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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 07|2023

Update Arbeitsrecht 07|2023 vom 05.04.2023

Leitsatzreport

LAG Rheinland-Pfalz: Ablehnung eines Abfindungsangebots durch Annahme unter Vorbehalt

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2023, 5 Sa 135/22

§§ 133, 145, 150 Abs.2, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Leitsätze der Redaktion:

1. Eine nach einer betriebsbedingten Kündigung vom Arbeitgeber übersandte schriftliche Abwicklungsvereinbarung, die die Wirksamkeit der Kündigung bestätigt und Abfindungsansprüche enthält, die in Abhängigkeit von der Restdauer des Arbeitsverhältnisses gestaffelt und konkret beziffert sind, ist als bindender Antrag im Sinne von § 145 BGB auszulegen, wenn der Arbeitgeber um Rücksendung eines vom Arbeitnehmer unterzeichneten Exemplars der Abwicklungsvereinbarung bittet.

2. Äußert der Arbeitnehmer in Beantwortung eines solchen Antrags, dass er „grundsätzlich an einer Abwicklungsvereinbarung interessiert“ sei, „jedoch nicht um jeden Preis und auch nicht im Ungewissen über die Höhe der Abfindung und der Modalitäten“, ist dies unter Berücksichtigung von § 150 Abs.2 BGB als Ablehnung der angebotenen Abwicklungsvereinbarung anzusehen.

Hintergrund:

Ein seit 31 Jahren in einem Betrieb mit etwa 140 Arbeitnehmern beschäftigter Kraftfahrer wurde mit Schreiben vom 20.01.2021 betriebsbedingt gekündigt, da der Betrieb stillgelegt werden sollte. Obwohl kein Betriebsrat gebildet war und es daher keinen Sozialplan gab, bot der Arbeitgeber allen von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmern einen Abwicklungsvertrag mit einer Abfindung an. Sie war gestaffelt je nachdem, wie lange der gekündigte Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis verbleiben würde, und betrug bei längster Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses maximal 1,0 Gehältern pro Beschäftigungsjahr. Im Falle des Kraftfahrers belief sich die maximale Abfindung, bei Ausscheiden zum 30.06.2021, auf 104.298,75 EUR brutto. Dies wurde dem Kraftfahrer in Form einer schriftlichen Abwicklungsvereinbarung vom 28.01.2021 mitgeteilt. Mit Übersendung der Abwicklungsvereinbarung bat der Arbeitgeber darum, ein Exemplar unterschrieben zurückzureichen. Der von dem Kraftfahrer eingeschaltete Rechtsanwalt antwortete, dass sein Mandant „grundsätzlich an einer Abwicklungsvereinbarung interessiert“ sei, „jedoch nicht um jeden Preis und auch nicht im Ungewissen über die Höhe der Abfindung und der Modalitäten“. Weiter hieß es in dem Anwaltsschreiben: „Ich bitte Sie und stelle anheim, die vorgenannten Fragen im Vorfeld zu klären, damit in diesem speziellen Fall von Herrn A. die Abfindungssumme vor Abschluss der Vereinbarung fix feststeht, damit sodann, wenn beiderseitig gewünscht die Vereinbarung unterzeichnet werden kann“. Im weiteren Verlauf erhob der Kraftfahrer über seinen Anwalt Kündigungsschutzklage und beantragte hilfsweise die Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung von 104.298,75 EUR Abfindung. Das Arbeitsgericht Trier (Urteil vom 16.03.2022, 5 Ca 138/21) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.01.2023, 5 Sa 135/22) wiesen die Klage ab. Denn die Kündigung war wegen der Betriebsstillegung wirksam, und für eine Abfindung gab es keine Rechtsgrundlage, nachdem der Anwalt des Kraftfahrers die angebotene Abwicklungsvereinbarung vom 28.01.2021 abgelehnt hatte. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts kann der Kraftfahrer mit guten Erfolgsaussichten seinen Anwalt wegen der Verletzung von Anwaltspflichten aus dem Mandatsvertrag auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2023, 5 Sa 135/22

 

Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung 

Handbuch Arbeitsrecht: Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung

Handbuch Arbeitsrecht: Abwicklungsvertrag

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