- -> zur Mobil-Ansicht
- Arbeitsrecht aktuell
- Tipps und Tricks
- Handbuch Arbeitsrecht
- Gesetze zum Arbeitsrecht
- Urteile zum Arbeitsrecht
- Urteile 2023
- Urteile 2021
- Urteile 2020
- Urteile 2019
- Urteile 2018
- Urteile 2017
- Urteile 2016
- Urteile 2015
- Urteile 2014
- Urteile 2013
- Urteile 2012
- Urteile 2011
- Urteile 2010
- Urteile 2009
- Urteile 2008
- Urteile 2007
- Urteile 2006
- Urteile 2005
- Urteile 2004
- Urteile 2003
- Urteile 2002
- Urteile 2001
- Urteile 2000
- Urteile 1999
- Urteile 1998
- Urteile 1997
- Urteile 1996
- Urteile 1995
- Urteile 1994
- Urteile 1993
- Urteile 1992
- Urteile 1991
- Urteile bis 1990
- Arbeitsrecht Muster
- Videos
- Impressum-Generator
- Webinare zum Arbeitsrecht
-
Kanzlei Berlin
030 - 26 39 62 0
berlin@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Frankfurt
069 - 71 03 30 04
frankfurt@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hamburg
040 - 69 20 68 04
hamburg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hannover
0511 - 89 97 701
hannover@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Köln
0221 - 70 90 718
koeln@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei München
089 - 21 56 88 63
muenchen@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Nürnberg
0911 - 95 33 207
nuernberg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Stuttgart
0711 - 47 09 710
stuttgart@hensche.de
AnfahrtDetails
VG München, Beschluss vom 01.06.2006, M 3 K 05.1595
Schlagworte: | Hinterbliebenenrente, Berufsständische Pflichtversorgung | |
Gericht: | Verwaltungsgericht München | |
Aktenzeichen: | M 3 K 05.1595 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 01.06.2006 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
M 3 K 05.1595
Bayerisches Verwaltungsgericht München
3. Kammer
Bayerstraße 30
D - 80335 München
Bundesrepublik Deutschland
München, 1. Juni 2005
Per Einschreiben
An den
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
- Kanzlei -
L-2925 Luxemburg
An t r a g auf V o r a b e n t s c h e i d u n g / Beschluss
- 2 -
In der Verwaltungsstreitsache Az: M 3 K 05.1595
*** ,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ***,
gegen
die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen,
vertreten durch:
Bayerische Versorgungskammer,
Arabellastraße 31, D - 81925 München,
- Beklagte -
wegen
Versorgung Bühnen
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 3. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht *** *****, den Richter am Verwaltungsgericht *****,
den Richter ***,
ohne mündliche Verhandlung
am 1. Juni 2006
folgenden
- 3 -
Beschluss:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts folgende Fragen zur Vorabentscheidung gem. Art. 234 EGV vorgelegt:
1. Handelt es sich bei einem berufsständischen Pflichtversorgungssystem - wie im vorliegenden Fall die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen - um ein den staatlichen Systemen gleichgestelltes System im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Abl L 303 vom 2.12.2000 S. 16)?
2. Sind unter Arbeitsentgelt im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 2000/78/EG Leistungen an Hinterbliebene in Form von Witwen- beziehungsweise Witwergeld einer berufsständischen Pflichtversorgungseinrichtung zu verstehen?
3. Stehen Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG Satzungsbestimmungen eines Zusatzversorgungssystems der hier vorliegenden Art entgegen, nach denen ein eingetragener Lebenspartner nach Versterben seines Lebenspartners keine Hinterbliebenenversorgung entsprechend Eheleuten enthält, obwohl er ebenfalls in einer formal auf Lebenszeit begründeten Fürsorge- und Einstandsgemeinschaft wie Eheleute lebt?
4. Falls die vorstehenden Fragen bejaht werden: Ist eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung aufgrund der Begründungserwägung 22 der Richtlinie 2000/78/EG zulässig?
5. Wäre die Hinterbliebenenversorgung aufgrund der Barber-Rechtsprechung (Rechtssache C-262/88) auf Zeiten ab dem 17. Mai 1990 begrenzt?
- 4 -
Gründe:
I.
1. Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger begehrt Witwergeld als Hinterbliebenenversorgung aus der Versicherung seines verstorbenen eingetragenen Lebenspartners.
Am ** November 2001 begründete der Kläger mit dem am *** geborenen Kostümbildner eine Lebenspartnerschaft gem. § 1 des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG) vom 16. Februar 2001 (BGBl I S. 266), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Februar 2005 (BGBl I S. 203).
Der Lebenspartner des Klägers war seit *. September 1959 als Kostümbildner bei der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen versichert. Für Zeiträume, in denen er nicht pflichtversichert war, zahlte er freiwillig Weiterversicherungsbeiträge, so beispielsweise für den Zeitraum vom *. September 1975 bis **. September 1991. Am **. Januar 2005 verstarb der Lebenspartner des Klägers.
Der Kläger stellte mit Schreiben vom 17. Februar 2005 einen Antrag auf Witwerrente aus der Versicherung seines verstorbenen Lebenspartners. Diesen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom **. Februar 2005 mit der Begründung ab, dass die Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung für eingetragene Lebenspartner nicht vorsehe.
- 5 -
Hiergegen erhob der Kläger am 10. März 2005 Widerspruch bei der Beklagten und reichte, nach dem dieser erfolglos blieb, bei dem vorlegenden Gericht Klage ein.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Ablehnung der Hinterbliebenenversorgung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen würde, da der bundesdeutsche Gesetzgeber seit 1. Januar 2005 eine Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften und der Ehe im Sozialversicherungssystem - insbesondere mit der Einführung des § 46 Abs. 4 Sozialgesetzbuch VI - vollzogen habe. Diese Gleichstellung würde sich auch aus Art. 141 EGV sowie die im Zusammenhang ergangene Richtlinie 2000/78/EG ergeben. Es würde eine unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung der eingetragenen Lebenspartner darstellen, wenn ihnen nach Versterben ihres Lebenspartners keine Hinterbliebenenversorgung entsprechend Eheleuten gewährt würde. Eingetragene Lebenspartner würden in der mit Ehegatten vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfahren, obwohl die Lebenspartner wie Eheleute einander zur Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinschaftlichen Lebensgestaltung verpflichtet seien und Verantwortung füreinander tragen würden. Zudem entsprächen die güterstandsrechtlichen Regelungen der eingetragenen Lebenspartnern denen von Ehegatten.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen mit der Begründung entgegen, sie sei vom Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG nicht erfasst, weil sie ein „staatliches System der sozialen Sicherheit“ im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl L 149 vom 5.7.1971 S. 2), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. März 2004 (ABl L 100 vom 6.4.2004 S. 1) sei. Dass diese Einordnung trotz der inhaltlichen Nähe zur betrieblichen Altersversorgung richtig sei, sei vom aufsichtsführenden Bundesministerium bestätigt worden. Die Versorgung bei der Beklagten falle unter die Ausnahmebestimmung des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG. Des weiteren dürfte diese Richtlinie aufgrund der Begründungserwägung 22 auf die streitgegenständliche
- 6 -
Hinterbliebenenversorgung bei der Beklagten nicht anwendbar sein, da diese Begründungserwägung wesentlicher Bestandteil der Richtlinie und als solche mitentscheidend für ihre Auslegung sei. Voraussetzung für eine Witwen- oder Witwerrente von der Beklagten sei das Vorliegen einer „bürgerlichen Ehe“. Es handle sich deshalb um eine Rechtsvorschrift über den Familienstand beziehungsweise um eine davon abhängige Leistung. Die Begründungserwägung dürfte in engem Zusammenhang mit der Tatsache zu sehen sein, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Verschiedenbehandlung von Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern nach wie vor keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung darstelle.
2. Rechtlicher Rahmen
Die Beklagte - die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen - ist eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in München, die von der Bayerischen Versorgungskammer - einer Behörde des Freistaates Bayern - verwaltet und vertreten wird. Sie ist eine berufsständische Pflichtversorgungseinrichtung. Sie hat die Aufgabe, den an deutschen Theatern abhängig beschäftigten Bühnenangehörigen eine zusätzliche Alters-, Berufsunfähigkeit- und Hinterbliebenenversorgung im Wege der Versicherung zu gewähren. Der Tätigkeitsbereich erstreckt sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
2.1 Die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Pflichtversicherung in der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen ist die Tarifordnung für die deutschen Theater mit folgenden Wortlaut:
Tarifordnung für die deutschen Theater vom 27. Oktober 1937 (Reichsarbeitsblatt 1937 Teil VI S. 1080) - im folgenden: Tarifordnung -
„§ 1 Geltungsbereich
(1) Jeder Rechtsträger eines Theaters (Theaterunternehmer) im Deutschen Reich ist verpflichtet, für die in seinem Theaterbetrieb beschäftigten Bühnenschaffenden eine Alters- und Hinterbliebenenversicherung nach
- 7 -
Maßgabe der folgenden Bestimmungen abzuschließen und die erfolgte Versicherung jedem einzelnen Bühnenschaffenden schriftlich mitzuteilen.
(2) Die Versicherungsanstalt und die Versicherungsbedingungen (Satzung) bestimmt der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda im Einvernehmen mit den beteiligten Reichsministern. Er bestimmt auch den Zeitpunkt, von dem an die Versicherung auf Grund dieser Tarifornung zu erfolgen hat.
(3) Bühnenschaffende im Sinne dieser Tarifordnung sind kulturschaffen-de Personen, die nach dem Reichskulturkammergesetz und seinen Durchführungsverordnungen zur Mitgliedschaft bei der Reichstheaterkammer (Fachschaft Bühne) verpflichtet sind, insbesondere: Bühnenleiter, Einzeldarsteller, Kapellmeister, Spielleiter, Dramaturgen, Singchordirektoren, Repetitoren, Inspizienten, Einhelfer und Personen in ähnlicher Stellung, technische Vorstände (wie Vorstände des Maschinenwesens, des Dekorations- und Kostümwesens und Personen in ähnlicher Stellung, soweit sie dem Betrieb verantwortlich vorstehen), ferner künstlerische Beiräte, Mitglieder des Chors und der Tanzgruppe und Theaterfriseure.
§ 2 Mehrere Vertragsverhältnisse
Ist der Bühnenschaffende auf Grund eines mit einem anderen Theaterunternehmer abgeschlossenen Anstellungsvertrages bereits nach § 1 versichert, so besteht eine Versicherungspflicht aus weiteren Anstellungsverhältnissen nur insoweit, als die bereits bestehende Versicherung das in den Versicherungsbedingungen vorgesehene versicherungspflichtige Höchstgehalt nicht erreicht.§ 3 Ausnahmen der Versicherungspflicht
Der vom Reichs- und Preußischen Arbeitsminister bezeichnete Sondertreuhänder der Arbeit kann nach Anhören des Präsidenten der Reichstheaterkammer Ausnahmen von der Verpflichtung zur Versicherung durch schriftliche Anordnung zulassen.§ 4 Anteilige Beitragspflicht
Die Versicherungsbeiträge werden je zur Hälfte vom Theaterunternehmer und vom Bühnenschaffenden getragen. Der Theaterunternehmer ist verpflichtet, die Versicherungsbeiträge an die Versicherungsanstalt ab-zuführen.§ 5 Inkrafttreten ...“
- 8 -
Die als Bundesrecht fortgeltende Tarifordnung bildet die Grundlage und den Rahmen der Aufgabe und Tätigkeit der Beklagten und enthält die Grundentscheidung für das Versorgungswerk. Mit Erlass vom 3. März 1938 wurden als Versicherungsanstalt im Sinne von § 1 Abs. 2 Tarifordnung die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen in München und als Versicherungsbedingungen die Satzung dieser Anstalt vom 25. Februar 1938 bestimmt (Bekanntmachung des Präsidenten der Bayerischen Versicherungskammer vom 3. März 1938, Deutscher Reichsanzeiger Nr. 70 vom 24. März 1938).
2.2 Die Angelegenheiten der Beklagten, insbesondere Einzelheiten der rechtlichen Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse, werden durch die Satzung der Beklagten geregelt. Maßgeblich für den vorliegenden Rechtsstreit ist die Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen vom 12. Dezember 1991 (Bundesanzeiger S. 8326 und 1992 S. 546), zuletzt geändert durch Satzung vom 29. Dezember 2004 (Bundesanzeiger 2005 S. 1172) - im folgenden: Satzung.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Satzung für die Hinterbliebenenversorgung lauten:
„§ 27 Arten der Versorgung und allgemeine Voraussetzungen
(1) Versorgungsfälle sind der Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, die vorzeitige Inanspruchnahme des Altersruhegeldes, das Erreichen der Regelaltersgrenze und der Tod.
(2) Die Anstalt leistet auf Antrag ... als Hinterbliebenenversorgung ... Witwengeld (§§ 32 und 33), Witwergeld (§ 34) ..., wenn der Versicherte unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalles pflichtversichert, freiwillig versichert oder weiterversichert war und wenn die Wartezeit erfüllt ist....
§ 32 Witwengeld
(1) Anspruch auf Witwengeld hat die Ehefrau eines Versicherten oder Ruhegehaltsempfängers, wenn die Ehe bis zu seinem Tod bestanden hat. ...
§ 34 Witwergeld
(1) Anspruch auf Witwergeld hat der Ehemann einer Versicherten oder Ruhegeldempfängerin, wenn die Ehe bis zu ihrem Tod bestanden hat. ...“
- 9 -
II.
1. Das Bayerische Verwaltungsgericht München setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 94 VwGO aus und ruft gemäß Art. 234 EGV den Europäischen Gerichtshof mit der Bitte um Vorabentscheidung der im Beschlusstenor gestellten Fragen an. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch lässt sich den Vorschriften des nationalen Rechts nicht entnehmen. Er hängt von der Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl L 303 vom 2.12.2000 S. 16) ab.
2. Da gegen die Entscheidungen des vorlegenden Verwaltungsgerichts ein Rechtsmittel zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof statthaft ist, ist das vorlegende Gericht ein nichtletztinstanzlich entscheidendes Gericht und macht von seinem Recht auf Vorlage gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV Gebrauch.
3. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Die Klage des Klägers hätte voraussichtlich Erfolg, wenn der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG auf den streitgegenständlichen Sachverhalt eröffnet wäre, die Verweigerung der Hinterbliebenenversorgung des Lebenspartners eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung im Sinne von Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG darstellte und diese Diskriminierung aufgrund der Begründungserwägung 22 nicht zulässig wäre.
Andernfalls wäre die Klage abzuweisen. Nach den - insoweit eindeutigen - Satzungsbestimmungen steht dem Kläger schon deshalb kein Anspruch auf Witwerrente im Sinne des § 32 Abs. 1 und des § 34 Abs. 1 Satzung zu, weil zwischen dem Kläger und dem verstorbenen Versicherten keine Ehe bestand, sondern eine Lebenspart-
- 10 -
nerschaft. Eine „erweiternde Auslegung“ der Begriffe „Witwer“, „Witwe“ bzw. „Ehemann“ und „Ehefrau“, die auch eingetragene Lebenspartner erfassen würde, ist u.a. schon deshalb von vorneherein unmöglich, weil das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft sich ausschließlich „an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können“ (so BVerfGE 105, 313/34/). Die Rechtsbegriffe „Ehegatte“ und „Lebenspartner“ schließen sich aus. Für eine „Auslegung“ oder Analogie ist hier kein Raum. Die Satzungsregelungen der Beklagten wären zudem mit höherrangigem Recht vereinbar. Aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz folgt nicht, dass ein entsprechender Anspruch auf Hinterbliebenenrente auch einem Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft zusteht (BVerwG Beschluss vom 29.2.2000 Az. 1 B 82/99 NJW 2000, 2038). Es bliebe dem autonomen Satzungsgeber überlassen, unter welchen weiteren Voraussetzungen und in welchem Umfang Versorgungsleistungen zu gewähren sind, insbesondere, ob auch Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft Hinterbliebenenansprüche zustehen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Grundgesetz gebietet es nicht, dass Versicherungs-, Zusatzversicherungs- und Versorgungseinrichtungen unterschiedlicher Träger und mit unter-schiedlicher Zielsetzung die Voraussetzungen für Versorgungsleistungen einheitlich normieren (BayVGH vom 29.7.2005 Az. 9 ZB 05.737 JURIS-DokNr. BY-RE051005771).
4. Nach Auffassung der Kammer ist es jedoch möglich, dass die Satzungsregelung der Beklagten mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar und die Beklagte danach verpflichtet ist, eine Hinterbliebenenversorgung eingetragenen Lebenspartnern in Form von Witwen- beziehungsweise Witwergeld zu gewähren, weil ansonsten eine unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung in Bezug auf das Arbeitsentgelt vorläge, die es nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht geben darf.
4.1 Fraglich erscheint, ob die Richtlinie 2000/78/EG für die Beklagte gemäß Art. 3
- 11 -
men gleichgestelltes System der sozialen Sicherheit sein könnte. Für die Auslegung von Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2000/78/EG, insbesondere der Begrifflichkeiten Sozial-versicherungs- und Sozialschutzsysteme, kann die Begründungserwägung 13 der Richtlinie 2000/78/EG herangezogen werden, weil sie ein wesentlicher Bestandteil der Richtlinie und als solcher mitentscheidend für ihre Auslegung ist (EuGH Urteil vom 23.2.1998 Rs. 131/86 - Slg. 1988, I - 905 Rn. 37). Die Begründungserwägung 13 besagt, dass die Richtlinie weder Anwendung auf die Sozialversicherungs-und Sozialschutzsysteme findet, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Art. 141 des EG-Vertrags gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG erfasst wird, ist, ob die Leistungen der Beklagten an Hinterbliebene in Form von Witwen- beziehungsweise Wit¬wergeld Arbeitsentgelt im Sinne des Art. 141 EGV sind.
Ob die Hinterbliebenenversorgung der Beklagten unter den Entgeltbegriff im Sinne des Art. 141 EGV fällt, ist auch unter Heranziehung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH fraglich, da die Leistungen der Beklagten einerseits Merkmale eines gesetzlichen Altersvorsorgesystems aufweisen, andererseits auch wesentliche Kriterien eines betrieblichen Zusatzrentensystems erfüllen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie als Pflichtversicherungssystem auf gesetzlicher Grundlage ein „staatliches System der sozialen Sicherheit“ im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sei. Hiergegen bestehen seitens des vorlegenden Gerichts Bedenken, da die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 selbst keine Definition eines staatlichen Systems oder der damit gleich-
- 12 -
gestellten Systeme enthält und bereits fraglich ist, ob eine solche Definition für die Auslegung des Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2000/78/EG verbindlich wäre.
Vielmehr ist die Frage, ob die Beklagte unter Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2000/78/EG fällt, anhand des Schwerpunkts der Leistungserbringung der Beklagten und ihrer Organisation zu entscheiden. Auf die vom EuGH entwickelten Grundsätze zum Entgeltbegriff des Art. 141 EGV ist hierbei zurückzugreifen. Dieses Ergebnis wird durch die Begründungserwägung 13 der Richtlinie 2000/78/EG gestützt. Hiernach ergibt sich folgendes nicht eindeutige Bild:
4.1.1 Für ein den staatlichen Systemen der sozialen Sicherheit gleichgestelltes System spricht die auf gesetzlicher Grundlage bestehende Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten. Die Tarifordnung regelt in § 1 die Verpflichtung zur Mitgliedschaft und in § 4 wird die anteilige Beitragspflicht geregelt. Die Versorgung bei der Beklagten ist als öffentlich-rechtliche Pflichtversorgung organisiert, d.h. die Versicherungsverhältnisse entstehen von Gesetzes wegen bei Aufnahme der Tätigkeit. Pflichtversichert bei der Beklagten ist jeder unter die Tarifordnung fallende Bühnenangehörige - unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit -, der in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei einem Theaterunternehmer tätig ist, somit alle abhängig beschäftigten Bühnenangehörigen, die gegen Entgelt eine künstlerische oder überwiegend künstlerische Tätigkeit ausüben. Die Pflichtversicherung tritt frühestens ab Vollendung des 17. Lebensjahres ein und ist nur solange möglich, wie unter Berücksichtigung bereits zurückgelegter Beitragsmonate bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres 60 Beitragsmonate erreicht werden können. Die Pflichtversicherung beginnt mit dem Beschäftigungsverhältnis. Sie endet, wenn der Bühnenangehörige aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheidet oder wenn er trotz Fortdauer desselben keine Dienst- oder Krankenbezüge mehr erhält (§ 17 Abs. 1 und 2 Satzung). Das Versicherungsverhältnis wird dann als beitragsfreie Versicherung fortgeführt, wenn sich der Bühnenangehörige nicht freiwillig weiterversichert. Das Versicherungsverhältnis en
- 13 -
det erst mit dem Bezug von Leistungen oder wenn die Versicherung zu einer anderen Versorgungseinrichtung übergeleitet wird.
Weiterhin bestehen keinerlei vertragliche Vereinbarungen in den Theaterunternehmen; die Leistungen der Beklagten stehen allen abhängig beschäftigen Bühnenangehörigen zur Verfügung. Insofern würden Leistungen aus einem gesetzlichen Altersversorgungssystem vorliegen, die nicht vom Diskriminierungsverbot des Art. 141 EGV erfasst sind, wie der EuGH in seinem Urteil vom 25. Mai 1971 in der Rechtssache 80/70 - Defrenne I - Slg. 1971, 445 entschieden hat. Allerdings ist fraglich, ob das weitere Kriterium, dass die Leistung Ausdruck eines sozialpolitischen Bedürfnisses ist und weniger vom Dienstverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abhängt, im streitgegenständlichen Fall gegeben ist (EuGH Urteil vom 25.5.1971 Rs. 80/70 - Defrenne I - Slg. 1971, 445, Rdnrn. 7 und 8; EuGH Urteil vom 17.5.1990 Rs. 262/88 - Barber - Slg. 1990 I 1889 Rdnrn. 22 ff.). Die Organisation und insbesondere die Satzungsautonomie der Beklagten sprechen eher für ein betriebliches Sys¬tem, das dem sog. „contracted-out-System“ vergleichbar ist, welches dem EuGH-Urteil vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache 262/88 - Barber - Slg. 1990 I 1889 zugrunde lag. Ebenso hat die Beklagte als berufliche Zusatzversorgung die Aufgabe, ihren Versicherten eine zusätzliche Leistung zu gewähren, wie dies im Rahmen der allgemeinen staatlichen Sozialversicherungssysteme vorgesehen ist (EuGH Urteil vom 13.5.1986 - Rs. 170/84 - BILKA-Kaufhaus/Weber von Hartz - Slg. 1986, 1607).
4.1.2 Für ein betriebliches System sprechen insbesondere folgende Elemente:
Der Bühnenangehörige hat die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung, sofern er nicht ununterbrochen bei einem Theaterunternehmer der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen beschäftigt und damit auch nicht kontinuierlich durch einen Theaterunternehmer versichert ist. Durch die Möglichkeit der Weiterversicherung zu einem Mindestbeitrag (§ 19 Satzung) kann er Nachteile durch einen unterbrochenen Pflicht-versicherungsverlauf vermeiden. Zudem kann ein Weiterversicherter freiwillig Zu-
- 14 -
satzbeiträge bis zum Jahreshöchstbeitrag in seine Versicherung einzahlen (§ 23b Abs. 2 Satzung).
Die Beklagte finanziert ihre Leistungen aus den Beiträgen der Versicherten und den Erträgen der Vermögensanlagen. Sie erhält keine staatlichen Zuschüsse. Die Leistungen der Beklagten werden im sog. Kapitaldeckungsverfahren finanziert. Beim Kapitaldeckungsverfahren spart jeder Versicherungsnehmer die später fälligen Leistungen durch Bildung eines Kapitalstocks auf dem Kapitalmarkt durch den Versicherungsträger an. Nach der Phase der Kapitalansammlung während des Erwerbslebens folgt die Kapitalauflösung durch Verbrauch des Kapitalstocks und dessen Erträge (Zinsen und Zinseszinsen). Die Leistungen der Beklagten werden nicht im Umlageverfahren - wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung - finanziert, indem die Ausgaben eines bestimmten Kalenderjahres für die Altersversorgung durch die Einnahmen desselben Kalenderjahres gedeckt werden.
Die Beiträge haben jeweils zur Hälfte der Theaterunternehmer (Arbeitgeberanteil) und der Versicherte (Arbeitnehmeranteil) zu tragen. Sie belaufen sich derzeit auf 9 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens, wenn gleichzeitig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt werden, ansonsten auf 16 Prozent bei gleichzeitiger Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Beklagte regelt ihre Angelegenheiten in autonomer Selbstverwaltung, d.h. die rechtliche Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses erfolgt nicht durch den Bundesgesetzgeber, sondern ausschließlich durch den Verwaltungsrat der Beklagten. Der Verwaltungsrat ist das Normsetzungs- und Kontrollorgan, das insbesondere über die Satzung und die Richtlinien der Versorgungspolitik beschließt (§ 7 Satzung). Der Verwaltungsrat besteht aus 30 Mitgliedern. Er setzt sich paritätisch zusammen aus je 15 Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Benannt werden die Mitglieder und ihre Stellvertreter vom Deutschen Bühnenverein (Theaterverband, der die Stadt-und Staatstheater einschließlich aller Opernhäuser, die Landesbühnen, zahlreiche
- 15 -
Privattheater und die Kulturorchester vereinigt; 15 Mitglieder) sowie von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (gewerkschaftliche Organisation der Bühnenangehörigen; 10 Mitglieder), der ver.di Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (3 Mitglieder) und der Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (2 Mitglieder). Neben dem Verwaltungsrat fungiert die Bayerische Versorgungskammer als gemeinsames Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Beklagten. Die Bayerische Versorgungskammer ist eine dem Bayerischen Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnete staatliche Oberbehörde, die von einem Vorstand geleitet wird.
Die Beklagte unterliegt der Rechts- und Versicherungsaufsicht durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, wobei die Rechtsaufsicht vom Bayerischen Staatsministerium des Innern und die Versicherungsaufsicht vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie für den Bund ausgeübt wird (§ 1 Gesetz über die Beaufsichtigung der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen und der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester vom 17. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I S. 2866), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. März 2002 (Bundesgesetzblatt I S. 1219). Maßgebliche Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes, das für Versicherungsunternehmen gilt, die nicht Träger der Sozialversicherung sind, gelten entsprechend (§ 1 Satz 2 Gesetz über die Beaufsichtigung der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen).
In Anbetracht der Organisationsstruktur und des maßgeblichen Einflusses der Theaterunternehmer und der Versicherten im Rahmen der Satzungsautonomie neigt die Kammer dazu, dass die Beklagte kein den staatlichen Systemen der sozialen Sicherheit gleichgestelltes System im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG ist. Zudem hat die Beklagte im Schriftsatz vom 20. Oktober 2005 (Blatt 52 der Gerichtsakte) selbst ausgeführt, dass es sich bei ihr um eine öffentlich-rechtliche Zusatzversorgungseinrichtung, d.h. einen Bestandteil der zweiten Säule der Altersversorgung handelt. Die Altersvorsorgesysteme können in Deutschland in drei verschie-
- 16 -
dene Säulen eingeordnet werden. Die erste Säule erfasst die Altersvorsorge für abhängig Beschäftigte und einen großen Teil der Selbständigen der gesetzlichen Rentenversicherung, die als öffentlich-rechtliche, spezifische Regelversicherung ausgestaltet ist. Die zweite Säule erfasst insbesondere die betriebliche Altersvorsorge, wobei die dritte Säule schließlich die eigenverantwortliche private Vorsorge erfasst (Preis in: Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, Köln 2005, § 41 Abschnitt II). Insofern könnte die Beklagte als öffentlich-rechtliche Zusatzversorgungseinrichtung der betrieblichen Altersvorsorgung zugerechnet werden und damit wären ihre Leistungen Arbeitsentgelt im Sinne von Art. 141 EGV (siehe hierzu EuGH Urteil vom 13.5.1986 Rs. 170/84 - BILKA-Kaufhaus/Weber von Hartz - Slg. 1986, 1607, wonach Leistungen, die von einem ergänzenden Versorgungssystem gewährt werden, unter den Begriff des Entgelts im Sinne von Art. 119 EWG (entspricht Art. 141 EGV) fallen). Die Situation ist vergleichbar mit der zum französischen Zusatzrentensystem in der Rechtssache C-50/99 (EuGH Urteil vom 25.5.2000 - Podesta/CRICA - Slg. 2000 I 4039) ergangenen Entscheidung, wonach Art. 119 EG-Vertrag (entspricht Art. 141 EGV) auf ein überbetriebliches, auf Verteilung beruhendes Zusatzrentensystem mit feststehenden Beträgen anwendbar ist, wenn dieses System die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit ergänzt oder an ihre Stelle tritt, und wenn die Rente dem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber gezahlt wird; unabhängig davon, ob der Beitritt zu diesem System Pflicht ist oder nicht.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kommt es nicht darauf an, dass das Rentensystem durch den Gesetzgeber eingeführt wurde. Maßgeblich ist, dass es nur eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern betrifft und ob die von ihm gezahlten Renten unmittelbar von der zurückgelegten Beschäftigungszeit und vom letzten Entgelt abhängen, so dass die Rente aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses mit dieser Einrichtung gezahlt werden kann. Parallelen hinsichtlich der gesetzlich geregelten Hinterbliebenenversorgung für Angestellte eines öffentlichen Elektrizitätsunternehmes in Griechenland (EuGH Urteil vom 17.4.1997 Rs. C-147/95
- 17 -
- DEI/Evrenopoulos - Slg. 1997 I 2057, 2081) sind durchaus erkennbar, weil bei der Beklagten alle abhängig beschäftigten Bühnenangehörigen der Pflichtversicherung unterliegen und sich die Hinterbliebenenversorgung nach den bei der Beklagten zu-rückgelegten Beitragszeiten und der Höhe der eingezahlten Beiträge bemisst (§ 32 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 5 Satzung).
4.2 Sofern sich die Beklagte nicht auf Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG berufen kann, weil sie kein den staatlichen Systemen sozialer Sicherheit gleichgestelltes System ist, ist fraglich, ob somit gleichzeitig feststeht, dass die als Witwen- oder Witwerrente gewährte Leistung an Hinterbliebene als Arbeitsentgelt im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 2000/78/EG anzusehen ist. Die Frage, ob ein den staatlichen Systemen sozialer Sicherheit gleichgestelltes System vorliegt oder nicht, wird maßgeblich durch die Auslegung des Begriffs „Entgelt“ im Sinne des Art. 141 des EG-Vertrags bestimmt (vgl. Begründungserwägung 13). Insofern liegt es nahe, den Begriff des Arbeitsentgelts in Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c Richtlinie 2000/78/EG im Sinne des Art. 141 EGV auszulegen. Hierfür spricht auch die Zwecksetzung der Richtlinie, die auf die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf abzielt. Sie will Ungleichbehandlungen auf Grund verschiedener Kriterien bekämpfen, wobei der Sachbereich auf das Gebiet der Beschäftigung und des Berufslebens beschränkt ist. Zudem ist die Richtlinie 2000/78/EG auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gestützt, wobei sie insbesondere Artikel 13 hervorhebt, der einen umfassenderen Ansatz bezüglich der Bekämpfung von Diskriminierungen verfolgt als dies bei dem speziellen Ansatz des Art. 141 EGV der Fall ist. Grundsätzlich wird die Hinterbliebenenversorgung vom Entgeltbegriff des Art. 141 EGV erfasst (vgl. EuGH Urteil vom 7.1.2004 Rs. C-117/01 - K.B./National Health Service Pension Agency - Slg. 2004 I 541; EuGH Urteil vom 9.10.2001 Rs. C-379/99 - Menauer - Slg. 2001 I 7275; EuGH Urteil vom 6.10.1993 Rs. C-109/91 - Ten Oever - Slg. 1993 I 4879). Dieser Auslegung steht, wie der Europäische Gerichtshof bereits in der Rechtssache C-109/91 (EuGH Urteil vom 6.10.1993 Rs. C-109/91 a.a.O.) urteilte, nicht entgegen, dass die Hinterbliebenenversorgung ih-
- 18 -
rem Begriff gemäß nicht dem Arbeitnehmer, sondern seinem Hinterbliebenen gezahlt wird, denn der Anspruch auf eine solche Leistung ist auf eine Vergütung gerichtet, die ihren Ursprung in der Zugehörigkeit des Ehegatten des Hinterbliebenen zu dem Rentensystem hat, so dass der Hinterbliebene den Rentenanspruch im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zwischen seinem Ehegatten und dessen Arbeitgeber erwirbt und ihm die Rente aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses seines Ehegatten gezahlt wird. Somit liegt es nahe, im streitgegenständlichen Fall die vom Kläger angestrebte Hinterbliebenenversorgung grundsätzlich als Arbeitsentgelt im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 2000/78/EG anzusehen. Für die Begriffsbestimmung des Arbeitsentgelts kann es nach Auffassung des vorlegenden Gerichts dabei nicht darauf ankommen, dass der Anspruchsteller der Hinterbliebenenversorgung kein Ehegatte - wie in der Entscheidung in der Rechtssache C-109/91 - ist, sondern ein eingetragener Lebenspartner. Die Sachverhalte sind vergleichbar, weil entsprechend der Situation in der Rechtssache C-109/91 - damals begehrte der Anspruchsteller als Ehegatte eine Witwerrente obwohl die Rentenbestimmungen eine Hinterbliebenenversorgung nur für Witwen vorsahen - der Kläger die Gewährung einer Witwerrente begehrt, die von der Beklagten mit der Begründung verweigert wird, dass eine solche Rente nach den Bestimmungen der Beklagten nicht vorgesehen sei. Es bleiben jedoch Zweifel, ob die Leistungen der Hinterbliebenenversorgung einer berufsständischen Pflichtversorgungseinrichtung Arbeitsentgelt im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG sind. Der oben aufgezeigte Zusammenhang zwischen der Bestimmung von Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2000/78/EG und dem Begriff des Arbeitsentgelts in Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c Richtlinie 2000/78/EG ist nicht zwingend, insbesondere deswegen nicht, weil die Begründungserwägung 13 auf die Abgrenzung zu den Sozialversicherungs- und Sozialschutzsystemen und somit auf Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2000/78/EG abzielt. Im Gegensatz zu der Entscheidung in der Rechtssache C-109/91, der ein betriebliches Rentensystem zugrunde lag, stehen vorliegend Leistungen einer zusätzlichen öffentlich-rechtlichen Pflichtversorgung in Frage.
- 19 -
4.3 Sofern der Geltungsbereich durch die Fragen 1 und 2 bejaht wird, bleiben trotzdem Zweifel, ob Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG Satzungsbestimmungen eines Zusatzversorgungssystems der hier vor-liegenden Art entgegenstehen, nach denen ein eingetragener Lebenspartner nach Versterben seines Lebenspartners keine Hinterbliebenenversorgung entsprechend Eheleuten erhält, obwohl er ebenfalls in einer formal auf Lebenszeit begründeten Fürsorge- und Einstandsgemeinschaft wie Eheleute lebt.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Verschiedenbehandlung von Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern nach wie vor keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung darstelle (siehe EuGH Urteil vom 7.1.2004 Rs. C-117/01¬- K.B./National Health Service Pension Agency - Slg. 2004 I 541 sowie EuGH Urteil vom 31.5.2001 Rs. C-122/99 - D und Schweden/Rat - Slg. 2001 I 4319). Damit sei die Richtlinie 2000/78/EG insoweit nicht einschlägig.
Hiergegen bestehen Zweifel. Im Mittelpunkt der Entscheidung in der Rechtssache C-122/99 des Europäischen Gerichtshofs (EuGH Urteil vom 31.5.2001 - D und Schweden/Rat - a.a.O.) stand die Auslegung des Beamtenstatuts und somit Rechtsvorschriften, die sich auf die Organe der Europäischen Gemeinschaft beziehen. Im Unterschied zur Rechtssache C-122/99 steht im streitgegenständlichen Verfahren die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG im Mittelpunkt. Sie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet, die in Art. 16 verpflichtet werden, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleic-behandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufgehoben werden (Art. 16 Buchstabe a) und dass die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Arbeits- und Tarifverträgen, Betriebsordnungen und Statuten der freien Berufe und der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen für nichtig erklärt werden oder erklärt werden können oder geändert werden. Insofern hat der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Richtlinie 2000/78/EG Rechtsvorschriften erlassen, die die Be-
- 20 -
kämpfung der Diskriminierung unter anderem wegen der sexuellen Ausrichtung bezwecken.
Sofern der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG eröffnet und eine nicht zulässige Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung gegeben ist, kann sich der Kläger nach Auffassung des vorlegenden Gerichts auf die Bestimmungen der Richtlnie 2000/78/EG berufen, weil die Bestimmungen der Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen und die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie nicht fristgemäß in nationales Recht umgesetzt hat. Die Richtlinie 2000/78/EG ordnet in Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c in Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 an, dass alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, beim Arbeitsentgelt nicht wegen sexueller Ausrichtung benachteiligt werden dürfen. Die Richtlinie 2000/78/EG war gemäß ihrem Art. 18 bis zum 2. Dezember 2003 in das Recht der Mitgliedstaaten und damit der Bundesrepublik Deutschland umzusetzen. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 23. Februar 2006 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Bundesrepublik Deutschland - Rechtssache C-43/05) für Recht erkannt, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/78/EG verletzt hat, indem sie nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die notwendig sind, um dieser Richtlinie in Bezug auf die Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung sowie der sexuellen Ausrichtung nachzukommen.
Des weiteren hat sich der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-122/99 (EuGH Urteil vom 31.5.2001 - D und Schweden/Rat - a.a.O.) nicht mit der Thematik auseinandergesetzt, dass Homosexuelle aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung miteinander keine Ehe eingehen können. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Juli 2002 festgestellt, dass sich das Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können (BVerfG Urteil vom 17.7.2002 Az. 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01 Leitsatz 3 BVerfGE 105, 313). Insofern zeigt sich ein vergleichbarer Sach-
- 21 -
verhalt zur Rechtssache C-117/01, in der der Europäische Gerichtshof eine Ungleichbehandlung nicht auf die Zuerkennung einer Witwerrente bezog, sondern auf eine für deren Gewährung notwendige Voraussetzung, nämlich die Fähigkeit, miteinander die Ehe einzugehen.
Im Gegensatz zu heterosexuellen Paaren, die heiraten und gegebenenfalls in den Genuss einer Hinterbliebenenrente kommen können, die Bestandteil des Entgelts eines der Partner ist, konnte der Versicherte mit dem Kläger wegen ihrer sexuellen Ausrichtung unter keinen Umständen die Voraussetzungen der Ehe erfüllen, wie sie vom Versorgungssystem der Beklagten für die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung vorgesehen ist. Aus diesen Blickwinkel betrachtet, könnten Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG Satzungsbestimmungen der Beklagten entgegenstehen, die eingetragenen Lebenspartnern eine Hinterbliebenenversorgung deshalb verwehren, weil sie die Fähigkeit, miteinander eine Ehe eingehen zu können, voraussetzen. Der Kläger ist in einer mit einem Witwer vergleichbaren Situation, wobei er aufgrund der fehlenden Voraussetzung Ehe von den Leistungen der Beklagten ausgeschlossen wird. Die vergleichbare Situation ist nach dem bundesdeutschen Recht gegeben, weil seit dem 1. Januar 2005 die eingetragene Lebenspartnerschaft weitgehend an die Ehe angeglichen wurde. Durch das am 1. August 2001 in Kraft getretene Lebenspartnerschaftsgesetz (Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG) vom 16. Februar 2001 (BGBl I S. 266), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Februar 2005 (BGBl I S. 203)) ist ein eigenständiges familienrechtliches Institut für gleichgeschlechtliche Paare geschaffen worden. Mit dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 (BGBl I 3396) ist dieses familienrechtliche Institut der Ehe angenähert worden. Die eingetragene Lebenspartnerschaft erfordert eine formale Begründung, die in einer Erklärung besteht, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 LPartG). Die Lebenspartner sind einander zur Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet und tragen für-
- 22 -
einander Verantwortung (§ 2 LPartG). Die Lebenspartner sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die partnerschaftliche Lebensgemeinschaft angemessen zu unterhalten (§ 5 LPartG), wobei auf die unterhaltsrechtlichen Vorschriften von Ehegatten des Bürgerlichen Gesetzbuches verwiesen wird. Die Lebenspartner leben wie Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie nicht wie Ehegatten auch von der Möglichkeit einer abweichenden vertraglichen Regelung Gebrauch machen (§ 6 LPartG). Die für Ehegatten geltenden Regelungen gelten entsprechend. Nach Aufhebung der Partnerschaft besteht bei Bedürftigkeit ein Anspruch auf nachpartnerschaftlichen Unterhalt (§ 16 Abs. 1 LPartG mit Verweis auf die für Geschiedene geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches). Ebenso wie bei Ehegatten findet ein Versorgungsausgleich statt (§ 20 LPartG). In Anbetracht der aufgezeigten formal auf Lebenszeit begründeten Fürsorge- und Einstandsgemeinschaft und der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass der grundrechtliche Schutz der Ehe kein Benachteiligungsgebot zur Schlechterstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften beinhalte (BVerfG Urteil vom 17.7.2002 BVerfGE 105, 313), kann in der Verweigerung der Hinterbliebenenversorgung eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung gesehen werden.
Überdies ist seit 1. Januar 2005 durch die Anfügung des § 46 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI - Gesetzliche Rentenversicherung) die Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe bei der gesetzlichen Hinterbliebenenversorgung - die nach Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG vom Geltungsbereich ausgenommen ist - erfolgt.
4.4 Unterstellt, die vorstehenden Fragen würden bejaht, bestehen ferner Zweifel, ob eine solche Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung aufgrund der Begründungserwägung 22 der Richtlinie 2000/78/EG zulässig wäre.
4.4.1 Fraglich ist bereits, ob die Begründungserwägung 22, die nicht in den Text der
- 23 -
Auslegung einschränken kann. Die Begründungserwägung 22 kann keiner Regelung in dem Text der Richtlinie zugeordnet werden. Die ansonsten in der Richtlinie aufgenommenen Ausnahmen des Geltungsbereichs einer Begründungserwägung können jeweils zugeordnet werden. So korrespondiert die Ausnahme hinsichtlich der Streitkräfte (Art. 3 Abs. 4 Richtlinie 2000/78/EG) mit der Begründungserwägung 19, die Ausnahme für die staatlichen Systeme (Art. 3 Abs. 3) mit der Begründungserwägung 13 und die Ausnahme hinsichtlich der Staatsangehörigkeit (Art. 3 Abs. 2) mit der Begründungserwägung 12.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Begründungserwägung sei wesentlicher Bestandteil der Richtlinie und als solche mitentscheidend für ihre Auslegung. Dies würde auch gelten, wenn die Begründungserwägung nicht in den Text der Richtlinie auf-genommen worden wäre (BVerwG Urteil vom 26.1.2006 Az. 2 C 43/04 JURIS-DokNr. WBRE410012679 unter Verweis auf EuGH Urteil 23.2.1988 Rs. 131/86 - Vereinigtes Königreich/Rat - Slg. 1988, 905). Die Erweiterung des Aussagegehalts der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache 131/86 durch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. Januar 2006 begründet Zweifel. Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Feststellung nicht, sondern geht davon aus, dass die nicht in den Text der Richtlinie aufgenommene Begründungserwägung 22 den Geltungsbereich der Richtlinie bestimmen kann. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 13. Oktober 2004 (Az. 4 S 1243/03 JURIS-DokNr. MWRE118620400) ausgeführt, dass die Richtlinie 2000/78/EG keine nationalen Regelungen erfasse, deren Anknüpfungspunkt der Familienstand ist. Dies würde sich aus der Begründungserwägung 22 ergeben, die zwar als bloße Auslegungshilfe nicht geeignet sei, einen entgegenstehenden Wortlaut der Richtlinie außer Kraft zu setzen, da aber die Richtlinie keinen entgegenstehenden Wortlaut enthalte, könne eine Diskriminierung wegen der Begründungserwägung 22 zulässig sein. Letztlich habe der Rat damit lediglich klarstellen wollen, dass der Anwendungsbereich der dadurch verbotenen Diskriminierungen die vom Familienstand abhängigen gesetzlichen Leistungen nicht erfassen soll.
- 24 -
Gegen diese Auslegung bestehen besonders in Hinblick auf die effektive Durchsetzung der Bekämpfung von Diskriminierungen (Art. 10 EGV) Bedenken. Die Richtlinie 2000/78/EG bezweckt die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten (Art. 1 Richtlinie 2000/78/EG). Verletzungen bestimmter Ausprägungen des allgemeinen Gleichheitssatzes sollen unterbunden und vermieden werden. Die Richtlinie gewährleistet zusammen mit der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse (Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft ABl. L 180 S. 22) ein gemeinsames Mindestniveau gegen alle Formen von Diskriminierung. In Anbetracht des Stellenwertes des gemeinschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehört (EuGH Urteil vom 11.7.2002 Rs. C-210/00 - Hofmeister - Slg. 2002 I 6453 Randnr. 71; EuGH Urteil vom 19.11.1998 Rs. C-85/97 - SFI/Belgischer Staat - Slg. 1998 I 7447 Randnr. 30; EuGH Urteil vom 12.3.1987 Rs. 215/85 - BALM - Slg. 1987, 1279 Randnr. 23; EuGH Urteil vom 19.10.1977 Rs. 117/76 - Ruckdeschel - Slg. 1977, 1753 Randnr. 7), ist eine solch weitgehende Interpretation der Begründungserwägungen nicht geboten. Insbesondere kann der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache 131/86 diese Zielrichtung nicht entnommen werden, weil es um Änderungen oder Korrekturen an den vom Rat angenommenen Texten ging. Vielmehr könnte im Umkehrschluss aus der Formulierung der Urteilsbegründung der Rechtssache 131/86 (Randnr. 36) - die Änderungen würden nur die Begründung der Richtlinie, ohne die Substanz des Rechtsakts selbst zu berühren, betreffen - gefolgert werden, dass die Begründungserwägungen die Substanz der Richtlinie nicht beeinflussen könnten. Da die Begründungserwägung 22 nicht in den Text der Richtlinie 2000/78/EG aufgenommen wurde, liegt es nahe, dass der in Art. 3 bestimmte Geltungsbereich nicht durch die Begründungserwägung 22 eingeschränkt werden kann.
- 25 -
Allerdings könnte die Begründungserwägung 22 als Erläuterung zu Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG dienen, wonach die Richtlinie nur im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt. Insofern würde die Begründungserwägung 22 als Klarstellung dienen, da bislang die Gemeinschaft keine Regelungskompetenz für den Familienstand hat. Allerdings haben sich die Grenzen zwischen den Kompetenzen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Gemeinschaft im Laufe der Zeit allmählich verwischt (siehe Nr. 2 der Europäischen Sozialagenda auf der Tagung des Europäischen Rates in Nizza am 7., 8. und 9. Dezember 2000 angenommen ABl C 157 vom 30. Mai 2001 S. 4).
4.4.2 Sofern durch die Begründungserwägung 22 klargestellt ist, dass die einzel-staatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt bleiben, ist fraglich, ob im vorliegenden Fall die Verweigerung der Hinterbliebenenversorgung durch die Beklagte als Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung zulässig sein kann. So hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27. August 2004 (Az. 11 A 103/04) hinsichtlich des beamtenrechtlichen Familienzuschlages den Standpunkt vertreten, dass jedenfalls noch zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie Regelungen für an den Familienstand anknüpfende Leistungen - wie der Familienzuschlag - dem nationalen Recht vorbehalten bleiben sollten. Dies würde zwar den primären Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprechen, schließt aber einen sich aus der Richtlinie unmittelbar ableitenden Gleichbehandlungsanspruch dann nicht aus, wenn ohne Zuerkennung eines solchen Sinn und Zweck der Richtlinie 2000/78/EG ins Leere liefen. Die unterschiedliche Einstufung wäre vielmehr allein Folge anderer sexueller Ausrichtung (Verschiedengeschlechtlichkeit bei der Ehe, Gleichgeschlechtlichkeit bei der eingetragenen Partnerschaft).
Insofern knüpft die Argumentation des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts an die bereits oben unter Punkt 4.3 (Seite 20) angesprochene Frage an, ob die Regelung nicht auf die Zuerkennung der Witwenrente gerichtet ist, sondern auf eine für
- 26 -
deren Gewährung notwendige Voraussetzung, nämlich die Fähigkeit, miteinander eine Ehe einzugehen. Die Richtlinie setzt an Diskriminierungen an, die allein wegen der sexuellen Ausrichtung begründet sind. Die Erwägungen, die der EuGH in seinem Urteil vom 7. Januar 2004 (RS C-117/01 - K. B./National Health Service Pension Agency - a.a.O.) festgestellt hat, gelten insoweit entsprechend. Letztlich geht es darum, die volle Wirksamkeit des Verbots der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung zu schaffen, wie es bereits der Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomber in den Schlussanträgen vom 10. Juni 2003 in der Rechtssache C-117/01 formuliert hat (Slg. 2004 I 541 Randnr. 76).
4.5 Sofern eine nicht zulässige Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung in der Verweigerung der Hinterbliebenenversorgung gesehen wird, stellt sich die Frage, ob die Hinterbliebenenversorgung wegen der Barber-Rechtsprechung (Rechtssache C-262/88 a.a.O.) auf Zeiten ab dem 17. Mai 1990 begrenzt wäre.
Eine derartige Begrenzung könnte durch die Tatsache begründet werden, dass die maßgeblichen Bestimmungen von der Begriffsbestimmung des Art. 141 EGV (früher Art. 119 EWG) abhängen und somit dessen unmittelbare Wirkung zur Stützung der Forderung nach Gleichbehandlung auf dem Gebiet der beruflichen Renten nur für Leistungen geltend gemacht werden kann, die für Beschäftigungszeiten nach dem 17. Mai 1990 geschuldet werden (siehe EuGH Urteil vom 28.9.1994 Rs. C-200/91 - Coloroll Pension Trustees LtD/Russell u.a. - Slg. 1994 I 4389 Leitsatz 3).
Gegen eine derartige Begrenzung spricht, dass die Richtlinie 2000/78/EG nicht auf Art. 141 EGV, sondern auf Art. 13 EGV gestützt ist und der besonderen Ausprägung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes Rechnung trägt. Im Gegensatz zu der Auslegung der unmittelbaren Geltung des Art. 119 EWG (jetzt Art. 141 EGV) wird die Forderung auf eine in den Mitgliedstaaten umzusetzende Richtlinie gestützt. Insofern liegt es nahe, wenn nach Ablauf der Umsetzungsfrist die allgemeinen Grundsätze hinsichtlich der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien gelten.
- 27 -
5. Da die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG abhängt, und die Auslegungsfragen weder zweifelsfrei zu beantworten noch bisher durch eine gesicherte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geklärt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs. 283/81 - Srl - EuGHE 1982, 3415, Rdn. 14 ff.), legt das Bayerische Verwaltungsgericht München sie gemäß Art. 234 EGV dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor.
6. Der Beschluss über die Vorlage ist unanfechtbar.
7. Eine Kopie der Handakten dieses Gerichts sind beigefügt.
*** *****
*****
***
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |