Update Arbeitsrecht 19|2020 vom 16.09.2020
Leitsatzreport
Hessisches LAG: Vertragliche Festlegung einer Wochenstundenzahl bei Abrufarbeit
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 05.06.2020, 10 Sa 1519/19
§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TZBfG); §§ 615, 293 ff., 611a Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Leitsätze des Gerichts:
1. Nach § 12 Abs.1 TzBfG können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt gemäß § 12 Abs.1 Satz 3 TzBfG eine Arbeitszeit von zehn Stunden sowie ab dem 1. Januar 2019 von 20 Stunden als vereinbart.
2. Bei einem Arbeitsverhältnis auf Abruf bleibt die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit trotz § 12 TzBfG privatautonom gestaltbar. § 12 TzBfG greift nur subsidiär ein und fingiert eine Arbeitsdauer von 20 Wochenstunden, wenn vertraglich keine Dauer bestimmt ist. Es ist daher regelmäßig zu prüfen, ob die Parteien - ausdrücklich oder konkludent - etwas anderes vereinbart haben. Daran ist auch nach der zum 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Änderung auf ein Mindeststundendeputat von 20 Wochenstunden festzuhalten.
3. Dem berechtigten Anliegen des Gesetzgebers, zugunsten der Arbeitnehmer für mehr Rechtssicherheit zu sorgen, kann durch eine konsequente Anwendung der Beweislastregeln Rechnung getragen werden. Der Arbeitgeber muss im Prozess eine von der gesetzlichen Mindeststundenzahl abweichende Vereinbarung darlegen und beweisen.
Hintergrund:
Ein Elektroinstallateur, der seit 2011 für einen Elektroinstallationsbetrieb arbeitete, erhielt dort zuletzt einen Stundenlohn von 19,50 EUR brutto. Eine feste wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit war nicht vereinbart. Die Arbeit sollte vielmehr je nach Aufträgen bzw. Anfall geleistet werden. Ende 2018 kam es zum Streit zwischen den Parteien, da der Elektroinstallateur nicht mehr zur Arbeitsleistung bereit war und der Arbeitgeber ihn daher von der Sozialversicherung abmeldete. Anfang Februar 2019 bot der Installateur Anfang seine Arbeitsleistung wieder ausdrücklich an, allerdings ohne Erfolg. Später verklagte er seinen Arbeitgeber auf Lohnzahlung, u.a. für die Monate Februar und März 2019. Zu dieser Zeit (seit Anfang 2019) galt bereits die folgende geänderte Fassung von § 12 Abs.1 Satz 1 bis 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG): „Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart.“ Auf dieser gesetzlichen Grundlage sowie gemäß §§ 615, 293 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verurteilte das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) den Arbeitgeber zur Zahlung von Annahmeverzugslohn für jeweils vier Wochen à 20 Stunden zu 19,50 EUR, d.h. zu jeweils 1.560 EUR brutto für Februar und für März 2019. Denn da der Installateur Anfang Februar seine Arbeitsleistung ohne Erfolg angeboten hatte, war der Arbeitgeber seitdem im Annahmeverzug (§§ 615, 293 ff. BGB) und musste daher den vereinbarten Stundenlohn zahlen. Die Zahlungspflicht bestand für 20 Stunden pro Woche (§ 12 Abs.1 Satz 3 TzBfG), da eine andere Wochenarbeitszeit nicht vereinbart worden war.
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 05.06.2020, 10 Sa 1519/19
Handbuch Arbeitsrecht: Arbeit auf Abruf (Abrufarbeit)
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