Update Arbeitsrecht 12|2023 vom 14.06.2023
Leitsatzreport
Arbeitsgericht Gera: Beschäftigungsanspruch eines Betriebsrats während eines Verfahrens auf Zustimmungsersetzung zur Kündigung
Arbeitsgericht Gera, Urteil vom 15.03.2023, 7 Ga 4/23
§§ 242, 613 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); Art.1, 2 Grundgesetz (GG); § 15 Abs.1 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG); § 103 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); § 62 Abs.2 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG); §§ 935, 940 Zivilprozessordnung (ZPO)
Leitsatz der Redaktion:
Beantragt der Arbeitgeber wegen eines behaupteten Pflichtverstoßes eines Betriebsratsmitglieds die Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung, leitet er nach Zustimmungsverweigerung ein Ersetzungsverfahren ein und stellt das Betriebsratsmitglied von der Arbeit frei, so lässt ein Zuwarten des Betriebsratsmitglieds von gut drei Wochen bis zur Stellung eines gerichtlichen Eilantrags auf Beschäftigung den Verfügungsgrund nicht entfallen. Das Betriebsratsmitglied hat die von ihm behauptete Dringlichkeit einer gerichtlichen einstweiligen Verfügung in einer solchen Situation (noch) nicht selbst widerlegt.
Hintergrund:
Ein seit 2018 als CNC-Fräser bei einem Hersteller von Spezialoptiken beschäftigter Arbeitnehmer war Vorsitzender des in dem Betrieb gebildeten Betriebsrats. Sein Verhältnis zum Arbeitgeber war konfliktbelastet, u.a. wegen seiner Mitgliedschaft in der linksradikal-marxistischen Partei MLPD. Nachdem er zwei gegen sich selbst gerichtete Abmahnungen im Betriebsrat zur Diskussion stellte und eine Beschlussfassung des Gremiums darüber herbeiführte, bewertete der Arbeitgeber dies als Amtsmissbrauch und beantragte die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 103 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), die der Betriebsrat verweigerte. Daraufhin reichte der Arbeitgeber am 13.02.2023 (Montag) einen Antrag auf Zustimmungsersetzung beim Arbeitsgericht ein und stellte den Betriebsratsvorsitzenden von der Arbeit frei. Erst gut drei Wochen später, am 08.03.2023, verklagte der Betriebsratsvorsitzende den Arbeitgeber im arbeitsgerichtlichen Eilverfahren auf Beschäftigung. Das Arbeitsgericht Gera gab dem Antrag statt. Der für eine einstweilige Verfügung nötige Verfügungsgrund im Sinne von § 62 Abs.2 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) in Verb. mit §§ 935, 940 Zivilprozessordnung (ZPO) liegt, so das Arbeitsgericht im Anschluss an die überwiegende Meinung, in der laufenden Vereitelung des Beschäftigungsanspruchs durch bloßen Zeitablauf. Dass der Kläger gut drei Wochen zwischen Freistellung (13.02.2023) und Eilantrag (08.03.2023) hatte verstreichen lassen, ließ die Dringlichkeit seines Eilantrags (noch) nicht entfallen. Gründe für eine Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung für den Arbeitgeber lagen nicht vor.
Arbeitsgericht Gera, Urteil vom 15.03.2023, 7 Ga 4/23
Handbuch Arbeitsrecht: Beschäftigung, Beschäftigungsanspruch
Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat - Kündigungsschutz
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