Update Arbeitsrecht 02|2020 vom 22.01.2020
Leitsatzreport
LAG Mecklenburg-Vorpommern: Unwirksame einseitige Herabsetzung des Stundenlohns durch Teilkündigung
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.10.2019, 5 Sa 72/19
§§ 311 Abs.1, 611a Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); §§ 2, 4 Satz 2, 15 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG); § 256 Zivilprozessordnung (ZPO)
Leitsätze des Gerichts:
1. Zur Auslegung eines als „Änderungskündigung Lohn zum 01.09.2018“ bezeichneten Schreibens der Arbeitgeberin.
2. Eine Änderungskündigung im Sinne des § 2 Satz 1 KSchG setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Willen zu erkennen gibt, sich von dem Arbeitnehmer endgültig zu trennen, sollte dieser den vorgeschlagenen Vertragsänderungen nicht zustimmen.
3. Teilkündigungen, mit denen der Kündigende einzelne Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei einseitig ändern will, sind grundsätzlich unzulässig. Sie stellen einen unzulässigen Eingriff in das ausgehandelte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Vertrags dar.
Hintergrund:
Der Betreiber eines Autohauses mit mehr als zehn Arbeitnehmern versuchte, mit einem langjährig beschäftigten Angestellten, der Mitglied des Betriebsrats war, eine Einigung über eine Verringerung des Stundenlohnes zu erzielen, allerdings ohne Erfolg. Aus Sicht des Arbeitgebers war der Stundenlohn nicht (mehr) leistungsgerecht. Schließlich händigte er dem Angestellten Ende September 2018 ein Schreiben mit der Überschrift „Änderungskündigung Lohn zum 01.09.2018“ aus, in welchem es zunächst um die (angeblichen) Leistungsdefizite des Angestellten ging. Danach heißt es in diesem Schreiben: „Da Hinweise und Aussprachen zu keinem Ergebnis führen wird Ihr Stundenlohn ab den 01.09.2018 von 14,00 auf 13,00 € reduziert.“ Der Arbeitnehmer klagte auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis durch das Schreiben des Arbeitgebers nicht verändert worden war. Außerdem klagte er die seit September 2018 angefallenen Lohnrückstände ein. Mit beiden Klagen hatte er vor dem Arbeitsgericht Schwerin Erfolg (Urteile vom 07.02.2019, 5 Ca 1331/18 und 5 Ca 1357/18). Auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern als Berufungsgericht entschied gegen den Arbeitgeber. Denn dieser hatte eine unzulässige Teilkündigung ausgesprochen. Mit dem Schreiben vom September 2018 wollte er nämlich nicht etwa das gesamte Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung beenden (und dem Arbeitnehmer die Fortsetzung zu geänderten Bedingungen anbieten), sondern er wollte vielmehr nur ein bestimmtes Teilelement des Arbeitsvertrages, nämlich den Stundenlohn, zu seinen Gunsten verändern (Urteil, Rn.27). Da solche Teilkündigungen grundsätzlich unzulässig sind, hatte die Klage Erfolg (Urteil, Rn.28).
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.10.2019, 5 Sa 72/19
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