Update Arbeitsrecht 24|2021 vom 01.12.2021
Entscheidungsbesprechungen
BAG unterstreicht dreimonatige Ankündigungsfrist für Brückenteilzeit
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.09.2021, 9 AZR 595/20
Wird eine zeitlich befristete Teilzeit („Brückenteilzeit“) unter Verkürzung der dreimonatigen Ankündigungsfrist beantragt, ist damit nicht immer ein Teilzeitbeginnen zum frühestmöglichen Zeitpunkt gewollt.
§§ 8, 9a Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)
Rechtlicher Hintergrund
Seit Anfang 2019 können Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 45 Arbeitnehmern vom Arbeitgeber nicht nur eine dauerhafte, sondern auch eine zeitlich beschränkte Verringerung ihrer Arbeitszeit verlangen. Voraussetzung einer solchen „Brückenteilzeit“ ist u.a., dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und dass die gewünschte Zeitdauer einer Arbeitszeitverringerung mindestens ein Jahr und höchstens fünf Jahre beträgt (§ 9a Abs.1 Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG).
Ebenso wie bei der „normalen“, zeitlich unbefristete Arbeitszeitverringerung gemäß § 8 TzBfG müssen Arbeitnehmer, die eine Brückenteilzeit in Anspruch nehmen wollen, dies dem Arbeitgeber in Textform mitteilen, und zwar spätestens drei Monate vor dem Beginn der gewünschten Arbeitszeitverringerung (§ 9a Abs.3 Satz 1 in Verb. mit § 8 Abs.2 Satz 1 TzBfG). Die Dreimonatsfrist soll es Arbeitgebern ermöglichen, sich auf die neue Situation einzustellen, z.B. durch Einstellung einer Ersatzkraft.
In der Praxis halten viele Arbeitnehmer bei einem Teilzeitantrag die gesetzliche Dreimonatsfrist nicht ein, oft weil sie wegen einer plötzlichen Änderung ihrer privaten Lebensumstände sehr schnell eine Arbeitszeitverringerung brauchen. Damit weichen diese Anträge zwar vom Gesetz ab, müssen aber trotzdem vom Arbeitgeber beachtet werden.
Denn Anträge auf eine dauerhafte Arbeitszeitverringerung gemäß § 8 TzBfG, denen zufolge die gewünschte Arbeitszeitverringerung bereits früher als in drei Monaten beginnen soll, legt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der Weise aus, dass damit „hilfsweise“ der rechtlich frühestmögliche Beginn der Teilzeit beantragt werden soll (BAG, Urteil vom 20.07.2004, 9 AZR 626/03, Leitsatz 1). Denn in erster Linie geht es dem Arbeitnehmer, so das BAG, um die Arbeitszeitverringerung als solche und nicht so sehr um die Frage, ob sie einen oder zwei Monate früher oder später beginnt.
Vor kurzem hat das BAG klargestellt, dass diese für Arbeitnehmer günstige Auslegungsregel nicht ohne weiteres auf Brückenteilzeit-Anträge übertragen werden kann, die unter Verstoß gegen die Ankündigungsfrist gestellt werden. Denn da eine Brückenteilzeit von vornherein nur für eine begrenzte Zeit gelten soll, macht es (anders als bei einer dauerhaften Arbeitszeitverringerung) einen Unterschied, wann die Teilzeit beginnen soll: BAG, Urteil vom 07.09.2021 (9 AZR 595/20).
Sachverhalt
Eine seit 2007 bei einem öffentlichen Arbeitgeber tätige Angestellte hatte auf tariflicher Grundlage mit ihrem Arbeitgeber eine Ende März 2020 auslaufende vorübergehende Verringerung ihrer Wochenarbeitszeit auf 33 Stunden vereinbart. Da die Voraussetzungen für eine weitere Verlängerung dieser Teilzeit auf tariflicher Grundlage nicht vorlagen, beantragte die Angestellte im Januar 2020, ihre Arbeitszeit ab Anfang April 2020 (weiterhin) auf 33 Stunden pro Woche zu reduzieren, und zwar für ein Jahr von Anfang April 2020 bis Ende März 2021. Dabei berief sie sich auf § 9a Abs.1 TzBfG.
Der Arbeitgeber lehnte den Teilzeitantrag ab, den die Angestellte zunächst in Textform und später nochmals schriftlich gestellt hatte. Dabei berief sich der Arbeitgeber gegenüber dem zweiten Teilzeitantrag auf betriebliche Ablehnungsgründe.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 30.06.2020, 5 Ca 1315/20) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf gaben der Klägerin recht (Urteil vom 28.10.2020, 12 Sa 450/20). Dabei bewertete das LAG Düsseldorf das zweite Ablehnungsschreiben des Arbeitgebers als „vorbehaltlose Erörterung“ des Teilzeitwunsches. Eine solche sachliche Stellungnahme schließt nach der Rechtsprechung des BAG eine spätere Berufung des Arbeitgebers auf die zu kurzfristige Antragstellung aus.
Entscheidung des BAG
Das BAG hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und wies die Klage ab.
Der Arbeitgeber hatte sich zwar bei einer zweiten Ablehnung, die er Ende Januar 2020 erklärte, u.a. auf betriebliche Ablehnungsgründe berufen. Das allein bedeutete aber noch keinen Verzicht auf die Einhaltung der gesetzlichen Mindestankündigungsfrist von drei Monaten (BAG, Urteil, Rn.17).
Entgegen der Auffassung der Arbeitnehmerin konnte ihr Antrag, den sie unter Verletzung der gesetzlichen Mindestankündigungsfrist gestellt hatte, nicht als ein Angebot ausgelegt werden, dass die Änderung der Arbeitszeit dann eben zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirksam werden sollte (BAG, Urteil, Rn.19).
Eine solche Auslegung eines zu kurzfristig gestellten Teilzeitantrages ist zwar bei Anträgen auf eine dauerhafte Verringerung der Arbeitszeit der BAG-Rechtsprechung möglich, doch lässt sich diese Rechtsprechung nicht auf Anträge auf eine zeitlich befristete Brückenteilzeit übertragen (BAG, Urteil, Rn.22).
Denn anders als bei einer dauerhaften Arbeitszeitverringerung, bei der es dem Arbeitnehmer in der Regel nur wichtig ist, dass sie überhaupt einmal beginnt, ist bei einem zu kurzfristig vor dem gewünschten Beginn gestellten Brückenteilzeitantrag unklar, ob der Arbeitnehmer eine Verkürzung der zeitlich befristeten Teilzeit wünscht oder aber eine Verschiebung des Zeitraums nach hinten (BAG, Urteil, Rn.22).
Darüber hinaus hatte die Arbeitnehmerin auch keinen Erfolg mit einem Hilfsantrag, den sie erstmals vor dem Arbeitsgericht in der Kammerverhandlung am 30.06.2020 gestellt hatte, und mit dem sie eine Brückenteilzeit vom 01.07.2020 bis zum 30.06.2021 beantragt hatte.
Denn auch bei diesem Hilfsantrag stellte sich die Frage, ob die Arbeitnehmerin, die auch mit diesem Antrag die Dreimonatsfrist nicht einhielt, eine Verkürzung oder eine Verschiebung gewollt hätte. In Bezug auf diese beide Auslegungsmöglichkeiten hatte sie aber keinen speziellen Klageantrag gestellt, so dass eine entsprechende Verurteilung des Arbeitgebers nicht möglich war (BAG, Urteil, Rn.28).
Praxishinweis
Arbeitnehmer sollten bei Anträgen auf eine zeitlich befristete Verringerung ihrer Arbeitszeit gemäß § 9a TzBfG darauf achten, dass sie die gesetzlich vorgeschriebene Mindestankündigungszeit von drei Monaten einhalten.
Arbeitgebern ist zu raten, bei zu kurzfristig gestellten Anträgen immer (auch) darauf hinzuweisen, dass eine Stattgabe des Antrags (auch) deshalb ausscheidet, weil die Dreimonatsfrist nicht eingehalten wurde.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.09.2021, 9 AZR 595/20
Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeit und Arbeitszeitrecht
Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeitverringerung
Handbuch Arbeitsrecht: Brückenteilzeit
Handbuch Arbeitsrecht: Teilzeitbeschäftigung (Teilzeitarbeit, Teilzeit)
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