Update Arbeitsrecht 18|2022 vom 07.09.2022
Entscheidungsbesprechungen
BAG: Aktienzuteilungen durch eine Konzernmutter wirken sich nicht auf die Höhe einer Karenzentschädigung aus
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.08.2022, 8 AZR 453/21
Variable Aktienzuteilungen („Restricted Stock Units“) durch eine Konzernobergesellschaft sind keine vertragsmäßigen Leistungen, die bei der Berechnung einer Karenzentschädigung berücksichtigt werden müssen.
§§ 74 Abs.2; 74b Abs.2 Handelsgesetzbuch (HGB)
Rechtlicher Hintergrund
Durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot können sich Arbeitnehmer vertraglich dazu verpflichten, ihrem Arbeitgeber für eine maximal zweijährige Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Konkurrenz zu machen. Dafür muss der Arbeitgeber aber eine finanzielle Kompensation leisten, die Karenzentschädigung.
Die Mindesthöhe der Karenzentschädigung ist gesetzlich festgelegt. Sie beträgt gemäß § 74 Abs.2 Handelsgesetzbuch (HGB) die Hälfte der vom Arbeitnehmer „zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen“, d.h. seiner Gesamtvergütung einschließlich einer Dienstwagenberechtigung sowie variabler Vergütungskomponenten.
Besteht die Vergütung (teilweise) in Provisionen oder anderen wechselnden Bezügen, sind sie bei der Berechnung der Karenzentschädigung nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen (§ 74b Abs.2 HGB).
Fraglich ist, ob auch Aktienzuteilungen durch Unternehmen, die am Arbeitsverhältnis nicht beteiligt sind, wie z.B. eine Konzernobergesellschaft bei der Berechnung der Karenzentschädigung als variable Vergütungskomponente einzubeziehen sind.
Dafür spricht, dass Aktienoptionen von Tochterunternehmen größerer Konzernobergesellschaften häufig gewährt werden und einen wesentlichen finanziellen Anreiz bilden, für das Tochterunternehmen zu arbeiten. Anderseits werden solche aktienbasierten Vergütungskomponenten nicht vom Arbeitgeber gewährt, sondern von einem dritten Unternehmen, das am Arbeitsverhältnis gar nicht beteiligt ist.
In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Aktienzuteilungen, die einem Arbeitnehmer von einer Konzernobergesellschaft gewährt werden, nicht zu den „vertragsmäßigen Leistungen“ im Sinne von § 74 Abs.2 HGB gehören: BAG, Urteil vom 25.08.2022, 8 AZR 453/21.
Sachverhalt
Im Streitfall hatte ein ausgeschiedener Angestellter seinen Ex-Arbeitgeber auf Zahlung weiterer Karenzentschädigung verklagt. In seinem Arbeitsvertrag vom Dezember 2011 war ein neunmonatiges konzernweit geltendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, an das sich der Angestellte nach seinem Ausscheiden Ende Januar 2020 auch hielt.
In der arbeitsvertraglichen Klausel zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot war geregelt, dass der Arbeitgeber verpflichtet war, an den Angestellten
„nach Ende der Anstellung eine Entschädigung zu zahlen, welche für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der vom Angestellten zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht“.
Ergänzend wurde die Geltung der §§ 74 ff. HGB vereinbart. Auf dieser Grundlage hatte der Arbeitgeber die Hälfte des zuletzt bezogenen Grundgehalts als Karenzentschädigung gezahlt.
Der Angestellte hatte aber während seines Arbeitsverhältnisses Aktienzuteilungen („Restricted Stock Units“ - RSU) der amerikanischen Muttergesellschaft seines Arbeitgebers erhalten, wobei die zeitlich gestaffelten Übertragungszeitpunkte (Vestings) ein bis zwei Jahre nach der Zuteilung der Aktienoptionen lagen.
Infolge von Kurssteigerungen hatten die in den letzten 36 Monaten vor dem Ausscheiden an den Angestellten übertragenen („gevesteten“) Aktien einen erheblichen Wert. Unter Berücksichtigung der von ihm erhaltenen Aktien ergab sich, so die Berechnung des Angestellten, eine deutlich höhere Karenzentschädigung. Insgesamt belief sich die eingeklagte Differenz auf monatlich 8.894,85 EUR brutto bzw. auf 80.053,65 EUR für die gesamte neunmonatige Karenzzeit.
Das Arbeitsgericht Minden (Urteil vom 17.02.2021, 3 Ca 470/20) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm wiesen die Klage ab (LAG Hamm, Urteil vom 11.08.2021, 10 Sa 284/21, s. dazu Update Arbeitsrecht 19|2021). Immerhin ließ das LAG die Revision zum BAG zu.
Entscheidung des BAG
Auch das BAG entschied gegen den Angestellten, der seine Klage damit in allen drei Instanzen verloren hat. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden BAG-Pressemeldung:
Zu den „vertragsmäßigen Leistungen“ gemäß § 74 Abs.2 HGB, die für die Berechnung der gesetzlichen (Mindest-)Karenzentschädigung maßgeblich sind, gehören nur Leistungen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet.
Im Streitfall hatte der Angestellte die Vereinbarungen über die Gewährung der RSUs aber nicht mit seinem deutschen Arbeitgeber, sondern mit dessen amerikanischer Konzernmutter getroffen. Und eine ausdrückliche oder stillschweigende (Mit-)Verpflichtung hatte das deutsche Unternehmen nicht übernommen.
Auch mit dem Hinweis auf die konzernweite Geltung des Wettbewerbsverbots konnte der Kläger vor dem BAG nicht punkten. Denn wenn das Wettbewerbsverbot - möglicherweise - infolge des Konzernbezugs nicht dem Schutz berechtigter geschäftlicher Interessen des verklagten deutschen Arbeitgebers gedient haben sollte, würde daraus rechtlich nur die Begrenzung der Reichweite des Wettbewerbsverbots folgen, gemäß § 74a Abs.1 Satz 1 und 2 HGB. Eine höhere Karenzentschädigung unter Einbeziehung von Aktienzusagen einer
Konzernobergesellschaft ergibt sich aus einem Konzernbezug des Wettbewerbsverbots dagegen nicht, so das BAG.
Praxishinweis
Dem BAG ist zuzustimmen. Ebenso wenig, wie ein Unternehmen für die Erfüllung von Stock Options einer Konzernobergesellschaft arbeitsrechtlich einzustehen hat, muss es diese Stock Options bei der Berechnung einer Karenzentschädigung im Falle eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots berücksichtigen.
Immerhin hat das BAG in seiner Entscheidung einen schmalen Türspalt offengelassen: Wenn der Vertragsarbeitgeber ausdrücklich oder konkludent eine eigene (Mit-)Verpflichtung für die Gewährung von Aktienzuteilungen durch eine Konzernobergesellschaft eingegangen ist, haftet er dafür für diese (Mit-)Verpflichtung später auch dann, wenn es um die Berechnung einer Karenzentschädigung geht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.08.2022, 8 AZR 453/21 (Pressemeldung des Gerichts)
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11.08.2021, 10 Sa 284/21
Handbuch Arbeitsrecht: Geschäftsführer (GmbH)
Handbuch Arbeitsrecht: Geschäftsführeranstellungsvertrag
Handbuch Arbeitsrecht: Leitender Angestellter
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