Update Arbeitsrecht 07|2020 vom 01.04.2020
Leitsatzreport
LAG Köln: Anspruch eines Oberarztes gegen den Chefarzt auf Beteiligung an den Einnahmen aus Privatliquidation
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 03.07.2019, 5 Sa 104/19
§ 241, § 315, 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Leitsätze des Gerichts:
1. Ein Oberarzt kann einen vertraglichen Anspruch gegen den Chefarzt und/oder den Krankenhausträger haben, an den Privatliquidationseinnahmen des Chefarztes beteiligt zu werden. Liegen keine eindeutigen Erklärungen vor, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und ggf. gegen wen ein Anspruch besteht.
2. Ein Anspruch kann sich gegen den Krankenhausträger aus einer betrieblichen Übung und gegen den Chefarzt aus einer praktischen Übung ergeben (im Anschluss an LAG Köln 13.01.2011, 6 Sa 942/10).
3. Besteht ein vertraglicher Anspruch gegen den Chefarzt, kann dieser das Vertragsverhältnis zum Oberarzt nicht schrankenlos kündigen. Eine Kündigung ist unwirksam, wenn sie gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs.2 BGB) verstößt. Dies kann der Fall sein, wenn der Chefarzt das Vertragsverhältnis zum Oberarzt kündigt, obwohl er weiterhin Liquidationserlöse erzielt und der Chefarztvertrag eine Beteiligung der nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter vorsieht. Ob die Kündigung zusätzlich einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterliegt (so LAG Köln 13.01.2011, 6 Sa 942/10), bleibt offen
Hintergrund:
Ein leitender Oberarzt hatte seinen Vorgesetzten, den Chefarzt, auf Beteiligung an den Erlösen verklagt, die der Chefarzt durch die Behandlung von Privatpatienten erzielt hatte. Grundlage der Klage war die Tatsache, dass der Oberarzt über viele Jahre hinweg monatlich 2.000,00 EUR von dem Chefarzt erhielt, für die der Krankenhausträger im Rahmen von Gehaltsabrechnungen Steuern und Sozialabgaben abführte. Ab Anfang 2017 verringerte der Chefarzt die Zahlungen auf monatlich 1.000,00 EUR und kündigte Mitte Februar 2018 „vorsorglich“ eine möglicherweise bestehende Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Oberarzt zu Ende des Monats. Trotz der Kündigung leistete er weitere Zahlungen in wechselnder Höhe, in etwa 1.000,00 EUR monatlich. Das Arbeitsgericht Siegburg (Urteil vom 05.12.2018, 4 Ca 663/18) gab der Klage teilweise statt, da es die Kündigung als wirksam ansah. Dagegen verurteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln den Chefarzt zu einer höheren Zahlung, da die Kündigung aus seiner Sicht unwirksam war. Denn sie verstieß, so das LAG, gegen § 241 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. gegen das Gebot der Rücksichtnahme (Urteil, Rn.82-87). Den Anspruch des Oberarztes begründete das LAG mit einer stillschweigend eingegangen vertraglichen Verpflichtung des Chefarztes (Urteil, Rn.72), sowie mit dem Rechtsgrundsatz der betrieblichen Übung, obwohl zwischen Chef und Oberarzt kein Arbeitsverhältnis bestand (Urteil, Rn.73 f.). Dagegen wies das LAG die Klage, die der Oberarzt gleichzeitig gegen den Krankenhausträger gerichtet hatte, mit der Begründung ab, dass das Krankenhaus die Behandlung von Privatpatienten durch den Oberarzt bereits mit dem Grundgehalt bezahlt hatte (Urteil, Rn.90). Das LAG ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zu, wo der Fall inzwischen liegt (Aktenzeichen des BAG: 10 AZR 419/19).
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 03.07.2019, 5 Sa 104/19
Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliche Übung
Handbuch Arbeitsrecht: Chefarztvertrag
Handbuch Arbeitsrecht: Oberarzt - Eingruppierung
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