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Betriebsübergang und materielle Betriebsmittel
02.09.2016. Legt ein Arbeitgeber einen Betrieb still und entlässt alle Arbeitnehmer, werden oft kurze Zeit später einige oder sogar alle Arbeitnehmer durch einen Nachfolger übernommen.
Ob in einem solchen Fall ein Betriebsübergang vorliegt, hängt von vielen Umständen des Einzelfalls ab, unter anderem davon, ob der Nachfolger neben der Belegschaft auch Betriebsmittel und Kundenbeziehungen übernimmt.
In einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) deutlich gemacht, dass auch bei der Fortführung von Einrichtungen, die durch ihre Betriebsmittel geprägt sind, alle Aspekte des Einzelfalls sorgfältig durchzuprüfen sind, bevor man zu dem Ergebnis kommt, dass ein Betriebsübergang gegeben oder nicht gegeben ist.
Allein die Tatsache, dass der Nachfolger die Betriebsmittel eines betriebsmittelgeprägten Betriebs nicht übernimmt, schließt einen Betriebsübergang nicht aus: BAG, Urteil vom 25.08.2016, 8 AZR 53/15.
- Feststellung eines Betriebsübergangs in Betrieben, die von materiellen Betriebsmitteln geprägt sind
- Der Fall des BAG: 39jährige Rettungsassistentin wechselt notgedrungen von einem diakonischen Verein zu einem Landkreis
- BAG: Auch bei Betrieben, die durch Betriebsmittel geprägt sind wie ein Rettungsdienst, setzt die Feststellung eines Betriebsübergangs eine Gesamtbewertung voraus
Feststellung eines Betriebsübergangs in Betrieben, die von materiellen Betriebsmitteln geprägt sind
Geht ein Betrieb durch Vertrag auf einen anderen Inhaber über, soll sich das nicht zulasten der Arbeitnehmer auswirken. Daher schreibt § 613a Abs.1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor, dass in einem solchen Fall der Betriebserwerber automatisch in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen eintritt, die im Zeitpunkt des Übergangs bestehen. Er wird Arbeitgeber der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer, und an deren Arbeitsverträgen ändert sich nichts.
Ob ein "Betrieb" vorliegt und ob er auf einen Erwerber übergegangen ist oder nicht, hängt nach der Rechtsprechung davon ab, ob es eine „wirtschaftliche Einheit“ gibt, die unter Beibehaltung ihrer "Identität" von einem neuen Inhaber geführt wird. Das sind zwar ziemlich schwammige Begriffe, aber bei ihrer Anwendung hilft eine anerkannte, sieben Punkte umfassende Checkliste. Prüft man diese Checkliste bzw. Prüffragen im Einzelfall durch, weiß man am Ende recht genau, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht.
Die erste dieser sieben Prüffragen lautet, ob es sich bei der möglichen "wirtschaftlichen Einheit" um einen produktionsmittelgeprägten Betrieb oder um einen Dienstleistungsbetrieb handelt, der durch das Know How der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer charakterisiert ist.
Denn wenn es um einen produktionsmittelgeprägten Betrieb wie eine Fabrik oder um einen großen Schlachthof geht, setzt ein Betriebsübergang in aller Regel voraus, dass diese Produktionsmittel auch vom Nachfolger genutzt werden. Dagegen kommt es bei einem Dienstleistungsbetrieb wie z.B. einer Gebäudereinigungsfirma, einem Call Center oder einem Bewachungsservice darauf auf, dass der Großteil der Belegschaft zum Erwerber gewechselt hat, d.h. die Übertragung der (nicht oder kaum vorhandenen) sächlichen Betriebsmittel ist dann zweitrangig.
Da die rechtliche Feststellung, dass ein Betriebsübergang vorliegt (oder eben nicht vorliegt), trotz der Sieben-Punkte-Checkliste immer wieder zweifelhaft ist, würde es Juristen die Arbeit erleichtern, wenn sie einen Betriebsübergang bei produktionsmittelgeprägten Betrieben definitiv ausschließen könnten, falls der (mögliche) Erwerber die Betriebsmittel nicht übernommen hat. Auf die anderen sechs Prüfpunkte käme es dann nicht mehr an, d.h. auf die Beibehaltung der Arbeitsorganisation, auf die Übernahme der Belegschaft, auf die Fortführung der Kundenbeziehungen und Aufträge usw.
Es fragt sich daher, ob man sich eine Gesamtbewertung aller für bzw. gegen einen Übergang sprechenden Indizien bei betriebsmittelgeprägten Betrieben sparen kann, wenn feststeht, dass der (mögliche) Erwerber die Betriebsmittel nicht übernommen hat.
Der Fall des BAG: 39jährige Rettungsassistentin wechselt notgedrungen von einem diakonischen Verein zu einem Landkreis
Geklagt hatte eine 1972 geborene Rettungsassistentin, die seit 2001 bei einem diakonischen Verein beschäftigt war. Der Verein sicherte den Rettungsdienst für einen Landkreis in Sachsen-Anhalt ab. Dazu betrieb er vier Rettungswachen und beschäftigte 41 Arbeitnehmer auf der Grundlage der Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Da der Landkreis den Rettungsdienst ab Juni 2011 selbst durchführen wollte, kündigte er die mit dem Verein bestehenden Untermiet- und Mietverträge über die Rettungswachen, kaufte neue Rettungswagen und suchte Arbeitnehmer. Aus 70 Bewerbern wählte der Landkreis die schon zuvor beim Verein tätigen 41 Arbeitnehmer sowie gut zehn weitere Kandidaten aus, d.h. er vergrößerte die Belegschaft um mehr als ein Viertel, um ein verändertes Schichtmodell durchführen zu können.
Der Landkreis vereinbarte mit allen über 50 Arbeitnehmern neue Arbeitsverträge zum 01.06.2011. Die Verträge enthielten eine Probezeit und verwiesen auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Die neuen Rettungswagen kamen pünktlich ab dem 01.06.2011 zum Einsatz. Die alten, vom diakonischen Verein benutzten Rettungswagen wurden ausgemustert.
Die Rettungsassistentin zog daraufhin vor das Arbeitsgericht Halle und verklagte den Landkreis unter Berufung auf einen Betriebsübergang auf die Feststellung, dass sie bereits seit 2001 und nicht erst seit Juni 2011 bei ihm als Rettungsassistentin beschäftigt sein. Dabei ging nicht um den Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern um die Bezahlung gemäß den AVR Diakonie sowie um die Dienstzeiten seit 2001 und damit um Kündigungsfristen.
Das Arbeitsgericht Halle gab der Klägerin Recht (Urteil vom 23.01.2013, 8 Ca 1237/12) während das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen-Anhalt pro Landkreis urteilte (LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.11.2014, 4 Sa 274/13). Dabei berief sich das LAG auf ein Urteil des BAG aus dem Jahre 2012, das einen ähnlichen, aus Sachsen stammenden Fall der Neuordnung eines Rettungsdienstes betraf (BAG, Urteil vom 10.05.2012, 8 AZR 434/11; über eines der damals ergangenen Parallelurteile des BAG (Urteil vom 10.05.2012, 8 AZR 639/10) berichteten wir in Arbeitsrecht aktuell: 12/190 Betriebsübergang bei Rettungszweckverband).
In dem BAG-Urteil vom 10.05.2012 (8 AZR 434/11) findet sich nämlich die Aussage, dass Rettungsdienste betriebsmittelgeprägte Betriebe sind, denn es kommt entscheidend auf geeignete Krankentransportwagen (KTW), auf Rettungswagen (RTW) sowie auf Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) an, so das BAG 2012. Unter Berufung darauf machte es sich das LAG leicht und begründete seine Entscheidung einfach damit, dass der Landkreis sämtliche Fahrzeuge neu gekauft und damit die prägenden Betriebsmittel nicht vom Verein übernommen hatte.
BAG: Auch bei Betrieben, die durch Betriebsmittel geprägt sind wie ein Rettungsdienst, setzt die Feststellung eines Betriebsübergangs eine Gesamtbewertung voraus
Das BAG wies die Revision der Arbeitnehmerin zwar zurück, d.h. es bestätigte das LAG-Urteil im Ergebnis. Dabei rüffelte es aber die LAG-Richter wegen der von ihnen gelieferten Begründung.
Denn das LAG hätte sein klagabweisendes Urteil nicht nur damit begründen dürfen, allein die Betriebsmittel bzw. die Rettungsfahrzeuge seien für den Betrieb des Rettungsdienstes identitätsprägend; hier hatte das LAG argumentiert, dass der Einsatz der Wagen den Kern des betrieblichen Funktionszusammenhangs und damit der Wertschöpfung ausmache. Vielmehr hätte das LAG noch die übrigen sechs Prüfpunkte berücksichtigen müssen, so das BAG.
Diese umfassende Prüfung holten die Erfurter Richter nach und kamen dabei zum selben Ergebnis wie das LAG: Der Landkreis hatte von dem diakonischen Verein keine wirtschaftliche Einheit übernommen, d.h. als identische Einheit fortgeführt. Warum das BAG zu dieser Beurteilung kommt, geht aus der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung nicht ganz klar hervor. Anscheinend hatte das BAG die Aufstockung der Belegschaft um mehr als ein Vierteil und die Änderung des Schichtmodells vor Augen, d.h. Veränderungen bei der Belegschaft und der Arbeitsorganisation.
Fazit: Auch wenn der Gegenstand eines möglichen Betriebsübergangs eine betriebsmittelgeprägte Einrichtung ist, ist die rechtliche Prüfung, ob eine wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität auf einen neuen Inhaber übergegangen ist, nicht einfach mit der Feststellung beendet, dass die (wesentlichen) Betriebsmittel von dem (möglichen) Erwerber nicht übernommen wurden.
Dann ist ein Betriebsübergang zwar ziemlich unwahrscheinlich, doch müssen auch in einem solchen Fall die übrigen sechs Prüfpunkte durchgecheckt und eine wertende Gesamtbetrachtung vorgenommen werden.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.08.2016, 8 AZR 53/15
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.05.2012, 8 AZR 434/11
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.05.2012, 8 AZR 639/10
- Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.11.2014, 4 Sa 274/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsstilllegung, Betriebsschließung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht. Kündigungsfristen
- Handbuch Arbeitsrecht: Probezeit
- Arbeitsrecht aktuell: 19/192 Betriebsübergang zwecks Liquidation
- Arbeitsrecht aktuell: 16/378 Fehlerhafte Information zum Betriebsübergang und Widerspruchsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 14/364 EuGH zum Betriebsübergang im Konzern
- Arbeitsrecht aktuell: 12/190 Betriebsübergang bei Rettungszweckverband
- Arbeitsrecht aktuell: 11/202 Betriebsteilübergang - BAG entscheidet Klarenberg-Fall pro Arbeitgeber
- Arbeitsrecht aktuell: 09/034 Betriebsteilübergang auch bei Verlust der organisatorischen Selbständigkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 08/135 Betriebsteilübergang auch ohne Wahrung der organisatorischen Selbständigkeit
Letzte Überarbeitung: 2. September 2019
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