Update Arbeitsrecht 25|2020 vom 09.12.2020
Leitsatzreport
LAG Schleswig-Holstein: Arbeitsgerichtlicher Eilantrag auf künftige Beschäftigung nur zu bestimmten Arbeitszeiten
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.10.2020, 1 SaGa 4/20
§ 91a Zivilprozessordnung (ZPO); §§ 241 Abs.2, 242, 315 Abs.3, 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); § 106 Gewerbeordnung (GewO)
Leitsätze des Gerichts:
1. Erklären die Parteien ein Berufungsverfahren übereinstimmend für erledigt, ist in entsprechender Anwendung des § 91a Abs.1 S.1 ZPO über die Kosten des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden.
2. Wird in einem Unternehmen nach wechselnden Dienstplänen gearbeitet, übt der Arbeitgeber bei jeder Dienstplanerstellung sein Ermessen hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer aus. Ist ein Arbeitnehmer mit der Lage der für ihn festgelegten Arbeitszeit nicht einverstanden, ist für den konkreten Dienstplan festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 106 S.1 GewO gewahrt sind, insbesondere also, ob der Arbeitgeber billiges Ermessen gewahrt hat.
3. Ein Antrag des Arbeitnehmers generell festgestellt zu bekommen, dass er nicht verpflichtet ist, zu bestimmten Arbeitszeiten zu arbeiten (hier: Kassiererin im Supermarkt, die nicht am Nachmittag und am Samstag arbeiten will), ist in diesen Fällen regelmäßig unbegründet, weil es für die Frage der Billigkeit auf die Umstände bei Ausübung des Direktionsrechts ankommt und diese Umstände sich ändern können.
Hintergrund:
Eine vollzeitig beschäftigte Kassiererin verklagte nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit ihren Arbeitgeber, einen größeren Einzelhändler mit über 70 Kassiererinnen, im arbeitsgerichtlichen Eilverfahren darauf, sie nur in der Frühschicht von 07:00 Uhr bis 15:30 Uhr zu beschäftigen. Hintergrund des Streits waren Probleme der Kassiererin, ihr Kind nachmittags betreuen zu lassen. Nachdem das Arbeitsgericht Kiel der Kassiererin im Eilverfahren recht gegeben hatte (Urteil vom 30.04.2020, 1 Ga 5 d/20), legte der Arbeitgeber Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein ein. Noch während das Berufungsverfahren - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - vor dem LAG anhängig war, verurteilte das Arbeitsgericht Kiel den Arbeitgeber auch im Hauptsacheverfahren dazu, die Kassiererin nur in der Frühschicht, d.h. von Montag bis Freitag in der Zeit von 07:00 Uhr bis 15:30 Uhr zu beschäftigen. Mit diesem Ergebnis fanden sich die Parteien ab und erklärten daher das Berufungsverfahren (im Eilverfahren) vor dem LAG übereinstimmend für erledigt. Daher musste das LAG nur noch über die Kosten des Verfahrens entscheiden, und zwar nach „billigem Ermessen“ (§ 91a Abs.1 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO). Hier entschied das LAG zulasten der Kassiererin, d.h. es legte ihr die Verfahrenskosten auf, denn die Berufung des Arbeitgebers wäre voraussichtlich erfolgreich gewesen. Im Gegensatz zum Arbeitsgericht Kiel war das LAG der Ansicht, dass eine Klage auf künftige Beschäftigung nur zu bestimmten Zeiten in den meisten Fällen unbegründet ist, da es für die Frage der Angemessenheit arbeitgeberseitiger Weisungen (§ 106 Abs.1 Gewerbeordnung - GewO) auf die konkreten Umstände bei Ausübung des Weisungsrechts ankommt. Da sich diese Umstände ändern können, ist eine Klage - ebenso wie ein Eilantrag - auf künftige Beschäftigung zu genau bestimmten Arbeitszeiten in der Regel unbegründet, so das LAG.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.10.2020, 1 SaGa 4/20
Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeit und Arbeitszeitrecht
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