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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 05|2023

Update Arbeitsrecht 05|2023 vom 08.03.2023

Leitsatzreport

Thüringer LAG: Rücknahme einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers

Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17.01.2023, 5 Sa 243/22

§§ 133, 145, 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Leitsätze der Redaktion:

1. Die „Rücknahme“ einer Kündigung ist als ein Antrag auf einvernehmliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 145 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu verstehen. Einen solchen Antrag muss der Vertragspartner, dem gegenüber die Kündigung erklärt worden war, nicht annehmen.

2. Beschäftigt der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der eine Eigenkündigung erklärt und kurz darauf „zurückzieht“, danach bis zum Ablauf einer mehrmonatigen Kündigungsfrist weiter, liegt allein in der Beschäftigung keine Annahme des Angebots, das Arbeitsverhältnis trotz der Kündigung einvernehmlich fortzusetzen.

Hintergrund:

Ein seit Januar 1998 in einem größeren Betrieb zuletzt als Schichtmeister tätiger Arbeitnehmer erklärte im April 2021 die fristgemäße Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt unter Einhaltung der vertraglich festgelegten Frist“. Im Arbeitsvertrag war vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis beiderseits grundsätzlich mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden kann. Außerdem war „die Verlängerung der Kündigungsfristen gem. § 622 Abs.2 BGB vereinbart, die sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer als vereinbart gelten.“ Gemäß § 622 Abs.2 Nr.7 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beträgt die Kündigungsfrist für Kündigungen durch den Arbeitgeber nach zwanzigjährigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats. Daher führte die im April 2021 erklärte Kündigung des Schichtmeisters gemäß § 622 Abs.2 Nr.7 BGB in Verb. mit dem Arbeitsvertrag zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30.11.2021. Denn die längere Siebenmonatsfrist gemäß Gesetz und Arbeitsvertrag verdrängte die arbeitsvertraglich im Grundsatz vereinbarte Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende (diese hätte am 30.09.2021 geendet). Da dem Schichtmeister seine Kündigung sehr bald leid tat, erklärte er schon zwei Wochen nach seiner Kündigung per E-Mail, dass er die Kündigung „zurückziehe“, doch darauf ging der Arbeitgeber nicht ein. Nachdem der Schichtmeister bis Ende November 2021 gearbeitet hatte, klagte er auf die Feststellung des Fortbestehens seines Arbeitsverhältnisses. Aus seiner Sicht hatte der Arbeitgeber durch schlüssiges Verhalten („konkludent“) zu verstehen gegeben, dass er mit der Rücknahme der Kündigung einverstanden war, nämlich indem er den Kläger über den 30.09.2021 hinaus beschäftigte. Dieser Argumentation folgte das Arbeitsgericht Suhl nicht (Urteil vom 26.04.2022, 2 Ca 1207/21). Auch die Berufung vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) hatte keinen Erfolg. Denn es waren keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Arbeitgeber von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2021 ausging, d.h. von einer falsch berechneten Kündigungsfrist und nicht von dem korrekt berechneten Vertragsende zum 30.11.2021 (LAG, Urteil, Rn.41-43).

Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17.01.2023, 5 Sa 243/22

Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung des Arbeitsvertrags (Überblick)

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