Update Arbeitsrecht 13|2022 vom 29.06.2022
Leitsatzreport
LAG Niedersachsen: Anrechnung von Zwischenverdienst auf den Verzugslohnanspruch gilt auch für Urlaubsansprüche
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 02.05.2022, 15 Sa 885/21
§ 615 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); § 11 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Leitsätze des Gerichts:
1. Der Arbeitnehmer muss sich den ihm während des Kündigungsschutzrechtsstreits von einem anderen Arbeitgeber gewährten Urlaub auf seine Urlaubsansprüche gegen den alten Arbeitgeber in entsprechender Anwendung der §§ 615 S. 2 BGB, 11 KSchG anrechnen lassen, wenn er die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig hätte erfüllen können. Das gilt auch für den vertraglich vereinbarten Urlaub der den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt.
2. Auch bei der Anrechnung des Urlaubs ist eine Gesamtberechnung anhand der im gesamten Anrechnungszeitraum gewährten Urlaubs vorzunehmen.
Hintergrund:
Nach einer unwirksamen Kündigung müssen Arbeitgeber den zu Unrecht entlassenen Arbeitnehmern den vorenthaltenen Lohn nachvergüten. Auf diesen Annahmeverzugslohn gemäß § 615 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) müssen sich gekündigte Arbeitnehmer gemäß § 11 Nr.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anrechnen lassen, was sie durch „anderweitige Arbeit verdient“ haben, d.h. durch eine Zwischenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber. Diese gesetzliche Anrechnungsregel hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen auf den Urlaubsanspruch angewandt. Im Streitfall war eine vollzeitig tätige Verkäuferin im Dezember 2019 fristlos gekündigt worden und hatte dagegen erfolgreich geklagt, so dass ihr Arbeitsverhältnis erst im Mai 2021 endete. In einem Folgeprozess klagte sie u.a. auf Urlaubsabgeltung für Januar 2020 bis Mai 2021, aber ohne Erfolg. Denn sie hatte ab Februar 2020 vollzeitig bei einem anderen Arbeitgeber gearbeitet, der ihr 25 Urlaubstage für 2020 und zehn Urlaubstage für 2021 gewährt hatte. Daher musste der Ex-Arbeitgeber keine Urlaubsabgeltung mehr zahlen, so das Arbeitsgericht Lüneburg (Urteil vom 01.09.2021, 2 Ca 310/20) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen (Urteil vom 02.05.2022, 15 Sa 885/21), die sich dabei auf eine ältere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) beriefen. Das LAG ließ die Revision zum BAG zu.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 02.05.2022, 15 Sa 885/21
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