am Arbeitsgericht /ba
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