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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 04|2023

Update Arbeitsrecht 04|2023 vom 22.02.2023

Leitsatzreport

LAG Nürnberg: Behinderung des Betriebsrats wegen Bekanntmachung von Abfindungsforderungen eines Betriebsratsmitglieds

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 14.11.2022, 1 TaBVGa 4/22

§§ 2 Abs.1; 23; 78 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); § 85 Abs.2 ArbGG

Leitsätze des Gerichts:

1. Für eine Veröffentlichung eines Aushangs durch den Geschäftsführer und den Verwaltungsratsvorsitzenden der Komplementär-GmbH, ein Betriebsratsmitglied habe durch die Forderung nach einer hohen Abfindung das Vertrauen der Belegschaft und die Verantwortung gegenüber dieser missbraucht und dies stelle einen Verstoß gegen das Verbot der Begünstigung dar, besteht kein berechtigtes Interesse. Sie stellt einen Verstoß gegen das Verbot der Behinderung der Betriebsratsarbeit dar. Dasselbe gilt für entsprechende Äußerungen auf einer Betriebsversammlung.

2. Wird die Veröffentlichung durch Intranet, App und Aushang auch auf andere Betriebe erstreckt, stellt dies einen groben Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit dar.

3. Wartet das Betriebsratsmitglied mit verschiedenen Anträgen - etwa demjenigen auf Widerruf solcher Äußerungen - nach einem abweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts fast drei Monate, nach Zustellung mehr als zweieinhalb Monate, bis zur Begründung der Beschwerde, deren Begründungsfrist er sich hat verlängern lassen, ist in der Regel davon auszugehen, dass er selbst kein Eilbedürfnis für sein Begehren sieht. Dies gilt zumindest dann, wenn seit dem letzten Ereignis, das mit der begehrten Unterlassung oder dem begehrten Widerruf zu tun hat, zu diesem Zeitpunkt fast drei Monate vergangen sind.

Hintergrund:

Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied und ehemaliger Betriebsratsvorsitzender hatte an einer Betriebsvereinbarung vom 06.11.2020 mitgewirkt, die als „Freiwilligenprogramm“ bezeichnet wurde und die bei einem freiwilligen Ausscheiden Abfindungen von bis zu 250.000,00 EUR vorsah. Nach der Darstellung des Arbeitgebers soll er nach Abschluss dieser Betriebsvereinbarung für den Fall seines eigenen Ausscheidens eine Abfindung 360.000,00 oder sogar von 750.000,00 EUR verlangt haben, was der Betriebsrat bestritt. Der Arbeitgeber veröffentlichte im Juni 2022 einen Aushang im Intranet und in einer von der Belegschaft genutzten App, in dem es hieß, dass ein freigestelltes Betriebsratsmitglied für sein eigenes Ausscheiden eine Abfindung von 750.000,00 EUR verlangt habe, was als Missbrauch der Verantwortung gegenüber der Belegschaft anzusehen sei. Das damit offenbar gemeinte Betriebsratsmitglied zog vor das Arbeitsgericht Coburg und beantragte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes u.a., dem Arbeitgeber die Wiederholung dieser Aussage in Form eines Aushangs untersagen zu lassen. Das Arbeitsgericht Coburg gab dem Antrag im Wesentlichen statt (Beschluss vom 22.07.2022, 3 BVGa 2/22). Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsratsmitglieds, der eine weitergehende Entscheidung verlangte, hatte vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg keinen Erfolg, und auch die Beschwerde des Arbeitgebers führte im Wesentlichen nur zu einer inhaltlichen Präzisierung der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die streitige betriebsöffentliche Aussage des Arbeitgebers bewertete das LAG als unzulässige Behinderung der Betriebsratsarbeit und als Benachteiligung des betroffenen Betriebsratsmitglieds im Sinne von § 78 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 14.11.2022, 1 TaBVGa 4/22

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