Update Arbeitsrecht 13|2023 vom 28.06.2023
Leitsatzreport
Arbeitsgericht Elmshorn: Fristlose Kündigung wegen verbaler sexueller Belästigung
Arbeitsgericht Elmshorn, Urteil vom 26.04.2023, 3 Ca 1501 e/22
§ 3 Abs.4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG); § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Leitsätze des Gerichts:
1. Die Kündigung bedarf der Schriftform. Dazu genügt ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, welche die Nachahmung erschweren.
2. Eine sexuelle Belästigung stellt einen an sich wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB dar. Sie ist auch bei Bemerkungen sexuellen Inhalts gegeben, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt wird, das die Würde der betreffenden Person verletzt.
3. Danach ist die Äußerung: „Wir können sie ja auf den Kopf stellen und die Geldkarte durch den Schlitz ziehen.“ als sexuelle Belästigung und schwerste Beleidigung zu werten.
4. Im Rahmen der Interessenabwägung im Einzelfall kommt es zu Gunsten des Klägers nicht darauf an, dass die Äußerung vom Kläger scherzhaft gemeint war oder dass die Beleidigte nicht unmittelbar reagiert hat. Auch die Gesamtumstände der Weihnachtsfeier ändern nichts an der Bewertung. Eine solche herabwürdigende, öffentliche Äußerung ist geeignet, das Ansehen der Betroffenen unter den Kollegen und im Unternehmen unwiederbringlich zu schädigen, wenn die Beklagte auf solche Äußerungen gegenüber der einzigen Mitarbeiterin nicht mit der außerordentlichen Kündigung reagiert.
5. Eine vorherige Abmahnung war im vorliegenden Fall entbehrlich. Das Fehlverhalten des Klägers wiegt so schwer, dass eine Hinnahme durch die Beklagte ausgeschlossen war. Dies musste dem Kläger auch erkennbar sein.
Hintergrund:
Ein 1990 geborener Bodenleger war seit Oktober 2019 in einer Fußbodenlegefirma für Schiffe beschäftigt. In dem Betrieb des Arbeitgebers arbeiteten insgesamt sechs männliche Angestellte in Vollzeit sowie eine Mitarbeiterin, Frau K., in Teilzeit. Im Dezember 2022 fand die betriebliche Weihnachtsfeier statt. Zu diesem Anlass hatte Frau K. für den Chef und seine Ehefrau einen Blumenstrauß und eine Flasche Whisky als Geschenk gekauft und das Geld dafür ausgelegt. Nach dem Abendessen wandte sich Frau K. auch an den Bodenleger, um dessen Anteil von 10,00 EUR für das Geschenk einzusammeln. Der Bodenleger erwiderte, dass er 10,00 Euro nicht passend habe, sondern nur einen Fünfzig-Euro-Schein. Frau K. ihrerseits erwiderte, dass sie noch nicht wechseln könne. Der Bodenleger äußerte gegenüber Frau K. in Anwesenheit von vier Arbeitskollegen darauf: „Wir können sie ja auf den Kopf stellen und die Geldkarte durch den Schlitz ziehen.“ Daraufhin sprach der Arbeitgeber wenige Tage später eine außerordentliche fristlose Kündigung aus. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte vor dem Arbeitsgericht Elmshorn keinen Erfolg.
Arbeitsgericht Elmshorn, Urteil vom 26.04.2023, 3 Ca 1501 e/22
Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung
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Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
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