UPDATE
ARBEITSRECHT
Ausgabe
ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 04|2023

Update Arbeitsrecht 04|2023 vom 22.02.2023

Leitsatzreport

Hessisches LAG: Unwirksame fristlose Kündigung wegen Mitnahme nicht verbrauchter Lebensmittel

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 04.11.2022, 10 Sa 778/22

§ 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Leitsätze des Gerichts:

1. Eine Abmahnung ist bei einer verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB nicht entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer bei einer unklaren Weisungslage annehmen durfte, es sei gestattet, bei einer Firmenfeier übrig gebliebene Lebensmittel mit nach Hause zu nehmen.

2. Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen. Es ist im Grundsatz anerkannt, dass nicht nur vertragsbezogene Umstände eine Rolle spielen können, sondern auch solche, die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Dazu kann auch gehören, dass der Arbeitnehmer derzeit ein Adoptionsverfahren betreibt, bei dem im Interesse des Kindeswohls auch die sozialen Verhältnisse der Adoptiveltern eine Rolle spielen.

3. Nicht vertragsbezogene Umstände sind regelmäßig mit einem geringeren Gewicht mit in die Abwägung einzustellen.

Hintergrund:

Ein gut vier Jahre in einem Kleinbetrieb mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigter Assistent wurde fristlos gekündigt, nachdem er im September 2021 nach einem betrieblichen Grillfest nicht verbrauchtes Grillgut im Wert von etwa 50 Euro nach Absprache mit Kollegen mit nach Hause genommen hatte. Die daraufhin von seiner Arbeitgeberin erklärte fristlose Kündigung bewertete das Arbeitsgericht Frankfurt am Main als unwirksam (Urteil vom 09.03.2022, 11 Ca 6247/21). Das sah auch das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) so, bei dem die Arbeitgeberin Berufung eingelegt hatte (Hessisches LAG, Urteil vom 04.11.2022, 10 Sa 778/22). Bei der Bewertung des Sachverhalts sprachen der geringe Wert der nach Hause genommenen Sachen sowie das offene bzw. nicht heimliche Vorgehen für den Arbeitnehmer, der sich offenbar in dem Glauben befand, nichts Unrechtes zu tun. Ergänzend stellte das LAG wie bereits das Arbeitsgericht darauf ab, dass sich der Angestellte in einem laufenden Adoptionsverfahren hinsichtlich zweier Kleinkinder befand, die seit ihrer Geburt bei ihm und seiner Ehefrau lebten. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung hatte dagegen Bestand, da sich der Arbeitnehmer nicht auf das KSchG berufen konnte.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 04.11.2022, 10 Sa 778/22

 

Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung

Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Diebstahl

Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Gründe, Abmahnungsgründe

Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung

Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung - Kündigungsgründe

Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verdachtskündigung

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

IMPRESSUM