Update Arbeitsrecht 24|2023 vom 29.11.2023
Entscheidungsbesprechungen
BAG: Mündlich vereinbarte Vorverlegung des Arbeitsbeginns bei befristetem Arbeitsverhältnis
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.08.2023, 7 AZR 300/22
Die Wirksamkeit einer Befristung entfällt nicht durch die einvernehmliche Vorverlegung des Arbeitsbeginns, auch wenn dies nicht schriftlich vereinbart wird.
§ 14 Abs.4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)
Rechtlicher Hintergrund
Gemäß § 14 Abs.4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) muss die Befristung eines Arbeitsvertrages schriftlich festgehalten werden. Ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis macht aber nur die Befristung unwirksam, d.h. das Arbeitsverhältnis als solches besteht weiter unbefristet fort.
Das Schriftformerfordernis spielt bei Befristungskontrollklagen eine große Rolle, da recht oft dagegen verstoßen wird.
So kann es passieren, dass der Arbeitgeber einem Bewerber unterzeichnete schriftliche Arbeitsverträge zusendet, der Bewerber das von Ihnen gegengezeichnete Vertragsexemplar aber nur per E-Mail an den Arbeitgeber zurückschickt.
Oder es ist geplant, einen befristeten Vertrag schriftlich festzuhalten, aber bei Arbeitsbeginn wird dies vergessen, d.h. der Arbeitnehmer fängt schon einmal an zu arbeiten. Später weigert er sich, den vom Arbeitgeber schriftlich ausgefertigten befristeten Vertrag (nachträglich) zu unterschreiben.
In solchen und ähnlichen Fällen haben Klagen mit dem Ziel der gerichtlichen Feststellung, dass die vereinbarte Befristung unwirksam ist (Befristungskontrollklagen, Entfristungsklagen) gute Erfolgsaussichten. Denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) wendet das Schriftformerfordernis streng an.
In einem aktuellen Fall hat das BAG allerdings einmal andersherum entschieden und klargestellt, dass ein vorzeitiger Arbeitsbeginn im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrags nicht unbedingt schriftlich festgehalten werden muss.
Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer wurde durch schriftlichen Arbeitsvertrag vom 01.04.2019 als Kassierer in einem Schwimmbad befristet eingestellt. Das Arbeitsverhältnis sollte vom 15.05.2019 bis zum 30.09.2019 dauern, d.h. während der sommerlichen Badesaison.
Noch im April 2019, d.h. vor dem vereinbarten Arbeitsbeginn, einigten sich die Parteien mündlich auf einen früheren Arbeitsantritt. Danach sollte der Kassierer nicht erst zum 15.05.2019 sondern schon zum 01.05.2019 anfangen.
Der Schwimmbadbetreiber übersandte dem Kassierer daher eine geänderte erste Seite des Arbeitsvertrags, in der die aktuell vereinbarte Vertragslaufzeit (01.05.2019 bis 30.09.2019) festgehalten wurde, und bat den Kassierer, die erste Seite des Vertrags auszutauschen und die „alte“ erste Seite zurückzusenden.
Dazu kam es aber nicht und der Kassierer nahm seine Arbeit am 04.05.2019 auf.
Nach Ablauf der vereinbarten Befristung erhob der Kassierer rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Vertragsende vor dem Arbeitsgericht Gera Entfristungsklage. Sein Argument:
Die nur mündlich vereinbarte Vorverlagerung des Arbeitsbeginns vom 15.05.2019 auf den 01.05.2019 verstieß gegen das Schriftformerfordernis des § 14 Abs.4 TzBfG.
Das Arbeitsgericht Gera (Urteil vom 05.05.2021, 7 Ca 271/19) und das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage ab (Thüringer LAG, Urteil vom 21.06.2022, 1 Sa 115/21).
Entscheidung des BAG
Auch vor dem BAG hatte der Kassierer kein Glück. Das BAG wies seine Revision zurück. Zur Begründung heißt es:
Die Parteien haben mit der Vereinbarung eines zeitlich früheren Arbeitsbeginns keinen zusätzlichen oder anderen Arbeitsvertrag abgeschlossen, dessen Befristung nur mündlich vereinbart wäre.
Durch Übersendung (nur) einer geänderten ersten Seite des Vertrags hatte der Arbeitgeber deutlich gemacht, dass er das Arbeitsverhältnis als identisches Rechtsverhältnis fortführen und es nur in Bezug auf den Beginn ändern wollte. Darauf hatte sich der Kassierer eingelassen.
Im Übrigen war die Befristungsabrede, die in dem beiderseits am 01.04.2019 unterzeichneten Arbeitsvertrag enthalten war und die ein Vertragsende am 30.09.2019 vorsah, schriftlich vereinbart worden. An dieser, für zeitlich befristete Verträge wesentlichen Stelle lag kein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis vor.
Die Vorverlegung des Arbeitsbeginns hatte keinen Einfluss auf das vereinbarte Enddatum (30.09.2019) und konnte daher mündlich vereinbart werden.
Denn der Beginn eines befristeten Arbeitsverhältnisses muss nur dann schriftlich festgehalten werden, wenn der Beginn für die Berechnung des Endzeitpunkts maßgeblich ist, z.B. bei der Vereinbarung einer sechs- oder zwölfmonatigen Vertragsdauer.
Wesentlich für das Schriftformerfordernis ist, so das BAG, dass der Endzeitpunkt klar bestimmt oder bestimmbar ist. Das war hier der Fall.
Praxishinweis
Dem BAG ist zuzustimmen. Die nachträgliche Vereinbarung eines um zwei Wochen früheren Arbeitsbeginns änderte im Streitfall nichts an der kalendermäßigen Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2019. Und diese Befristung war im Streitfall entsprechend § 14 Abs.4 TzBfG schriftlich festgehalten worden.
Das Vorgehen des Arbeitgebers im Streitfall ist trotzdem nicht zur Nachahmung empfohlen. Vielmehr sollten Arbeitgeber, die befristete Arbeitsverträge abschließen wollen, darauf achten, dass ein beiderseits unterschriebener schriftlicher Arbeitsvertrag mit eindeutiger Befristungsabrede beiderseits unterzeichnet vorliegt, und zwar spätestens vor dem erstmaligen Arbeitsantritt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.08.2023, 7 AZR 300/22
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