HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

GESETZE ZUM ARBEITSRECHT

11: Richtlinie 2008/104/EG des Parlaments und des Rates vom 11. November 2008 (Richtlinie 2008/104/EG)

Präambel

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 137 Absatz 2,

auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozial­ausschusses (1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und befolgt die in der Charta der Grundrechte der Euro­ päischen Union anerkannten Prinzipien (3). Sie soll insbe­sondere die uneingeschränkte Einhaltung von Artikel 31 der Charta gewährleisten, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen sowie auf eine Begren­zung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat.

(2) Nummer 7 der Gemeinschaftscharta der sozialen Grund­rechte der Arbeitnehmer sieht unter anderem vor, dass die Verwirklichung des Binnenmarktes zu einer Verbes­serung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeit­nehmer in der Europäischen Gemeinschaft führen muss; dieser Prozess erfolgt durch eine Angleichung dieser Be­dingungen auf dem Wege des Fortschritts und betrifft namentlich Arbeitsformen wie das befristete Arbeitsver­hältnis, Teilzeitarbeit, Leiharbeit und Saisonarbeit.

(3) Die Kommission hat die Sozialpartner auf Gemeinschafts­ebene am 27. September 1995 gemäß Artikel 138 Ab­satz 2 des Vertrags zu einem Tätigwerden auf Gemein­schaftsebene hinsichtlich der Flexibilität der Arbeitszeit und der Arbeitsplatzsicherheit gehört.

(4) Da die Kommission nach dieser Anhörung eine Gemein­schaftsaktion für zweckmäßig hielt, hat sie die Sozialpart­ner am 9. April 1996 erneut gemäß Artikel 138 Absatz 3 des Vertrags zum Inhalt des in Aussicht genommenen Vorschlags gehört.

(5) In der Präambel zu der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge be­kundeten die Unterzeichneten ihre Absicht, die Notwen­digkeit einer ähnlichen Vereinbarung zum Thema Leiharbeit zu prüfen und entschieden, Leiharbeitnehmer nicht in der Richtlinie über befristete Arbeitsverträge zu behan­deln.

(6) Die allgemeinen branchenübergreifenden Wirtschaftsver­bände, nämlich die Union der Industrie- und Arbeitge­berverbände Europas (UNICE) (4), der Europäische Zent­ralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) und der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB), haben der Kom­mission in einem gemeinsamen Schreiben vom 29. Mai 2000 mitgeteilt, dass sie den Prozess nach Artikel 139 des Vertrags in Gang setzen wollen. Sie haben die Kom­mission in einem weiteren gemeinsamen Schreiben vom 28. Februar 2001 um eine Verlängerung der in Arti­kel 138 Absatz 4 genannten Frist um einen Monat er­sucht. Die Kommission hat dieser Bitte entsprochen und die Verhandlungsfrist bis zum 15. März 2001 verlängert.

(7) Am 21. Mai 2001 erkannten die Sozialpartner an, dass ihre Verhandlungen über Leiharbeit zu keinem Ergebnis geführt hatten.

(8) Der Europäische Rat hat es im März 2005 für unabding­bar gehalten, der Lissabon-Strategie neue Impulse zu ge­ben und ihre Prioritäten erneut auf Wachstum und Be­schäftigung auszurichten. Der Rat hat die Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (2005-2008) angenommen, die unter gebührender Berücksich­tigung der Rolle der Sozialpartner unter anderem der Förderung von Flexibilität in Verbindung mit Beschäfti­gungssicherheit und der Verringerung der Segmentierung des Arbeitsmarktes dienen sollen.

------------------------------------------------------------

(1) ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 124.
(2) Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 21. November 2002 (ABl. C 25 E vom 29.1.2004, S. 368), Gemeinsamer Stand­punkt des Rates vom 15. September 2008 und Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 22. Oktober 2008 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
(3) ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 1.
(4) Die UNICE hat ihren Namen im Januar 2007 in BUSINESSEUROPE geändert.

------------------------------------------------------------

(9) Im Einklang mit der Mitteilung der Kommission zur so­ zialpolitischen Agenda für den Zeitraum bis 2010, die vom Europäischen Rat im März 2005 als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der Lissabon-Strategie durch Stärkung des europäischen Sozialmodells begrüßt wurde, hat der Europäische Rat die Ansicht vertreten, dass auf Seiten der Arbeitnehmer und der Unternehmen neue For­men der Arbeitsorganisation und eine größere Vielfalt der Arbeitsverträge mit besserer Kombination von Flexibilität und Sicherheit zur Anpassungsfähigkeit beitragen wür­den. Im Dezember 2007 hat der Europäische Rat darüber hinaus die vereinbarten gemeinsamen Flexicurity-Grund­sätze gebilligt, die auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt abstellen und sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitge­bern helfen sollen, die durch die Globalisierung gebote­nen Chancen zu nutzen.

(10) In Bezug auf die Inanspruchnahme der Leiharbeit sowie die rechtliche Stellung, den Status und die Arbeitsbedin­gungen der Leiharbeitnehmer lassen sich innerhalb der Union große Unterschiede feststellen.

(11) Die Leiharbeit entspricht nicht nur dem Flexibilitätsbedarf der Unternehmen, sondern auch dem Bedürfnis der Ar­beitnehmer, Beruf und Privatleben zu vereinbaren. Sie trägt somit zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Teilnahme am und zur Eingliederung in den Arbeits­markt bei.

(12) Die vorliegende Richtlinie legt einen diskriminierungs­freien, transparenten und verhältnismäßigen Rahmen zum Schutz der Leiharbeitnehmer fest und wahrt gleich­zeitig die Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbe­ziehungen.

(13) Die Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitneh­mern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeits­verhältnis (1) enthält die für Leiharbeitnehmer geltenden Bestimmungen im Bereich von Sicherheit und Gesund­heitsschutz am Arbeitsplatz.

(14) Die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingun­gen für Leiharbeitnehmer sollten mindestens denjenigen entsprechen, die für diese Arbeitnehmer gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt würden.

(15) Unbefristete Arbeitsverträge sind die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses. Im Falle von Arbeitnehmern, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Leiharbeitsunter­nehmen geschlossen haben, sollte angesichts des hier­ durch gegebenen besonderen Schutzes die Möglichkeit vorgesehen werden, von den im entleihenden Unterneh­men geltenden Regeln abzuweichen.

(16) Um der Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbezie­hungen auf flexible Weise gerecht zu werden, können die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern gestatten, Arbeits- und
Beschäftigungsbedingungen festzulegen, sofern das Ge­samtschutzniveau für Leiharbeitnehmer gewahrt bleibt.

(17) Außerdem sollten die Mitgliedstaaten unter bestimmten, genau festgelegten Umständen auf der Grundlage einer zwischen den Sozialpartnern auf nationaler Ebene ge­schlossenen Vereinbarung vom Grundsatz der Gleichbe­handlung in beschränktem Maße abweichen dürfen, so­fern ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist.

(18) Die Verbesserung des Mindestschutzes der Leiharbeitneh­mer sollte mit einer Überprüfung der Einschränkungen oder Verbote einhergehen, die möglicherweise in Bezug auf Leiharbeit gelten. Diese können nur aus Gründen des Allgemeininteresses, vor allem des Arbeitnehmerschutzes, der Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz und der Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten und eventuellen Missbrauch zu verhüten, gerechtfertigt sein.

(19) Die vorliegende Richtlinie beeinträchtigt weder die Auto­nomie der Sozialpartner, noch sollte sie die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern beeinträchtigen, einschließ­lich des Rechts, Tarifverträge gemäß nationalem Recht und nationalen Gepflogenheiten bei gleichzeitiger Einhal­tung des geltenden Gemeinschaftsrechts auszuhandeln und zu schließen.

(20) Die in dieser Richtlinie enthaltenen Bestimmungen über Einschränkungen oder Verbote der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern lassen die nationalen Rechtsvorschrif­ten und Gepflogenheiten unberührt, die es verbieten, streikende Arbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer zu er­setzen.

(21) Die Mitgliedstaaten sollten für Verstöße gegen die Ver­pflichtungen aus dieser Richtlinie Verwaltungs- oder Ge­richtsverfahren zur Wahrung der Rechte der Leiharbeit­nehmer sowie wirksame, abschreckende und Verhältnis mäßige Sanktionen vorsehen.

(22) Die vorliegende Richtlinie sollte im Einklang mit den Vorschriften des Vertrags über die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, und unbeschadet der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Ar­beitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleis­tungen (2) umgesetzt werden.

------------------------------------------------------------

(1) ABl. L 206 vom 29.7.1991, S. 19.
(2) ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1.

------------------------------------------------------------

(23) Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Schaffung eines auf Gemeinschaftsebene harmonisierten Rahmens zum Schutz der Leiharbeitnehmer, auf Ebene der Mitgliedstaa­ten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und da­her wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maß­nahme besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen ist, und zwar durch Einführung von Mindestvorschriften, die in der gesamten Europäischen Gemeinschaft Geltung besitzen, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Erreichung dieses Ziels er­forderliche Maß hinaus. -

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:


Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern