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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 12|2022

Update Arbeitsrecht 12|2022 vom 15.06.2022

Entscheidungsbesprechungen

BAG bestätigt seine Rechtsprechung: Kein Anspruch auf Schlussformel im Arbeitszeugnis

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2022, 9 AZR 146/21

Der Arbeitgeber kann für einen ausscheidenden Mitarbeiter Dank empfinden und ihm für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünschen - oder auch nicht.

§ 109 Gewerbeordnung (GewO); Art.5, 12 Grundgesetz (GG); § 241 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Rechtlicher Hintergrund

Viele Zeugnisse enthalten im letzten Absatz eine Bedauerns-, Dankens- und Wunschformel. Eine solche Schlussformel kann z.B. lauten:

„Wir bedauern das Ausscheiden von Frau X (außerordentlich), danken ihr für die langjährige (engagierte) Unterstützung unseres Unternehmens und wünschen ihr für ihren künftigen (beruflichen und privaten) Werdegang (weiterhin viel Erfolg und) alles Gute.“

Die in Klammern gesetzten Zusätze machen deutlich, dass eine Schlussformel ähnlich wie die eigentliche Leistungsbewertung mehr oder weniger positiv ausfallen kann. Erteilt der Arbeitgeber ein Zeugnis mit einer sehr guten Leistungsbewertung, sollte auch die Schlussformel dementsprechend „enthusiastisch“ formuliert werden. 

Seit Jahren gehen die Meinungen darüber auseinander, ob ein Zeugnis ohne Schlussformel lückenhaft ist. Unstreitig ist jedenfalls, dass ein Zeugnis mit Schlussformel besser ist als ohne.

Von Rechts wegen besteht allerdings kein Anspruch auf ein Zeugnis mit Schlussformel. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits mehrfach entschieden (BAG, Urteil vom 20.02.2001, 9 AZR 44/00; BAG, Urteil vom 11.12.2012, 9 AZR 227/11).

Mit dieser BAG-Rechtsprechung wollen sich einige Gerichte und juristische Autoren nicht abfinden. So hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf Anfang 2021 einen Arbeitgeber dazu verurteilt, das von ihm erteilte (durchschnittliche) Zeugnis abzuändern und im letzten Absatz eine Dankens- und Wunschformel einzufügen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021, 3 Sa 800/20, s. dazu Update Arbeitsrecht 17|2021 vom 25.08.2021).

Vor kurzem hatte das BAG den Fall auf dem Tisch. Wie kaum anders zu erwarten war, hat das BAG seine Position nochmals bekräftigt: Nein, Arbeitnehmer haben keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber eine Schlussformel in das Arbeitszeugnis aufnimmt.

Sachverhalt

Ein Personaldisponent war von März 2017 bis Ende März 2020 bei einem Personaldienstleister beschäftigt. 

Nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung und einer daraufhin erhobenen Kündigungsschutzklage einigte man sich durch gerichtlichen Vergleich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. In dem Vergleich verpflichtete sich der Arbeitgeber „zur Erteilung eines qualifizierten wohlwollenden Arbeitszeugnisses“.

Das daraufhin erteilte Zeugnis enthielt eine zusammenfassende Leistungsbewertung, die der Note „befriedigend“ entsprach, d.h. die Bewertung war weder besonders gut noch besonders schlecht. Sie lautete:

„Zusammenfassend bestätigen wir Herrn K., dass er die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigte.“

Wie vor dem Hintergrund des Kündigungsschutzprozesses nicht erstaunlich ist, enthielt das Zeugnis keine Schlussformel. Der Personaldisponent reichte daraufhin nochmals Klage ein, diesmal gerichtet auf Zeugnisberichtigung. Damit wollte er seinen Ex-Arbeitgeber gerichtlich verpflichten lassen, das Zeugnis um eine Schlussformel zu ergänzen.

Das Arbeitsgericht Mönchengladbach wies die Klage ab (Urteil vom 27.10.2020, 1 Ca 1729/20), wohingegen das für die Berufung zuständige LAG Düsseldorf wie erwähnt zugunsten des Arbeitnehmers entschied (LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021, 3 Sa 800/20, s. dazu Update Arbeitsrecht 17|2021 vom 25.08.2021).

Entscheidung des BAG

Das BAG gab dem Arbeitgeber recht und bestätigte das klagabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach. Zur Begründung heißt es:

Bei der Frage, ob der Zeugnisanspruch gemäß § 109 Abs.1 Satz 3 Gewerbeordnung (GewO) einen Anspruch auf eine Schlussformel beinhaltet, sind einerseits die Meinungsfreiheit des Arbeitgebers (Art.5 Abs.1 Grundgesetz - GG) und seine Unternehmerfreiheit (Art.12 Abs.1 GG) betroffen, und auf der anderen Seite die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art.12 Abs.1 GG), da eine Schlussformel seine berufliche Chancen verbessert, sowie sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art.2 Abs.1, Art.1 Abs.1 GG). 

Bei der Abwägung dieser Grundrechtspositionen ist das Interesse des Arbeitgebers, seine innere Einstellung zu dem Arbeitnehmer bzw. seine Gefühlswelt nicht offenbaren zu müssen, höher zu gewichten als das Interesse des Arbeitnehmers an einer Schlussformel (BAG, Urteil, Rn.14).

Gemäß § 109 Abs.1 Satz 3 GewO muss ein qualifiziertes Zeugnis Angaben über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers enthalten, wohingegen eine Schlussformel dazu nichts beiträgt (BAG, Urteil, Rn.16, 18). Wäre sie notwendiger Bestandteil eines qualifizierten Zeugnisses, wäre der Arbeitgeber zur Offenbarung seiner Gefühle verpflichtet, was seine durch Art.5 Abs.1 Satz 1 GG geschützte negative Meinungsfreiheit beeinträchtigen würde, d.h. die Freiheit, keine Meinung zu äußern. Denn eine Schlussformel ist mehr als eine reine Höflichkeitsformel ohne Bezug zur Realität (BAG, Urteil, Rn.19). 

Das BAG widerspricht auch dem Argument des LAG, dem zufolge ein Schlussformel-Anspruch aus einer leicht überdurchschnittlichen Bewertung und aus dem allgemeinen Gebot der Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners hergeleitet werden kann, d.h. aus § 241 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Denn unter Berufung auf § 241 Abs.2 BGB kann eine spezielle und abschließende Gesetzesvorschrift nicht geändert werden, hier § 109 Abs.1 Satz 2 und Satz 3 GewO. Diese Vorschrift legt abschließend fest, was in einem qualifizierten Zeugnis stehen muss und was nicht (BAG, Urteil, Rn.24).

Praxishinweis

Das Urteil des BAG ist richtig. Es gibt keine gesetzliche Grundlage für einen Anspruch auf eine Schlussformel in einem qualifizierten Zeugnis. Hier hilft auch das Argument nicht weiter, dass eine solche Schlussformel üblich sei. Denn eine gesetzeserweiternde Auslegung von § 109 Abs.1 Satz 2 und Satz 3 GewO scheitert an der negativen Meinungsfreiheit des Arbeitgebers. 

Daher gilt auch weiterhin: Der Arbeitgeber kann für einen ausscheidenden Arbeitnehmer Dank empfinden und ihm für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünschen - oder auch nicht (BAG, Urteil, Rn.19).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2022, 9 AZR 146/21

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021, 3 Sa 800/20

 

Handbuch Arbeitsrecht: Zeugnis

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