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ARBEITSRECHT AKTUELL // 20/070

Ge­schäfts­füh­rer mit ru­hen­dem Ar­beits­ver­hält­nis

Ein ru­hen­des Ar­beits­ver­hält­nis mit der Mut­ter­ge­sell­schaft kann be­fris­tet oder un­ter ei­ne auf­lö­sen­de Be­din­gung ge­stellt wer­den, so dass das Rück­kehr­recht des Ge­schäfts­füh­rers en­det: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 12.06.2019, 7 AZR 428/17
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04.06.2020. Ge­schäfts­füh­rer kön­nen nicht nur in ei­nem Ver­trags­ver­hält­nis zu der GmbH ste­hen, für die sie als Ge­schäfts­füh­rer tä­tig sind, son­dern auch mit an­de­ren Un­ter­neh­men, z.B. mit der Mut­ter­ge­sell­schaft der GmbH.

Ei­ne sol­che Ver­trags­kon­struk­ti­on dient der recht­li­chen und wirt­schaft­li­chen Ab­si­che­rung des Ge­schäfts­füh­rers.

In der Re­gel sind sol­che Ab­si­che­run­gen al­ler­dings zeit­lich be­fris­tet. Über ei­nen sol­chen Fall hat­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) zu ent­schei­den und klar­ge­stellt, dass es auch zu­läs­sig ist, das ru­hen­de Ar­beits­ver­hält­nis mit der Mut­ter­ge­sell­schaft un­ter ei­ne auf­lö­sen­de Be­din­gung zu stel­len: BAG, Ur­teil vom 12.06.2019, 7 AZR 428/17

Ru­hend­stel­lung des Ar­beits­ver­trags mit der Mut­ter­ge­sell­schaft zur Ab­si­che­rung des Geschäftsführers ei­ner Toch­ter-GmbH

Geschäftsführer ei­ner GmbH, die kei­ne An­tei­le an der Ge­sell­schaft hal­ten (Fremd­geschäftsführer), können ih­re Tätig­keit für die GmbH auf der Grund­la­ge ei­nes Geschäftsführer­ver­trags ausüben, d.h. ei­nes frei­en Dienst­ver­trags, oder aber auf der Grund­la­ge ei­nes Ar­beits­ver­trags. Im Nor­mal­fall be­steht ein sol­cher Ver­trag (al­lein) zwi­schen GmbH und Geschäftsführer.

Recht­lich zulässig ist es aber auch, dass Fremd­geschäftsführer (an­stel­le oder zusätz­lich zu ih­rem Ver­trag mit der GmbH) in ei­nem frei­en Dienst- oder in ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit Mut­ter­ge­sell­schaft ste­hen. Die ver­trag­li­che Ver­pflich­tung ge­genüber der Mut­ter­ge­sell­schaft be­steht dann dar­in, für die­se die Geschäfte ih­rer Toch­ter-GmbH zu führen. Man spricht hier von Drit­t­an­stel­lung, denn das Dienst- oder Ar­beits­verhält­nis be­steht nicht (oder nicht nur) mit der GmbH, son­dern mit ei­nem "Drit­ten", nämlich der Mut­ter­ge­sell­schaft der GmbH.

Ist ei­ne Drit­t­an­stel­lung nicht ge­wollt und soll der Geschäftsführer da­her, nach­dem er länge­re Zeit als Ar­beit­neh­mer der Mut­ter­ge­sell­schaft tätig war, al­lein auf der Grund­la­ge ei­nes Geschäftsführer­ver­trags mit der GmbH tätig wer­den, ist das mit dem Ver­lust von so­zia­lem Be­sitz­stand und ins­be­son­de­re des Kündi­gungs­schut­zes ver­bun­den. Durch den Wech­sel vom Ar­beits­verhält­nis mit der Mut­ter­ge­sell­schaft in ein Geschäftsführer­verhält­nis zur Toch­ter­ge­sell­schaft fällt der Schutz durch das Ar­beits­recht weg. Das ist je­den­falls dann der Fall, wenn das Geschäftsführer­verhält­nis mit der Toch­ter-GmbH als "nor­ma­ler" Geschäftsführer­ver­trag aus­ge­stal­tet ist, d.h. als frei­er Dienst­ver­trag.

In sol­chen Fällen bie­tet es sich an, das Ar­beits­verhält­nis mit der Mut­ter­ge­sell­schaft für die Zeit der Geschäftsführ­ertätig­keit ru­hend zu stel­len. Wird das Geschäftsführer­verhält­nis später be­en­det, lebt das Ar­beits­verhält­nis wie­der auf. Der Ex-Geschäftsführer ist dann au­to­ma­tisch wie­der Ar­beit­neh­mer der Mut­ter­ge­sell­schaft.

Dann al­ler­dings liegt es na­he, das Wie­der­auf­le­ben des Ar­beits­ver­trags mit der Mut­ter­ge­sell­schaft zeit­lich zu be­fris­ten. Denn wenn sich der Geschäftsführer ei­ni­ge Jah­re lang bewährt hat, soll­te er mit dem Ri­si­ko le­ben können, dass er ir­gend­wann ein­mal als Geschäftsführer ab­be­ru­fen und sein Geschäftsführer­ver­trag gekündigt wird. Wich­tig ist ein "Rück­fahr­schein" zum al­ten Ar­beit­ge­ber vor al­lem während der ers­ten Zeit, ins­be­son­de­re um zu ver­hin­dern, dass der frisch­ge­ba­cke­ne Geschäftsführer um­ge­hend nach dem Ver­lust sei­nes Kündi­gungs­schut­zes durch die GmbH an die Luft ge­setzt wird.

Frag­lich ist in ei­nem sol­chen Fall, ob die Ver­ein­ba­rung ei­ner au­to­ma­ti­schen Be­en­di­gung des ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Mut­ter­ge­sell­schaft nach ei­ner be­stimm­ten Zeit der er­folg­rei­chen Geschäftsführ­ertätig­keit für die Toch­ter-GmbH mit dem Be­fris­tungs­recht ver­ein­bar ist. Denn dann müss­te das ru­hen­de Ar­beits­verhält­nis zeit­lich be­fris­tet oder auflösend be­dingt sein, was ei­nen Sach­grund im Sin­ne von § 14 Abs.1 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz vor­aus­setzt.

Im Streit: Auf­recht­er­hal­tung ei­nes ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses für die Dau­er von fünf Jah­ren

Im Streit­fall wur­de ei­ne langjährig beschäftig­te Führungs­kraft ab Ju­li 2005 für fünf Jah­re, d.h. bis zum 30.06.2010, zum Geschäftsführer ei­ner Toch­ter-GmbH sei­nes Ar­beit­ge­bers be­stellt. Das bis­he­ri­ge Ar­beits­verhält­nis wur­de da­bei nicht be­en­det, son­dern zur Ab­si­che­rung der Führungs­kraft ru­hend ge­stellt.

Das Auf­le­ben des Ar­beits­ver­trags wur­de für den Fall ver­ein­bart, dass das Geschäftsführer-Dienst­verhält­nis vor dem 30.06.2010 be­en­det wer­den soll­te (d.h. vor Ab­lauf von fünf Jah­ren), oder dass der Ar­beit­neh­mer nach Ab­lauf der ers­ten Be­stel­lung von der GmbH nicht wie­der zum Geschäftsführer be­stellt wer­den soll­te (dann würde die Geschäftsführ­ertätig­keit nach Ab­lauf von fünf Jah­ren en­den). 

Die Fortführung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Mut­ter­ge­sell­schaft war gemäß die­ser ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung aus­ge­schlos­sen, falls die Nicht-Verlänge­rung nicht auf Gründen in der Per­son oder dem Ver­hal­ten der Führungs­kraft be­ru­hen soll­te.

Ergänzend hat­ten die Par­tei­en ei­ne au­to­ma­ti­sche Be­en­di­gung des ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses oh­ne Kündi­gung für den Fall ver­ein­bart, dass der Ar­beit­neh­mer „während der nach­fol­gen­den Be­stel­lung“ bei der Toch­ter-GmbH aus­schei­den soll­te.

Nach­dem das Geschäftsführer-Dienst­verhält­nis zwei­mal um fünf Jah­re verlängert wor­den war (von Ju­li 2010 bis Ju­ni 2015 und von Ju­li 2015 bis Ju­ni 2020), sprach die GmbH während des zwei­ten Verlänge­rungs­zeit­raums (im Ju­li 2016) ei­ne frist­gemäße Kündi­gung zu En­de März 2017 aus.

Der ent­las­se­ne Geschäftsführer ver­klag­te dar­auf­hin sei­nen Ex-Ar­beit­ge­ber auf die Fest­stel­lung, dass sein ru­hen­des Ar­beits­verhält­nis nicht zu En­de März 2017 be­en­det wor­den sei. Mit die­ser Kla­ge hat­te er we­der vor dem Ar­beits­ge­richt Stutt­gart (Ur­teil vom 18.01.2017, 24 Ca 4921/16) noch in der Be­ru­fung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg Er­folg (LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 12.07.2017, 2 Sa 2/17).

BAG: Die Tätig­keit als Geschäftsführer ei­nes Toch­ter­un­ter­neh­mens ist ein Sach­grund für die nachträgli­che Ver­ein­ba­rung ei­ner auflösen­den Be­din­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses gemäß §§ 14 Abs.1, 21 Tz­B­fG

Auch vor dem BAG hat­te der Geschäftsführer kei­nen Er­folg. Denn, so das BAG:

Das hier ver­ein­bar­te, zeit­lich be­grenz­te Rück­kehr­recht war mit fünf Jah­ren aus­rei­chend lang. Die In­ter­es­sen des Geschäftsführers (als Ar­beit­neh­mer der Mut­ter­ge­sell­schaft) wur­den da­mit aus­rei­chend berück­sich­tigt.

Ein zeit­lich be­grenz­tes Rück­kehr­recht kann recht­lich um­ge­setzt wer­den, in­dem der Ar­beits­ver­trag un­ter ei­ne auflösen­de Be­din­gung ge­stellt wird. Als Be­din­gung, die den Ar­beits­ver­trag auflöst, kann die Be­en­di­gung des Geschäftsführer-Dienst­ver­tra­ges ver­ein­bart wer­den, falls die­se nach Ab­lauf der fünfjähri­gen Schutz­frist und nach ei­ner wei­te­ren Be­stel­lung zum Geschäftsführer ein­tritt.

Ei­ne sol­che Be­din­gung ist sach­lich ge­recht­fer­tigt gemäß §§ 21, 14 Abs.1 Satz 1 Tz­B­fG. Sie lässt sich zwar kei­nem der acht Be­fris­tungs­gründe des § 14 Abs.2 Satz 2 Tz­B­fG zu­ord­nen, doch ist die­se Lis­te von Sach­gründen kei­ne ab­sch­ließen­de Aufzählung.

Hier konn­te man der ver­trag­li­chen Ru­hens- und Auflösungs­re­ge­lung aus­rei­chend deut­lich ent­neh­men, dass das Ar­beits­verhält­nis en­den soll­te, wenn der Ar­beit­neh­mer (nach ei­ner er­neu­ten Be­stel­lung zum Geschäftsführer mit ent­spre­chen­der Verlänge­rung sei­nes Dienst­ver­trags) aus dem Dienst­verhält­nis mit der Toch­ter-GmbH aus­schei­den würde. Die­se Re­ge­lung war aus­rei­chend klar, d.h. sie ent­sprach dem Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs.1 Satz 2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB).

Fa­zit: Ein Rück­kehr­recht zur Mut­ter­ge­sell­schaft kann ver­trag­lich ab­ge­si­chert wer­den, in­dem das Ar­beits­verhält­nis für die Dau­er der Geschäftsführ­ertätig­keit ru­hend ge­stellt wird, und in­dem wei­ter­hin ver­ein­bart wird, dass das ru­hend ge­stell­te Ar­beits­verhält­nis nach ei­ner be­stimm­ten Zeit au­to­ma­tisch auf­gelöst wird.

Wird ei­nem Ar­beit­neh­mer, der für fünf Jah­re zum Geschäftsführer ei­ner Toch­ter-GmbH be­stellt wird, ein Rück­kehr­recht ein­geräumt für den Fall, dass er vor Ab­lauf der fünf Jah­re von der GmbH gekündigt wird oder er dass nach Ab­lauf der fünf Jah­re nicht er­neut zum Geschäftsführer be­stellt wird, sind die In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers da­mit an­ge­mes­sen berück­sich­tigt. Der Ar­beit­ge­ber ist nicht ver­pflich­tet, ein länge­res Rück­kehr­recht zu­zu­ge­ste­hen.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2021

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